Italien und die Anschlußsrage

Ter Corriere de la Sera für eine positive Lösung der Anschlnhfrage.

TU. Rom, 31. Juli. Zur letzte» Poincare-Nebe meint der Corriere de la Sera, sie sei trotz gewollter äußerer Ver­söhnlichkeit bezeichnend siir die Revanchefurcht maßgebender französischer Kreise. Der Druck, den Deutschland in der Räumungsfrage ausübe, vergrößere noch die französische Beunruhigung. Dazu käme noch erschwerend hinzu, daß die französischen Truppen im Rheinland kein Ansehen mehr ge­nössen. Das Hütten selbst französische Blätter cingesehen. Aus sranzösischen Prestigegründen befürworten auch sie eine baldige Räumung des Nhciulandes. Wie die mitteleuro­päischen Verhältnise liegen, hätten die Wiener Ereignisse deutlich gezeigt. Frankreich wisse genau, daß es in kurzer Zeit schon ans egoistischen Gründen heraus zur Rheinland­räumung gezwungen werde. Diese Räumung wolle Poincare mit einer bindenden deutschen Erklärung gegen den Anschluß erkaufen. Der Corriere de la Sera hält dies für unmöglich. Die Großmächte sollten endlich eine positive Lösung des An- schlnßproblems suchen.

Kleine politische Nachrichten

Erneuter Stillstand in den Genfer Sce-Abnislnngs- Verhandlnngen.

TU. Gens, 31. Jnli. Nach der Bekanntgabe der neuen englischen Flottenabrüstungsvorschlüge ist in der Konfe­renz sogleich wieder ein gewisser Stillstand cingerreten, da die amerikanische Delegation gegenwärtig ohne neue In­struktionen aus Washington weiterznverhandeln nicht in der Lage ist. Die englischen Vorschläge sind noch im Lause deS gestrigen Abends im Wortlaut von der amerikanischen Delegation nach Washington gekabelt worden.

Französische Genugtuung.

Paris, 31. Juli. Die Tatsache, daß Deutschland noch im­mer nicht die Bestätigung der Erfüllung seiner Abrüstungs- verpflichungen erhalten konnte, verursacht demTemps" die freudigste Erregung. Die englische Negierung habe festste- stellt, daß trotz der Versicherung verschiedener deutscher Mi­nister Deutschland noch immer nicht alle Abrüstnngsver- pflichtnngen erfüllt habe.Das haben wir ja immer ge­wußt", schreibt das Blatt.

Eine Revision des Dawesplancs! Nach einer Meldung der Morgenblätter aus Williamstown (Massachnietts) wid­mete das gestern zusammengetretcne Institut für Politik seine Aufmerksamkeit der Frage der Notwendigkeit einer Revision des Dawesplancs. Dr. Josef Davis von der Stam- ford-Universität erklärte zur Frage der deutschen Npcara- tionszahlungen, es sei ungewiß, ob Deutschland imstande sein werde, die höheren Zahlungen zu leisten, die nach dem Dawesplan bald fällig seien. Wenn dies nicht der Fall sei, müsse bald eine definitivere Regelung der deutschen Repara- tonszahlungen gefunden werden. Am Sonnabend wird ein Vortrag Dr. Peter Neinholds stattfinden.

Riesenüberschwemmung in China

Tausend Uebcrschwemiuungsopser.

Amoy, 31. Juli. Durch eine Niesenüberschwemmnng wur­den 100 Quadratmeilen in der Provinz Fnkie», besonders

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(32. Fortsetzung.)

Nach der Mahlzeit las Anatol noch einmal den Zettel Katharinas und den Brief des alten Selinke durch. Letzteren riß er in ganz kleine Stücke, ging hinaus und streute ihn in alle Winde. Wenn er auch an Katharinas Stelle in den Dienst des Bauern trat, fühlte er sich deshalb doch noch nicht verpflichtet» diesem den an ihn gerichteten Brief abzugcben.

Immer wieder das Ganze bedenkend, kam Anatol zu dem Entschuh, den Zettel der Ertrunkenen an ihren Vater dagegen heilig auszubewahren. Wie, wenn es doch durch irgendeinen unglücklick-en Zufall herauskam, daß er nicht die richtige Katharina war» würde man ihn ohne diesen Beweis ihres freiwilligen Scheidens aus dem Leben nicht augenblicklich für ihren Mörder halten?

Anatol trat zum Büfett, kaufte sich ein starkes Kouvert, ver­senkte den Zettel Katharinas darin, ließ sich Petschaft und Siegellack geben und versiegelte damit das Kuvert. Hierauf vertraute er dasselbe bis zu seiner Ankunft in Rutenstrin der Tasche an, um es dort für die Zukunft auf dem Grunde von Katharinas Koffer zu bergen.

Die Bahnhofsglocke, welche die Abfahrt verkündete, läutete zum ersten Male. Anatol nahm Tasche und Sonnen­schirm und begab sich auf den Perron. Ein zierlicher, ge­schniegelter, mittelgroßer Mensch, von Beruf vielleicht Fri­seur oder Schneider» drängte sich an seine Seite, lobte die Schönheit seiner Züge und plapperte eine Menge anderes Zeug, von dem Anatol wenig verstand.

Er blieb wortkarg und zurückhaltend; immer besorgt, immer Gefahr fürchtend, wollte er sich über Zweck und Ziel seiner Reise nicht aussprechen. Konnte er nicht ganz gut mit einem Bekannten der Heizerfamilie zusammen reisen, ohne es zu ahnen? Außerdem gefiel ihm der aufdringliche Mensch auch sonst keineswegs.

Endlich ertönte das dritte Signal.

Der Schaffner, ein freundlicher, bärtiger Mann, welcher bemerkte, wie lästig demjungen Mädchen" der ungebetene Gesellschafter war» sagte väterlich freundlich:

die Umgebung von Tschangtschau Hsien, überschwemmt. Es wird gemeldet, daß zehntausend Menschen ertrunken seien. Die Ernte im Werte von fünf Millionen Dollars ist vcr- nichrct. Das Wasser steigt weiter. Mau fürchtet amtlicher. se>rs weitere Verluste an Menschenleben und Material­schaden.

Aus aller Welt

Ein neues Großflugzeug.

Amerikanische Zeitungen verbreiten die Nachricht, daß in Friedrichshofen in den Dornier-Mctallbantcn ein Ozean­slugzeug gebaut werde, das hundert Passagiere befördern könne. Im nächsten Frühjahr sollen die ersten Probeflüge stattfinden. Das Stuttgarter Neue Tagblatt kann diese Mit­teilung insofern bestätigen, als man tatsächlich bei Dornier sich mit solchem Projekt beschäftigt und daran ist, den Snper- wal noch weiter auSzubaueu. Natürlich kann heute über den Erfolg dieser projektierten Arbeiten noch nichts gesagt wer­den, ebenso wenig über den Zeitpunkt der Fertigstellung des neuen Riesenflugzeuges.

Mißglücktes Eisenbahnattea al.

LU. Berlin, 31. Juli. Einer Meldung der Abendblätter zufolge wurde am Freitag nacht auf der Strecke BerlinMagdeburg ein Eisenbahnatteni.t verübt, das ie- dvch glücklicherweise keine Katastrophe zer Folge hatte. Kurz vor Brandenburg an der Havel war von unbekann­ten Tätern in einem Abstand von etwa fünfzig Metern zwei große Hansen von Pflastersteinen auf die Schienen getürmt worden. Der Schienenräumer der Lokmvtive eines Güter- zugeS faßte jedoch die Steinhaufen und stieß sie zu mgröß- tcn Teil beiseite. Dabei wurde die Maschine leicht beschä­digt. Das Attentat dürfte auch ohne Zweifel nicht dem Gü­terzug gegolten haben, sondern einem unmittelbar daraus folgenden D-Zug BerlinMagdeburg.

Die Duisburger Dcnkmalschänder sestgenommen.

Das Polizeipräsidium teilte gestern abend mit: Die Tä­ter, die die Lehmbrncksche PlastikDie Kniende" im Tonhal­lengarten umgestürzi und schwer beschädigt haben, sind zum größten Teil sestgenommen worden. Tic Ermittlungen dauern noch an. Wie wir weiter erfahren, sind insgesamt 11 Personen festgenommen worden, von denen sechs wieder freigelassen wurden.

Furchtbare Bluttat Zwölfjähriger.

Im Mittellandkanal wurde am Donnerstag die Leiche eines Knaben gefunden, die eine große Wunde am Hinter­kopf aufwies. Da man einen Mord vermutete, wurde die Leiche beschlagnahmt. Wie weiter berichtet wird, handelt es sich um einen 12jährigen Schüler, den zwei Schulkameraden erschlagen und in den Kanal gewprfen haben.

Schweres Grubenunglück in Polen.

Nach einer Meldung der Morgenblätter ans Katiowih wurden auf der GrubeJulius" im Dombrowaer Becken durch eine cinstürzende Wand viele Bergleute verschüttet, an der Bergung wird noch gearbeitet. Bisher ist es gelun­gen, drei Leichen und 6 Schwerverwnndete ans den Trüm­mern zu befreien.

Hunderttausend Markpreis für einen deutschen Ozeanflieger

TU. Berlin, 31. Juli. Wie die B. Z. meldet, hat ein un­genannter Stifter dem deutschen Lnftfahrtverband und dem

Aeroklub von Deutschland eine» Preis von 100 000 Mark zur Verfügung gestellt, der demjenigen deutschen Flieger zufallen soll, der als erster mit einem Flugzeug den Ozean überquert. Ein zweiter Preis in Höhe von 75 OM (in zwei Teilen) ist für den Piloten bestimmt, der den noch von den amerikanischen Fliegern Chamberlain und Bert Acosta gehaltenen Weltrekord im Danerflng (31 Stunden) drückt.

Schwere Unwetter in Holland.

Ans allen Teilen Hollands werden neue schwere Unwet­ter gemeldet. Bei Weesp richtete eine Windhose großen Schaden an.

Unterirdisches Feuer bedroht ein Stadtviertel.

Durch ein unterirdisches Feuer ist, wie aus St. Etienne gemeldet wird, ein ganzes Stadtviertel in Firminy bedroht. Das Stadtvertel ist über einer verlassenen und z. L. unter Wasser stehenden Kohlengrube erbaut. Das unter dem Boden wütende Feuer bekundet sich an der Oberfläche durch Dampf und Rauchbildung. Ale Maßnahmen gegen einen möglichen Einsturz sind getroffen worden.

13 Schüler ertrunken.

Wie ans Irkutsk gemeldet wird, kenterte auf dem An- gara-Fluß infolge eines Windstoßes ein mit 20 Schülern be- settzter Kahn. 13 Schüler ertranken.

Schweres Schiffsnnglück bei Chicago.

Auf dem Michigan-See nahe bei Chicago kenterte ein mit über 50 Ansflüglern besetztes Dampfboot. Zehn Per­sonen ertranken; über 20, znm größeren Teil Frauen und Kinder, werden noch vermißt.

Der Weg zum Frieden

Zum 13. Male führen sich die Tage, in denen das ent­setzliche Wcltgewittcr auöbrach. Wer jene Augenblicke erlebt hat, wo der Zustand der drohenden Kriegsgefahr, dann die Mobilmachung verkündet wurde, wo eine Kriegserklärung nach der andern über unser Volk hereinbrach, der kann sie zeitlebens nicht vergessen. Aber tragen wir ans jener Zeit tiefster seelischer Erschütterung mehr davon als furchtbare Erinnerungen, schwere Verluste und dauernde tausendfäl­tige Not? Jeder Zeitgenosse des Weltkrieges mutz Vcrständ- nis h.ibc u für den Schrei der Sehnsucht:Nie wieder Krieg?" Aber leben wir nun auch so friedlich zusammen, mit nute- dingter Achtung vor dem Leben und dem Recht des andern, der Volksgenossen wie des Fremden? Gibt es nicht unter uns e>»e» Klassentampf von hüben und drüben, der immer erbitterter wird, eine Volkszerklnftung bis in die Ehen hin- ein, einen Krieg selbst gegen die Ungebvrencn, der jährlich viele Hnnderttausende unschuldiger Opfer fordern?Die Welt ist eine Realität, die nur durch eine Realität überwun­den werden kann", hat einmal Blnmhardt gesagt. Die Welt der Selbstsucht, die in jeder Menschenbrust und in allen Völ­kern einheimisch ist, braucht ein Uebergewicht aus der Welt der Liebe, nach der sich jeder sehnt. Aber wo diese Welt der Liebe finden, wo diese größte Realität? Könnte nicht et» langst geschriebenes, meist überhörtes Wort doch auf die rechte Spur weisen:Die Liebe ist aus Gott, und Gott ist die Liebe . . Der Weg zum Frieden ist so nah wie der Weg zu ihm. Die Probe darauf haben viele mit Erfolg ge­macht. Warum wollen wir sie nicht alle machen?

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Komme., Sie ins Fräüenkupee, liebes Fräulein, da sind Sie vor dem grünen Bürschchen sicher."

Aber die Frauenabteilung war bis aus den letzten Platz besetzt, und so mußte Anatol in einem anderen Wagen Unterkunft erhalten.

Glücklich, hier angelangt zu sein, zog er vorerst den heißen Paletot ab und präsentierte sich nun schlank und schmächtig im bloßen Kleide mit weißer Halskrause.

In dieser Abteilung saß niemand weiter als ein junges Mädchen, und zwar ein wirkliches, kein verkleidetes, nebst zwei kleinen Kindern und einem sehr hübschen, braun­gelben Wachtelhündchen.

Das junge Mädchen, welches auf Anatols Gruß sehr herz­lich gedankt, erzählte ihm sogleich, daß sie die Bonne der Kleinen sei und mit ihnen und dem Hündchen von den Groß­eltern der Kinder komme, um sie alle drei wieder nach Hause zu bringen. Die gnädige Frau sei schon den ganzen Sommer krank, weshalb man die kleinen Lärmmacher habe fort­schaffen müssen.

Eben setzte sich der Zug in Bewegung, als der junge Mensch mit dem Spazierslock und dem Köfferchen sich ins Kupee schwang.

Anatol lehnte sich schnell in eine Ecke und stellte sich schlafend. Der Neuangekommene verschwendete nun eine Reihe Ariigkeiten an die Bonne, doch auch dieser gefiel er nicht» sie anwortete immer einsilbiger und schließlich gar nicht mehr.

In heftigem Aerger begann der unbequeme Fahrgast nun alle möglichen Spöttereien über das weibliche Geschlecht zu ergießen» wurde sogar persönlich anzüglich, so daß das junge Mädchen ihn wiederholt bat, sie in Ruhe zu lassen, sie würde sich sonst beim Schaffner beschweren.

Das nahm der dreiste Gesell« aber erst recht übel, er drohte den Kindern mit dem Stock und neckte das Hündchen, welche» die Bonn« auf dem Schoß hielt.

Länger konnte sich Anatol, der durch die Augenwimpern blinzelnd, alles mit ansah» nicht mehr beherrschen.

Verhalten Sie sich doch endlich anständig; Sie sehen ja, daß das Fräulein nichts mit Ihnen zu tun haben willl" rief er heftig.

Der Mensch lachte höhnisch.

Von dummen Gänsen laß ich mich nicht etnschüchtsrn."

Er packte das Hündchen bei einem seiner lockigen Oehr- L«n und schlug mi t seinem Ktock nach dem niedlichen Tier»

sLosgelassenI" schrie Anatol. Er konnte ein Unrecht nicht ' schweigend mit ansehen, tat man es nun einem Menschen oder einem Tier an. Der Bursche lachte noch lauter und hielt dem Hündchen seine brennende Zigarette an die Nüstern.

Das verbrannte Tierchen schrie schrill auf nun schrie auch das junge Mädchen und die Kinder.

Nichtswürdigerl" tönte es entrüstet von Anatols Lippen.

Mit Blitzesschnelle sprang er auf, raffte seine Kleider hoch, steckte sie in den Gürtel, streifte die Aermel zurück wie ein Boxer und schnellte auf den vor Schreck ganz perplexen Attentäter zu. Ihn von hinten am Kragen packend, drückte er ihn zu Boden, entriß ihm den Spazierstock und bläute solange mit reifer Kraft auf ihn ein, bis dieser, um Gnade bettelnd, versprach, sich ganz ruhig und anständig verhalten zu wollen.

Hierauf verlieh sich Anatol aber nicht, er hielt den Besiegten noch einige Minuten fest, bis der Zug die nächst« Station erreicht, und als der Schaffner die Tür öffnete» drängte er den Burschen nicht übertrieben sanft hinaus, dem verwunderten Beamten einige erklärende Wort« sagend.

Nun wusch dieser ihm auch seinerseits noch gehörig den Kopf und lobte den Mutder tapferen Jungfrau"» di« nicht erst die Notleine gezogen, sondern gleich selbst die Gerech­tigkeit in die Hand genommen.

Anatol warf ihm seine Effekten zu, die jener auffing, wt« ein Hund den Knochen. So, nun war die Ruhe wieder hergestellt.

Einige Stunden später stieg die Bonne mit ihren Schuß­befohlenen aus, sich noch einmal für den mutigen-Eingriff bedankend, und Anatol fühlte sich recht einsam, als das junge Leben um ihn verschwunden war.

Nach dem mageren Abendessen verspürte er schon lange einen tüchtigen Hunger und wollte sich deshalb eigentlich in Hof am Büfett etwas zu essen kaufen, allein sein« kleine Kasse zu schmälern, konnte er sich nicht entschließen» er wollt« jeden Pfennig Zusammenhalten für die Zukunft.Außerdem muß man sich beizeiten an Entbehrungen gewöhnen", sagte sich der junge Philosoph,denn alle» kann man später auch nicht haben, was man möchte, und dann wird das Entsagen nicht mehr gar so schwer."

Endlich, um acht Uhr früh, war Station Rutenstein er­reicht. (Fortsetzung fvlgtJ