das Jahr 1893 spätestens bis 11. Februar an die Berufsgenoffenschaft einzusenden sind.
Calw, den 5. Januar 1893.
K. Oberamt.
Lang.
Tages-Neuiykeiten.
Nagold, 4. Jan. Ueber den am Schluß des vergangenen Jahres in Haiterbach vorgekommenen Brand und von den mit diesem zusammenhängenden tragischen Ereignissen, d. h. dem Flammentod von 3 Kindern, schreibt man dem Schw. M. noch nachstehende Einzelheiten: In Winterszeiten bietet für die Schwarzwaldgegend, namentlich für Arbeiter wie Maurer, Zimmerleute, Gipser und dergleichen, einen Haupterwerbszweig das lebensgefährliche Sammeln von Tannenzapfen und, um diesen noch etwas lahnender zu gestalten, lassen sich die Leute gerne herbei, auch das Dörren der Zapfen in ihren Privatwohnungen zu besorgen, anstatt solche an die mit vorschriftsmäßigen Dörranstalten versehenen Großhändler abzusetzen. Brandursache in dem Haiterbacher Fall war nun auch das leidige Tannenzapfendörren. Maurer Wilhelm Schüler befaßte sich mit dieser lebens- und feuergefährlichen Arbeit. Ehe er sich am Abend des 30. Dez. vor. I. zu Bette legte, sorgte er für ordentliche Nachschür, wurde aber dann bald von seinem Weibe, welches am Rauchgeruch erwachte, aus dem festen Schlafe gerüttelt. Wohl in der Meinung, des ausgebrochenen Feuers Herr zu werden, wohl auch aus Furcht vor Strafe, weil strenge bezirkspolizeiliche Vorschriften bezügl. des genannten Dörrens bestehen, dachte der Mann nur an Niederhaltung des Feuers bis seine Kraft brach und er entsetzlich mit Brandwunden bedeckt, in der Verzweiflung feine Kindes vergessend, das nackte Leben durchras Fensker "retten mußte. Kaum besser ver Frau, welche eben
falls sehr, heschädigt ist und das um Hilfe rufende SjäyrM^ocht'erchen nicht mehr retten konnte. So gering der Gebäudeschaden, dank dem rastlosen Eingreifen und den energischen und zielbewußten Bemühungen der Feuerwehr Haiterbachs, ausfiel (derselbe erreicht nicht 5000 ^t), um so gräßlicher ist das Unglück durch das Opfer von 3 Menschenleben, welchem weitere noch folgen können. Das älteste der Kinder, das Mädchen von 9 Jahren, wurde als unförmliche Masse in den Trümmern gefunden, die andern 2, eines mit 4 Jahren, das andere mit 6 Wochen, wurden schier zu Atomen verbrannt und sind spurlos verschwunden.
Haiterbach, 3. Jan. Heute fand man im Wald einen hiesigen Bürger erhängt. Derselbe, ein Witwer mit 3 Kindern, welche im Alter von 9, 13 und 17 Jahren stehen, hatte sich schon letzten Donnerstag mit einem von fernem Bruder entlehnten Strick entfernt.
Stuttgart, 4. Jan. Der schwedische Skisport (Schneeschuhsport) scheint sich auch hier einbürgern zu wollen, wiederholt konnte man in der letzten Zeit Herren in der Umgebung mit echten schwedischen
Schneeschuhen Versuche machen sehen. Die hiesige Firma Tröster Hospitalstr. hat eine Sendung davon direkt aus Schweden kommen lassen.
ß Stuttgart, 5. Jan. Von dem Vorhandensein einer kritischen Bewegung innerhalb der evangelischen Landeskirche Württembergs legt das soeben erfolgte Erscheinen einer Schrift, betitelt: „Warum ich aus Kirche und Amt ausgetreten bin; mit Beziehung auf die erwartete Erklärung der württemb. Geistlichen und die Absetzung Schrempf's, von res. Pfarrer A. Dorner in Fellbach" (Verlag von Rob. Lutz) neues Zeugnis ab. Dorner's Austritt ist bereits vor zwei Jahren freiwillig erfolgt. Wenn er jetzt sein Schweigen bricht, so geschieht es offenbar zu dem Zweck, einen Einfluß auf die vor kurzem angekündigte „Erklärung württemb. Geistlichen" auszuüben und dazu beizutragen, die Bewegung weiter in Fluß zu bringen.
Feuerbach, 5. Jan. In der Lackfabrik von Zeller und Cie. hier brach gestern Mittag ein kleiner Brand aus, der jedoch von den Beteiligten gelöscht werden konnte, ehe die Feuerwehr auf dem Platze ankam. Die Jnnenräume sind ausgebrannt, sonst aber nichts beschädigt, ein Arbeiter erhielt Brand- wunven am Halse. Aus dem in Feuerbach nach ! 9 Uhr ankommenden Güterzug von Stuttgart ist heute ! ein Ochse ausgebrochen und wurde, bis der Zug § stillstand, eine Strecke weit geschleift, wodurch er Ver- ! letzungen an den Füßen erhielt, die seine Schlachtung ! notwendig machen werden. !
Besigheim, 3. Jan. Heute Nachmittag nach ! 2 Uhr wurden wir schon wieder durch Feuerlärm j erschreckt. Es^drohte im Fabrikgebäude flsieMsÜ ! Oelfabrik ein gefährlicher Brand auszubrechen, der ! aber noch rechtzeitig im Entstehen unterdrückt werden ^ konnte, ohne daß ein nennenswerter Schaden entstand. An reichlicher Nahrung hätte es dem gefährlichen Element hier nicht gefehlt. !
Heilbronn, 4. Jan. Das Tagesgespräch ^ bildet heute wieder einmal der Fall Hegelmaier infolge der Aufhebung des freisprechenden Urteils des hies. Landgerichts durch das Reichsgericht. Wenn ! die Sache nun zu nochmaliger Verhandlung gelangt, ! so wird es sich fragen, welches Verhalten Hegelmaier dabei beobachtet. Wie verlautet, will er sich aus das ! Gutachten des Medizinalkollegiums berufen und ein Nichterscheinen vor Gericht damit entschuldigen. Wie man aber hört, hat er vor dem hiesigen Amtsgericht eine Klage wegen Beleidigung eingereicht, welche angenommen wurde, womit das Amtsgericht erklären würde, daß es Hegelmaier nicht für geisteskrank hält. (In der einfachen Annahme einer Privatklage zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder durch Einreichen einer Anklageschrift kann eine solche Erklärung nicht gefunden werden.) Man darf nun immerhin darauf gespannt sein, wie das Amtsgericht weiterhin entscheidet, ob die hiesige Strafkammer sich dem (eventuellen) Vorgang des Amtsgerichts anschließt oder I
dem Gutachten des Medizinalkollegiums, welches bekanntlich s. Z. von amtlicher Stelle als „unanfechtbar" bezeichnet wurde.
Mergentheim, 2. Jan. In der ersten Stunde des neuen Jahres boten mehrere Herren einem in der Gegend wohlbekannten Viehhändler 20 wenn er innerhalb einer Stunde den hiesigen Marktplatz 21mal umlaufe. Allein der wohlbeleibte Läufer brauchte hiezu nur 39'/- Minuten und freut sich nun seiner Leistung. An Zuschauern fehlte es natürlich bei diesem Wettlauf nicht.
Münsingen, 4. Jan. Rastlos thätig bis zum letzten Augenblicke, verstarb gestern an einem Schlaganfall im 83. Lebensjahr der in weiten Kreisen bekannte älteste Ortsvorstand des Bezirks, Schultheiß Bügel in Böttingen. Von seiner Arbeit auf dem Rathause wollte er er sich im Hause seiner Tochter beim Vesperschoppen erholen, und starb, bis man ihn in das Haus verbrachte. Seine ersprießliche Thätig-, keit als Ortsvorstand, Ausscyußmitglied des landwirtschaftlichen Bezirksvereins und als Mitglied des Amtsversammlungsausschusses wurde längst auch höheren Orts anerkannt durch Verleihung der goldenen Verdienstmedaille. Ehre dem wackeren Biedermanns!
Ebingen, 3. Jan. Gestern morgen brannte in Hetlingen die Wollspinnerei des Hrn. Jos. Hipp rasch nieder, da die ölgetränkten Räume das Feuer nährten und die große Kälte (24° 8.) die Löscharbeiten erschwerte. Auch die an die genannte Fabrik angebaute Sägmühle des Sägers Knaus brannte gänzlich ab. Hr. Hipp, der seine Familie kaum rettete, soll teilweise nur sehr niedrig, teilweise gar nicht versichert sein.
Ulm, 4. Januar. Anläßlich der Versetzung Sr. H. des Prinzen Ern st zu a ch sie ri - Wer mar als Eskadronschef in das 'Dragonerregiment Nr. 25 m Ludwigsburg wurde gestern abend im Gasthof zum Kronprinzen ein Adschiedsliebesmahl veranstaltet, an welchem der Gouverneur und die Generalität, sämtliche Regimentskommandeure und viele Offiziers beider Garnisonen (über 100 Herren) teilnahmen. Heute vormittag begaben sich die Offiziere des Dragoner- Regiments Nr. 26 und des Feldartillerie-Regiments König Karl Nr. 13 zu Pferde unter den Klängen der Kapelle des ersteren Regiments auf den Bahnhof, wo die Kapelle des Feldartillerie-Regiments schon aufgestellt war. Auf dem Perron verabschiedeten sich die Offiziere vom Prinzen, während beide Kapellen einige Stücke spielten.
Ulm, 5. Jan. Gestern abend ließ sich ein Soldat bei Jllertissen vom Bahnzug überfahren. Es ist der bayerische Kanonier TitiuS Unzer aus Weilheim, der beim ersten bayerischen Fußartilleriebataillon in Neu-Ulm stand. Furcht vor Strafe wegen einer Veruntreuung in der Küche hat ihn in den Tod getrieben.
Laupheim, 4. Jan. Dem vor einiger Zeit in hiesiger Gegend verübten Raub reiht sich leider wieder ein weiterer an. Am Christabend wurden zwei Frauenzimmer auf dem Wege von Ersingen nach
Laumblütr wird Dein Auge erfreuen, die reine Luft.Deine gepreßte Brust erquicken. Um 2 Uhr geht da» Schiff dahin ab. Willigst Du ein?"
„Ja Ulrich," antwortete sie nach kurzem Besinnen, „aber unter der Bedingung, daß wir allein dort sind. Ich könnte jetzt eine fröhliche Gesellschaft nicht ertragen; meine trübe Stimmung schließt mich von dem Umgänge mit fremden Menschen ab."
„Sei nicht so verzagt," tröstete er, „cs werden wieder bessere Zeiten einkehren. Auch Du wirst wieder froh und glücklich unter den Fröhlichen sein. Aber jetzt beeile Dich, damit wir den Abgang des Schiffer nicht versäumen."
Während Thyra sich im Nebengemach zum Ausgehen ankleidete, schaute sich Ulrich wehmütig in dem Zimmer um, welches sie bewohnte. Der kleine schmucklose Raum war bloS mit den gewöhnlichsten Möbeln ausgestattet, welche der alltägliche Gebrauch erforderte. Nur ein schönes Pianolstach von dieser Einfachheit ad und war ein Teil der glanzvollen Einrichtung, welche die Sängerin noch vor kurzer Zeit in der Bell,tage dieses Hause» inne gehabt. Sie hatte sich nach dem plötzlichen Glückswrchsel von ihrer gutmütigen Wirtin nicht trennen wollen und deren Vorschlag angenommen, im brüten Stock rin Zimmer mit Alkoven zu beziehen, bis, wie die freundliche Frau sagte, sie wieder mit Glanz und Freude in ihre frühere Wohnung zurückkehren würde.
Schweigend schritt Ulrich mit Thyra durch die belebten Straßen, vorbei an der wogenden Menge, die lärmend dem Hafen zudrängte. Keiner von Allen erkannte Thyra, deren Antlitz von einem dunkelblauen Schleier dicht verhüllt war; auch da» einfache graue Kleid erinnerte nicht an dir ehemals stets elegante Toilette der gefrierten Sängerin. Sir hatte seit ihrer Krankheit jeglichem Luxu» entsagt und wandelte oft unerkannt an Freunden und früheren Bühnengenoffen vorüber, welche dir unscheinbare Gestalt kaum beachteten. Sie ging fast täglich au», ging täglich nach der Lootsen-Etraße, wo sie hinter einer Hauseckr verborgen stehen blieb, bis dir Thür von Nr. 68 sich öffnete und der Rollstuhl mit der Gestatt des Vater« hrr-
ausgezogen wurde. Unter der Seemansmütze hob sich das von schneeweißem Haar umgebene Haupt ungebeugt hervor; ein Leemanvsrock umschloß die kräftige Gestalt, die wie zum Ausruhen in den dunklen Kffß n llbnte; nur der unbewegliche linke Arm deutete an, daß die Notwendigkeit diese An Fortbewegung gebot. —
War der Rollstuhl Thyras Blicken entschwunden, dann folgte sie dessen Spur, und ihre zierlichen Füße wandelten genau in dem Geleise fort, welche der Krankenwagen des Vaters gezogen hatte. — Kehrte sie dann wieder zurück in ihr kleines» dürftiges Heim, dann brach die Erkenntnis ihres traurigen Alleinseins wieder mit aller Macht über sie herein, sie fühlte dann doppelt ihre Verlassenheit und das Bedürfnis. sich an andere liebend awchließen zu können. Wie anders würde sich ihr Leben gestalten, wenn sie im Vaterhause von Vaternähe umgeben war, für den Vater zu sorgen, ihn hegen und pflegen düifte. Und sie war schuldlos, sie hatte nichts verbrochen, was sie von der Wohlthat der Vaterliebe ausschloß! — Wie ein Wurm nagte dieser Gedanke an ihrer Seele und tötete jede freundliche Aufwallung derselben.
„Hast Du meinen Vater heute Morgen gesehen?" fragte sie Ulrich, als daS Schiff auf Amager angelegt hatte, und sie Beide dem Hause Christian Bligge» zuschritten, der einen großen Obst- und Gemüsegarten besaß, aber kein öffentliches Cafö unterhielt. Hier wollten sie einkehren, um nicht durch Gesellschaft belästigt zu werden.
„Frau Bligge, welche den täglichen Gemüsebedarf in das Haus von Thyra'» Wirtin brachte, hatte diese oft eingeladen, während der Baumblüte einen Nachmittag bei ihr zuzubringen.
„Wie geht es meinem Vater jetzt?" fragte sie.
„Er trägt sein Schicksal wie ein Held," antwortete Ulrich. „Nie kommt ein« Klage über seine Lippen; er ist ungebeugt und bleibt ungerührt."
„Mt was beschäftigt er sich?" forschte sie wester.
(Fortsetzung folgt.)