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Cannstatt. Lei der Gemeinderatswahl gingen Bürgergesellschaft, Güterbesitzerverein und Deutsche Partei und andererseits die Volkspartei und die Sozial­demokratie zusammen. Elftere Vereinigung brachte 5 ihrer Kandidaten durch, letztere 1 und zwar den Führer der Sozialdemokratie Schriftsetzer Glaser. Die Volkspartei ging leer aus.

Untertürkhrim, 8. Dez. Der Besitzstand an Vieh ist seit einem Jahr zurückgegangen. Man zählte am 1. Dez. d. I. 291 Stück Rindvieh und 239 Schweine; im Jahr 1892 zählte man 346 Stück von der ersten und 344 von der letzten Art.

Plieningen, 7. Dez. Heute früh 4 Uhr ertönten hier die Feuerglocken. Die an der Körsch stehende mit Vorräten gefüllte Scheuer des Schwanenwirts H. stand in Hellen Flammen. Die Feuerwehr war sofort zur Stelle; doch brannte das Gebäude bis auf die Grundmauer nieder. Die Ent­stehungsursache ist noch unbekannt. Brandstiftung wird vermutet. Der Eigentümer ist versichert.

Im Oberamtsbezirk Tübingen sind nach derTüb. Ehr." bei der diesjährigen Viehzählung 666 Stück Rindvieh gegen 783 der letzten Zählung und 342 Stück Schweine geigen 414 gezählt worden.

Marbach, 7. Dez. Auch in unserer Stadt, welche seither von der Influenza so ziemlich ver­schont wurde, mehren sich die Erkrankungen von Tag zu Tag. Glücklicherweise gehörten Todesfälle zu den seltensten Ausnahmen. Eigentümlich ist, daß in den Schulen die älteren Mädchen viel stärker und zahl­reicher heimgesucht werden als die Knaben.

Oehr in gen, 6. Dezbr. Gestern Morgen wurde die Hack'sche Wirtschaft auffallenderweise nicht zu der üblichen Zeit geöffnet, welcher Umstand die nächsten Anwohner einen Unglücksfall vermuten ließ. Nach gewaltsamem Eindringen fand man den Besitzer, dessen Ehefrau und Schwiegermutter bewußtlos im Bett und das Schlafzimmer von Rauch angefüllt. Im Gelaß unterhalb des Schlafzimmers war ein Weißzeugkasten ausgebrannt und liegt die Vermutung nahe, daß durch eine Oeffnung der Qualm nach oben gedrungen ist und den Unglücksfall hergeführt hat. Den ärztlichen Bemühungen gelang es, die Bewußt­losen zu retten und befinden sich dieselben auf dem Wege der Besserung.

Geislingen, 7. Dez. Die Frau eines hie­sigen Bürgers, welche, wie es scheint, schon längere Zeit an Schwermut leidet, hat sich heute früh '/^7 Uhr halb gekleidet vom Hause entfernt und ist bis heute Abend weder zurückgekehrt, noch von den Männern, die sie suchten, aufgefunden worden. Es ist zu be­fürchten, daß die beklagenswerte Frau, falls sie heute Abend nicht gefunden werden sollte, der Kälte zum Opfer fallen könnte. (Nachtrag.) Den 8. Dezbr. Die betreffende Frau wurde bis heute Mittag nicht aufgefunden, trotzdem mehrere hundert Männer von hier die umliegenden Waldungen nach allen Richtungen

durchstreiften. Der schwergeprüften Familie wendet sich die aufrichtigste Teilnahme zu.

Ulm, 7. Dezbr. Kürzlich wurde ein junges Mädchen aus Braunichweig hier fest genommen, weil es aus Mangel an Geldmitteln sich verschiedener Zechprellereien schuldig gemacht hatte. Dasselbe hatte sich außerdem das Geld zu der Reise von Braunschweig hieher durch Diebstahl im Betrag von 40 ^ verschafft und war hierher gekommen, um seinem zu dem preußischen Fußarkilleriebataillon Nr. 13 als Rekruten eingerückten Bräutigam nahe zu sein. Ueberhaupt sind in letzter Zeit mehrere Mädchen aus Norddeutschland hier eingetroffen, um sich aus dem gleichen Grunde hier Stellen zu suchen. Eine gestern abend in einem hiesigen Gasthause angekommene ältere, gutgekleidete Frauensperson, die sich als Marie Maier aus Karlsruhe in das Fremdenbuch schrieb, hat sich heute morgen in ihrem Zimmer vergiftet. In das Krankenhaus verbracht, starb die Lebensüber­drüssige. Ueber ihre Angehörigen verweigerte sie jede Auskunft. Ihre Leibwäsche ist mit Ll. L. gezeichnet, und scheint sie also auch einen falschen Namen an­gegeben zu haben. Heute wurde ein Italiener hier fest genommen, der sich ohne Erlaubnis mit einer Drehorgel am Eingang der Platzgasse aufgestellt hatte und das Mitleid der Vorübergehenden dadurch erregte, daß er einen seiner Arme, bezw. eine seiner Hände hinter seiner Orgel verbarg. Dieses Manöver scheint demselben schon länger geglückt zu sein, denn in seinem Besitz fanden sich nicht weniger als 225 ^ 70 ^ bares Geld vor.

Tuttlingen, 6. Dezbr. In der Gerberei von Schneider hier wird die Haut des Elefanten Peter aus Nills Tiergarten gegerbt. Die Schwere der Haut beträgt nur noch etwas über 3 Ztr., da die Fuß- und Kopfteile fehlen. Das Bearbeiten der­selben erfordert aber die volle Kraft mehrerer Männer. Die Dicke der rohen Haut mißt 3 om. Die Haut wird zu gewerblichen Zwecken verwendet.

Pforzheim, 10. Dez. Heute früh kurz vor 2 Uhr, wurde die hiesige freiwill. Feuerwehr allarmiert. Es war in dem Magazin der G. Lan- z a'schen Südfrüchtenhandlung dahier Feuer aus­gebrochen. Durch das rasche und umsichtige Ein­greifen der Feuerwehr blieb dasselbe auf seinen Herd beschränkt. Zu verhindern war allerdings nicht, daß das Magazin ausbrannte. Viele Vorräte, wie Zwiebeln, Feigen, Orangen, Zitronen, Maccaroni, Kastanien rc. wurden zerstört. Der Gesamtschaden dürste etwa 900 ^ betragen. L. soll nicht versichert sein. Betreffs der Entstehungsursache gehen die Vermutungen auseinander.

Am Mittwoch mittag erhängte sich in Wiesbaden die 25jährige Frau eines an einem dortigen Blatte angestellten Buchhalters samt ihrem 7 Monate alten Kinde. Sie hatte an dem an der Zimmerdecke befindlichen Lampenhaken eine Waschleine

Da stand ich neben ihr: »Hedwig!' und faßte wieder ihre Hände.

»Nein, nein! Ich muß ihnen «ach! Seien Sir mir nicht böse*

Da lag mein Arm um sie: »Hedwig, vergiß mich nicht! Warte auf mich!'

Eine kleine, kurze Sekunde lag ihr Gesicht an meiner Schulter dann stand ich wieder allein aber grenzenlos selig und nicht mehr einsam! Ich reckte im Vollgefühl der Kraft und des Glückes die Arme in die Lust, und stolz, als wär's da» Band des höchsten Ordens, das Band, das sie getragen, um die tiefatmende Brust geschlungen, ging ich fürbaß, bergauf, hinein in» Glück, in die Arbeit um sie, ins Leben für sie! So ging ich, ein seliger Gesell, meine Straßen, und auf den ragenden Felstrümmrrn des »HexenaltarS' oben auf dem Brocken, am Abhang neben der Teufelskanzel, da trank ich ihr den letzten, tiefen Schluck aus meiner Feldflasche zu. Ja, behext war ich, ganz und gar. und sie, die holdselige Hexe, sie lag mir im Sinn und konnte nimmer daraus weichen, und ich war bereit, ihr auf dem Altar meines in Liebe lodernden Herzens zu opfern im jungen Mai, im jungen Lenz des Lebens, im Sommer auch und spät noch erst im Winter.

So dachte ich. Aber andere dachten ander». Zunächst meine Mutter, der ich, endlich zu Hause angekommen, in meines Herzen» Übrrwallen bei einer Waffer- fahrt einst alle» gestand. Zuerst geruhte sie, mich einen ganz dummen Jungen zu nennen, was ich keineswegs als eine Aufmerksamkeit aufnahm. Dann verbot sie mir kurz und gut, diese »Jugendeselei', wie sie sich zu meinem grimmigsten Zorn ausdrückte, durch irgend welchen Schriftwechsel fortzusetzen, und entschlossen, wie sie war, setzte sie sich, ohne daß ich es wußte, an den Schreibtisch und schrieb an meinen Schwiegervater in »ps einen gesalzenen und gepfefferten Brief, der mit einem dem ihrigen wenig verwandten von mir zugleich abging und dort ankam, auf welchen hin ich von dem braven Einnehmer eine sehr traurige, aber durchaus angemessene Antwort bekam, in der die Einladung »übers Jahr oder auf ein andermal' nicht mehr enthalten war, und in der er sich seinerseits jegliche Zuschrift von mir und meinen Verwandten verbat.

Ich stürmte mit diesem Absagebrief zu meiner Mutter, die ihn trotz meiner

mit zwei Schlingen angeknüpft und die eine dem Kinde, die andere sich um den Hals gelegt. Ein gleicher Versuch war schon einmal von dem Gatten vereitelt worden. Man glaubt, die junge Frau habe gehofft, auch diesmal von ihrem Manne, der zu be­stimmter Stunde nach Hause zu kommen pflegte, ab- geschnittcn zu werden. Der Gatte kam jedoch heute etwas später heim und fand Frau und einziges Kind tot. Die junge Frau soll exzentrischer Natur ge­wesen sein.

Aachen, 8. Dez. Die große Feuers­brunst, welche kürzlich die beiden in der Ruland- strecke gelegenen Fabriken, die mechanische Weberei von Heymann und die Steichgarnspinnerei von Biesing und Contzen, in Asche legte, hat wie jetzt festgestellt ist, 4 Menschenleben gefordert, außerdem haben 17 Personen mehr oder minder erhebliche Verletzungen, Arm- und Beinbrüche, sowie schlimme Brandwunden erlitten. Bereits im Januar 1886 fand eine ähnliche Catastrophe durch ein in der Biesing'schen Fabrik ent­standenes Feuer statt, wobei 17 Personen, Arbeiter und Arbeiterinnen das Leben einbüßten. Kurz nach 1 Uhr brach im westlichen Flügel das Feuer aus und verbreitete sich mit so rasender Schnelligkeit, daß, als die Feuerwehr erschien, bereits alle Räume von Qualm dicht gefüllt waren, so daß von den etwa 100 dort beschäftigten Arbeitern und Arbeiterinnen vielen jeder Rückgang abgeschnitten war. Viele retteten sich selbst. Privatpersonen und Feuerwehrleute thaten ihr mög­liches, um den schwer Bedrängten Rettung zu bringen.- Die Unglücksstätte umstehen Hunderte von Menschen, und die Ungewißheit über den thatsächlichen Umfang der Katastrophe, das innige Mitleid mit den aus den Trümmern gezogenen Schwerverwundeten lastet wie ein Alp auf Allen. Wie hart die Feuerwehrleute mit den Flammen aneinander gerieten, mag man da­raus entnehmen, daß zwei Hackenleitern, die beim Rsttungswerk benutzt wurden, Feuer singen und so schnell verbrannten, daß sie nicht mehr zurückgenommen werden konnten. Gleichermaßen teilte sich eine Feuer­garbe dem Kasten eines Schlauchwagens der 1. Kom­pagnie mit, so daß er teilweise verbrannte. Eine mechanische Schiebleiter konnte nur mit genauer Not zurückgezogen werden.

Berlin, 9. Dez. Prof. Dr. Koch wird in der bevorstehenden umfangreichen Veröffentlichung über das Tuberkulin dessen diagnostische Eigenschaft zur Erkennung der allerersten Stadien der Tuber­kulose darlegen, über die verbesserte gefahrlose Me­thode der Anwendung seines Mittels berichten und sich mit den abfälligen Kritiken seiner Methode be­fassen. Die Heileigenschaft des Tuberkulins soll in einer späteren Publikation erörtert werden.

DerFrkfr. Ztg." telegraphiert man aus Barcelona, 7. Dez.: Heute reisen 130 catalonische Fabrikanten nach Bilbao behufs Beteiligung an der dortigen großen Protestversammlung gegen den deuksch- spanischen Handelsvertrag; sie beabsichtigen hierauf »»»»»»» »»?> " gerungenen Hände und unparlamentarischen Äußerungen ruhig durchlas, schließlich nickte und nur sagte:Ein vernünftiger Mann; Deine junge Gans wird auch nicht sterben. Wenn sie solch Prachtbild ist, wird sie schon einen andern finden, der seine Examina gemacht hat und ihr von seinem eigenen Gelds was kauft.' Mit diesem schönen Trost ließ sie mich stehen.

LiebeSkrank verlebte ich die Ferien und ging ebenso auf die Universität zurück. Aber jede Flamme will ihre Nahrung haben. Und wenn man jahrelang konse­quent jede Art von Brief uneröffnet zurückbekommt, dann kann auch die feurigste Liebe abkühlen. Da kam's denn schließlich nach Jahren eines schönen Tages dahin, daß ich mich auf dringend ausgesprochene Wünsche meiner Mutter, längst daran verzweifelnd, Hedwig je mein zu nennen, die ich nimmer vergessen hatte, ob ich auch mit ruhigerem Sinn ihrer Lieblichkeit gedachte daß ich mich endlich auf einem Fastnachtsball, bethört vom Glanz funkelnder Augen und vom Geist funkelnden Wein», eigentlich mir selbst am nächsten Morgen zur Überraschung, mit einem Mädchen verlobte, für die ich im Grunde meines Herzens gar nichts fühlte, und die ich heucheln ist mir zeitlebens zu schwer gewesen denn wohl auch demge­mäß als Braut behandelt haben mag, oder sie mich, aus demselben Grunde mangelnden Verständnisse». Kurz und gut, die Sache ging zurück zum unendlichen Kummer meiner Mutter; aber unter uns gesagt, die Flasche Sekt, die ich im stillen auf meine Entlobung und wiedergewonnene Freiheit in der dunkelsten Ecke des Ratskellers am Abend vor meiner Versetzung trank, die schmeckte mir besser als der Sekt an jenem FastnachtSabend; und während ich in den Kelch hineinstarrte und die Perlen langsam aufsteigen sah, vergehend wie die feurigen Träume meines jungen, zum Leben erwachten Herzen», da sagte ich leise vor mich hin mit der sinngemäßen Anwendung auf den Harz jenes Wort des »Trompeters ' :

Die stille, holdselige Schwarzwaldlieb

War doch das ganze Leben!-'

(Fortsetzung folgt.)