M 132. Amts- und Anzeigeblutt für den Bezirk (Lalw. 67. Iahrgavk
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zette, sonst 12 Psg.
Dienstag, den 8. November 1892.
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ganz
AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. ur». Lrägerlohu, durch dir Post bezogen Mk. t. 1b, sonst i* Sürttemberg Mk. 1. 3S.
Amtliche Wekanutmachunge«.
Bekanntmachung.
Der Gemeindebezirk Röthenbach ist nunmehr wieder frei von Maul- und Klauenseuche.
Calw, den 4. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
Bekanntmachung.
In Zavelftein ist die Maul- und Klauenseuche wieder erloschen.
Calw, den 5. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
Bekanntmachung.
Die Abhaltung des auf 8. ds. Mts. fallenden Viehmarkts in Dornstetten ist wegen erheblicher Verbreitung der Maul- und Klauenseuche verboten worden.
Calw, den 5. November 1892.
K. Oberamt.
Lang.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw, 5. Nov. Der Amtsversammlungsausschuß brachte in einer Adresse an Se. Majestät den König im Namen des Oberamtsbezirks Calw sein Beileid mit dem schweren Verluste, welchen das königliche Haus und das ganze Land durch den Hingang Ihrer Majestät der Königin Olga erlitten, zum Ausdruck, worauf die folgende Erwiderung hie- her gelangte:
Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich höchstem Befehle gemäß mitzuteilen, daß Seine Majestät die Eingabe des Amtsversammlungsausschusses, worin derselbe Namens des Oberamtsbezirks Calw dem König aus Anlaß des Ablebens Ihrer Majestät der Königin Witwe sein Beileid bezeugt, erhalten haben.
Seine Majestät geruhten diesen Beweis treuer Teilnahme an dem schmerzlichen Verluste, den die ganze K. Familie erlitten, wohlwollend entgegenzunehmen und lassen Euer Hochwohlgeboren sowie den Mitunterzeichnern der Eingabe hiefür allergnädigst danken, wovon Euer Hochwohlgeboren den letzteren Eröffnung machen möchten.
Mit hochachtungsvollsten Gesinnungen rc.
Stuttgart, Der Cabinets-Chef
den 3. November 1892. Griesinger.
Seiner Hochwohlgeboren dem Herrn Oberamtmann Lang in Calw.
* Calw, 7. Nov. In welch hohem Maße die Königin-Witwe Olga die Liebe und Zuneigung des Volkes besessen hat, zeigte sich gestern bei dem Trauergottesdienst in schönstem Lichte. Die Beteiligung an dem feierlichen Kirchgang war eine sehr zahlreiche. Der Zug wurde eröffnet durch die oberen Klassen der Volks- und Mittelschule, worauf das Reallyceum, die Handelsschule, der Veteranen-, Militär- und Turnverein, das Bezirkskommando, der Liederkranz und die Konkordia folgten; den Vereinen schloßen sich am Rathaus die Offiziere, Beamten und bürgerlichen Kollegien an, so daß das Gotteshaus die Menge der Andächtigen kaum zu fassen mochte. Zum Beginn des Gottesdienstes sang der Kirchenchor den Choral „Wenn ich einmal soll scheiden" und die Ge
meinde das Lied „Aller Gläub'gen Sammelplatz". Die tief ergreifende Trauerrede hielt unser verehrter Herr Dekan Braun über den Text Offenbarung 21, 3 u. 4. Nach der Predigt wurde ein besonderes, von dem evangel. Konsistorium verfaßtes Kirchengebet gesprochen. Mit dem Gemeindegesang von Lied 364, Vers 11 u. 12 fand die erhebende Feier ihren Abschluß.
Calw. Es ist eine nicht nicht zu verkennende Thatsache, daß die Stenografie in unserer gegenwärtigen Zeit eine ganz außerordentliche Verbreitung gefunden hat und für eine große Anzahl Berufszweige geradezu unentbehrlich geworden ist. Kaufleute, Gelehrte, Gewerbetreibende, Militärs, Schriftsteller, Lehrer, Studenten, Postbeamte, Gerichtsbeamte u. s. w. bedienen sich bei Erledigung ihrer Schreibgeschäfte der Stenografie und ersparen dabei nicht allein ganz bedeutend an Zeit, sondern erzielen auch gleichzeitig eine schnellere und bequemere Erledigung der bezüglichen Arbeiten. — Nach den neuesten Ergebnissen der stenografischen Lehranstalten, Vereine u. s. w. zu urteilen, darf mit vollster Bestimmtheit angenommen werden, daß nach Verlauf von wenigen Jahren die Stenografie sowohl im öffentlichen Leben, als auch im Privatverkehr eine bei weitem größere Verwendung als gegenwärtig finden und alsdann für jeden Gebildeten Kenntnis der Stenografie unentbehrlich sein wird nach dem Ausspruche Franz Laver Gabelsbergers. Die Stenografie muß Gemeingut aller Gebildeten werden. Auch in hiesiger Stadt hat sich eine Anzahl Freunde der Stenografie zu einem Gabelsberger- Stenografen-Vereine zusammengeschloffen, mit dem Zweck, sich selbst in ihrer Kunst zu vervollkommnen, die Verbreitung der Stenografie zu fördern und Unterichtskurse einzurichten. Wir begrüßen den Verein auf's sympathischste und wünschen ihm vielseitige
^ » Nachdruck verbot«,.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
Frau Douglas rang die Hände und ihre Lippen murmelten unverständliche Worte, als sie sich allein sah — im nächsten Augenblick trat Robert Douglas ein. Er trug tiefe Trauerkleidung und seine Züge waren bleich, aber er erschien bedeutend ruhiger und gefaßter als Minnie. Er nahm auf ihre Aufforderung ihr gegenüber Platz und begann mit fester Stimme: „Frau Douglas — ich habe im Nachlaß meines Vaters Papiere gefunden, welche ich Ihnen hiermit wieder zustelle; es sind Ihre Briefe und der von Ihnen entworfene Heiratskontrakt. — Heute noch reise ich nach Amerika zurück und ich darf Ihnen wohl nicht erst sagen, daß ich keinerlei Versuch machen werde? mich den Konsequenzen meines sträflichen Leichtsinnes zu entziehen. Sie werden vermutlich einen Prozeß gegen mich anstrengen und ich werde keine Verteidigung versuchen — ich werde meinen Advokaten nur anweisen, die beiden Briefe, welche ich von meinen Lehrern erhielt, dem Gericht vorzulegen. Ihr Recht ist klar und unanfechtbar und wenn Sie die Scheidung einleiten, haben Sie keinen Widerspruch zu befürchten. — Hätte ich Alles gewußt, dann würden Länder und Meere mich nicht von meinem Weibe und meinem Kinde zurückgehalten haben — an jenem Abend im Theater litt ich Höllenqualen und wenn ich daran denke, was
Sie Alles erleben mußten, möchte mir das Herz brechen!. Und nun lasten
Sie mich noch Eins sagen, Minnie — eS soll Sie nicht beleidigen! Ich habe eine zweite Heirat geschloffen, aber Sie sind die Einzige, die ich je geliebt und noch liebe!
Ich weiß wohl, daß ich sowohl Deine Liebe, Minnie, wie die unseres Kindes unwiederbringlich verloren habe, aber um unseres Kindes willen flehe ich Dich an — vergieb mir, Minnie!"
Er sank vor ihr auf die Kniee und beugte sich mit heißen Thränen über ihre Hand — vergessen waren die Jahre voll Kummer und Leid, die zwischen der Trennung und dem Wiedersehen lagen, und sich über den Knieenden neigend, murmelte Minnie schluchzend:
„O mein Gatte — warum mußte Alles so kommen?"
„Minnie — sage mir, daß Du mir vergiebst — sage — „Robert, ich verzeihe Dir!"
Da raffte sie sich auf.
„Nein, Robert — da« kann ich nicht," rief sie heftig; „ich habe Dich zu heiß geliebt, als daß ich vergeben könnte: Ich bin nicht sanft und demütig — ich bin
verbittert und mein Herz ist versteinert!-Ich verachte mich selbst ob der
Schwäche, die ich Dir vorhin gezeigt; als Du mir zu Füßen sankst, sah ich nicht Dich, sondern den jungen Gatten, den ich dereinst anbetete! Es war eine Vision, die schwand, wie sie kam — geh — wir sind fertig mit einander!"
Er erhob sich schweigend und einen letzten Kuß auf die Hand drückend, an welche er vor achtzehn Jahren den Trauring gesteckt, verließ er das Gemach. —
Am Fenster der Villa Rosetta in Como sitzend, blickte Regina träumend hinaus auf die blauen Wellen des Sees. Seit drei Monaten weilte Herr CheSley mit seiner Nichte und deren Tochter in Como; das Ehepaar Walter war nach Amerika zurückgekehrt und die schöne Frau Douglas mit ihrer schönen Tochter machten Aufsehen in der Fremdenkolonie, die sich am Comersee zusammengefunden.
Leider stand die Stimmung der kleinen Familie nicht im Einklang mit der