habe keineswegs den Notstand als solchen geleugnet, sondern nur erklärt, daß er nicht derart sei, um außerordentliche Maßnahmen notwendig zu machen.

Die Bemerkung, daß der Notstand nicht zu den Ministersesseln vorgedrungen sei, hätte sich der Ab­geordnete Auer ersparen können. Hierauf Vertag­ung auf Samstag.

Berlin, 14. Jan. Reichstag. Fortsetzung der Notstands-Interpellation. Hitze (Zentr.): Er wisse nicht, welchen prakt. Zweck die Interpellation gehabt habe, die zweitägigen Verhandlungen haben ihn hierüber im Unklaren gelassen. Außerordentlichen Notständen entgegenzutreten sei Aufgabe der Gemein­den. Ein Recht auf Arbeit erkennen wir nicht an, aber ein Recht auf ein Existenzminimum. Die Kritik der bestehenden Zustände durch die Sozialdemokratie, durch Marx und Lasalle, kennen wir nun. 20 Jahre, sie ist in die Wissenschaft übergegangen. Es wäre doch endlich an der Zeit, mit positiven Vorschlägen herauszurücken. (Abg. Bebel, Sie folgen ja doch nicht).

Wir müssen doch erst wissen, wann und welchem Vor­schlag wir folgen sollen. Ich habe Ihnen einen po­sitiven Vorschlag gemacht zur Regelung von Produk­tion und Konsumtion; Sie uns nicht. Dreesbach (Soz.): In Baden hat man in Mannheim und an­dern Städten eine Reihe von Maßregeln eingeführt, um den Hungernden wenigstens Brot zu verschaffen, sie verdienen mit Steineklopfen wenigstens 1,50 Mk. pr. Tag. Der bad. Fabrikinspektor 1)r. Wörishoffer, ein weißer Rabe unter den Fabrikinspektoren, habe sich der Anregung auf Verkürzung der Arbeitszeit nicht verschlossen, um Entlassungen vorzubeugen.

Würde man auf dem Lande menschenwürdige Ver­hältnisse Herstellen wollen, so würde man über die Entvölkerung des platten Landes nicht zu klagen haben.

Die 300,000 Vagabunden auf der Landstraße seien zum großen Teile Arbeitslose, die gern arbeiten wollen.

(Rufe rechts: Nein!) In den kaiserlichen Werften werde kein Mann mehr über 40 Jahre eingestellt, das sei ein Hohn auf die Sozialreform. Nach der Frkf. Ztg." habe Hr. v. Stumm beim Handels­minister eine Erniedrigung der Kohlenpreise von 50 per Tonne gewünscht. Der Handelsminister sei nicht darauf eingegangen, habe dagegen die Kokes um 50 herabgesetzt. Mit diesem ging eine Herabsetzung der Arbeitslöhne Hand in Hand, da erfolgte der-Streik. >

Staatsminister v. Bötticher: Die Forderung, daß i

»Nicht eher, als dis Sie meine Beichte vernommen und mich von meiner Sünde freigesprochen haben; ich will sie Ihnen leise zuflüstern, damit kein unberufenes Ohr meine Mitteilung vernimmt."

Und sich zu dem gelähmten Manne niederbeugend, sprach er lange und leise zu ihm.

In Bannert's Antlitz ging währenddem eine wunderbare Veränderung vor! Erstaunen, Erschrecken, Zorn und Weichheit sprachen abwechselnd aus den gespannten Zügen und jagten über die von Alter und Lebensschmerz tief gezogenen Furchen hinweg. Die gesunde rechte Hand ballte sich krampfhaft zusammen und schlug sich dann vor die hohe Stirn, als wollte sie diese dafür strafen, nicht besseres Denken beherbergt zu haben.

»O, Gott! o, Gott!" stöhnte er dann jammernd auf, »welche schwere Schuld habe ich auf mich geladen, indem ich mich dem Dämon des Argwohns hingab und über mein geliebtes Weib das Verdammungsurteil aussprach, ohne an ihre mir stets bewiesene Liebe zu denken, die eines Treubruches nie fähig sein konnte! Wie kann ich die Schmach auslöschen, die ich auf Carla's Andenken gewälzt, wie das Vergehen abbüßen, mein Kind von mir gestoßen und es fremden Leuten überlassen zu haben. Ich bin ein zwiefacher Mörder, einmal an dem guten Ruf meiner Gattin und dann an dem Jugendglück meiner Tochter. und meine Lähmung ist nur eine gerechte Strafe für mein Vergehen!"

»Hören Sie auf mit diesen Selbstanklagen," bat Rosenlöw, »auch ich trage einen Teil Ihrer Schuld, indem ich es unterließ, nach Carla's fernerem Schicksal zu fragen. Die gütige Fügung des Himmels, welche mich in Ems mit ihrer Tochter zusammen führte, entsühnt uns Beide von unserem Vergehen. Nun lassen Sie die Versöhnung in ihre Rechte treten. Achtzehn Jahre hindurch hat Thyra ihren Vater entbehrt und sich nach dessen Liebe gesehnt, soll sie noch länger warten?"

Er öffnete die Thür, hinter der Thyra längst bangend gestanden, und sie stürzte glückbrbend in die ihr sich entgegen streckenden Vaterarme.

Zwölftes Kapitel.

Stunden, Tage vergingen, in denen Vater und Tochter unzertrennlich bei­sammen blieben. Sie konnten nicht aufhören mit Sprechen und Zuhören, und wenn einmal eine Pause eintrat, blickten sie sich in die Augen und redeten mit diesen die stumme Sprache der Liebe.

Thyra leistete dem Gelähmten alle die kleinen Dienste, deren er in seinem hilflosen Zustande bedurfte, und er erkannte mit rührender Dankbarkeit ihre Bemüh­ungen an, mit denen sie stets beflissen war, ihm einige Erleichterung zu verschaffen.

»Es ist mir, als ob ich Dich immer in meiner Nähe gehabt und Dich jetzt nie mehr entbehren könnte", sagte Bannert eines Tage« zu seiner Tochter, indem er deren Hand zärtlich drückte; »und ich muß auch jetzt viel Glück nachholen, was ich bisher versäumt Hab». Lange Zeit habe ich nicht mehr dazu, denn wer weiß, ob

aufgezeigt; namentlich eindrucksvoll wurde nachgewiesen daß eS jetzt in der römischen Kirche eine Pflicht d»s. Gehorsams gegen das Gewissen nicht mehr geben, kann. Es wurde gezeigt wie durch das Vaticanum die Verfassung der kathol. Kirche völlig umgestürzt: worden ist, wie die Concilien nun nichts mehr zu be­deuten haben; wie die 2 Einschränkungen der päpstl. Unfehlbarkeit im Grunde keine sind. Ausführlicher­wies Redner nach, daß das Verhältnis der römischen, Kurie zum modernen Staat infolge dieser Lehre eiw bedrohliches geworden ist, da nun die Unterwerfung- der Fürsten unter den Papst eine unausweichliche Glaubensforderung ist, und der Papst sich das Recht anmaßt, die Unterthanen unter Umständen in zwing­ender Weise von ihrer Unterthanenpflicht zu entbinden. Schließlich fehlten aber auch hoffnungsvollere Aus­blicke in die Zukunft nicht, und mit dem Hinweis auf die unversieglichen Kräfte, welche die evangelische Kirche am Evangelium Jesu Christi hat, endete der inhaltsreiche, spannende Vortrag, für den die Ver­sammlung mit lebhaftem Beifall dankte. Hr. Stadt­pfarrer Eytel erörterte im Anschluß hieran die Ziele und Bestrebungen des Evangelischen Bundes, welcher das vielfach schlummernde Selbstgefühl und Ehrgefühl der Evangelischen wecken und den von demunfehl­baren" Papsttum drohenden Gefahren entgegentreten will. Hr. Rektor vr. Müller schloß den Abend- mit gemütlicheren Bildern aus früheren Zeiten und schweigenden Winkeln der Römischen Kirche.

Liebenzell. Am 17. ds. Mts., morgens 3 Uhr, brach in dem zweistöckigen Wohnhaus des Jakob David Walz und des jung Johannes Fen­chel in Liebenzell Feuer aus, welches das Gebäude­in kurzer Zeit in Asche legte. Der Gebäudeschaden mag ca. 3000 ^ betragen. Dis Abgebrannten sind- versichert. Ueber die Entstehungsursache des Feuers- ist bis jetzt nichts bekannt.

Stuttgart, 16. Jan. Samstag vormittag. 9"/» Uhr verunglückte beim Lagerhaus an der Wolf­ramsstraße ein Arbeiter, als er einen großen ge­frorenen Erdklumpen, um ihn auf einen Wagen auf­laden zu können, auseinanderhauen wollte. Der Klumpen kippte um und drückte dem Arbeiter den linken Fuß oberhalb dem Knöchel ab.

Aus den Eßlinger Bergen, 17. Jan. In der vergangenen Nacht steigerte sich die Kälte zu einer Höhe wie wir sie seit dem sogenanntenkalten

meine Rechte nicht bald der Linken Nachfolgen will und die Todeswellen den alten Seemann verschlingen. Deshalb gebe ich Thyra keinen Augenblick von mir."

Ulrich, der mit Rosenlöw im Zimmer anwesend war, als Bannert dies sagte, wandte sich rasch ob, um sein Erbleichen zu verbergen, Tbyra sah still vor sich nieder, da ergriff Rosenlöw das Wort und nah an den Rollstuhl tretend, sagte er zu Bannert: .Ich werde Sie bald verlassen und nach Birmingham zurückkehren, vor-- her aber muß ich hier noch eine Geschästssache erledigen. Wie Ich Ihnen schon mit­geteilt, bin ich Inhaber einer Eußstahl-Fabrik und will jetzt den Absatz meiner Woaren auch nach Kopenhagen zu dirigiren, wo mir ein sehr großer Umsatz derselben verbürgt wird. Dazu brauche ich aber einen gewandten Agenten und habe in Hernr Svendborg einen so tüchtigen Mann dieses Fachs kennen gelernt, daß ich ihm diese Stellung angeboten und er sie zu meiner Freude angenommen hat. Herr Cverdborg ist mir in den wenigen Togen unserer Bekanntschaft sehr wert geworden, ich hoffe, daß wir uns mit der Zeit noch näher an einander anschließen, er später mein Kom­pagnon wird, und noch später, wenn ich zu alt zum Arbeiten bin, das Geschäft allein übernimmt. Ich bin unverheiratet, habe keine Verwandte, warum sollte ich mir nicht einen Sohn als Erben wählen, wie ihn mein Herz in Ulrich Svendborg gesunden hat? Aber dieser Sohn ist auch ihnen teuer, Herr Bannert, auch Sie haben Rechte an ihn und würden ihn nicht gerne entbehren, würden ihn sehr ver­missen, trotz der neugewonnenen Tochter, da meine ich nun. daß wir den Sohn und die Tochter vereinen; ich gebe Ihnen etwas Liebe von dem crstercn ab und Sie- schenken mir dasselbe Teil von Ihrem Kinde. Wollen Sie in diesen Vorschlag willigen?"'

»Ich weiß nicht", entgegnete Bannert zögernd,ob dies eine Geschästssache oder eine Herzensangelegenheit ist. Die beiden dabei zumeist Beteiligten müssen mir dies erst erklären."

»Es ist eine tiefe, innere Herzensangelegenheit, lieber Oheim", nahm Ulrich nun das Wort. »Kannst Tu Dir cs wohl denken, daß ich Thyra so oft sehen und sie nicht hätte lieben müssen? Schon die erste Stunde entschied über mein Herz, und wenn Jahre vergehen mußten, ehe ich über mein Empfinden Worte geben durste, sind diese durch die lange Entsagung nur noch mehr gefestigt worden. Und Thyra teilt meine Liebe, sie hat mir jetzt die süße Gewißheit gegeben und das Versprechen daran geknüpft, meine Gattin werden zu wollen. Durch Hrn. Roscnlöw's großmütiges Anerbieten bin ich in den Stand gesetzt. Dich um die Hand Deiner Tochter und mm Deinen Segen für unfern Bund zu bitten."

Mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen hatte Bannert zugehört und Thyra nebst Ulrich zu sich niederziehend, hob er segnend seine rechte Hand über Beide und rief:Versöhnt, versöhnt mit Carla's Andenken und mit meinem Kinde, und versöhnt mit dem Glück, welches noch so spät bei mir eingekehrt ist, um den Abend- meines Lebens zu verschönern!"

die Armenpflege Reichssache werde, müsse er ablehnen. Ebensowenig sei das Reich in der Lage, für die Be­schäftigung Arbeitsloser etwas zu thun. Die Arbeits­losigkeit in den großen Städten kommt allerdings da­her, daß nach diesen und den Jndustriecentren mehr Arbeitskräfte Zuströmen, als nötig sind. Wenn Sie (zu den Sozialdemokraten) das Ihrige thun, dieses Zuströmen zu verhindern, dann werden Sie über Arbeitslosigkeit nicht mehr zu klagen haben. (Beifall rechts.) Die Diskussion wird geschlossen.

Köln, 16. Jan. Einer Petersburger Meldung der Köln. Ztg. zufolge bildete die ungemein gnädige Aufnahme des Botschafters Generals v. Werder seitens der Petersburger Majestäten bei dem Neu­jahrsempfang der Diplomatie vielfach den Gesprächs­stoff, auch die Spitzen der Petersburger Gesellschaft kamen dem Botschafter aufs herzlichste entgegen.

Tages-Neuigkeiten.

fAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Am 13. Januar ist von der evangelischen Oberschul­behörde die Schulstelle in Billensbach, Bez. Mar­bach, dem Schullehrer Schmid in Gaugenwald, Bez. Calw, übertragen worden.

ls> Calw, 18. Jan. Trotz der strengen Kälte hatte sich gestern Abend eine stattliche Versammlung der Mitglieder und Freunde des Evang. Bundes im badischen Hof eingefunden, um den Vortrag des Herrn Stadtpfarrer Fab er aus Sulz über die päpst­liche Unfehlbarkeit zu hören. In ebenso um­fassender und gründlicher, wie unterhaltender Weise führte der gelehrte Redner zuerst die geschichtlichen Ereignisse vor und auf dem vatikanischen Eonzil auf; zeichnete in anschaulichen Bildern die Hauptführer der 2 Parteien des Conzils, kennzeichnete rückhaltslos das Verfahren, durch welches der Sieg der päpstlichen Partei angebohnt und herbeigeführt wurde, und gab den Zuhörern damit einen tiefen Einblick in ein Ge­triebe, welches auf den einfachen Deutschen einen bald erstaunlichen, bald empörenden, bald traurigen Ein­druck macht. Namentlich ist das Verhalten der deut­schen Oppositionsbischöfe vor, auf und nach dem Conzil durch die Darstellung des Redners in ein klares Licht getreten. Im zweiten Teil des Vortrags wurde die Tragweite der Unsehlbarkeitslehre an einer ganzen Reihe einzelner Punkte der Glaubens- und Sittenlehre

(End e.)