»»onnementspreil vierteljährlich in der Stadt -0 Pfg. «v» SS Pfa. TrLgerlohn. durch die Post bezöge» VN. 1. IS, s»nst t» ganz Württemberg Mk. 1. SS.
98.
Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
69. Jahrgang.
Erscheint Vien«tsg, D»nner»r«§ «nd Sam »rag. Die Einrückung-gedühr bettißt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. di« Aeile» sonst 18 Pfg.
Donnerstag» den 23. August 1894.
Tagesneuigkeiten.
Stuttgart, 18. Aug. (Ausstellung). Die Vorarbeiten zur Großen Deutschen Bäckerei-, Konditorei, und Kochkunst-Ausstellung, welche vom 9. bis 16. Sept. d. I. in Stuttgart unter dem Protektorat des Königs abgehalten wird, verbunden -mit dem 3. Zentralverbandstage des Freien Deutschen Bäckerverbandes, machen brillante Fortschritte. Bis heute sind bereits über 300 Aussteller angemeldet, und weitere 100 werden, nach den täglich einlaufenden Anmeldungen zu schließen, wohl noch folgen. Um den Besuch zu einem recht großartigen zu gestalten, hat die außerordentlich rührige Kommission, welche erste Kräfte umfaßt, Ehrenkarten für verdiente Personen "drucken lassen, welche zum großen Teile schon versendet sind. Die Einladungen gehen nicht nur nach ganz Deutschland, sondern auch nach Oesterreich-Ungarn, nach der Schweiz, nach Belgien, Holland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Rußland, Frankreich, England, Griechenland, Italien, Spanien und Portugal rc. ' Ehrenpreise sind schon angemeldet: vom Freien Deutschen Bäckerverband (Mk. 400), vom Badischen Bäckeroerband, von der freien Bäckergenoffenschaft Karlsruhe und 'von Herrn Fritz Kreglinger in Stuttgart-Berg; weitere Ehrenpreise werden ohne Zweifel folgen. Auch die Reklame ist in keiner Weise vernachlässigt worden. Die größten deutschen rc. Zeitungen haben Jnseraten- Aufträge erhalten, und weitere Annoncen werden, je nach den Fortschritten der Ausstellung, noch verteilt werden. Biele der angesehendsten Stuttgarter Hotels haben ihre Beteiligung für die Abteilung Kochkunst zugesagt, die Maschinen-Abteilung wird in -ganz vorzüglicher Weise besetzt sein und täglich
entschließen sich noch bei dem guten Rufe, der der Ausstellung vorangeht und in immer weitere Kreise dringt, größere Firmen zur Beschickung. Daß Gebäcksorten aus den meisten Kulturstaaten ausgestellt sein werden, giebt der Ausstellung einen besonderen Reiz. Eine Anzahl französischer Kollegen hat sich dieser Tage persönlich in Stuttgart über den Umfang der Ausstellung orientiert und wird in der Heimat nach besten Kräften für die Beschickung und den Besuch des Unternehmens wirken. Von einer weiteren Erhöhung des sich auf Mk. 50,000 beziffernden Garantiefonds ist ganz abgesehen worden, da nach dem heutigen Stand der Sache ein Defizit definitiv ausgeschlossen erscheint. Aus dem Erlöse der Lotterie wird die Ausstellungskommission bei den Ausstellern in der Ausstellung selbst für Mk. 10,000 Waren ankaufen. So wird denn dieses dem Gemeinwohl zu Gute kommende, auf die Förderung der Kenntnisse des Einzelnen, auf die Verbesserung der technischen Einrichtungen, auf die Hebung ver beteiligten Gewerbe und auf die Verstärkung des Fremdenverkehrs abzielende gemeinnützige Unternehmen unter den denkbar besten Auspicien in's Leben treten können.
Stuttgart, 20. August. Der R.-T.-Ab- geordnete Liebknecht sprach gestern vorm, im Zirkus Hangleiter vor einer großen sozialdemokratischen Versammlung in zweistündiger Rede über das Thema „Sozialdemokratie und Anarchismus." Unter den Zuhörern befanden sich wiederum viele Frauen und Mädchen. Der Redner bemühte sich, den Gegensatz der Bestrebungen beider Parteien als einen diametralen darzustellen, und versuchte den Nachweis, daß die meisten Attentate der letzten 20 Jahre entweder die Thaten irrsinniger Individuen oder beauftragter
Polizeiorgane gewesen seien, um Handhaben gegen die mächtig anwachsende Sozialdemokratie zu geben. In letzterer Beziehung hob der Redner namentlich auf die Attentate Hödels und Nobilings ab, während er den evidenten Beweis von der Verrücktheit Caserio's in der Harmlosigkeit seines Opfers findet. Di« Sozialdemokratie sei weit entfernt, die Attentate zu verherrlichen, aber sie finde sie teilweise natürlich, so das Attentat auf Crispi, das Haß und Rache eingegeben hätten. Zum Schluß stellte der Redner die Unterschiede beider Parteien etwa wie folgt einander gegenüber: Der Anarchismus ist der absolute Jch- Kultus, der die Gesellschaft in Atome auflösen will, der jede Organisation zerstört. Die Sozialdemokratie ist nicht für den Kultus des Individuums, ihr Prinzip ist vielmehr gerade die Organisation, der heutige Staat ist ihr nicht organisiert genug. Der Anarchismus heißt den persönlichen Kampf des Jchs gegen die Gesellschaft gut, die Sozialdemokratie verwirft jede Vernichtung des Individuums. Unter den für und gegen Liebknecht austretenden Rednern, die meist sehr verworrenes Zeug vorbrachten, ist Frln. Gröz- müller besonders bemerkenswert, eine gewesene Lehrerin, die für die sozialdemokratischen Forderungen auftrat und für die Frauen das Recht forderte, in den Versammlungen mitzuberaten. (Schm. M.)
Stuttgart, 21. Aug. Gestern stand der 32jähr. Viehhändler W. Rothschild, wohnhaft in Cannstatt, Mitteilhaber der Firma Rothschild und Kühnle, wegen Tierquälerei, der er sich am Ostermontag d. I. schuldig gemacht hatte, vor Gericht. Das Stadtpolizeiamt hatte ihin deshalb 25 ^ Geldstrafe diktiert, Rothschild aber gerichtliche Entscheidung verlangt. Rothschild nahm am Ostermontag gegen
^ IRachdruck onboten.I
Am letzten Abend.
G. Walter.
(Fortsetzung.)
„Ko ockenso!" sagte sie leise. „Seien Sie mir nicht böse!"
Em warmer Strom von Glück zog durch meine Seele. Langsam stieg sie Äie Stufen empor; fest hielt ich ihre Hand noch in meiner. Nun war der erste 'Ving einer sehr starken Kette geschmiedet und geschloffen.
Und der zweite Ring dann am Abend selbigen Tages, den wir in Glück und Frieden Stunde um Stunde mit einander verlebten.
Wir waren an Bord zurückgekommen. In der Kajüte des Kommandanten war das Mahl zugerichtet. In goldenem Glanz und dann mit purpurnem Glühen sank die Sonne draußen ins Karibische Meer, das leise vom Abendwind auftauschte, und Gold- und Purpurglanz fiel durch die Fenster der Kejüte auf den Tisch, um den wir saßen, und auf unsere Gesichter. Da hob draußen unsere Echiffsmusik an: .Da» Meer erglänzte weit hinaus Im letzten Abendscheine —"
Carmen verstand das Lied und kannte die Weise. Ihr Vater war Engländer, ihre Mutter eine Spanierin gewesen; aber auf Antigua hatte sie deutsch gelernt, und an den Büchern, die Kapitän v. Normann ihr gesandt, hotte sie weiter gearbeitet. — Di« Cigarren waren umhergereicht. „Wenn's mir paßt, bin ich Spanierin." hatte sie dem Kapitän lachend geantwortet auf seine Frag», „und immer, wenn die Herren rauchen wollen." Da erklang draußen das Lied. Sie saß zurückgelehnt im Stuhl, die kleinen Füße übereinander gelegt, die fernen Finger leicht verschränkt, -und sah käumend hinaus, dahin, wo das Meer brauste und der Himmel offen war. *Jm Takte wogt dein schönes Haupt" — fiel eS mir ein, wie sie das Lied so begleitete.
Die Gläser des Vaters und des Kapitäns klangen zusammen; ich neigte mich über den Tisch zu ihr: „Singen Sie das Lied?"
Sie sah mich an und nickte.
„Wollen Sie es mir einmal singen? Bei Ihnen zu Hause?"
„Ja wenn Sie wiedcrkommen."
„Darf ich es denn?"
„Natürlich!" Voll und freundlich lag der Blick ihrer Augen auf mir.
„Wann?"
Sie lächelte: „Kann ich Ihnen befehlen? Wir können Ihnen nichts bieten, gar nichts. Sie sind an Glanz und Reichtum gewöhnt, wie es hier um uns her steht, und wie eS Freude macht, es zu sehen und zu genießen. Bei uns ist'« leer und kahl —" -
„Thut Ihnen das so leid? Möchten Sie so gern reich sein?"
Die Herren waren ausgestanden und kehrten uns, oufs Meer hinausschauend» den Rücken. WaS stieg da plötzlich in ihrem Auge auf und blitzte darin und fiel wie ein Heller Tautropfen auf ihre Hand?
„Reich sein?" sagte sie flüsternd. „Nein — aber mein Vater ist reich gewesen, und es bricht ihm das Herz, jetzt um ein totes Pferd feilschen zu müssen, wie gestern." Ich hatte mich dicht zu ihr geneigt. Sie hob die Hand vor die Augen, um sie zu verdecken.
„DaS ist daS weinfarbene Meer Homers," hörte ich den Kommandanten sagen. —
„Darf ich morgen in Ihr armes HauS kommen," flüsterte ich, „und da sehr reich sein?" — Sie stand auf und trat zum Vater, eine Hand auf seine Schuster legen- und ihr Haupt an ihn lehnend.
„WaS ist Dir, mein Kind?" fragte er freundlich und hob ihr Gesicht — „«>- sogar Thronen?"
Sie sagt« nichts und barg sich tiefer in seinen Armen. „Das Lied!" sagt« sie leise.