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Sitzung der Strafkammer vom 27. April wurde er wegen erschwerten gewerbsmäßigen Wilderns zu acht­monatlicher Gefängnisstrafe und 5jährigem Verlust der Ehrenrechte verurteilt.

Stuttgart, 2. Mai. Die hiesige Sozial­demokratie feierte den Weltfeiertag in 2 großen öffent­lichen Versammlungen; die eine, in welcher I. Stern sprach, fand Vormittags im Hirsch statt, die andere, in welcher Karl Kloß als Festredner auftrat, wurde am Abend im Zirkus-Gebäude abgehalten. Die letz­tere Versammlung hatte einen gewaltigen Andrang zu verzeichnen. Zwei Resolutionen: zu Gunsten des 8 Stunden-Arbeittages die eine, die andere gegen den Württemberg. Verfaffungs-Revisionsentwurf wurden unter lebhaftem Beifall angenommen.

Reutlingen, 28. April. Der 28jährige Konditor A. Förster von Neuenstein, OA. Oehringen, wurde von einem hiesigen Schutzmann verhaftet. Der­selbe hatte in Stuttgart in Gemeinschaft mit einem Genoffen eine größere Anzahl von Velocipeden gestohlen und suchte nun eines derselben im Wert von 400 ^ hier zu verkaufen. Sein Genosse ist auf telephonische Benachrichtigung von hier aus in Stuttgart verhaftet worden.

Ebingen, 30. April. (Raub anfall.)

Eine Blutthat, die von einer kaum glaublichen Rohheit und Verkommenheit des Thäters zeugt, brachte gestern Nachmittag die hiesige Einwohnerschaft in große Auf­regung. Zwischen 23 Uhr, also am helllichten Tage, wurde nämlich der in den 30ger Jahren stehende Knecht des Herrn Fuhrhalter Bitzer hier, namens Löffler von Stetten, der mit einem Frachtfuhrwerk in Rottweil war und auf der Rückkehr sich befand, im obersten Einschnitt der Lautlinger Straße, also nicht weit von der Petersburg-Wirtschaft, überfallen, und ausgeraubt. Wegen des Regenwetters wurde die sonst frequentierte Straße zu der fraglichen Zeit von niemand begangen, so daß man auf die Thal erst später, als die Pferde ohne Fuhrmann heimkamen, aufmerksam wurde. Die Ermittlungen haben ergeben, daß der bedauernswerte Mann, der nun bewußtlos im Spital liegt, mittelst eines Hammers, der ganz in der Nähe im Ackerfeld aufgefunden wurde, traktiert wurde; er hat am Kopfe mehrere und so schwere Wunden, daß nach der Aussage der Aerzte an eine Rettung kaum zu denken ist. Nach Annahme seines Dienstherr» mußte der Knecht etwa 120 ^ nebst seinem eigenen Taschengelde im Besitze haben. Dieses Geld und die Taschenuhr eignete der Strolch sich an, während daS Taschengeld ungefähr 1012

noch vorgefunden wurde. Also wegen 120 ^ ein absichtlicher Mord!! Diese That erinnert lebhaft an den Fall Diemer und seine Begnadigung!

Ein der That verdächtiger junger Mann wurde verhaftet, jedoch wieder freigelassen, weil er seine Un­schuld Nachweisen konnte; dagegen hat bei der weiteren Nachforschung die Spur auf einen berüchtigtenZucht­hausriegel" geführt, der sich gestern in der betreffenden

weil Dir das Gefühl überhaupt fremd ist. Kalter Herzlosigkeit wird es immer leicht, ihren Weg zu finden!"

Sie sah ihn nur mit einem Blick an, der ihm die ganze Tiefe ihrer Verachtung enthüllte. Er verzichtete auf weiteres Reden.

Ehe sie ihn verließ, bemerkte sie noch, daß sie ihre weiteren Angelegenheiten mit dem alten RechtSsreunde, auf dessen unbedingte Diskretion sie zählen dürfe, be­raten würde. Sie fügte die Bitte hinzu, daß er künftig über alle GeschästSsachcn mit diesem verhandeln möge, da es ihr unmöglich sei, gerade über diese fortan noch mit ihm zu reden.

Sie sah nicht mehr, daß Eduard sich bei ihren letzten Worten auf die Lippen biß, daß seine Züge sich verfärbten.

Noch an demselben Tage kehrte Eveline nach Garkau zurück.

Daß die Welt sich des Verhältnisses zwischen dem Riesen'schen Ehepaar be­mächtigen würde, hatte Eduard richtig vorausgesagt. Ihm selbst blieb es überlassen, das böse Spiel möglichst zu feinen Gunsten zu lenken, sich zwischen Anspielungen, Vermutungen, direkten und indirekten Fragen, offenem oder verstecktem Tadel hin­durchzuwinden und doch die Menschen über die wahr« Sachlage zu täuschen, so daß niemand recht wußte, von wem da« Zerwürfnis und daß ein solche» bestehen mußte, war offenbar, da Eveline stets auf Garkau blieb, Eduard aber nie dorthin kam eigentlich ausgegangen war. Immerhin aber war man geneigt, Eveline, die wegen ihres eigentümlichen Wesens keine große Beliebtheit genoß, die Haupt­schuld beizumefsen und Eduard, welcher trotz seiner bedenklichen Moralität im Rufe großer Liebenswürdigkeit stand, nach wie vor als eukant xats zu behandeln und zu bedauern. Namentlich aber erklärten di« Freunde des letzteren, es lei unmöglich ge­wesen, daß der arm« Riesen die» Hetzen am Strick", zu welchem seine Frau ihn gezwungen, länger hätte ertragen können, und man dürfe sich daher gratulieren, daß der alle Bursche wiederflott" geworden sei.

Allerdings wurden andere Eveline« gerechter, wandten aber dann ihr Urteil

Maßregeln. Von 5'/-Uhr bleibt die gesamte Polizei- Mannschaft in den Revierwachen konsigniert; von 6 Uhr ab ziehen starke Patrouillen durch die Straßen behufs Beaufsichtigung von Ansammlungen, sowie von Fabriken und Werkstätten, wo trotz des Feiertags gearbeitet wird..

Berlin, 1. Mai. Bis jetzt, Vormittags 10 Uhr, ist von der Maifeier nichts zu bemerken;, die Arbeiterviertel tragen die gewöhnliche Physiog­nomie. Von besonderen polizeilichen Maßregeln ist auch noch nichts zu sehen. Eine große Anar­chistenversammlung wurde gestern Mittag auf­gelöst, als ein Redner ausführte, die Arbeiter müßten ihr Recht mit Säbeln und Flinten erkämpfen. Der Polizeilieutenant warnte die Versammelten vor Aus­schreitungen.

Berlin, 1. Mai. Die Luftschifferabteilung soll im nächsten Jahre um mehr als die Hälfte der bisherigen Stärke erhöht werden.

Berlin, 30. April. DieKrzztg." meldet, Assessor Weh lau, schon seit längerer Zeit aus Ka­merun zurückgekehrt, habe Urlaub erhalten, bis die gegen ihn eingeleitete Disciplinaruntersuchung be­endigt sei.

Berlin, 1. Mai. Das Landgericht I verur­teilte heute Ahlwardt wegen Beleidigung der Ge­samtheit des preußischen Beamtenstandes, begangen in einer am 29. Oktober 1891 zu Essen gehaltenen Rede, zu dreimonatlichem Gefängnis.

Cronberg, 1. Mai. Nachm. 6 Uhr. Nach der Frühstückstafel, welche um 1 Uhr stattfand, er­ledigte der Kaiser Regierungsgeschäkte. Nach 4 Uhr unternahm der Kaiser, nur von der Kaiserin Friedrich begleitet, eine Spazierfahrt nach Oberursel und kehrte durch das überaus prächtig geschmückte Städtchen Schön­berg nach Schloß Friedrichshof zurück. Prinz Ludwig von Battenberg, der zur Vorstellung befohlen und gestern mit dem letzten Zuge hier angekommen war, hat Cronberg heute Nachmittag um 3.15 wieder ver­lassen. Das Wetter ist stürmisch, es fällt starker Regen. Die Abfahrt des Kaisers erfolgte um 8 Uhr bei sehr regnerischem Wetter. Trotzdem hatten sich außer den Militärvereinen und den Kriegervereinen von Cronberg, welche in Korpore mit Fahnen und Musik erschienen waren, mehrere hundert Personen am Bahnhofe eingefundcn, die den Kaiser, welcher mit seiner Mutter in halbverdecktem Landauer anlangte, stürmisch begrüßten. Der Kaiser verabschiedete sich von der Kaiserin Friedrich im Fürstenpavillon. Auf die Hochrufe des Publikums zeigte sich der Kaiser grüßend am Fenster. Die Kaiserin Friedrich schritt nach Abfahrt des Zuges die Front der Kriegervereine ab und fuhr von Hochrufen begleitet durch Cronberg nach Schloß Friedrichshof zurück.

Wien, 30. April. 30 000 Bauarbeiter treten heute in den Ausstand, die Zimmerer werden sich wahrscheinlich anschließen.

Wien, 2. Mai. Die Maifeier ist sehr ruhig verlaufen. Die Zahl der Teilnehmenden be-

gegen den alten Onkel und die verhängnisvoll« Klausel des Testaments, durch welchen dieser einen so herben Mißgriff, vielmehr ein so unverzeihliches Unrecht begangen hatte. Wußte man ja doch im Publikum, daß er Neffen und Nichte gewissermaßen zur Heirat gezwungen, indem er sie als unerläßliche Bedingung zur Erlangung der Erbschaft festgestellt und verfügt hatte, daß dir Weigerung eines der beiden Telle nicht allein die eigene Enterbung, sondern auch die des andern nach sich ziehen sollte.

Daß die Sache so war, konnte nicht bezweifelt werden, denn der Herr von Riesen hatte dies seinerzeit selbst, fein zwar, aber doch deutlich genug zu verstehen gegeben, und so gewöhnten sich denn die milder Denkenden bald daran, die beiden Gatten als die Opfer eines moralische« Zwangs anzusehen und zu bemitleiden.

Durch Eveline erhielten jene Auffassungen übrigens weder Widerlegung noch Bestätigung. Sie schwieg beharrlich zu allen Gerüchten, die über sie und Eduard im Umlauf waren und auf die eine oder andere Weise doch auch ihren Weg nach Garkau fanden; sie schwieg soweit es irgend möglich war, selbst gegen den alten Bose über ihre persönlichen Verhältnisse, wenn es auch unerläßlich war, ihn einen Ein­blick in die finanzielle Sachlage nehmen zu lassen, da es ihr entschiedener Wille war, ihre Angelegenheiten zu ordnen.

Es stellte sich bei dieser Gelegenhell heraus, daß Eduard verstanden hatte, die ihm von Eveline eingeräumten Rechte zu benutzen, daß seine Hand in Wahrhell frei über das Vermögen gewaltet hatte, und kaum glaubliche Summen in dem einen Jahr verausgabt worden waren.

Eveline verlor hierüber kein Wort, ließ es aber geschehen, daß ihr Anwalt, der mit Eifer in seine Geschäfte eintrat und bei dem eS keiner besonderen Instruktion mehr bedurfte, einen Kompromiß zustande brachte, durch welchen noch jetzt eine Art Teilung des Vermögens vorgenommen wurde.

(Fortsetzung folgt.)

Gegend Herumgetrieben hat, und ist nur zu wünschen, daß die Polizei desselben bald habhaft wird.

Ulm, 30. April. In der Nacht vom Freitag auf Samstag wurde hier ein junger Bursche bewußtlos auf der Straße liegend gefunden. Er wurde auf die Polizei verbracht, wo er gegen mittag wieder zur Besinnung kam. Nach seinen Angaben ging er Tags zuvor, von seinen Eltern mit einem Reisegeld von 25 Mark versehen, auf die Wanderschaft und fiel hier einem liederlichen Kleeblatt in die Hände, das mit dem unerfahrenen Burschen dessen Barschaft bis auf den letzten Pfennig vertrank. Einer der Gesellschaft nahm ihm sogar seine Uhr ab.

AusBaden, 27. April. (Streikunruhe.) Selbst die von allen Handwerkern am wenigsten er­regbaren Maurer fangen hier an unruhig zu werden, und in Freiburg ist cs bekanntlich bereits zu einem Ausstand derselben gekommen, der die Zentralkasse des Fachvereins bis jetzt schon 3500 gekostet hat. Das Freiburger Beispiel scheint Nachahmung finden zu sollen. So haben z. B. in Pforzheim, wo­selbst zur Zeit eine sehr rege Bauthätigkeit herrscht, die Maurer in den letzten Tagen hintereinander mehrere stark besuchte Versammlungen abgehalten, in welchen beschlossen wurde, die Arbeitgeber aufzufordern, die italienischen Arbeiter zu entlasten. Gegen die italienischen Maurer, die überhaupt in Baden in großer Zahl vor­handen sind, herrscht große Erbitterung, nicht minder gegen die württembergischen Arbeiter, welche in letzter Zeit die Streikenden in Freiburg teilweise ersetzt haben. Die Beschäftigung der Italiener soll auch den Gegen­stand einer Petition an den Landtag bilden.

Heidelberg, 29. April. In der am Sams­tag in Baden-Baden stattgefundenen Hauptversammlung der süddeutschen Portland-Zement-Fabri- kanten wurde ein am 1. Mai in Kraft tretender Preisaufschlag einstimmig beschlossen. Begründet wird derselbe durch die eingetretene Verteuerung der Kohlen und aller anderen Betriebsmaterialien.

Vom Rhein, 26. April. Aus allen Wein­baugebieten liegen die erfreulichsten Nachrichten über den Stand der Reben vor. Die einzelnen Stöcke sind schon weit entwickelt und selbst die im letzten Jahre erfrorenen sind reich voll Gescheine. Die jungen Neben versprechen einen guten Ertrag, weil im ver­flossenen Jahre das Jungholz gut durchreifen konnte. Im allgemeinen ist der Stand der Reben vier Wochen voraus, bei günstigem Wetter wird die Blüte schon im Mai allgemein sein. Das war in diesem Jahr­hundert nur 18 Mal der Fall; 1893 am 13. Mai.

Hamburg, 30. April. Die Sozialdemokraten verbreiteten Hierselbst und in Altona 300000 Flug­blätter zur Maifeier. Der für morgen angekündigte Aufzug fällt fort, dagegen finden 20 Versammlungen statt.

Berlin, 1. Mai. Trotzdem Ruhestörungen anläßlich des heutigen Arbeiter-Weltfeiertages nicht be­fürchtet werden, traf die Polizei doch die umfassendsten