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Schlaf gelegen und konnten nur wenig retten. Die Leute sind versichert. — Am 10. Aug. Vorm, brannte zu Verrenk erg ein von 3 Familien bewohntes Haus ebenfalls bis auf die Grundmauer nieder; nur wenig Habe konnte gerettet werden. Zwei Familien sind versichert, wogegen die dritte Bewohnerin, eine Ausdingerin, die Sicherstellung gegen Feuersgefahr versäumt hat. Auch in diesem Falle brach das Feuer im Dachstuhl aus und ist über die Entstehung nichts ermittelt.
Schorndorf, 11. Aug. Ein hiesiger Bürger, der seit gestern morgen von Hause fort war, wurde heute erhängt aufgefunden unweit seines Baumgutes, wo er noch die abgefallenen Aepfel zusammengelesen hatte. Traurige Familien- und Vermögens- Verhältnisse scheinen ihn in den Tod getrieben zu haben.
Honau, 8. Aug. Gestern Abend, kurz vor Feierabend, ereignete sich auf der Zahnradstrecke Honau-Lichtenstein ein bedauerlicher Unfall. Die Maschine, welche zum Rangieren der Rollwagen diente, geriet in raschen Lauf. Trotzdem der Maschinist Contredampf gab und der Heizer bremste, konnte dieselbe nicht zum Stehen gebracht werden, und mit rasender Geschwindigkeit eilte sie abwärts. Der Heizer sprang herab, der Maschinist wurde an der Wechselstelle hinausgeschleudert, ebenso ein junger Bursche von Engstingen, der sich auf die Maschine gesetzt hatte, sonst aber Sand auf die Schienen zu streuen hatte. Elftere kamen mit dem Schrecken davon, letzterem aber gingen die Räder über die Zehenspitzen und zerquetschten dieselben. Unten stieß die Maschine auf einen Zug leerer Rollwagen und warf dieselben über die Böschung, worauf die Maschine entgleiste und stehen blieb. Der Materialschaden ist unbedeutend.
Ulm, 11. Aug. Gestern abend lief bei dem Quartieramt die Nachricht ein, daß außer der bereits angesagten Einquartierung — Infanterie-Regiment Kaiser Wilhelm König von Preußen (2. Württ.) Nr. 120 und 8. Württ. Infanterie-Regiment Nr. 126 (Großherzog Friedrich von Baden), welche 14 Tage in hiesige Bürgerquartiere gelegt werden — für die Zeit vom 6. bis 11. oder 12. September noch weitere 35 Offiziere, 772 Mann und 13 Pferde des letztgenannten Regiments in hiesiger Stadt einzuquartieren seien. Daß über diese neue Quartierlast sonderliche Freude herrscht, kann nicht gerade behauptet werden.
Saulgau, 9. Aug. Ein merkwürdiges Schauspiel bot in der letzten Woche die Donau in dem benachbarten Hundersingen zwischen der großen Brücke und dem Steg. Dort konnte man 6 handfeste Männer und Jünglinge beobachten, wie sie sich bemühten, eine uralte, mächtig große Eiche aus dem Donaukanal, wo sie wohl an tausend Jahre unter dem Boden gelegen sein mag, mit Winden, Ketten und Fuhrwerk ausgerüstet, ans Land zu schaffen. Die Arbeit gelang nach 6 Tagen unter den größten Anstrengungen. Häufig standen die Arbeiter bis an die Brust im Wasser, während die Witterung mitunter sehr kühl und naß war. Bis jetzt hat keiner derselben Schaden genommen, was
wohl dafür spricht, daß sie noch etwas von der Natur jener alten Hundersinger bewahrt haben, von denen man sagt, daß sie so hart und unverwüstlich waren, wie ihre Eichen, die in grauer Vorzeit im Donauthal und an der dortigen Halde gestanden haben sollen. Der ganze Stamm wurde nach seinem ursprünglichen Umfang und Inhalt auf 21 Festmtr. berechnet; 6 Festmtr. des herrlichen Eichenstammes wurden zu 190 verkauft; fürwahr ein schöner Arbeitslohn!
Ell wangen, 10. Aug. In unserer Gegend war der Heuertrag gering und ist vielfach schon aufgebraucht, es ist daher nicht zu verwundern, daß immer noch große Mengen Vieh verkauft werden. In den letzten Tagen waren die Landorte von teilweise weit hergereisten Viehhändlern förmlich überschwemmt, so daß sich die Preise merklich steigerten und beim Fettvieh nahezu normale geworden sind. Da sich das Oehmdgras in den trockenen Wiesen nur langsam entwickelt und der Klee beinahe ganz fehlt, so ist es erklärlich, daß der heutige Lo- renzi-Markt außerordentlich stark mit Vieh befahren war. Die Zahl der anwesenden Händler, welche in in den Gasthäusern kaum untergebracht weiden konnten, war eine wohl noch nie dagcwesene; dem entsprach auch die Lebhaftigkeit des Handels. Die Folge davon war wiederum eine nennenswerte Preissteigerung gegen die letzten Wochen, welche für ein Paar Ochsen bis zu 100 ^ betrug. Mit der Bahn gingen 78 Wagen von Vieh ab, meist nach Baden, Frankfurt und Norddeutschland.
Frankfurt a. M., 9. Aug. Die heutige Conferenz der Finanzminister war hauptsächlich der Frage der Tabakfabrikat st euer gewidmet. Die Verhandlung war sehr eingehend, von mehr als einer Seite sollen, wie die „Frankfurter Zeitung" vernimmt, Einwendungen oegen den Steuervorschlag erhoben worden sein. Man sei aber zu einem, wenn auch nicht einstimmigen Einverständnis gekommen, sodaß also die Tabakfabrikatsteuer seitens der Vertreter der verbündeten Regierungen grundsätzlich als angenommen gelten dürfe. Ueber die Höhe der Steuer und die Bemessung von Abstufungen wird noch nichts mitgeteilt. Die Steuer auf inländischen Tabak, welche bisher 45 auf den Doppelzentner betrug, soll fallen. Damit aber nicht infolge ver Aufhebung der Jnlandsteuer der Tabakbau seine natürliche Grenze überschreite und zugleich die besseren ausländischen Sorten vom Markte künstlich ferngehalten werden, will man, wie es heißt, den Zoll auf ausländischen Tabak (bisher 85 ^ auf den Doppelzentner) als Ausgleichung um 45 ^ herabsetzen. Was die Art der Besteuerung betrifft, so soll eine Stempelung beim Fabrikanten in Aussicht genommen sein. Es wurden drei Hauptklassen angenommen, Cigarren, Rauchtabak und Schnupftabak, innerhalb derer Abstufungen nach dem Werte Platz griffen. Die Einführung von anderwärts im Gebrauch befindlichen Banderollen soll nicht beabsichtigt sein, die Aufsicht vielmehr auf eine Buchkontrole sich beschränken, die unter thunlichster Schonung der kleineren Fabrikanten
durchgeführt werde. Ueberhaupt gedenke man die Controls soweit zu erleichtern, als nur irgend möglich sei, um jede Schädigung von den Betrieben fern zu halten.. Man hoffe, daß das neue Tabakgesetz bereits am 1. April 1894 in Kraft treten könne. — Weiter wurde über das Stempelsteuergesetz beraten, und auch hierüber soll man zu einer wenn auch nur ganz allgemein gehaltenen Einigung gekommen sein. Die Frage gelte in. ihren Einzelheiten noch nicht als spruchreif, weil gerade in- der letzten Zeit beachtenswerte Mitteilungen über die Bedürfnisse des Geschäftslebens gemacht worden seien, die eine Berücksichtigung erheischten. Endlich wurde auch die Quittungssteuer in den Bereich der Beratungen gezogen. Bindende Beschlüsse können,, wie zur Vermeidung von Mißverständen hervorgehoben sei, hier nicht gefaßt werden, da über die hier gefaßten Abmachungen zunächst die einzelnen Regierungen und alsdann der Bundesrat zu entscheiden haben. Es ist. bereits mitgeteilt, daß man hofft, morgen mit den. Beratungen zu Ende zu kommen.
Frankfurt a. M., 9. August. Der «heute Vormittag von Cronberg nach Frankfurt abgelassene Zug wurde bei Rödelheim durch ein Aufgebot vom Schutzmannschaft, das unter dem Befehl eines Polizeikommissars stand, zum Anhalten veranlaßt. Die Polizeibeamten durchsuchten alle Wagen auf das sorgfältigste und forderten alle Herren, die einen Vollbart und einen Strohhut trugen, auf, auszusteigen.. Von fünf Herren, die sich in dieser Lage befanden, wurde einer mit goldener Brille und grauem Vollbart für verhaftet erklärt. Ueber den Grund zn dieser Maßregel erfährt der hiesige „Generalanzeiger", daß einem zur Zeit in Königstein weilenden Russen heute Morgen 80 000 Rubel gestohlen worden seien.. Die Königsteiner Polizei telegraphierte an den Stationsvorsteher in Rödelheim, und dieser verschaffte sich die polizeiliche Hilfe. Die Personalbeschreibung des Fahndungsbriefes paßte auf den Verhafteten, allein in Cronberg mußte man die unangenehme Entdeckung machen, daß man in diesem, einem Schreinermeister namens Stüber aus Bockenheim, den Falschen fest-, genommen hatte. Der wahre Thäter war unterdessen unbehelligt nach Frankfurt weitergefahren. Der „Falsche" wurde natürlich sofort in Freiheit gesetzt.
Bad Kissingen, 11. Aug. Etwa 700 Lehrer vom XII. Bayerischen Volksschullehrertag. brachten dem Fürsten Bismarck heute nachmittag eine Ovation. Der Fürst sprach ihnen Dank aus. und verbreitete sich in längerer Rede über die deutsche Schule und ihre Zukunft im Gegensatz zum französischen Chauvinismus und dem französischen Na-, tionalcharakter; ein gewisser Partikularismus habe in historischer Liebe zu den uralt angestammten Dynastien auch im neuen Reiche seine Berechtigung. So habe er auch 1866 keinen Krieg der deutschen- Stämme gegeneinander erwartet, sondern geglaubt, Preußen und Oesterreich würden die unvermeidlich, gewordene Auseinandersetzung mit den Waffen über die Vormacht in Deutschland unter sich allein ausfechten dürfen, während die deutschen Mittel- und. Kleinstaaten dabei neutral zu bleiben vorziehen.
Natürlich willigte Squire Mostyn mit Freuden in eine Verbindung Eleonores mit Lord Harold Brackenburg, den er auch persönlich lieb gewonnen, doch wurde die Hochzeit auf Wunsch deS Squire erst ein halbes Jahr nach Edward BayliS' Hinrichtung abgehaltcn und zwar in aller Stille, es war niemand zugegen als Felix nebst seiner Gattin und Doktor Merriefield, der Freund Harolds, der Niemals an dessen Unschuld gezweifelt hatte. Anselmo, der einst Zeuge bei der Vermählung von Harolds Eltern war durfte auf Wunsch deS letzteren auch bei dieser Trauung als Zeuge anwesend sein. Der alte Matrose fuhr sich unendlich oft während des feierlichen Aktes mit der Hand über die Augen, um die Frcudenthränen abzuwischen, die stets aufs Neue über seine Wangen herabliefen. Nach all' dem Vorhergegangenen war es keine prunkvolle, gedankenlos fröhliche, sondern eine ernste Hocbzeitsfeier, aber wohl selten legten zwei Brautleute mit seligeren Gefühlen am Altar die Hände ineinander als Harold und Eleonore. Felix ging nach der Hochzeit seines Bruders noch einige Zeit auf Reisen, dem Schmuggeln hatte er für immer lebewohl gesagt. Als er zurückkehrte, bezog er für immer das rote Haus und es herrschte zwischen demselben und Brackenburg ein lebhafter und herzlicher Verkehr. Der Brennpunkt, um den sich Alles, Kinder und Enkel, sammelte, blieb jedoch stets Westringham Hall, denn nicht allein Eleonore und ihr Gatte, auch Felix und Elma bemühten sich, dem Squire alle trüben Erinnerungen vergessen zu machen, was ihnen auch nach und nach gelang.
Es bleibt nur wenig mehr mehr zu sagen übrig. Lucy Black verschwand nach der Hinrichtung des Advokaten für immer aus der Gegend von Westringham. Sie war dem unwürdigen Manne treu bis an sein Lebensende geblieben, ihre inständigen Bitten hatten ihr dis Erlaubnis erwirkt, ihn im Gefängnis besuchen zu dürfen. Niemand als Lucy legte unter heißen Thränen einen Blumenkranz auf das einsame Grab des Verbrechers, bevor sie für immer aus der Gegend schied. Ehe
dies jedoch geschah, erhielt Eleonore einen langen Brief von Lucy, in welchem sie ihr Alles gestand und sie anflehte, ihr zu vergeben, was Eleonore von Herzen gerne that. Sie war ja jetzt so glücklich, hatte sie doch im Grunde ihres Herzens dem Urheber ihrer Leiden vergeben, sollte sie dem Werkzeug noch ferner zürnen? Sie beantwortete Lucys Brief sogleich und versicherte ihr mit freundlichen Worten ihre Vergebung.
Mr. Malcolm, der Stationsbeamte, der Fabrikstadt N. N., auf deren Perron sich die Scene mit Eleonore und Doktor Sabin abgespielt, ließ sich nicht abhalten, die Anzeige davon bei Gericht zu machen. Eleonore und ihr Vater hätten gern über die ganze Sache geschwiegen, allein einer gerichtlichen schriftlichen Anfrage gegenüber konnte man die Wahrheit nicht verschweigen. Die Folge davon war, daß zwei berühmte Ärzte in Begleitung eines Gerichtsbeamten ganz unverhofft in der Irrenanstalt des ehrenwerten Doktors Sabin erschienen und in jedem Zimmer, in jeder Zelle die Geisteskranken besichtigten. Leider bestätigte sich der üble Ruf, in welchem die Anstalt stand, auf das Traurigste. Man fand noch einige Opfer gemeiner Habsucht, die, da sie bei gesunden Sinnen, sogleich in Freiheit gesetzt wurden. Doktor Sabin wurde verhaftet und verbüßte seine Verbrechen mit jahrelangem Gefängnis, seine Anstalt wurde geschloffen und die wirklichen Irren einer humaneren Behandlung übergeben.
Somit glaube ich die Geschichte zur Befriedigung des geneigten Lesers zu Ende geführt zu haben, denn es wurz-lt tief im Herzen jedes besseren Menschen das Verlangen, das Gute belohnt und das Böse bestraft, zu wissen. Wenn die Erzählung irgend einem freundlichen Leser ein paar langweilige Stunden abgekürzt hat, so ist ihr Zweck erfüllt und sie hat alsdann ebenfalls ihre Belohnung gefunden.