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«me Stimme, die Aldinger für viel zu hoch hält; "Man solle die ganze Summe streichen. Man sehe aus diesem Posten, daß die Jagd für die Forstbeamten sehr lukrativ ist. Die Verwaltung solle auch lieber die Regiejagv, anstatt sie auszudehnen, einschränken. Referent v. Wöllwarth möchte dagegen den Forst­beamten das Vergnügen der Jagd nicht genommen wissen. Hartmann will die Regiejagden ganz ab­geschafft wissen und die Jagd in den Staatsforsten verpachten; er stellt einen Antrag in dieser Richtung. Brodbek schließt sich ganz der Ansicht Aldingers an. Die Oberförster bekommen nicht allein die Schuß­gelder, sondern auch das Geweih, das oft ca. 20 bis 25 wert. Unrecht sei es doch auch, daß wenn die Forstwächter einen Bock schießen, die Oberförster das Schußgeld beziehen. Minister v. Riecke: So­lange der Vorredner den Beweis für diese Behauptung schuldig bleibe, müsse er dieselbe im Interesse der Ehre der Oberförster zurückweisen. Die Absicht der Regierung sei, den Jagdregiebetrieb allein nicht ein­zuschränken, sondern auszudehnen, da dies im Interesse des Landes gelegen sei. Sie werde dem Antrag Hartmann auch, wenn er angenommen werden sollte, kein Entgegenkommen zeigen. Ein Antrag Aldingers, die diesmalige Mehreinstellung der Schuß- und Fang­gelder von 3173 ^ nicht zu genehmigen, wird mit 48 gegen 29 Stimmen abgelehnt; auch der Antrag Hartmann wird mit größerer Majorität abgelehnt.

Berlin, 14. April. Reichstag. Die Tribünen und der Saal sind dicht besetzt. Sobald der Präsident seinen Sitz eingenommen hatte, begab sich der Abg. Ahlwardt zu ihm und legte ihm eine von ihm abzugebende Erklärung vor. Präsident v. Levetzow schien einiges zu beanstanden und gab ihm das Manuskript zurück. Der Präsident kündigte darauf den Eintritt in die Tagesordnung an. (All­gemeine Heiterkeit.) Erster Gegenstand der Tages­ordnung ist die zweite Beratung der Wucheraesetz- nooelle. Abg. I)r. v. Bar (df.) beantragt, die in Artikel 1 enthaltene Erweiterung des Wucherbegriffs abzulehnen. Die Abgg. Frohme und Stadthagen (Soz.) wünschen dagegen den Bewucherungsbegriff noch mehr zu erweitern; letzterer wünscht die Einführung von Volksgerichten behufs der Entscheidung, was Wucher sei. Die Richter könnten darüber nicht ur­teilen, die modernen Arbeitsverträge seien auch Be­wucherung. Er beantragt daher, die Arbeitsverträge in diesen Artikel einzubeziehen. Staatssekretär Han­auer tritt dem entgegen. Es handle sich hier nur um Darlehen und gestundete Forderungen. Nachdem die Abgg. Rintelen (Centr.), Krause (df.) und Frhr. v. Buol (Centr.) sich dagegen ausgesprochen haben, wird der Artikel unverändert angenommen. Der neue Paragraph 302 s dehnt den Wucherbegriff auf alle belastenden Rechtsgeschäfte aus und stellt den gewerbs- und gewohnheitsmäßigen Sachwucher unter Strafe. Abg. I)r. v. Bar (df.) spricht da­gegen und hält für das einzige Mittel gegen den Wucher die Stärkung des Genossenschafts- und Credit-

wesens und bessere ökonomische Bildung der unteren Stände. Abg. v. Buol (Centr.), betont, der ge­werbsmäßige Sachwucher müsse ebenso verfolgt werden, wie der Geldwucher. Abg. Krause (df.) glaubt, die Strafbestimmungen gegen den Sachwucher würden auch das solide Geschäft erschweren. Staatssekretär Hanauer hebt hervor, über die Frage, ob der Sach­wucher ebenso repressiv behandelt werden könne, wie der Geldwucher, sei man dadurch hinweggekommen, daß man den Sachwucher nur im Falle der Gewerbs- mäßigkeit unter Strafe stellte. Damit schließt die Debatte. Infolge der vom Abg. Vollrath geäußer­ten Zweifel an der Beschlußfähigkeit des Hauses fin­det Namensaufruf statt, welcher die Beschlußunfähig­keit des Hauses ergiebt. Abg. Liebermann von Sonnenberg (Antis.) erklärt, Ahlwardt sei nicht gestattet worden, die Niederlegung seiner Akten mit einigen Worten zu begleiten. Er bittet den Präsi­denten, ob er nicht Ahlwardt den Weg angeben wolle, wie er die Sache erledigen solle. Präsident Frhr. v. Levetzow erwidert, er habe keine Veran­lassung, einem Abgeordneten eine solche Anweisung zu geben, sei aber bereit, mitzuteilen, wie der Vor­gang gewesen. Abg. Ahlwardt habe gestern die Ab­sicht geäußert, heute vor der Tagesordnung die Akten niederzulegen und dies mit einigen formellen Worten zu begleiten. Heute habe Abg. Ahlwardt erklärt, die Aktenstücke nicht auf den Tisch des Hauses niederlegen zu wollen, vielmehr einen förm­lichen Antrag auf Einsetzung einer Commission zur Untersuchung der von ihm aufgestellten Behauptungen einbringen, und erst dann der Commission die Akten­stücke vorlegen zu wollen. Hierauf habe ihm der Geschäftsordnung zufolge das Wort vor der Tages­ordnung nicht erteilt werden können. Levetzow habe Ahlwardt das mitgeteilt und denselben auf den ge­schäftsordnungsmäßigen Weg verwiesen, welchen er jederzeit betreten könne. Abg. Ahlwardt erklärt, er glaube, zwischen dem Präsidenten und ihm walte ein Mißverständnis ob. Er habe sich bereit erklärt, die Akten auf den Tisch des Hauses niederzulegen, wenn ihm das Wort zu einigen materiellen Auf­klärungen gestattet würde, damit die Akten hier im Hause auch richtig verstanden würden. (Gelächter.) Dies sei ihm nicht gestattet worden. Präsident Frhr. v. Levetzow erwidert, er erachte die Sache für er­ledigt. (Allgemeine Zustimmung.)

Nächste Sitzung Montag 1 Uhr. Tagesord­nung: Verrat militärischer Geheimnisse und Fortsetzung der heutigen Beratung.

Ausland.

Der Regierungswechsel in Serbien. Eine kaum glaubliche Nachricht hat der Draht aus dem Wetterwinkel im Südosten Europas übermittelt, die Kunde von einem Staatsstreich des Königs von Serbien. Der junge Serbenkönig, der mit so tat­kräftigen Selbständigkeitsgelüsten plötzlich und uner­wartet die politische Bühne betritt, ist am 14. Aug. 1876 geboren, also im vorigen Sommer erst 16

Jahre alt geworden. Unter diesen Umständen läßt sich kaum annehmen, daß der Sohn Milans und Nataliens aus eigener Initiative gehandelt und den ohnehin auf schwankem Boden ruhenden Thron der Gefahr eines Umsturzes ausgesetzt hat. So weit sich augenblicklich die Situation übersehen läßt, han­delt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Zet- telung der vereinigten Radikalen und Fortschrittler, welche bei den letzten Skuptschinawahlen durch die sogenannten Liberalen in die Minorität gedrängt wurden, wobei sich die Negierung zu Gunsten der Liberalen einer ganzen Reihe von Wahlbeeinflussun­gen und Unregelmäßigkeiten schuldig gemacht haben soll. Die serbischen Regierungen aller Parteien wa­ren allerdings nie in der Wahl ihrer Mittel skrupu­lös, aber allen gesetzlichen Vorschriften so offen Hohn zu sprechen, war doch den Liberalen Vorbehalten gehlie­ben, die ihren Namen nur zum Hohne zu führen scheinen. In einem als Antwort auf die radikalen Beschuldig­ungen erschienenen Manifest wies die Regierungs-- Partei freilich den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ihrer Handlungen mit Entrüstung zurück und sie be­rief sich darauf, daß sie auch im Jahre 1886 die. grobe Verfassungsverletzung verurteilt habe, als man: auf die damalige Skupschtina in Nisch ein Attentat aus-- übte und die Volksvertreter mit Waffengewalt aus dem Saale zerrte. Dafür haben die Radikalen aller­dings mit Garaschanin abgerechnet und die neuerliche Abrechnung dürfen wir wohl in dem Staatsstreiche: des jungen Alexander erblicken. Daß eine Aktion: sich in Serbien vorbereite, konnte man schon aus den während der letzten Tage von dort eingetroffenen. Nachrichten schließen, daß sie sich in diesen revolutionären. Formen aber äußern werde, hatte sicherlich wohli Niemand erwartet. Jedenfalls darf man der Weiter-^ entwicklung der Dinge mit Spannung entgegensetzen-. Vielleicht bringen uns die nächsten Tage mancherlei Ueberraschungen.

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 15. April. Heute mittag kurz vor 12 Uhr wurde wiederholt ein Waldbrand gemeldet und zwar brannte es diesmal im Welsberg dicht über der Stuttgarter Bahnlinie, woselbst das abgefallene dürre Laub des jungen Eichenbestandes ins Brennen geraten war. Das Feuer erstreckte sich bis zum Weg hinauf und bis an den nahen der Stadtgemeinde Calw gehörigen Forchenhochwald. Die im Welsberg­steinbruch beschäftigten Arbeiter waren zuerst zur Stelle und hatten das Feuer nahezu bewältigt als weitere Hilfe eintraf. Die abgebrannte Strecke mißt etwa 1 Morgen und ist Eigentum der K. W. Staats­eisenbahnverwaltung. Der niedere Eichenbestand hat, obwohl das Laub abgebrannt ist, keinen Schaden genommen. Betreffs der Entstehung wird bekannt,, daß das Feuer kurz nach Passieren des Zugs nach- Stuttgart bemerkt wurde und ist bei der gegenwär­tigen Dürre wohl anzunehmen, daß das Feuer durch Funken aus der Lokomotive entstanden ist.

Fluch Dich noch aus dem Grab' trifft, daß ich im Himmel keine Ruh' sänd', wenn Du's unterläßt und ihr das Erbe nur um Fingersbreite kürzest.

Will's unser Herrgott, so ist's mein innigster Wunsch, daß aus Euch beiden ein Paar wird. Jahrelang Habs ich die Käthe d'rauf hin beobachtet, sie ist brav durch und durch, vom Vagabundentum ihres Vaters klebt kein Fleckle an ihr. Ich verwarn Dich aber, Franzel, nit nach dem Mädel um des Hofes willen zu schauen. Wenn Du die Käthe nicht um ihrer selbst willen gern hast, so laß die Hand von ihr und geh' Deine Weg'. Handwerk hat goldenen Boden; Dein Brot wächst überall.

Geschrieben auf dem Rosenhof am 17. Jänner im Jahre deS Herrn 1867, zu Heiligenfeld von Sebastian Laibacher.

Da stand eS, das Unglaubliche! Und da war sie fortgegangen, arm wie eine Kirchenmaus, bei Fremden zu dienen weil sie ihn liebte.

Ha da kam er wieder, der schreckliche Schwindel, das Flimmern und Tanzen vielfarbiger Feuerkugeln vor den Augen war das am Ende gar der Tod, der gierig schon die Hand nach ihm aurstreckte? Bleischwer zog's ihm die Lider herab, ein plötzlicher Frost schüttelte ihn; mechanisch schob er das Papier mit den fünf erbrochenen Siegeln in die Wamstasche. Wunderbare Töne, wie Orgelspiel fast, rauschten an seinen Ohren. Er wollte zum Großvaterstuhl in die Ecke wanken, that ein paar Schritte und stürzte der Länge nach besinnungslos zu Boden.

Auch in Murrsau waren Winter und Schnee allgemach vergangen. Der Rauhof hatte sein Fenster den linden Lüften geöffnet. In der von Sonnengold durchfirömten Stube war ein Mädchen damit beschäftigt, auf ein grobes, durchlöchertes Linnen Flicklein zu setzen. Tief über die Arbeit gebeugt, die Nadel emsig hin und her führend, hörte es nicht, wie der Buchfink im Käfig ängstlich flatterte und klagende Laute ausstieß. Erst als eine Stimme ihm ein .Grüß Gott, Käthe' zurief, hob eS

den Kopf. Nadel und Arbeit glitten zu Boden. Die Helle Freude strahlte dem. Mädchen aus dem veilchenblauen Auge.

Anselm ! Ja um Gott, woher kommst denn Du?

Geradewegs von Heiligenfeld.

Käthe drückte beide Hände auf die Brust. Nach Monaten sah sie das erste bekannte Gesicht von daheim. Daheim! Wie süß das klang, und wie fern, wie un­erreichbar fern es lag.

Wie steht's dort, alles gesund auf dem Rosenhof?

Hm . . . doch erst sprich Du, dann erzähl' ich. Wie ist's Dir Winters über- ergangen? Was hast g'schafft, Käthe?

Käthe machte eine abwehrende Handbewegung.

Nit viel, 's fehlt mir die Freud' an allem. Ich thu, was ich muß, nix mehr- Aber nit von mir laß' uns schwätzen, Anselm das ist verlorene Zeit. Vom Rosen­hof erzähl'!

Jmm r vom Rosenhof und vom Rosenhof! Von dem willst hören, nach mir fragst mit keinem Wörtle.

Weil Du ja auch m>t zum Rosenhof g'hörst. So sag' mir was von Dir.

Mir ging's schon ganz gut, jetzt bis bis auf das Eine, Du weißt schon was. Meine Mutter ist tot, ich Haus' auf meinem Erbe. Groß ist's nit, aber für Dich war' immer noch Platz. Wie steht's, Käthe, hast Dich noch nit b'sonnen?

Ach laß doch die alt' G'schicht! Wie . . . was . . . was macht denn der Rosenhofer Bauer?

Na ja, natürlich, darauf brennst! Der ist jetzt Ehemann von der Gertrud- Bin froh, daß ich das G'küß und G'thu' nimmer z'sehen brauch'.

Jesus Maria!

Weiß wie der Kalk hinter ihr, lehnte Käthe an die Wand. Wann wannr war die Hochzeit, stieß sie heraus.

(Fortsetzung folgt.)