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Abend einen Viehtransport, bestehend aus 6 Stück Rindvieh, auf dem Güterbahnhose hier in Empfang. Laut an ihn ergangener Mitteilung hatten die Tiere 2'/- Tage vorher bei ihrer Absendung in Berlin zum ketztenmale Master erhalten. Ferner war ihm mit» geteilt worden, es sei ein Ochse dabei, der den Transport schwer durchmachen werde. Thatsächlich konnte derselbe wegen geschwollenen Fußes kaum gehen; man riet dem Rothschild deshalb, den Ochsen sofort ins Schlachthaus bringen zu lasten. Dieser trieb jedoch die Ochsen, die bei der damaligen warmen Witterung dem Verschmachten nahe waren, fort, um bald mit ihnen in Cannstatt zu sein. Den kranken Ochsen schlug er unbarmherzig mit seinem Stecken, daß man die Schwielen sah. Er brachte die Tiere nur bis in die Ludwigsburgerstraße, wo verschiedene Leute, empört durch die Mißhandlung des Tieres, einen Schutzmann riefen, der dafür sorgte, daß der Ochse nach dem Schlachthause gefahren wurde, die andern Tiere aber vor dem Weitertreiben getränkt wurden. Das Schöffengericht fand, daß der Angekl. durch sein unbarmherziges Treiben in hohem Grade Aergernis erregt und sich öffentlicher Mißhandlung des Tieres schuldig gemacht habe, weshalb es in dem Strafmaß höher ging, als die Polizei gethan hatte. R. wurde zu 40 Geldstrafe, event. 8 Tagen Gef. verurteilt.
Stuttgart, 21. Aug. Kartoffelmarkt: Zufuhr 800 Ztr. Kartoffeln, Preis 3 ^ bis
3 30 per Zentner. Filderkrautmarkt:
Zufuhr 3400 Stück Filderkraut, Preis 18 ^ bis 25 per 100 Stück. Mo st ob st markt: (Wilhelmsplatz) Zufuhr 150 Ztr. Fallobst. Preis 2 ^ 50 bis 3 ^ per Zentner.
Tübingen, 18. Aug. Gestern hielt das hies. Bataillon auf den Feldern westlich der Steinlach zwischen der Nehrener Mühle und Ofterdingen das gefechtsmäßige Abteilungsschießen mit scharfen Patronen. Die Schießrichtung ging im allgemeinen vom Steinlachufer nach dem Rammertwalde. Zur Absperrung des gefährdeten Raumes waren an den Straßen von Ofterdingen und Dußlingen nach Rottenburg, Kiebingen, Bühl und Weilheim Sicherheitsposten ausgestellt. Um 8 Uhr Vormittag, nachdem die Posten durch berittene Offiziere, die sich gleichzeitig davon zu überzeugen hatten, daß der abgesperrte Raum frei sei, nachgesehen waren, begann das Schießen. Die Ziele wurden durch bewegliche Infanterie-, Kavallerie-, Artillerie- und Kolonnenscheiben dargestellt, die von versenkten Zeigerverdeckungen, aus bedient wurden. Im Laufe des Vormittags wurde kompagnieweise das gefechtsmäßige Abteilungsschießen in kriegsstarken Zügen erledigt. Gegen 12 Uhr mittags begann das Prüfungsschießen im Gelände. Zur Besichtigung desselben waren der Kommandeur der 51. Jnfanterie- brigade Gen.-Maj. Frhr. v. Schlotheim mit dem Brig.-Adj. Hauptmann v. Faber du Faur, sowie der Komm, des Jnf.-Reg. Kaiser Friedrich Oberst v. Fetter mit der Bahn nach Mössingen und von dort mittelst
Wagen nach dem Schießfelde gefahren. Die Kompagnien wurden einzeln im Gefechtsschießen geprüft. Nach zweistündiger Ruhepause wurde noch eine kriegsstarke Kompagnie aus Mannschaften des ganzen Bataillons zusammengestsllt und mit dieser ebenfalls ein gefechtsmäßiges Schießen gehalten. Nach Beendigung des letzteren, 4 Uhr abends, marschierte das Bataillon geschlossen hierher zurück, die Sicherheitsposten wurden mittelst Radfahrer abgelöst. Trotz des strömenden Regens wohnte den Uebungen eine große Anzahl Zuschauer bei, von denen ein Teil in Verkennung der Gefahr sich zeitweise so weit in den gefährdeten Raum hineindrängte, daß einige Male das Schießen auf den Flügeln unterbrochen werden mußte und es der größten Umsicht der die Uebung leitenden Offiziere bedurfte, um Unglücksfälle zu verhindern.
Waiblingen, 19. Aug. Gestern abend ent- stand ein großer Auflauf vor einer Wirtschaft der unteren Stadt, in welcher zwei seit einigen Tagen auf dem Kegelplatz lagernde Bürstenbinder Streitigkeiten verübten und den Ruhe gebietenden Wirt thät- lich beleidigten und bedrohten. Hieber griff einer dieser Burschen zum Messer und versetzte einem der Anwesenden, an dem Streit nicht beteiligten Gast, sieben Stiche in den Kopf. Von der Polizei festgenommen, ergriff der Thäter auf dem Transport zum Wachtzimmer die Flucht, wurde aber wieder eingefangen und heute dem K. Amtsgericht übergeben.
Gmünd, 20. Aug. Seit einigen Monaten ist in unserer Edelmetallindustrie eine erfreuliche Besserung im Geschäftsgang eingetreten; zahlreiche Geschäfte können infolge der ihnen gewordenen Aufträge ihr Fabrikpersonal mit Ueberstunden beschäftigen. Unseren Arbeitern ist eine länger andauernde Beschäftigung wohl zu gönnen, denn es ist nicht zu verkennen, daß die seit Jahren anhaltenden gedrückten Preise unserer Fabrikate einen Einfluß auf die hies. Lohnverhältniffe ausübten. — In Pforzheim ist für die Gold- und Silberwaarenbranche einKreditoren- verein gegründet worden, dem bereits 350 Interessenten beigetreten sind ; derselbe bezweckt bei einer Zahlungseinstellung die Interesse der Vereinsmitglieder durch gemeinsames Vorgehen zu wahren und dieselben gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Auf Anregung von Pforzheimer Industriellen wird in den hies. Blättern zum Beitritt eingeladen und eine Versammlung anberaumt. Die bedeutendsten hies. Geschäftsinhaber bieten allem auf, den Anschluß an den Pforzheimer Verein zu bewerkstelligen.
Rievlingen, 18. Aug. In Reutlingendorf saßen vor dem Elternhause auf einer Bretterbeige zwei Kinder von 3 und 8 Jahren. Der Knecht des Nachbarn wollte einen beladenen Wagen in den Hof einführen, wobei er die Beige einwarf. Währenddem das jüngere Kind unter den zusammengefallenen Brettern nicht unbedenklich verletzt hervorgezogen wurde, geriet das ältere unter die Hufe der durch den Sturz
der Bretter scheu gewordenen Pferde, und wurde ihm der Schädel eingedrückt.
Pforzheim, 21. Aug. Gestern Vormittag '/-12 Uhr fuhren 3 Arbeiter mit einem mit Kies be- ladenen Karren den steilen Schloßberg herunter. In der Nähe des Gasthauses zum Engel konnten die Arbeiter den Karren nicht mehr halten, welcher au dem Hause des Weinhändlers Gloß auffuhr und- einen Fensterladen zertrümmerte. Die Arbeiter und Passanten blieben unverletzt.
Büchenbronn, 21. Aug. Als am Freitag abends der Löwenwirt K. H. mit 2 Kühen vom Futterholen heimfuhr, wurde eine derselben scheu. Der Fuhrmann wollte vom Wagen springen um die Kühe anzuhalten, er bekam aber das Uebergewicht und fiel so unglücklich, daß ihm ein Rad über die Brust ging. Die'Verletzung soll eine gefährliche sein.
München, 19. Aug. In dem dreistündigen Schluß-Wettkampf des texanischen Reiters Cody gegen den Radfahrer Fischer erzielte letzterer 214, Cody 164 Runden. Das Gesamtergebnis der 7 Stunden ist, daß Fischer auf dem Zweirad 258,5 Kilometer oder im Gesamtdurchschnitt 36,929 Kilm Meter per Stunde; Cody zu Pferde 208,962 Kilometer, somit im Durchschnitt 29,852 Kilometer per Stunde zurücklegte. Fischer siegte also über Cody mit einem Vorsprung von rund 50 Kilometern.
München, 21. Aug. Dem „Bayer. Kur.'" wird aus Mannheim gemeldet, Schneidermeister Dowe sei gestern bei einer Vorstellung mit seinem Panzer in Aachen verwundet worden.
Bayreuth, 20. Aug. In unserer Stadt bildet zur Zeit ein eigenartiges Vorkommnis, das Tagesgespräch: Aus der Villa Wahnfried war ein kranker Hund mittelst Droschke nicht nur ins — stävt. Krankenhaus geschafft, sondern auch im dortigen Operationszimmer, nachdem er verendet, sezirt worden. Darob entstand in der Bürgersaft allgemeine Entrüstung und auch das Magistratskollegium befaßte sich mit dieser Entweihung der Krankenhausräume, indem es dem Krankenhausarzte Dr. L., der seine Kur mit dem „Wahnfriedhunde" mit rein wissenschaftlichem Interesse entschuldigte, seine Mißbilligung aussprach mit der Erwartung, daß jede weitere mißbräuchliche Verwendung der zur Verpflegung und Behandlung erkrankter Menschen bestimmten Räume des städtischen Krankenhauses künftig vermieden werde. Üebrigens, hatte auch der Königliche Bezirksarzt Dr. S. der Sektion des Hundes beigewohnt.
Mainz, 20. Aug. Aus dem Rhein wurde heute eine weibliche Leiche ohne Kopf herausgezogen. Allem Anschein nach ist die Ermordete, die eine Geldtasche umhängen hatte, Kellnerin gewesen.
Aus Rheinhessen, 17. Aug. Nachdem das in diesem Jahre außerordentlich gut geratene Getreide geerntet und auch großenteils bereits schon
„Nun dürfen wir sie um ein Boot ersuchen," bat Mister Parks.
„Lasten Sie die Gig klar pfeifen, Leuthold! ich steure selbst!"
Die Gig setzte ab.
„Kasta mllLLNL!" klang es leis». „Bis Morgen!" Ein starker Händedruck. Die Riemen schlugen das Wasser. Drüben im Westen rin einziger blutroter, schmaler Streif über dem Master; über den Bergen der volle Mond aufgehend und funkelnden Silberglanz über die See streuend. Vom Land her daS Rollen der brandenden See auf den Strand; dann und wann ein singender Ton» ein Helles Jauchzen, ein Trommelwirbel in eintöniger Wiederholung aus einer Negerhütte im Dorf, in der
sie nach ihrer Art vergnügt waren-und ich lag überm Geländer der Reeling
und starrte glück- und traumversunken ins Wasser, in dem die ersten Sterne sich spiegelten; da Kat mein Freund Boshow zu mir und legte mir die Hand auf die Schulter:
„Donnerwetter, Leuthold! Die ist echt!"
Ich drückte ihm die Hand, hart.
Er lehnte neben mir übers Geländer und sah auch hinab.
„Läufer, ruf' den Steward!"
Und im Mondschein an Deck saßen zwei auf einem Taubund, und der Schaumwein perlte in den Kelchen.
„Boshow, das Leben ist doch schön!"
„Sagte der Marquis Posa auch, da schaffen sie ihn tot."
„Weißt du nicht etwas, was ich anfangen kann, wenn ich den Dienst quittieren
muß?"
„Ja, übernimm die Plantage und hilf die Zuckermühle drehen!" lachte er. „Mann, sei kein Esel! — Um zwei schöner Mädchenaugen willen? Reisebekanntschaft — angenehme Erinnerung! — Ja, wenn sie Gemüt hätte: die schönste Frau der Marinestation! Dann brauchtest du nicht abzugehen. WaS? Wäre .scheußliche Lästerung', .Gemüt' für .Geld' zu sagen? H'lft nichts, gehört einmal dazu und klingt doch nicht so roh wie .Geld'. Seid ihr denn schon klar mst einander?"
„Mann, was denkst du! Glaubst du, daß ich dann so neben dir säße, wie
jetzt?"
„Ach so, weiter nichts, als so ein bißchen Händedruck! — beschlaf' es einstweilen, mein Junge, und laß dir 'was Schönes träumen; ich geh' zur Koje, denn ich habe Hundewache. Schlaf' wohl und mach' keine Dummheiten; guter Rat kommt über Nacht, und hübsche Mädel giebt'S wie Sand am Meer."
Und ich saß da und sah in die See hinein und hätte nur gewollt, ich könnte all die goldenen Sterne da unten aus dem Meer herausfischen, und hätte aus dem Gold mir viel, viel Goldstücke prägen lassen können — und ich legte die heiße Stirn auf dos kalte, taufeuchte, eiserne Geländer der Kampanje: ein armer Offiziers — und ein armes Mädchen!
Am nächsten Morgen in der Frühe ließ der Kapitän mich wecken. Ich fand den Zahlmeister schon bei ihm.
„Wir gehen am Sonntag morgen Anker auf!" rief er mir zu. „Wir haben zu viele Fieber-Kranke."
Ich stand wie vom Donner gerührt. Übermorgen! und ich hatte auf Wochen gerechnet.
„Heute und morgen müssen wir die ganze Post erledigen mit allen Berichten, Ich gehe von hier direkt nach Nordamerika über die Bermudas und rechne auf eine lange Seereise. Sie werden sich dran halten müssen, um fertig zu werden."
Da lag mein ganzer Glückstraum zerschlagen vor mir. Das Herz that mir weh. — O, jetzt zu ihr hinüber — bei ihr sein — sie sehen — und statt dessen an daS selbsterdachte, erbärmliche Pult, das ich über meine Koje legen konnte, geschmiedet und an die Einsamkeit und Temperaturglut meiner Kammer gebannt, den ganzen Tag! Da wuchs erst die Liebe zur Leidenschaft auf, aber zur verzehrenden, alles Glück und allen Frieden in mir stürmend vernichtend. — Der Kapitän war ernst und gemessen freundlich, so oft ich mit einer Arbeit zur Unterschrift oder einem Verricht zu ihm in die Kajüte kam.
(Fortsetzung folgt.)