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Unterstützung und kräftiges Blühen und Gedeihen. (S. die Anzeige im heutigen Blatt.)

Stuttgart, 4. Novbr. Heute früh von 10'/, Uhr ab erfolgte dieBeisetzung der hochseligen Königin Olga in programmgemäßer Weise. Schon von den frühesten Morgenstunden an hatte ein nach Tausenden zählendes Publikum den Schloßplatz besetzt, selbst die Dächer, namentlich vom Königsbau, zeigten zahlreiches Publikum. Die Frühzüge brachten sehr viel Landbewohner. Um 8 Uhr zog eine Kompagnie des Grenadier-Regiments Königin Olga mit Fahne und Musik als Ehrenwache vor dem Hauptportal des Residenzschlosses auf. Gegen 9 Uhr erfolgte die Spalierbildung durch die hiesige Garnison. Gegen 10 Uhr begann die Auffahrt der Equipagen. Es erschienen die Spezialgesandten fremder Höfe, die Hofstaaten, die Standesherren, die Mitglieder des diplomat. Corps, die Minister, der Geheime Rat, der ständische Ausschuß, die Generalität, der Stadtdirektor, eine Deputation der bürgerlichen Kollegien und der hiesigen Geistlichkeit aller Konfessionen. Zu beiden Seiten des Sarges standen die russischen Geistlichen und die russischen Sänger. Um 10'/, Uhr erschien der Kaiser in der Generalsuniform seines Württ. Regimentes, die Königin führend, während der König, der gleichfalls Generalsuniform trug, die Großherzogin von Baden führte. Es folgten Prinzessin Katharine und die übrigen fürstlichen Damen alle tief verschleiert, sowie die Prinzen des Kgl. Hauses und die fremden Prinzen. Prälat Dr. von Schund, Oberhofprediger sprach nun ein Gebet. Anschließend an 1. Cor., 15: Es wird gesäet verweslich und wird auferstehen un­verweslich rc. gab Redner dem Gefühle der Trauer über den Hingang der hohen Frau Ausdruck, zugleich zu Gott flehend, daß der Segen, mit dem Gott die Entschlafene so hoch beglückt habe, auf allen ruhen möge, dem Königspaar, dem ganzen königl. Hause, auf dem Kaiser und seinem Hause, auf allen, welche sie gepflegt. Sie wird fortleben in den Herzen eines dankbaren Volkes, ihr selbst aber werde die Krone des ewigen Lebens. Nachdem die russische Geistlich­keit noch eine kurze Trauerlitanei abgehalten, bei welcher wie im Leichenkondukt Geistliche und Sänger brennende Kerzen trugen, wurde der Sarg um 11 Uhr unter Vorantritt der russ. Geistlichkeit durch 16 Hof­handwerksleute auf den Trauerwagen gebracht. Während dessen begaben sich die fürstlichen Damen zu Wagen nach der Kirche. Unter dem Geläute aller Kirchen­glocken der Stadt setzte sich der Zug, welcher am Hoftheater vorüber durch die nördliche Allee zur Königsstraße und auf dieser bis zur oberen Ecke des Schloßplatzes und weiter über die Planie nach dem westl. Thor des alten Schlosses ging, in Bewegung. Eröffnet wurde der Kondukt durch die Stuttgarter Stadtgarde zu Pferde und eine Eskadron des Dragoner- Regimentes Königin Olga mit der Regimentsmusik, welche Choräle spielte. Es folgten ein kgl. Bereiter, 2 kgl. Reitknechte, Hoffourier, die Dienerschaft, der Lberhofmeister mit den Herren des Hofstaates der Entschlafenen, 2 Stabsoffiziere von den beidenOlga­regimentern", die Krone und Orden der hohen Frau

tragend. Ein kgl. Stall- und ein Sattelmeister folgten, dann kamen vor dem 6spännigen Leichenwagen die Pferde von Stallbedienten geführt die russischen Geistlichen und Sänger. Neben dem Leichenwagen schritten 2 Kammerherren und 2 Stabsoffiziere der Olgaregimenter, sowie 4 Großkreuzinhaber, die Ecken des Leichentuchs tragend. Hinter dem Sarge folgte die Hofgeistlichkeit, dann kamen der Kaiser mit dem König, welchen sich die übrigen Fürstlichkeiten und Prinzen des kgl. Hauses anschloßen. Weiter folgten die Spezialgesandten fremder Höfe, das Gefolge und die Hofstaaten der Allerhöchsten und Höchsten Herr­schaften, die Standesherren, das diplomatische Korps, die Minister und der Geheime Rat, der ständische Ausschuß, die Generalität, die hiesige Geistlichkeit aller Konfessionen, der Stadtdirektor mit einer Depu­tation der bürgerlichen Kollegien, die Vorstände der Vereine, welchen Königin Olga Protektorin war, Hofbeamte und Hofdiener. Eine Eskadron Olga­dragoner schloß den Leichenkondukt. Vor dem westl. Thor des alten Schlaffes blieb die Eskorte zurück. Der Leichenwagen fuhr in den Hof des Schlosses ein, wo Deputationen der beiden Württ. Olgaregimenter auf­gestellt waren. Von den Hofhandwerksleuten wurde der Sarg auf das Trauergerüst vor den Altar ge­tragen. Der Kaiser und König standen mit den übrigen Fürstlichkeiten nebst der Königin und den Prinzesfinen zu den Füßen des Sarges. Eröffnet wurde die Beisetzung durch den gemischten Königl. Singchor mit:Sei getrost bis in den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben. (Off. Joh. 2 V. 10). Komp. v. Hch. Lützel. Hierauf hielt Oberhofprediger Prälat Dr. v. Schmidt die Trauer­rede. Anschließend an das Bibelwort Jesaias Kap. 60, Vers 19 und 20 führte Redner aus, welches Kleinod von hinnen geschieden sei. Zwei Vermächtnisse habe Königin Olga einst erhalten und sie im reichen Segen bewahret und geübt: von ihrer Großmutter der Königin Luise von Preußen die edelsten weiblichen Tugenden, von Katharina Königin von Württemberg: die Hebung der Wohlthätigkeit. Wie innig und zart waren die Bande zwischen der Entschlafenen und dem Königspaar, zwischen ihr und den übrigen Mitgliedern des Königshauses, namentlich der Herzogin Wera und deren Töchtern, welchen sie eine treue Mutter und Großmutter wurde. In das Gefühl der Trauer schmiegt sich aber die Hoffnung, daß die Gerechten leuchten werden und daß das Gedächtnis der Gerechten im Segen blieb. Während der Sarg hierauf durch einen Mechanismus in die Gruft gesenkt wurde, sang die Trauerversammlung:Es ist vollbracht." Artillerie­salven ertönten. Der Kaiser und der König mit den übrigen fürstlichen Personen begaben sich alsdann in die Gruft, wo der Sarg von der russ. Geistlichkeit eingesegnet wurde. Während dies geschah, sang der kgl. Singchordas Vaterunser" von Looff, welches die Verewigte gewünscht hatte. Nachdem die 2 Maje­stäten und Anverwandte wieder in die Kapelle zurück­gekehrt waren, sprach Hofprediger Dr. Braun das Schlußgebet.

Stuttgart, 4. Nov. Der Kaiser stattete

heute früh verschiedene Besuche bei fürstlichen Personen ab und empfing um 9 Uhr den Besuch der Groß­herzogin von Baden. Nach der Beisetzung empfing der Kaiser mehrere hohe Offiziere in Audienz und be­gab sich alsdann in das Wilhelmspalais, wo ein Familienfrühstück von 8 Gedecken stattfand. Die übrigen Fürstlichkeiten speisten in ihren Quartieren. Gleichzeitig war Marschallstafel im k. Residenzschloß. Nachmittags 1 Uhr stattete der Kaiser, begleitet von dem ihm zugeteilten kommandierenden General v. Wölckern, dem preuß. Gesandten Saurma-Jeltsch und seinem Generaladjutanten Divisionskommandeur von Lindequist Besuche ab. Um 6 Uhr war im weißen Saale des Residenzschlosses Galatafel von 200 Cou­verts. Abends 8.30 trat der Kaiser, vom König und den Fürstlichkeiten zum Bahnhof geleitet, nach herz­lichstem Abschied die Rückreise an.

Stuttgart, 5. Nov. Heute vormittag 8'/- Uhr wurde das Urteil in der Beleidigungsklage des Geh. Hofrats Colin von der Vereinsbank gegen Frhr. Oskar von Münch in Mühringen verkündigt. Das Urteil des Schöffengerichts vom 17. Juni d. I. wird aufgehoben und Frhr. v. Münch wegen Beleidigung Colins durch die DruckschriftEin Fall württemb. Rechtspflege", sowie wegen des Bezichts, Colin habe sich mehrerer Betrugsversuche gegen ihn schuldig ge­macht, zu 2 Mon. Gefängnis und 300A Geld­strafe verurteilt. Die Formen und Exemplare der Druckschrift sind unbrauchbar zu machen, Frhr. v. Münch hat Colin die notwendigen Auslagen des Pro­zesses zu ersetzen; Colin ist befugt das Urteil im St.-A. für Württ.",Schwäb. Merkur",Schwarzw. Boten",Schwäb. Tagwacht",Berliner Volksztg.", Oekonomist",Allg. Ztg." undFranks. Zeitung" binnen 3 Wochen zu veröffentlichen. Colin wird von dem Vergehen der Beleidigung des Frhrn. v. Münch freigesprochen. (Das erste Urteil hatte gegen Frhrn. v. Münch auf 300 Geldstrafe gelautet.)

Brackenheim, 5. Nov. Ein 8 Jahre altes Mädchen hatte das Unglück, daß ihm beim Brotschneiden das Messer ausglitt und das Auge traf, welches der­art verletzt wurde, daß dessen Sehkraft wohl für immer verloren sein wird. Dieses Unglück ist wiederum eine ernste Mahnung für Eltern, ihren Kindern ge­fährlichere Werkzeuge weniger zugänglich zu machen.

Rottenburg, 3. Nov. Ein schwerer Un­glücksfall trug sich heute in dem benachbarten Hemmendorf zu. Der 16jährige einzige Sohn und die Stütze eines fast tauben Vaters war in einer Scheune mit Strohaufziehen beschäftigt. Plötzlich riß das Garbenseil und der unglückliche Mensch that einen so schweren Fall, daß er nach kurzer Zeit an den Folgen dieses Sturzes, zur großen Trauer seiner Eltern, verschied.

Ulm, 4. Novbr. Heute nacht wurden zwei Einbruchsversuche gemacht. Der erste galt dem Haus des Schuhmachermeisters Wandel in der Pfauengasse, der Dieb wurde aber verjagt. Ebenso wenig Glück hatte der andere Einbrecher, der mit dem vorigen wohl identisch ist, bei Drechslermeister Haas in der

herrlichen Umgebung; kurz nachdem Robert Douglas mit seiner Familie sich nach Amerika eingeschifft, war die Nachricht gekommen, daß das Schiff auf hoher See verbrannt sei nur wenige Paffagiere hatten durch einen nach Liverpool bestimmten Westindienfahrer gerettet werden können und unter diesen Wenigen schien die Familie Douglas nicht zu sein.

Als Minnie zuerst von dem Gerüchte hörte, schenkte sie demselben keinen Glauben und später verbot sie sowohl Regina, wie Herrn Chesley, die Sache zu erwähnen. Daß sie im Geheimen eine bedeutende Belohnung für Nachrichten von den Geretteten ausgesetzt, erfuhren Herr Chesley und Regina zufällig auf Umwegen, aber Beide hüteten sich wohl, dies Frau Douglas mitzuteilen.

Von Herrn Palma hatte Regina in all' dieser Zeit nur zweimal und zwar indirekt gehört; Olga hatte ihr von Baden-Baden aus geschrieben und unter Anderem er­wähnt, ihr Stiefbruder werde nächstens seine Hochzeitsreise nach Europa antreten.

Auch hatte Herr Chesley einen Brief von Herrn Palma erhalten, in welchem der Advokat schrieb, es scheine nunmehr zweifellos, daß Robert Douglas mit seiner Familie auf hoher See verunglückt sei; die Schwester des Generals und deren Sohn hätten die Herausgabe des vorhandenen Vermögens beansprucht und bitte er, Herr Palma, um Vollmacht, um die Sache seiner langjährigen Klientin mit Erfolg führen zu körnen. Seitdem war keine wettere Nachricht aus Newyork gekommen, oder wenn es der Fall war, hotte Regina nichts davon erfahren. Wenn das junge Mäd­chen allein war, trug ihr Gesicht einen fast hoffnungslos traurigen Ausdruck; sobald indes Frau Douglas oder Herr Chesley zugegen waren, wußte Regina sich meister­haft zu beherrschen. Sie wollte den Kummer, an welchem ihre Mutter ohnehin schwer genug trug, nicht noch vermehren, indem sie ihrem eigenen Schmerz nachhing und all ihr Bemühen war darauf gerichtet, die Mutter zu erheitern.

Ganz in Gedankm versunken und auf den in der Morgensonne schimmernden

See hinausblickend, hatte Regina das Oeffnen der Flügelthür überhört und erst, als sie einen elastischen Schritt vernahm, wandte sie sich wie elektrisiert um und sah sich Herrn Palma gegenüber! ... Sie fühlte, daß ihr alles Blut zum Herzen strömte und unfähig, sich zu rühren, stand sie, vom Sonnengold umflossen, in geradezu engel­hafter Schönheit und Lieblichkeit vor den Augen des entzückten Mannes. Ihr die Arme entgegenbreitend, rief er mit bebender Stimme:Mein Liebling! Meine Lilly!" und hastig auf sie zutretend, schaute er ihr tief in die Augen.

Aber mit fast übermenschlicher Anstrengung wußte sie ihre Fassung wieder zu gewinnen er sollte nimmer erfahren, wie thöricht sie gewesen, und seinem glüh­enden Blick ausweichend, sagte sie leise:

Willkommen in Como, Herr Palma, ich freue mich, meinen Vormund hier begrüßen zu dürfen."

Hm Ihre Begrüßung ist nicht gerade stürmisch," lächelte Herr Palma; wissen Sie denn, Lilly, weßhalb ich über den atlantischen Ozean geschifft bin?"

Ich kann es mir denken, Sie machen Ihre Hochzeitsreise, ist's nicht so, Herr Palma? Ist Ihre junge Frau nicht auch hier in Como?"

Ich hoffe und glaube es; habe ich doch mit aller Bestimmtheit erwartet, sie hier anzutreffen!"

Aber ich begreife nicht haben Sie auch Lora mitgebracht, Herr Palma."

Lora was fällt Ihnen ein, Lilly? Sie ist zu Hause mit Ihrer Mutter."

Aber ich dachte doch ich glaubte" stammelte Regina verwirrt.

Sie glaubten? Ei, Lilly was glaubten Sie denn? Daß ich, nachdem ich so lange Jahre Junggeselle geblieben, endlich doch thöricht genug wäre, ein Weib zu nehmen ein Weib, welches ich über Alles auf der Welt liebe und welches mich wiederliebt? Ja, Lilly wenn Sie solches glaubten, muß ich bekennen, daß Sie Recht haben!"