618

die Vorlage mit großer Majorität abgelehnt wird,

«eil offiziös erklärt wurde, daß die Regierung nicht nur an der jetzigen Vorlage, sondern insbesondere am System derselben festhalte.

. Berlin, 13. Dez. Die »Voss. Ztg." führt in einem Leitartikel aus, mit Aufhebung des Jesuitengesetzes werden im Reichsgebiete Ungleichheiten in Betreff der Ordensfrage entstehen, deshalb dürfte für die Stellung des Bundesrats zur Frage der Auf­hebung des Jesuitengesetzes auch der gesetzliche Zu­stand vor dem Erlaß des Gesetzes, namentlich in den größeren Bundesstaaten in Betracht kommen.

Berlin, 13. Dez. Bei dem gestrigen Diner betonte der Reichskanzler gesprächsweise, er halte gerade die Konservativen für verpflichtet, ihn zu unterstützen, da er nicht seine Politik, sondern die seines kaiserlichen Herrn vertrete. Als in der Unter­haltung bemerkt wurde, anti-anarchistische Maßregeln seien notwendig, trat Graf Caprivi dem entgegen, indem er auseinandersetzte, daß die jetzige Gesetz­gebung zum Kampfe gegen den Anarchismus genüge.

. Berlin, 13. Dezbr. In militärischen Kreisen wird auf das bestimmteste versichert, daß im September nächsten Jahres ein dreitägiges Kaiser­manöver des württembergischen Armeekorps statt­finden wird.

Ausland.

Paris, 13. Dez. Nach französischem Straf­recht hat der Attentäter Vaillant das Leben ver­wirkt, wenn auch niemand bei dem Attentat das Leben verloren hat. Die Polizei hat einen Anarchisten Namens Sardan verhaftet, der ohne Zweifel ein Mitschuldiger war. In Marseille hat man den Anarchisten entdeckt, welcher die Dynamitbombe in der Wohnung des kommandierenden Generals ge­legt hat. Er nennt sich Riemer. Der Entwurf des neuen Preßgesetzes wurde gestern mit 400 gegen 63 Stimmen angenommen. Die Majorität begriff 320 Republikaner, 29 Ralliierte und 51 von der Rechten, die 63 waren 40 Sozialisten, 23 von der äußersten Linken, 84 enthielten sich der Abstimm­ung, 26 waren beurlaubt.

Die Frankfurter Zeitung meldet aus Paris:

Die Kommission der Deputiertenkammer nahm die drei Anarchistengesetze an, indem sie die­selben teilweise noch verschärfte.

Uck. Paris, 14. Dez. Der deutsche Bot­schafter Graf Münster hatte mit dem Minister des Auswärtigen Casimir Perier eine längere Be­sprechung.

Paris, 14. Dez. Die Schutzleute entfernten heute früh ein Plakat, welches in der Nacht an den Arc-de-Triomphe angeklebt worden war. Der Text desselben lautete: »Während man zur Verherr­lichung anderer, die ihre Mitmenschen und Brüder töten, Denkmäler errichtet, sperrt man Leute, wie Ravachol, Leauthier und Vaillant ein, welche die

zuckte bedauernd mit den Schultern und ließ ihn schließlich stehen. Ich trat zum Oberkellner und drückte ihm einen Thal« in die Hand: »Sorgen Sie dafür, daß ich diesem Herrn bei Tisch gegenüber sitze/ flüsterte ich ihm zu. ES nickte ver­ständnisinnig.

»Werden von ihm nicht viel Vergnügen haben/ gab er ebenso zurück, »aber er «ist in entzückender Begleitung*

Ich drehte ihm den Rücken zu und ging auf mein Zimmer.

Ich saß und stützte tief in Gedanken den Kopf auf. »Verlobt und ver­loren/ zog es mir durch den Sinn.

»Verloren! ganz verloren?' fragte «ine Stimme in mir.

Ich nickte: »Ja!'

»Nein!' sagte jene Stimme. Und sie klang mir fast hörbar laut, wie von Menschenmund gesprochen.

Unten wurde zum Esten geklingelt. Der schrille Klang schreckte mich auf au» meinem unruhigen Sinnen. Ich ging in den Speisrsaal. Der Oberkellner winkte mir: »Hier sitzen die drei Herrschaften und hier gegenüber habe ich für Sie gedeckt.' Und kaum hatte ich meinen Stuhl hrrangerückt, da kamen sie zur Thür herein. Hedwig neben ihrer Mutier, ihr Verlobter hinterher, mißvergnügt seine Blicke durch dm Saal schweifen lastend. Auch die Augen von Mutter und Tochter schienen zu suchen. »Findest Du irgend jemand?' hörte ich erster, sagen, als sie an dm Tisch traten.

»Nein/ sagte Hedwig, »das Telegramm ist mir ein Rätsel. .Einen alten Freund' ich habe keine Ahnung wen Papa meinen kann/

Also ich war verraten! Wenigstens fühlte ich nicht die Kraft in mir, so nah' ihr gegenübersitzend mem Inkognito zu bewahrm. Da» Herz schlug mir zu stark.

»Vielleicht meint Ihr Herr Vater mich/ sagte ich leise, vor ihr aufstehend.

Einen Mommt sahen die beiden Frauen mich starr an, dann reichte mir di« Mutter mit einem klemm Freudenschrei schnell die Hand.

steuer von 1530 Mark, je nach Größe, Preis oder sonst einer Unterschiedsbestimmung, würde Niemanden drücken und die Instrumente im Auslande immer noch concurrenzfähig sein lassen. Rechnet man den Durchschnitt zu 20 Mark (es werden nämlich mehr Pianinos als Flügel gefertigt) so ergeben 70,000 jährlich hergestellte Claviere 1,400,000 Mark.

Ferner ist zu erwägen: Nimmt man an, daß ein Instrument durchschnittlich 20 Jahre hält (viele Instrumente gehen eher, viele viel später zu Grunde) so kann man mit Sicherheit annehmen, daß innerhalb des Deutschen Reichs gegenwärtig wenigstens 700,000 Instrumente im Gebrauche sind. Diese würden eine jährliche Steuer von je 20 Mark sehr gut vertragen, was die Kleinigkeit von 14 Millionen Mark ergeben würde. Wahrscheinlich ist aber die Zahl der in Ge­brauch befindlichen Instrumente noch wesentlich größer.

Fragt man nun danach, welche Gesellschafts­klaffe diese Steuer treffen würde und ob sie dieselbe vertragen könnte, so ergiebt sich folgendes: Der weitaus größere Teil der Instrumente ist in den Händen von Leuten, für die ein Clavier ein reiner Luxusgegenstand ist, also in den Händen der Wohl­habenderen, welche diese Steuer gar nicht empfinden würden. Eine ziemliche Anzahl ist in den Restau­rationen und Tingel-Tangeln aufgestellt, bei denen eine jährliche Erhöhung der Spesen um 20 ^ keine Rolle spielt. Um zu verhindern, daß diese Lokale sn wasss zu Orchestrions übergehen, müßten auch diese besteuert werden. Uebrigens wäre, wenn der Gebrauch in diesen Lokalen wirklich etwas zurückginge, es durchaus kein großes Unglück. Die dritte Klasse, welche Claviere gebraucht, werden Studierende und Conservatoristen, welche Instrumente mieten, sein. Von diesen ist ein sehr großer Prozentsatz Ausländer, deren Geld wir gern zur Erhaltung unserer Soldaten annehmen. Die Leihgebühren für Claviere betragen je nach Güte und Größe 918 ^ monatlich, würden also unter Zuschlag der Steuer von 20 jährlich 10,6719,67 betragen, eine Differenz, die kaum in Betracht kommt. Die Anzahl der Berufsmusiker, welche zu ihrem Unterhalte in ihrer Behausung In­strumente brauchen, wird verschwindend klein sein.

Wollte man nun die Behauptung aufstellen, daß das Clavierspielen in Folge dieser Steuer ab­nehmen würde, so wäre das für die übrige nicht clavierspielende Menschheit gewiß zu ertragen. Heut­zutage ist das Clavierspielen geradezu eine Landplage geworden, wie recht Viele, welche sogenannteNerven" haben, bestätigen werden.

Die hier vorgeschlagene Steuer hat zwei große Vorteile. 1. Es würde voraussichtlich im Reichstage sehr wenig Opposition dagegen entstehen, denn die Anzahl der Clavierfabrikanten ist verhältnismäßig klein, das Clavier dürfte wenig Freunde haben, und vom wirtschaftlichen Standpunkte aus hat keine Partei ein Interesse, sie zu bekämpfen. 2. Die Steuer ist sehr leicht und mit sehr geringen Kosten zu erheben, denn der Besitz eines Claviers läßt sich nicht verheimlichen.

»Herr Doktor, sind Sie das? Das ist ja köstlich!"

Hedwigs Gesicht hatte fliegende Röte überzogen. »Herr Doktor!" sagte sie kaum vernehmbar. Aber ihre Hände streckten sich mir nicht entgegen.

»Bitte, mich mit dem Herrn bekannt zu machen!' fuhr eine scharfe Stimme dazwischen.

»Ach so bitte um Verzeihung! Mein künftiger Schwiegersohn, der Aktuar Hohbohm. Herr Doktor Kaufhold, ein alter, lieber Bekannter!'

Er murmelte etwas von sehr angenehm; die ganze Begegnung schien eS ihm aber nicht zu sein.

Zu meiner Seite saß die Mutter. Sie ging zurück in die Tage, in denen ich ihr Gast gewesen war, liebenswürdig und freundlich wie einst. Hedwig sagte beim Essen kein Wort und sah kaum auf; der angenehme Aktuar war stumm wie ein Fisch. Ich fühlte mich entsetzlich elend. Es machte mir Mühe, der Mutter dann und wann geziemend zu antworten.

So ging das Mahl vorüber. Ich mochte kaum das Essen anrühren.

»Bleiben wir noch ein wenig beisammen?' fragte die Mutter, als wir auf-' standen.

»Ich werde zu Bett gehen; ich bin zu müde!' sagte Hedwig.

»Ist recht, Hedwig/ fiel der Ästuar schnell ein ;morgen zum Sonnenauf­gang müssen wir wieder auf sein, um vier Uhr, die letzten Tage haben Dich angestrengt, Du siehst blaß aus, ruhe Dich aus!'

Eine kurze Verneigung gegen mich, die kaum von einem halben Blick begleitet war und sie ging! Und mich umfaßte eine Riesenwut gegen den Menschen, dieses- widerwärtige Geschöpf, der frech und seiner Macht gewiß dieS Wesen meisterte- und ihm seinen Willen auferlegte.

(Fortsetzung folgt.)

Gesellschaft von ihren verrotteten Mitgliedern befreien wollen. Sei ohne Sorge! Vaillant: Es bleiben immer noch Männer genug übrig, um dich zu rächen, wenn dir auch diese Schufte von Bürgern an den Kragen wollen. Es lebe die Anarchie! Tod den Bürgern!"

Uck. Paris, 13. Dezbr. Der Justizminister Dubos besuchte gestern Vaillant und fragte den­selben, welche Beweggründe er denn eigentlich zu dem Attentat gehabt habe. Vaillant antwortete:Es ist unnütz. Ihnen dies zu erklären, Sie sind Bourgeois und würden mich doch nicht verstehen."

Uck. Rom, 14. Dez. Das Cabinet Crispi gilt als gebildet. Heute soll die amtl. Publikation erfolgen. General Perotti wird Kriegsminister. Crispi übernimmt interimistisch das Auswärtige.

Russisches.Das voraussichtliche Schicksal des deutschen Heeres; eine Untersuchung über seine Standhaftigkeit im Kriege" betiteltGrashdanin" eine Reihe von Lügenartikeln. Der Verfasser be­hauptet , die deutsche Manneszucht beruhe auf Furcht vor überstrengen Strafen, über die er die albernsten Märchen auftischt. Selbst eine Art Foltermaschine soll im deutschen Heere eingeführt gewesen und von dort in das österreichische Heer übernommen worden sein. Die Rekruten würden aufs niederträchtigste gequält. Nirgends entzögen sich so viel junge Leute dem Militärdienst vor schlechter Behandlung, wie in Deutschland. Gleichwie unter Friedrich dem Großen werde auch heute noch die Mannszucht des deutschen Heeres durch denStock" aufrecht erhalten. Der zweite Artikel schließt mit der Redensart: Nur ein rein mechanisches Band halte die verschiedenen Teile des Organismus des deutschen Heeres zusammen; schwerlich aber sei in ihm der moralische Kitt vor­handen, der allein in kritischen Augenblicken ein Heer zu retten vermöge.

Die zweckmäßigste Steuer.

(Aus A. H. Payne's ZeitschriftDas Neue Blatt".)

Die brennende Tagesfrage ist in Deutschland: woher das Geld nehmen, um die vom Reichstage be­willigten 55,000 Mann zu erhalten, welche wir brau­chen, um vor den Liebkosungen Frankreichs und Ruß­lands einigermaßen gesichert zu sein. Die Tabaksteuer stößt auf heftigen Widerstand, ebenso die Weinsteuer. Eine höhere Belastung der Reichen durch die Ein­kommensteuer, was das einzig Richtige wäre, ist vor­läufig aus hier nicht zu erörternden Gründen aus­sichtslos. Man muH sich also nach anderen Steuer­objekten umsehen. Und da scheint mir wundern Sie sich nicht das Clavier ein sehr geeignetes zu sein.

Es werden jährlich in Deutschland 70,000 Claviere gemacht, wovon etwa die Hälfte ins Ausland geht. Der Durchschnitts-Verkaufspreis eines Claviers dürfte 900 Mark nicht übersteigen. Eine Fabrikations-