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Kavallerie und Artillerie an den Manövern, teilweise Kürzung der Dauer der Uebungen — sind die sorgfältigsten Erhebungen über den Grad der Notlage in den einzelnen Landesteilen vorausgegangen, als deren Ergebnis sich darstellte, daß die Durchführung der größeren Truppenübungen in der nunmehr geplanten Weise ohne Beeinträchtigung der landwirtschaftlichen Interessen möglich ist; man muß sie aber auch als Grenze dessen ansehen, was von der für die Kriegs- lüchtigkeit der Truppen verantwortlichen Stelle an Entgegenkommen geboten werden kann, wenn nicht der Nachteil der diesjährigen Verhältnisse für die Ausbildung der Truppen zu ernstlichem Schaden werden soll. Nimmt man noch dazu, daß die Militärverwaltung allen von den Herstübungen berührten Gemeinden gegenüber die weitgehendsten Zugeständnisse hinsichtlich Verpflegung von Mann und Pferd machen wird, daß, wo es nötig ist, selbst die Streumittel für die Pferde geliefert werden sollen, daß die Füllung der Manövermagazine durch Aufkauf in dem Manövergelände ausgeschlossen sein wird, daß den Truppen die größtmögliche Schonung der Felder insbesondere der Anpflanzungen mit Futterkräutern zur Pflicht gemacht werden wird, so ist wohl zu erwarten, daß nun diejenige Beruhigung in den beteiligten Kreisen Platz findet, welche sich aus sachlicher Erwägung aller einschlagenden Verhältnisse ergiebt. Hiezu muß noch besonders beitragen, daß Seine Majestät der König in weiterer Rücksicht auf die Landwirtschaft auch hinsichtlich der Kaisermanöver Schritte gethan hat, welche dazu führten, die Zustimmung Seiner Majestät des Kaisers dahin zu erwirken, daß an Stelle der beabsichtigten Manöver des XIII. gegen das XIV. Armeekorps, solche der einzelnen Korps in sich und je auf eigenem Landesgebiet stattsinden sollen unter gleichzeitigem Verzicht auf die Aufstellung der Württemberg. Reservedivision. Es bedeutet dies, daß abgesehen von dem Wegfall der Durchmärsche des badischen Armeekorps und von der zeitlichen Einschränkung des Kaisermanövers für das württb. Armeekorps 41 Bataillone, 20 Es- kadrons und 23 Batterien weniger in dem für die Manöver vor Seiner Majestät dem Kaiser vorgesehenen Terrain sich bewegen werden und dort unterzubringen und zu verpflegen sind.
— Am Mittwoch wurde, nach der „Ludwigsburger Zeitung", der auf so bedauerliche Weile ums Leben gekommene W. Stumm zur Ruhe gebettet. Als Vertreter der Garnison Ludwigsburg waren beim Leichenbegängnis erschienen Generalmajor v. Dettinger mit dem Schießplatzoffizier Hauptmann Kinzelbach und dem Platzmajor Hauptmann z. D. Kaufmann, um durch ihre Anwesenheit bei der Beerdigung zu beweisen, welch aufrichtigen Anteil sie und die ganze Garnison an dem Unglücksfall nehmen. Am Unglückstag selbst fand sich Generalmajor v. Dettinger persönlich im Hause des Vaters des Verunglückten ein, um sein Beileid auszudrücken, was auch seitens des Generals dem Schultheißen gegenüber geschah. Mit
aufrichtiger Genugthuung wurde eS von der Einwohnerschaft ausgenommen, daß in einem Telegramm von Seiner Majestät dem König an den Schultheißen die Zusicherung gegeben worden sein soll, daß für den Vater des jungen Mannes in hinreichender Weise gesorgt werde. Der Schmerz des schwergeprüften Vaters ist um so begreiflicher, als der Erschossene seine beste Stütze im Geschäft war und ein älterer noch zu Hause befindlicher Sohn an einer schweren Krankheit schon viele Wochen darnieder liegt.
Heilbronn, 26. Juli. Die Angelegenheit des Oberbürgermeisters Hegelmaier ist in ein weiteres Stadium getreten. Von Seiten des k. Medizinalkoüegiums ist nämlich ein zweites Gutachten hier eingelangt, in welchem darauf beharrt wird, daß H. unheilbar geisteskrank ist, während bekanntlich Geh.-Rat Dr. Schule in Jllenau sich nach Einsicht der Akten und auf Grund längerer persönlicher Beobachtung für die völlige geistige Gesundheit des Oberbürgermeisters H. in ganz bestimmter Welse ausgesprochen hat. Es gewinnt immer mehr den Anschein, daß man gerne um eine öffentliche Verhandlung vor dem Disziplinarhof herumkommen würde/ wenn dies auf gesetzlichem Wege möglich ist. Denn wie bestimmt versichert wird, wurde dem H. bis jetzt weder eine Anklageschrift zugestellt, noch ihm der Inhalt der gegen ihn erhobenen Beweismittel mitgeteilt, was nach Artikel 90 des Beamtengesetzes sofort nach geschlossener Voruntersuchung hätte geschehen sollen. Deshalb sieht man auch der hier bevorstehenden Gerichtsverhandlung allgemein mit begreiflicher Spannung entgegen, da ohne Zweifel diese über manche noch dunkle Punkte Licht bringen wird. Als Sachverständige sind nämlich auf der einen Seite einige Mitglieder des Medizinalkollegiums, auf der andern Seite Geh.-Rat Dr. Schüle geladen; es handelt sich somit darum, daß das Medizinalkollegium öffentlich den Beweis führt, was sehr erhebliche Hacken haben dürste. Bekanntlich behauptet u. A. die Regierung, daß in der letzten Gerichtsverhandlung vom 19. Mai v. I. die bei H. vorhandene Geistesstörung ganz evident hervorgetreten sei; es wurden deshalb über diesen Punkt einige Gerichtsmitglieder als Zeugen geladen. Die Stimmung der hiesigen Bürgerschaft, welche das eingehaltene Verfahren nicht mehr versteht, wird deshalb auch immer mißmutiger.
Gundelsheim,24. Juli. Ein Radikalmittel, die Wespen zu vertilgen, wendeten am Samstag abend einige Knaben an. In einem der großen Akazienbäume am Eingang zu der sog. Johannesgruppe hatte sich eine Wespenfamilie angesiedelt. Diese war den Buben längst ein Dorn im Auge und schließlich verfielen sie darauf, brennenden Schwefel in die Höhlung zu bringen. Die Wespenbrut kam auch im Feuer, Rauch und Schwefel um, aber auch der Baum verbrannte und beim Fallen rieß er einen Teil der Umfassungsmauer des schönen Platzes nieder, wobei eine der zwei steinernen Engelsfiguren, welche den
„Der Vater ist zu Tode erschöpft," flüsterte Anna. „Gehen Sie jetzt, es ist besser, wenn er Sie bei seinem Erwachen nicht mehr hier findet, ich werde ihm sagen, daß Sie schon auf der Heimreise sind."
„Dies werde ich auch bald sein," antwortete Harold, indem er Anna zum Abschied die Hand schüttelte.
„Geben Sie uns baldmöglichst Nachricht, wenn Sie Ihre Rechte erlangt haben, Mylord," bat Anna. „Dies wird den Vater erst vollends beruhigen."
Harold versprach, den Wunsch Annas zu erfüllen. Des andern Morgens mit dem ersten Zuge reiste er ab, der Heimat zu.
18. Kapitel.
Die Entrüstung über den schnöden Mord an einem wehrlosen alten Manne war allgemein und das Leichenbegängnis Mr. Milforts so großartig wie lange keins gewesen. Ganz Westringham und Umgegend beteiligte sich dabei. Was Eleonore kitt in diesen Tagen, mag sich der Leser vorstellen, doch kam nie ein Zweifel an die Unschuld des Geliebten in ihr Herz, obgleich sie sich seine plötzliche Abreise nicht zu erklären wußte. Der Squire jedoch dachte anders, er wiederholte zu Eleonores größter Pein immer und immer wieder, wie man sich doch in den Menschen täuschen könne, er hätte schwören mögen, daß dieser Mr. Charlton der edelste und rechtschaffenste Mensch sei. Squire Mostyn schauderte bei dem Gedanken, daß er einen Möcder freundlich eingeladen habe, sein Haus zu besuchen, da er ihm das Leben seiner Tochter verdanke.
Außer dem Advokaten triumphierte noch jemand, nämlich Lord Walgram. Nun blieb er unbestritten in seinem Rang und Besitztum, Harold war lebendig tot. Mochte sich auch dos Trauzeugnis finden, ein verurteilter Mörder konnte nicht Lord Brackenburg werden und der andere Sohn Sir Bernards, Felix, hatte in all' den langen Jahren kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben.
Schon fünf Tage waren vergangen, ohne daß man etwas von Harold Charlton hörte. Man begriff nicht, daß der Telegraph nicht in Bewegung gesetzt worden
Eingang zierten, zertrümmert wurde; denn von dem zuschauenden erwachsenen Publikum war niemand so vernünftig sie vorher zu entfernen. (Jpf.)
Neukirch, 26. Juli. Dem Straßenwärter Ziegler hier wurde in der Nacht vom 20.-21 Juni ein von der Schulstelle gepachteter, mit Dinkel angeblümter Acker abgcmäht, was hier allgemeine Entrüstung hervorrief. Sei es nun, daß das erwachte Gewissen, oder die Furcht vor Entdeckung und Strafe den Thäter veranlaßte: gestern fand der Geschädigte in einem Schächtelchen vor seinem Fenster 100 den ungefähren Ersatz für den boshafterweise zugefügten Schaden.
Ulm, 27. Juli. Das Divisionskommando Ulm hat als Manöverterrain für die 53. Infanterie- Brigade nunmehr das Oberamt Ehingen bestimmt, wogegen der dortige Amtsversammlungsausschuß wegen des im ganzen Bezirk herrschenden Notstandes protestiert.
Ulm, 27. Juli. Der „Schw. Merk." schreibt: Gestern in den Nachmittagsstunden bot die Frauenstraße in der Umgebung des Gasthofs zum Greifen das Bild eines recht lärmenden Treibens, das heute den ganzen Tag den Gesprächsstoff für die Stadt bildete, zumal der Fall die Persönlichkeit eines Offiziers betrifft. Sekondelieutenant Bopp II im Dragoner-Regiment Nr. 26 hält im Gasthof zum Greifen einen Mietstall für 3 edle Rassepferde. Gestern Nachmittag nach 3 Uhr wollte er einen Ritt machen, mußte aber beim Gasthof zum Kronprinzen absteigen, da die Gurtung nicht in Ordnung war. Das Pferd ging der dieser Gelegenheit durch und eilte wieder zu seinem Stalle zurück. Der Bursche des Offiziers wollte das Pferd am Greifen aufhalten, was aber ihm und einigen Nachbarn nicht gelang. Das Pferd kam bei dieser Jagd in der Radgasse zu Fall und der nacheilende Offizier hatte für dieses, erst nach Mühe gelungene Einfangen seines Pferdes gerade keine Dankesworte, indem er mit Recht betonte, daß das Pferd ohne ein demselben entgegsngestelltes Hindernis ruhig in seinen Stall gekommen wäre. Im Stalle gab's dann Vorwürfe und bedauerlicherweise einige Schläge mit der Reitpeitsche, seitens des Pferdeburschen auch Entgegnungen, die den Offizier nach dem vorausgegangenen Vorfall noch mehr reizen mußten, umsomehr als sich Kinder und Frauen in den Hof drängten und Schimpfworte gegen den Offizier fielen. Derselbe, durch den ihm von dem Publikum geschehenen Schimpf auf's Aeußerste gereizt, drängte sein ohnehin aufgeregtes Pferd wieder zum Thor hinaus und wurde hier von einer nach Hunderten sich belaufenden Volksmenge mit allen nur denkbaren Zurufen beehrt. Nach kurzer Zeit kehrte Lieutenant B. wieder zum Greifen zurück; leider war die Einfahrt von einer johlenden Menge ganz versperrt. Die beleidigendsten Zurufe fielen; mit Schirmen und Stöcken wurde auf das Pferd geschlagen; man faßte es am Schweife, so daß es seinem Reiter nicht mehr gehorchte, kurz es war ein unbeschreibliches Lärmen
war, um des Schuldigen habhaft zu werden, der Telegraph, der doch mit Blitzesschnelle den Verbrecher in die Hände der Gerechtigkeit geliefert hätte. — Niemand ahnte, daß die Nemesis bereits ihre furchtbare Macht entfaltete, um den wahren Übelthäter anS Licht zu ziehen, daß unnuttelbar nach der im vorigen Kapitel geschilderten, durch den Koroner geführten Untersuchung des Thatbestandes auf dem Schauplatz des Mordes Angaben bei dem Staatsanwalt gemacht worden waren, welche jeden Verdacht dieses Beamten von Harold nahmen und ihn auf die richtige Spur lenkten.
Hätte Eleonore eine Ahnung davon gehabt, sie würde ihre schönen Augen nicht trübe geweint haben. Das arme Mädchen war in einem Zustande des Kummers und der Angst, der, wenn er lange so andauern sollte, unzweifelhaft die Gesundheit untergraben hätte. Edward Baylis brachte jeden Abend in Westringham Hall zu und dies war für Eleonore das Unerträglichste. Diesen kalten, spöttisch mitleidigen Augen zu begegnen war ihr die größte Pein, daher es für sie eine Erleichterung war, nach dem Essen im Garten umher zu wandern. Wenn sie auch bei ihren Spaziergängen nicht mehr hoffen konnte mit Harold zusammen zu treffen, so hatten dieselben wenigstens das Gute, sie für eine Weile von der Gegenwart ihres verhaßten Vetters zu befreien. Nur gestern Abend, am Montag, hatte Eleonore eine Ausnahme gemacht und war nicht in den Garten gegangen, da es ungewöhnlich kühl gewesen war. Es wollte ihr scheinen, als sei diese Ausnahme von der Regel ihrem Vetter nicht angenehm gewesen, wahrscheinlich erwiderte er ihre Empfindung des Widerwillens gegen ihn mit demselben Gefühl und war ebenfalls froh, von ihr ' für kurze Zeit befreit zu sein. — In der Nacht des vergangenen Mittwochs aus Donnerstag war der Mord verübt worden, heute war es Dienstag. Edward Baylis war wie gewöhnlich zu Tische bei seinem Onkel. Als das Essen vorüber, nahm Eleonore einen Shawl um ihre Schultern, setzte eine Kaputze auf und eilte hinaus in den Garten. Edward Baylis sandte ihr einen Bick hämischen Triumphes nach.
In trübe, schmerzliche Gedanken verloren, wandelte das arme Mädchen in-