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gesunken. Die Mannschaft konnte nur mit Mühe gerettet werden.

In den Schaufenstern einer Wiesbadener Firma wurden, wie der Rhein. Kur. berichtet, vor einigen Tagen die ersten Rheingauer Trauben ausgestellt. Dasselbe Blatt meldet aus Obernhof bei Nassau: Die erste reife weiße Traube wurde am 13. ds. in einem hiesigen Weinberge gefunden.

Aus Bayern, 19. Juli. Am Freitag morgens begab sich der k. Jagdgehilfe Schädel in sein Revier (Forstamt Benediktbeuren) und gelangte auf ein Plateau unterhalb der Glaswand, etwa 1000 Fuß unter der Spitze. Dort pflückte Schädel Alpen­rosen und hatte bereits zwei Bund beisammen, als er von Wilderern plötzlich durch einen Schrotschuß ins Gesicht zu Boden gestreckt wurde. Da der pflichttreue Schädel sich des andern Tages nicht zum Rapport meldete, vermutete man ein Unglück und suchte nach ihm, aber vergeblich, Sonntags wurde die Suche fortgesetzt; man fand seinen Rucksack und Wettermantel und in einiger Entfernung zwischen zwei großen Steinen die Leiche des Schädel, einen Papierpfropf im Munde und über einen Zentner Steine auf seiner Brust. Das Gewehr, Taschenuhr, Perspektiv und Geldbeutel mit Inhalt sind geraubt.

Friedrichsruh, 21. Juli. Fürst Bis­marck hielt bei der Begrüßung der 800 Braun­schweiger eine politische Rede. Er äußerte sich ab­fällig über den Reichstag, der zu nachgiebig gewesen sei und über die Bureaukratie. Er bestritt, daß er in seiner Rede an die Lipper für den Partikularismus eingetreten sei, und gab dann seinem Mißtrauen gegen die Polen Ausdruck. Der Fürst besprach ferner das Verhalten seines Sohnes im Reichstag.

Berlin, 22. Juli. DieKreuzzeitung" mel­det aus Posen: Nach Meldungen von der polnischen Grenze wird in den nächsten Tagen ein russisches Ausfuhrverbot für Stroh und Heu erwartet.

Die Frage, ob unser Kaiser zum Be­suche der Weltausstellung nach Chicago reisen werde, hat die amerikanische Presse seit Monaten lebhaft beschäftigt. Seit einigen Tagen läuft wieder eine Nachricht darüber durch die Blätter. Der deutsche Reichskommissar, Geh. Regierungsrat Mer­muth so schreiben die Straßb. Nachr. der sich durch seine pflichttreue und unermüdliche Thätigkeit ein großes Verdienst um das Gelingen der deutschen Ausstellung erworben hat und zu denpopulärsten Persönlichkeiten unter den prominenten Fremden in Chicago" gehört, ist nämlich nach Europa zurückge- reist, nachdem er, wie das in Amerika unvermeidlich, vorher noch einSchluß-Interview" seitens der Re­porter zu bestehen hatte. In dieser Unterredung nun hat Herr Wermuth auf die Frage, ob der Kaiser wohl nach Chicago kommen werde, die naturgemäße Antwort gegeben:Das weiß ich nicht". Dieses I äo not know ii" wird nun so ausgelegt, als habe er eine halbwegs zustimmende Antwort gegeben. Darüber herrscht große Freude in Chicago. Schon seit einiger Zeit war übrigens ein bedeutsamer Um­

schwung in der Haltung der amerikanischen Presse unserem Kaiser gegenüber zu beobachten. Sein Eintreten für die deutsche Ausstellung hat ihn in Verbindung mit dem über Erwarten großen Erfolge der deutschen Ausstellung in Amerika gradezu popu­lär gemacht. Das erstreckte sich bis auf die Haltung - der amerikanischen Blätter gegenüber der Militär­vorlage. Während sie dieselbe früher alsAus­wuchs des Militarismus" u. s. w. in die tiefsten Höllenschlünde verdammten, schreibt z. B. die6di- eago llribuns", das größte und vornehmste englisch­amerikanische Blatt in der Weltausstellungsstadt, unterm 6. Juli wörtlich folgendes:

Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß der neue deutsche Reichstag dem in taktvoller und ver­söhnlicher Weise ermäßigten kaiserlichen Verlangen nach Erhöhung der Stärke des deutschen Heeres ohne unnötige Verzögerung entsprechen wird. Wenn dies geschehen ist, wenn dadurch das deutsche Heer auch an Zahl hinter den Nachbarheeren nicht mehr zurücksteht, und da zugleich, der Versicherung des Kaisers zufolge, die Be­ziehungen des Vaterlandes zu den anderen Mächten friedlich sind und keine Kriegswolken sich am Horizonte zeigen, so wird sich hoffentlich der deutsche Kaiser bestimmen lassen, nach Chigago zu kommen. Er soll dann hier mit eigenen Augen sehen, wie herrlich und großartig die Deutschen von drüben und hüben die Erzeugnisse ihrer Künstler und Handwerker zur Darstellung und Ausstellung gebracht haben. Und er soll und wird dann ven herzlichen Empfang finden, der ihm für die Hochherzigkeit, womit er seinen persönlichen Einfluß für unsere Weltausstellung geltend gemacht hat, so sehr gebührt.

Wir zweifeln keinen Augenblick daran, fügt die Straßb. Post" bei, daß die in dem Schlußsatz aus­gedrückte Erwartung des großen englisch-amerikanischen Blattes vollinhaltlich in Erfüllung gehen würde, wenn der Kaiser nach Amerika ginge. Wir glauben zwar nicht, daß dies der Fall sein wird, jedenfalls aber verdient dieses Stimmungsbild und die freund­liche Anerkennung der deutschen Ausstellung durch dieOlnoaxo Driduns" auch in der deutschen Presse verzeichnet zu werden.

Der Futterversandt aus den östlichen Provinzen Deutschlands nach dem notleidenden Westen hat seit etwa einer Woche begonnen und nimmt täg­lich wachsende Dimensionen an. Was für Material­mengen das Ernteergebnis der Landwirtschaft des Ostens zur Verfügung gestellt hat, wolle man daraus ersehen, daß der Andrang zu den Bahnstationen ein derartiger ist, daß oft auf langen Straßenzügen der Verkehr stockt. Es werden ganze Eisenbahnzüge mit Heu expediert, von denen jeder einzelne Wagen bis zu 50 Zentner Heu ladet. Und dabei werden die Zufuhren eher größer als geringer. Die Beamten müssen vielfach über ihre gewöhnlichen Dienststunden hinaus arbeiten, um den Verkehr bewältigen zu können.

Von der Donau, 18. Juii. DerMa- gyar-Hirlap" berichtet vom Eisernen Thore über einen Unglücksfall, welchem 12 Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Zwölf Arbeiter der Bau­unternehmung in der Nähe der bei Greben aufge­stellten Baggermaschine stiegen bei stürmischem Wetter in einen Kahn, um an das serbische Ufer hinüber­zufahren, der Kahn wurde an die Baggermaschine geschleudert, kippte um, und die Arbeiter fielen ins Wasser. Zwei Dampfer eilten herbei, konnten aber infolge des hohen Wellenganges nicht an die Bagger­maschine heran. Bis die Rettungsgürtel und die Seile Herabgelasien waren, hatten die 12 Arbeiter bereits den Tod in den Wellen gefunden.

Paris, 21. Juli. Die ZeitungLe Journal" veröffentlicht die Sensationsnachricht, ver russische Botschafter in Paris, Baron Mohrenheim, habe am Dienstag vor der Kammersitzung dem Minister Develle die Mitteilung gemacht, seine Regierung werde in der Siam-Affaire Frankreich in allen Punkten unterstüzen. Das Londoner Kabinett sei davon be­nachrichtigt worden, das russische Geschwader werde in wenigen Tagen in den siamesischen Gewässern Anker werfen, um die französischen Forderungen zu unterstützen und die rusischen Unterthanen zu schützen. Zu dieser Nachricht dürste die Thatsache aufgebauscht worden sein, daß Mohrenheim am Dienstag morgen Herrn Develle einen Abschiedsbesuch gemacht hat, da er abends zur Kur nach Royat abgereist ist. Auf­fallender Weise hat die offiziöse Agentur Havas die Sensationsnachricht desJournal" weiter verbreitet. Die französische Regierung hat den Mächten ver­traulich mitgeteilt, daß sie im Fall einer Weigerung Siam's, die französischen Bedingungen zu erfüllen, nicht beabsichtige, sofort Bangkok zu bombardieren, sondern die Kononenbote zurückzuziehen und die Blokade zu erklären.

Kolumöische Weltausstellung.

In den Weinbergen.

Von Otto Schröder.

(13. Brief.)

Chicago, den 5. Juli 1893.

Gegenüber der bewaldeten Insel, welche von der Lagune umrahmt wird, liegt malerisch der Tem­pel der Flora und des Bacchus, die 1000 Fuß lange und 250 Fuß breite Gartenbauhalle mit einem 113 Fuß hohen Kuppelbau. Vor der Front des Gebäu­des dehnt sich eine herrliche Blumcnterrasse aus, und in einem Bassin stehen große Behälter mit der üppigenVictoria regia" und der blattreichenNym- phäa". Der Bau besteht aus dem Hauptschiff mit je zwei kleinen Pavillons an der Vorder- und Rück­seite und einem mit Glas bedeckten Säulengange, welcher sich zu beiden Seiten an das Hauptschiff an­schließt und dadurch die Verbindung mit dem dritten Teil, den Endpavillons, herstellt. Diese letzteren nehmen die ganze Breite des Gebäudes ein und bil­den zwei offene Hofräume.

den Verdacht schnell wieder fallen lassend, der bei der Nachricht von Charltons plötzlicher Entfernung doch in ihm aufgestiegen war.Wohin verreiste er? Weißt Du dies nicht, Mary?"

Nein, ich habe nicht gefragt."

Der Koroner sah auf seine Uhr.

Jetzt ist eS bereits zwei Uhr," sagte er,wenn wir auch den Telegraphen in Bewegung sitzen, so hat Mr. Charlton jedenfalls einen tüchtigen Vorsprung. Ich kann mich der Überzeugung nicht erwehren, daß wir damit einen Unschuldigen verfolgen und brandmarken würden. Sagte Mr. Charlton nicht, wann er zurück­kommen werde, Mary?"

«Er sagte, er würde nur fünf Tage, höchstens sechs. auSbleiben," antwortete Mary.

Ich werde sogleich mit dem Staatsanwalt in Westringham darüber reden, es ist seine Sache, nicht die meinige," sagte der Koroner.

Als sich die Versammlung trennte, war die Mehrzahl der Anwesenden, trotz Harold Charltons bisherigem tadellosem Leben, von seiner Schuld überzeugt. Doktor Merriesield und der Koroner warm unter dm Wenigen, die fest an seine Unschuld glaubten.

Wie kam denn Charltons Messer in Eure Tasche, Herr?" flüsterte John Hinkley, der unterdessen unbemerkt wieder in das Zimmer getreten war, dem Advokaten zu.

«Er bat es gestern Abend im Bureau liegen lassen, und da ich es gerade brauckte, steckte ich cs zu mir, ich dachte gornicht mehr daran. Dieser Zufall bricht Mr. Charlton den Hals."

«Hm! Hm!" brummte Hinkley.Die Sache Hot einen Haken. Wenn sie Mr. Charlton einfangen und verhören, wird er sich vielleicht erinnern, daß er das Taschenmesser im Bureau liegen ließ, und daß er nicht mehr hineinkam es zu Holm.

Ihr habt Euch des Messers in Eurer Tasche auch erst in dem Moment erinnert, als Ihr dem alten Milsord den Hals abschnittet."

Pst! Stille um Gotte» Willen." flüsterte Baylis, angstvoll umher blickend., Besser wäre cs für Euch, Baylis. der Clerk käme nicht mehr zum Vorschein." Und auch für Dich," sagte der Advokat.

Ich käme noch besser weg wie Ihr, ich Habs nur gestohlen, nicht gemordet. Bei alledem habt Ihr die Sache dumm gemacht. Man steckt bei solchen Gelegen­heiten das Messer wieder in die Tasche, wenn eS seine Schuldigkeit gethan hat. Der Boden fängt an zu brennen, machen wir zusammen Staubaus, wollt Ihr nicht, Herr?"

Warum nicht gar! Niemand sah das Messer im Bureau liegen, wie ich. Man wird Charltons Versicherung für eine Ausrede halten und ihr keinen Glauben schenken."

Thut was Ihr wollt, Herr. Wenn aber doch irgend Jemand nach Mr. Charltons Weggang aus dem Bureau das Messer darin hätte liegen sehen? Was dann?"

Dann bliebe immer noch zu beweisen, daß ich eS war, der dasselbe zu sich

steckte."

Herr, seht einmal, dort in der Ecks des Zimmers steht der Koroner und be­obachtet uns. Der Schuft hat Verdacht, ich lasse es mir nicht nehmen."

Du bist mit einem Male ein altes Weid geworden, das Gespenster sieht." sagte der Advokat ärgerlich.Laß mich in Ruhe. Der Koroner könnte doch höch­stens Dich im Verdicht haben, Deines brillanten Leumundes wegen."

Keine Ursach^zum Spotten," sagte John,komme ich an die Reihe, dann , Ihr doppelt. Meine Ohrfeige hat den alten Herrn nicht getötet, aber Euer Messer."

Trotz seiner zur Schau getragenen Furchtlosigkeit schlugen die Zähne des Advokaten doch vor innerem Schauer klappernd aneinander, als er seiner Wohnung. zuschritt. (Fortsetzung folgt.)