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H«richt»stanä für b»täe ^«il« ist Calw.

Nr. 176

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unä Knzeigeblalt für äen Oberamlsbezirk Calw.

Montag, den 1. August 1927

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Znä«rStaät40Solch»f«nnige wöchentlich mit Trägerlohn Post - Lezugrpreis 40 Solä- pfennige ohne vestellgelä

Schluß äer Anzeigen­annahme S Uhr vormittag»

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Fernsprecher Nr. 9

verantwort!. Schriftleitung: Frieärich Hans Scheel« Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen Suchäruckerei.

101. Jahrgang

Vertagung der Seeabrüstungskonferenz

Neue amerikanische Vorschläge

TU. Genf, 31. Juli. Die auf Montag nachmittag einbc- rufene Vollsitzung der Sceabrüstungskonferenz ist heute zu­nächst auf unbestimmte Zeit vertagt morden.

Der Beschluß ist in einer Aussprache gefallen, die heute nachmtitag zwischen Lord Bridgeman und Gibson stattfand. Die Vertagung der Vollsitzung scheint auf den Wunsch der amerikanischen Delegation zurückzugehen, da Sie Antwort aus Washington auf die am Freitag übermittelten neuen englischen Abrttstnngsvorschläge in Genf noch nicht eingetrof- men ist. Die Lage ist infolgedessen heute noch unverändert kritisch, doch sieht man in Konferenzkreisen in der Tatsache der Vertagung der Vollsitzung zum mindesten die Möglich­keit, einen sofortigen Abbruch der Konferenz zu verhindern.

Die amerikanische Delegation veröffentlicht heute abend einen neuen Vorschlag, nach dem eine politische Klausel in das Abrüstungsabkommen der drei Seemächte cingefügt werden soll.

Nach dieser Klausel ist jede der vertragschließenden Mächte berechtigt, vor dem 31. Januar 1936 einen neuen Zu­sammentritt der Drei-Seemächte-Konfercnz zu fordern, falls eine der drei vertragschließenden Parteien die in dem Ab­kommen festgesetzte Gesamt-Tonnage für die Kreuzer in einer Art und Weise zum Bau von Kreuzern verwendet, die der anderen Macht eine Abänderung der in dem Abkommen festgesetzten Gesamttonnagc für die Kreuzer erforderlich er­scheinen läßt. In einem solchen Falle kann die betreffende Macht nach vorheriger ömonatlicher Ankündigung den Zu­sammentritt der Konferenz der drei Seemächte fordern. Jedoch gilt diese Bestimmung erst ab 31. Januar 1931. Sollte »uf dieser Konferenz eine Einigung zwischen den drei See­mächten nicht Zustandekommen, so ist der einberusenüc Staat berechtigt, das Abkommen mit Ijährigcr Frist zu kündigen. In diesem Falle verliert das Abrüstnngsabkommen auch

gegenüber den beiden anderen vertragschließenden Staaten seine Gültigkeit. Dieser neue amerikanische Vorschlag steht gegenwärtig im Vordergrund der Verhandlungen. Von englischer Seite wird vorläufig eine Stellungnahme zu der Einfügung dieser politischen Klausel in das Abrüstungsab­kommen abgelehnt, doch wird darauf hingewiesen, daß nach dieser Klausel die von England geforderte Zweiteilung der Kreuzer zu 10 999 und 6099 Tonnen in Wegfall kommen würde. Die britische Regierung beabsichtigt, wie aus London gemeldet wird, im Falle eines Scheiterns der Konferenz- Verhandlungen die an der Konferenz beteiligten Parteien zu einer Formclbindung zu veranlassen, kein neues Flottenpro­gramm anfzustellen. Gibson ist von Bridgeman und Lord Cecil bereits über einen derartigen englischen Plan unter­richtet. England wünscht demnach, für eine zeitlich begrenzte Periode den Bau von Großkampfschtffen festzulegen. Wäh­rend dieser Periode würde sich die britische Negierung ver­pflichten, keine weiteren 19 999-Tonnen-Krcuzer auf Kiel zu legen. Amerika soll sich dagegen formal verpflichten, die in diesem englischen Kompromißvorschlag niedergelegten Zif­fern in einem bestimmten Zeitraum nicht zu überschreiten. Japan hat bereits seine Zusicherung gegeben, die 5:5:3- Ouote nicht zu überschreiten.

Amerika droht mit neuen Kreuzcrbauten.

TU Ncwyork, 31. Juli. Die führenden amerikanischen Zeitungen bringen lange Sonderberichte aus Rapid City, die alle besagen, daß Coolidge wenig von seiner Erholung auf seinem Landsitz hat, und die Genfer SeeabrüstnngSver- handlungen mit großem Pessimismus verfolgt. Der Präsi­dent wird, wie die Zeitungen schreiben, England für den Konferenzabbruch verantwortlich machen.

Amerikanische Marinekreise sprechen davon, daß nach Ab­bruch der Genfer Konferenz Amerika für 409 Millionen Dollar Kreuzer bauen würde, um Englands Krenzerstärke gewachsen zu sein.

Karols Erklärung zur Thronfolge

Kein Verzicht auf den Thron

TU Paris, 31. Juli. Die Umgebung des Prinzen Carol von Rumänien veröffentlicht ein Kommunique, in dem u. a. erklärt wird, der vor eineinhalb Jahren vonseiten Carols erfolgte Thrvnverzicht sei unter ernsten Umständen und von Personen erpreßt worden, über die Carol cs vvrziehe, keine Einzelheiten zu berichten, noch ein Urteil zu fällen. Prinz Carol habe, wie weiter versichert wird, nicht die Absicht, irgendeine Agitation in Rumänien hervorzurufen. Als Va­ter und Rumäne habe er jedoch das Recht und die Pflicht, darüber zu wachen, daß die Größe der Nation nicht geschmä­lert werde. Er halte sich daher für ermächtigt, persönlich zu intervenieren. Er sei stets ein glühender und loyaler Patriot gewesen und werde es bleiben und habe nur den einen Wunsch, seinem Lande nützlich zu sein. Zum Schluß der Veröffentlichung heißt es dann wörtlich: Wenn das rumänische Volk einen Appell an ihn richten wird, wird Prinz Carol eS für seine Pflicht halten, diesem zu gehor­chen. Diese Erklärung hat in Pariser politischen Kreisen lebhaftes Aufsehen erregt, umsomehr, als man sie mit dem in den letzten Tagen erfolgten Besuch voi Sendboten des rumänischen Parteiführers Jorgs in Zusammenhang bringt. ImMatin" ergänzt Saucrwein die obige Auslcrssnng nach einer Unterredung mit Carol noch dahin, der Prinz sei da­von unterrichtet worden, daß das strikte Verbot hinsichtlich seiner Teilnahme an den Beisetzungsfcicrlichkeiten dem letz­ten Wunsche seines Vaters durchaus widersprochen habe. Seit seinem erzwungenen Thrvnverzicht habe sich die Lage in Rumänien geändert und die Zukunft des Landes erwecke ernstliche Befürchtungen, während zu jener Zeit sich die Zu­kunft unter den besten Auspizien gezeigt habe. DasEcho de Paris" verurteilt das Kommunique Carols scharf, be­sonders deswegen, weil es von einer etwaigen persönlichen Intervention spricht, von der man aber noch nicht wissen könne,wie sie durchgeführt werden könnte. Pcrtinax sucht darzutun, daß Prinz Carol auf Veranlassung des verstor­benen Königs hin nicht nur aller seiner Titel und seines Namens, sondern auch seines väterlichen Machtgebvts ent­kleidet worden sei. lieber die in Nenilly genährten In­trigen könnte man hinwcggehcn, wenn Rumänien nicht augenblicklich eine schwere Krise durchmachen würde. Zum Schluß gibt Pertinax dem Wunsche Ausdruck, daß Bratianu

möchte und bis zum Jahre 1949 die Stabilität des Staates sichern könnte. Die Außenpolitik Bratianus bedeute die Ausrechterhaltung der Kleinen Entente, der Verbindung mit den Festmächten.

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Politische Reise des Bnlgarenkönigs.

Paris, 31. Juli. Die Reise des Königs Boris von Bul­garien, der letzte Woche Sofia verlassen hat, um zunächst sei­nen Vater Ferdinand auf seinen Gütern zu besuchen und sich hierauf nach Nom, Paris und London zu begeben, findet starke Beachtung. Man ist überzeugt, daß der Besuch des Monarchen in den europäischen Hauptstädten einen politi­schen Charakter trägt, und dazu benutzt werden soll, um das gegenwärtige Regime zu befestigen. Es heißt, Borts möchte in Rom mit Mussolini über ein bulgarisch-italienisches Bündnis unterhandeln, bas durch eine Heirat verstärkt wer­den solle.

Jubiläum der Universität Marburg

Marburg, 31. Juli. Auf dem gestrigen Festakt aus An­laß des 400jährigen Bestehens der Marburger Universität ergriff nach der Eröffnungsrede des-Rektors, in der dieser besonders die Vertreter des Auslandes begrüßte und auf den breiten Kulturstrom hingewiesen hatte, der sich über die Universität ergoß, als Marburg preußisch wurde, für die preußische Staatsregierung Kultusminister Dr. Becker das Wort. Der Minister begrüßte insbesondere die Vertreter der Neichsegiernng und den amerikanischen Botschafter Schurmau, dessen starkes geistiges Interesse an der deutschen Kultur ihm die Sympathie aller derer eingetragen habe, die sein stilles Wirken für die Verständigung zu würdigen uird zu schützen wüßten. Der Minister rühmte dann die geistige Kontinuität Marburgs, neben die als zweiter Faktor das Moment der nationalen Geistescntwicklnng trete, die nicht vor dem Universitats- und Wissenschaftsideal Halt mache. Wissenschafts- und BildnngSidcal könnten heute nicht mehr unendlich sein, und die deutschen Universitäten müßten, wenn sic auch ivciterhin die gesamte Geistigkeit der Nation führend bestimmen wollten, nicht nur Lehr- und For­schungsstätten für akademische Fachmänner, sondern wahre

Tages-Spiegel

Die Secabrüstnngskonferenz ist vertagt worden, nachdem alle Kompromißversuche gescheitert waren. Amerika macht neue Vorschläge.

Die deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen gehen nicht vom Fleck. DasPetit Journal" behauptet, die deutsche Delegation wolle die Handelsvertragsverhaudlun-

gen verschleppe«, während es umgekehrt den Anschein hat, als ob man in Frankreich die Verewigung eines vertrags­losen Zustandes wünsche.

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Prinz Carol von Rumänien erklärt in der Presse, daß er nicht ans den rumänische« Thron verzichte. Die Thron­folgefrage erhält dadurch eine neue sensationelle Wendung.

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Die nordschleswigsche Selbsthcrrschaftspartei hat an den dä­nische» König ultimative Forbernngen gestellt.

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Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der Bcamtenbesol» düng soll in den Grundzttgen fertiggestellt sein.

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Das 400jährigc Bestehen der Universität Marburg wurde i« den letzte« Tagen festlich begangen.

Bildungsstätten des geistigen Menschen schlechthin sein, blei­ben oder werden. Hier liege die akademische Schicksalsfrage der Gegenwart, die durch keine Hochschulreform gelöst wer­den könne. Der Minister wies weiter auf die anläßlich des Jubiläums gemachten Stiftungen hin, die er als Opfer be­zeichnet«:, zu denen sich Volk und Regierung im Geiste pro­duktiver Wiederaufbauarbeit zusammengefunden hätten. Trotz der Interessengegensätze, der parteipolitischen und konfessionellen Zerrissenheit des deutschen Volkes seien diese Opfer möglich gewesen, weil in den geistigen Fragen die deutsche Nation noch immer einiger und geschloffener sei, als sie dies im kleinlichen Tageskampf wahr haben wolle.

HiSrauf ergriff Reichsjustizminister Hergt das Wort, der nach Verlesung eines Glückwunschschreibens des Reichsprä­sidenten u. a. ausführte, daß im Schicksal der Universität Marburg das Reichskabinett eine neue Bestätigung der alten Wahrheit erblicke, daß deutsches Wesen und deutsche Volksgemeinschaft am fruchtbarsten gedeihen, wenn örtliche Kräfte sich in Selbständigkeit entfalten können.

Am Nachmittag wurde die Einweihung der drei aus An­laß des Jubiläums errichteten Bauten vollzogen: des Kunst­instituts, der Kinder- und Ohrenklinik.

Abends trafen sich die Ehrengäste, die Professoren und die Vertreter der Studentenschaft in der Festhalle zn einem Festessen. Der Jubelrektor, Geheimrat Busch, begrüßte die Gäste mit einer kurzen Ansprache, auf die det preußische Finanzminister Höpker-Aschoff und General Reinhardt, Kas­sel, mit Worten des Dankes antworteten. An den Reichs­präsidenten wurde ein Huldigungstelegramm gesandt.

Aus Frankreich

Unverantwortliche Störnngsversnche.

TU Paris, 31. Juli. DasPetit Journal" nimmt heute zu den deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen Stel­lung, wobei es von einem unverschämten Manöver s!) des Reiches spricht, das die Verhandlungen vom wirtschaftlichen auf das politische Gleis schieben wolle. Der Wunsch des Deutschen Reiches nach Wiederherstellung seiner Konsnlar- organisationen sei begreiflich, dem stünde jedoch das for­melle Verbot des Artikels 281 des Versailler Vertrages ge­genüber. Kein Artikel des Vertrages räume Deutschland den Genuß der Gegenseitigkeit hinsichtlich des Len anderen Mächten durch Artikel 279 zugestandenen Rechtes ein, auf dem Boden des Reiches Konsularagenten zu ernennen, ohne daß Deutschland sich dem widersetzen könnte. Man wird sich in Paris ernstlich überlegen müssen, ob man glaubt mit der­artigen gehässigen Kommentaren die deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen günstig beeinflussen zu können. Zur Sache selbst kann gesagt werden, daß es keinen einzigen Artikel des Versailler Vertrages gibt, der Deutschland hin­dern könnte, das ihm übrigens bisher noch nicht bestrittene Recht auf Meistbegünstigung und völlige Gleichberechtigung im Handelsverkehr geltend zu machen. Es hat aber immer mehr und mehr den Anschein, als ob man in Frankreich die Verewigung eines vertragslosen Zustaubes wünsche.