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wird, und von da über die Stadt ein Nez von Leitungsdrähten gezogen worden ist, konnten im Laufe der letzten Tage eine Reihe von Privaten und auch der Laiblinplatz in Form einer Bogenlampe von ungewöhnlicher Stärke und der Rathausplatz in Gestalt eines mehrfarbigen triumfierenden des strahlenden Lichtes teilhaftig werden.
Heilbronn, 12. Februar. Eine merkwürdige Entdeckung mußte zu seinem großen Schaden ein hiesiger Metzgermeister machen. Am letzten Dienstag schlachtete er sieben frisch von der Bahn gekommene Schweine.' Sie stellten sich vollständig gesund dar und wurden auch von der Fleischschau nicht beanstandet. Auf einmal liefen von den verschiedensten Abnehmern Klagen ein, das Fleisch sei vollständig ungenießbar und entwickle bei der Zubereitung einen starken Karbolgeruch. Zuerst dachte man an irgend ein Bubenstück. Bei näherer Untersuchung ergab sich aber als unzweifelhafte Veranlassung der Erscheinung folgendes: die Schweine waren in einem frisch und stark mit Karbol desinfizierten Eisenbahnwagen verfrachtet worden; die Tiere hatten das Desinfektionsmittel ausgenommen, dasselbe hatte sich im ganzen Körper festgesetzt und trat erst bei der warmen Zubereitung des Fleisches in der oben geschilderten Weise hervor. Auch bei einer zweiten Sendung, welche sofort eingehend untersucht wurde, zeigte sich dieselbe Erscheinung, wenn auch nicht in so starkem Maße.
S> Pforzheim, 13. Febr. Innerhalb 16 Stunden haben wir in der Umgegend zwei Raub- anfälle zu verzeichnen. Gestern abend zwischen 7 und 8 Uhr wurde zwischen Seehaus und Tiefenbronn ein Bewohner von letzterem Ort von einem vermummten Strolchen angefallen, vergewaltigt und seiner Barschaft von etwas über 2 ^ beraubt. Heute vormittag wurde zwischen hier und Bauschlott eine Milchhändlerin von einem aus dem Neulingerwalde herausspringenden ebenfalls vermummten Stolche angefallen und zu Boden geworfen. Die Ueberfallene ward ihrer Barschaft von mehreren Mark beraubt und der Räuber sprang in den Wald zurück. Die Gendarmerie mit Unterstützung streift eifrig nach dem Thäter. — Der der Brandstiftung in Eutingen dringend verdächtige Taglöhner und Maurer Erlen- maier von Enzberg Bez. Maulbronn, welcher flüchtig geworden, ist gestern hier eingeliefert worden.
Leimersheim, 12. Februar. Von großem Glücke begünstigt war dieser Tage lt. „Pf. Pr." ein hiesiger armer Scherenschleifer. Laut einer aus Amerika eingetroffenen Nachricht hat derselbe nämlich eine Erbschaft von ungefähr Million Mark gemacht. Die letztwillige Verfügung des dahier gebürtigen Erblassers, der ein Jugendfreund des Glücklichen war, spricht sich dahin aus, daß der Erbe ein für die hiesige Gemeinde günstiges Unternehmen beginnen, bezw. ein größeres Fabriketablissement gründen soll.
München, 12. Febr. Ein eigentümlicher Fall von Blutvergiftung wird von den „Münch. N. Nachr." wie folgt mitgeteilt: In der vorigen Woche zündete ein junger Offizier seine Zigarre mit einem Zündhölzchen an, wobei ihm ein Funken auf das linke Handgelenk flog, was er jedoch nicht weiter beachtete. Am nächsten Tage stellten sich Schmerzen ein, die sich am dritten Tage über den Oberarm verbreiteten; am vierten Tage verbreiteten sie sich über die Achsel und das Gesicht, und der Bedauernswerte erblindete auf dem linken Auge. Am fünften Tage erblindete er auf dem rechten Auge und am sechsten Tage starb er nach unsäglichen Schmerzen.
Augsburg, 12. Februar. Nachdem Prof. Schweninger sich soeben in München aufgehalten, bringt die Abendzeitung eine Privatmeldung, das Befinden des Fürsten Bismarcks sei verhältnismäßig günstig, die Grippe ohne Folgen geblieben. Der Kaiser werde wahrscheinlich anfangs nächster Woche nach Friedrichsruh kommen.
Boppard a. Rh., 12. Febr. Im unteren Stadteile am Rhein brach gestern abend Großfeuer aus, das infolge des starken Sturmes so schnell an Ausdehnung gewann, daß ein großer Komplex niederbrannte. Die Koblenzer Pioniere wurden telegraphisch zur Hilfeleistung an die Brandstätte gerufen; die große Hitze trat jedoch den Löscharbeiten hindernd entgegen. Viele Familien sind obdachlos. Bis Montag früh waren sechszehn Häuser, darunter einige Hotels, eingeäschert. Die „Köln. Ztg." berichtet: Die Feuersbrunst war am Untermarkt ausgebrochen und pflanzte sich durch die Burgstraße zum Rhein fort, wo die Gasthöfe zum Hirsch und zum Schwanen niederbrannten. Ein Feuerwehrmann ist verwundet.
Dresden, 12. Febr. Der heute früh über das Befinden des Königs ausgegebene ärztliche Bericht sagt: Der König ist im Laufe des gestrigen Tages von Schmerzen frei geblieben, auch funktioniert das erkrankte Organ nahezu normal. Die Blutungsschmerzen sind in Abnahme. Der König beobachtet immer noch strenge Bettruhe.
Bautzen, 13. Febr. Eine Feuersbrunst zerstörte 24 Wohnhäuser und die Mönchskirche. Der Schaden ist bedeutend.
Braunschweig, 12. Febr. Wie der sozialdemokratische „Volksfreund" meldet, ist ein Unteroffizier des hiesigen Husarenregimcnts wegen Mißhandlung eines Gefreiten zu 6Monaten Festung, und Degradation verurteilt worden.
Hamburg, 13. Februar. Durch den furchtbaren Orkan wurden ganze Häuser umgeweht. Es gab 4 Tote und 11 Verwundete. 6 Segelschiffe haben sich von der Vertäuung losgerissen, 4 Fahrzeuge wurden in Grund gebohrt. In Altona wurde der Turm der Garnisonskirche abgeweht, schlug durch das Kirchdach und hat entsetzliche Verwüstung angerichtet.
Wahrnehmbar gewesen. Es liegt die Vermutung nahe, daß der Entseelte der Musketier Pfänder von Fellbach ist, welcher am 14. Dezember seinen Truppenteil aus nicht bekannten Gründen verlassen hat.
Ludwigsburg, 12. Febr. Heute früh zog im Wartsaal des hiesigen Bahnhofs ein junger Mann auS Bietigheim, der eine hiesige Lehranstalt besucht, einen geladenen Revolver aus der Tasche, hielt denselben im Mutwillen einigen seiner Kameraden vor den Mund und drückte los. Zum Glück streifte die Kugel an den Kameraden vorüber und nahm ihren Weg durchs Fenster, das sie zertrümmerte. Die Bahnhofsinspcktion nahm dem mutwilligen Schüler den Revolver ab und leitete die strafrechtliche Verfolgung desselben ein.
Plochingen, 10. Febr. Einem in seinem Dienstzimmer übernachtenden Zugmeister wurde in vorletzter Nacht von seinem Bett weg Taschenuhr,
Hosen und Stiefel gestohlen, so daß er mit entlehnten Beinkleidern und Stiefeln nach Tübingen zurückkehren mußte. Der Verdacht der Thäterschaft richtet« sich gegen einen Stromer aus Magstadt, OA.
Böblingen, der sich in verdächtiger Weise auf dem Bahnhof Herumtrieb und wurde der Dieb auch in der Person des Schuhmachergesellen Reiser in Hedelfingen verhaftet.
Kuchen, 12. Febr. Der seit 8 Tagen vermißte Andreas Hetzler wurde am Sonntag morgen in dem unteren Fabrikwehr gefunden. Er war innerhalb des Ortes in der dunklen Nacht in den Mühl- und Fabrikkanal gefallen, wurde von dem Wasser fortgeriffen bis zur Einmündung in das Wildbett und blieb dann in dem Wehre liegen. Nunmehr sollen Vorkehrungen zur Verhütung solcher Unglücksfälle an dem Kanal angebracht werden.
Tübingen, 12. Febr. Beim Viehmarkt am Samstag ist einem Bauersmann eine Brieftasche mit 500 ^ in Papiergeld abhanden gekommen und konnte dieselbe trotz der sofort angestellten Recherchen nicht wieder zur Stelle gebracht werden, auch hat sich bis zur Stunde der etwaige Finder nicht gemeldet.
Wannweil, 10. Febr. Nachdem die Influenza kaum aufgehört hat, die Einwohner unseres Ortes so unliebsam zu belästigen, tritt laut „Tüb.
Ehr." seit einiger Zeit an ihre Stelle eine andere, namentlich der Kinderwelt sehr feindliche Krankheit, die Halsbräune. Es fielen ihr bereits mehrere Kinder zum Opfer und wurden zwei Familien, von denen jeder zwei Kinder innerhalb 8 Tagen durch diese tückische Krankheit entrissen wurden, in tiefe Trauer versetzt. Die betroffenen Familien werden allgemein bedauert.
Pfullingen, 11. Febr. Nachdem Elektrotechniker Wilh. Reißer von Stuttgart im Lause der Wintermonate an die Bachmühle dahier eine Werkstätte angebaut hat, in welcher die Wasserkraft der Mühle zur Erzeugung von Elektrizität verwertet
daß er nicht wiederkommen werde. Aber dar kann ja nicht sein — da- ist ja ^ unmöglich."
„Und weshalb unmöglich? Etwa weil er versäumt hat, Ihnen da» entwendete Schriftstück zurück zu geben, um das Sie ihn in Ihrem Briefe so himmelhoch beschwören? Er wird, wie ich denke, seine guten Gründe gehabt haben, es mit sich zu nehmen."
Harmeninz stöhnte, als würde er von den grausamsten Schmerzen gepeinigt. Dieses schöne, unerbittliche Weib, das er im Besitz seines verhängnisvollen Geheimnisses wußte, erschien ihm mit jedem Augenblick furchtbarer, und er hatte längst nicht mehr Energie und Geistesklarheit genug, es durch irgend ein rasch ersonnenes Märchen zu täuschen. In seiner bejammernswürdigen Hülflosi-keit bot er einen Anblick der auch ein steinernes Herz hätte zum Mitleid zwingen müssen.
„ES scheint fast, daß er Sie schnöde betrogen hat wie mich," fuhr Leonore fort, nachdem sie ihre Augen eine Weile durchdringend aus sein verstörtes Gesicht gerichtet hatte. „Noch aber ist ihm sein Betrug nicht ganz gelungen, und noch haben wir es in der Hand, ihm dar klug abgekartete Spiel zu verderben. Sagen Sie mir, von welcher Art jenes Schriftstück gewesen ist, und ich werdr Ihnen dazu verhelfen, es wieder zu erlangen."
Gottfried Harmening schüttelte in abwehrrnder Verneinung den Kopf.
„Ich darf es Ihnen nicht verraten. Dringen Sie nicht in mich, denn ich würde lieber sterben, als daß ich es sagte."
„Wie es Ihnen gefällt! — Man wird eS ja ohnedies bald genug erfahren
haben."
Er schrak zusammen und starrte sie voll bangen Entsetzens an.
„Wie meinen Sie das?" stammelte er. „Von wem sollte man eS denn erfahren, wenn nicht von mir?"
„Von Ihrem Sohne, wie ich denke," erwiderte sie kalt. „Ich war nicht ganz so thöricht und vertrauensselig, als er glaubte. Und ich werde der Polizei einige sehr nützliche Winke geben können, in welcher Richtung sie ihn zu suchen haben."
„Der Polizei — !" Es war ein Aufschrei der furchtbarsten Seelenangst und wie ein bittendes Kind erhob der alte Mann seine Hände. „Nein, das werden Sie nicht thun — das dürfen Sie nicht thun! Sie müssen doch einmal etwas wie Liebe für ihn empfunden haben, wenn Sie sich mit ihm verlobten. Und wenn er auch schlecht an Ihnen gehandelt hätte, so schrecklich können Sie sich nicht rächen. Sie würden ja nicht ihn allein verderben, sondern auch mich, und ich habe Ihnen doch niemals etwas gethan."
Leonorens Gesicht blieb unverändert. Kein freundlicher Schimmer des Mitgefühls milderte die unweibliche Härte ihrer Züge. Ihm aber in seiner grausamen Not klang es schon wie eine Erlösung, da sie nach kurzem Zaudern sagte:
„Es giebt nur ein einziges Mittel, mich daran zu verhindern, und Sie haben es in der Hand. Ich will Klarheit haben über alle diese Dinge; ich will den Betrug. der hier verübt worden ist, in seiner ganzen Größe kennen lernen. Und weil die Behörden mir dazu verhelfen würden, ist es meine Absicht, mich an sie zu wenden. Aber ich werde eS auch zufrieden sein, wenn ich aus Ihrem Munde die Wahrheit erfahre. Sagen Sie mir alles, was ich zu erfahren begehre, und wenn ich mich dazu entschließen kann, Ihnen Glauben zu schenken, mag Ihr Sohn vielleicht vor dem Äußersten bewahrt bleiben."
Es war ein sehr bedingtes Versprechen, und unter anderen Umständen wäre Gottfried Harmening gewiß nicht thöricht genug gewesen, sich durch eine solche Zusage zu unvorsichtigen Bekenntnissen hinreißen zu lassen. Aber die Aufregung und das körperliche Unwohlsein, unter dem er mit jeder Minute schwerer zu leiden hatte,, beraubten ihn nachgerade der Fähigkeit, die Tragweite seiner Handlungen richtig zu beurteilen. Sicherlich glaubte er seinem Sohne einen unschätzbaren Dienst zu erweisen, indem er das Verlangen dieses fürchterlichen Weibes erfüllte, und vielleicht, war es ihm in seiner elenden Hülflosigkeit überdies eine Erleichterung, daß er endlich, einem anderen menschlichen Wesen offenbaren durfte, was ihn bedrückte.
(Fortsetzung folgt.)