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Im Uebrigen ist die Ministerialverfügung vom 26.AuM« °uf's Genaueste zu beachten.

Calw, den 5. September 1892.

K. Oberamt. K. Oberamtsphysikat. vr. Schönmann, A.-V. vr. Müller.

Bekanntmachung.

Bei den Uebungen der 2. bayerischen Division bei Wallerstein ist am 1. d. M. ein Fesselballon frei geworden und anscheinend in westlicher Richtung weiter gegangen.

Für den Fall seines Niedergangs im Bezirk Calw ist von dem betr. Ortsvorsteher unverzüglich Einleitung zur Wiedererlangung desselben zu treffen und telegraphische Anzeige über den Fundort an das K. Ministerium des Innern zu erstatten.

Calw, 5. September 1892.

K. Oberamt.

vr. Schönmann, A.-V.

Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Eröffnung der landwirtschaftlichen Winterschulen.

Die landwirtschaftlichen Winterschulen in Hall, Heilbronn, Ravensburg, Reutlingen und Ulm werden im Anfang des November d. I. wieder eröffnet werden.

Der Unterricht dauert 4'/-5 Monate und wird auf Grund eines für sämtliche Winterschulen einheitlichen Lehrplans in 3640 Stunden wöchent­lich erteilt.

Die Unterrichtsgegenstände sind mit Rücksicht auf die verhältnismäßig kurze Unterrichtszeit und das dem Zweck der Schule angepaßte Lehrziel ausgewählt, und werden sämtliche Fächer mit steter Bezugnahme auf die unmittelbare Anwendung in der landwirt­schaftlichen Praxis und nur in dem Umfang gelehrt, daß dieselben von den Schülern nach ihrer Vor­bildung verstanden und verarbeitet werden können.

Nach dem Lehrplan gewährt auch der Besuch eines einzigen Kursus einen bestimmt abgeschlossenen Unterricht; der gesamte Unterrichtsstoff wird jedoch erst durch den für einen zweiten Kurs vorgesehenen, in bestimmten einzelnen Fächern weiter führenden Unterricht erschöpft.

Die Schüler haben beim erstmaligen Eintritt ein Schulgeld von 25 ^ zu entrichten. Für den Besuch des zweiten Kursus ist das Schulgeld auf 15 festgesetzt. Uebrigens haben eine größere An­zahl landwirtschaftlicher Bezirksvereine beschlossen, dieses Schulgeld für die ihrem Bezirk ungehörigen Schüler zu bezahlen.

Neueintretende Schüler müssen das 15. Lebens­jahr zurückgelegt haben, gut prädiziert sein und die für das Verständnis des Unterrichts notwendigen Fähigkeiten besitzen.

Die Anmeldung zur Aufnahme hat bei den betreffenden Schulvorständen womöglich einige Zeit

vor Beginn des Kursus zu geschehen, und zwar für Hall bei Oekonomierat Rindt, für Heilbronn bei Landwirtschaftsinspektor Wunderlich, für Ravensburg bei Landwirtschaftsinspektor Kost, für Reutlingen bei Landwirtschaftsinspektor Dr. Wieders- heim, für Ulm bei Landwirtschaftsinspektor Köstlin in Ulm.

Mit der Anmeldung sind die Schulzeugnisse, ein Geburtsschein und die schriftliche Einwilligung des Vaters bezw. des Pflegers zum Besuch der Winterschule vorzulegen.

Nähere Auskunft über den Lehrplan, die Kosten, die Unterbringung der Schüler in Privathäuser er­teilen auf Verlangen die betreffenden Schulvorstände.

Der Tag, an dem die einzelnen Winterschulen eröffnet werden, wird später bekannt gemacht.

Stuttgart, den 2. Sept. 1892.

In Vertretung:

. Schittenhelm.

^ Tages-Ueuigkeilen.

Al^nsteig, 3. Sept. Der Brandstifter des großen Brandes am 19. Aug. in Warth ist nun durch die eifrigen Nachforschungen des Stations­kommandanten Lamprecht und des Landjägers Dütt­ling von hier ermittelt worden. Es ist ein noch nicht 12 Jahre alter, schwachbegabter und etwas krüppel- hafter Schüler von Warth. Derselbe hat gestanden, daß er am 19. Aug. vormittags zwiscyen 10 und 11 Uhr sich über einen Obstgarten und durch einen Zaun hindurch dem Streuschuppen des Schultheißen, wo das Feuer auskam, genähert und daselbst die dürre zwischen den Brettern aus dem Schuppen heraus­hängende Streu mittelst eines Zündhölzchens in Brand gesteckt habe. Daran dachte der dumme Junge nicht, daß auch sein elterliches Haus abbrenne. Weil er noch nicht 12 Jahre alt ist, kann er gerichtlich nicht bestraft werden. In Folge der schlechten Oehmd- ernte und des bevorstehenden Futtermangels setzen unsre Viehzüchter ihre Kälber um jeden Preis ab. Diese Woche wurde ein Kalb, das lebend einen Ztr. wog. um 22 ^ verkauft, kommt also das Pfund lebend Gewicht auf 22 Bei solchen Preisen machen die Metzger trotz des Fleischabschlags auf 50 ^ immer noch gute Geschäfte.

Stuttgart. 3. Sept. Vor einigen Tagen wurde zwischen Wahlheim und Kirchheim a. N.. ganz in der Nähe des Gemmrigheimer Wehrs, bei den Grabarbeiten zur Erstellung einer Stützmauer für das zweite Eisenbahngeleise BietigheimJagstfeld eine Anzahl römischer Bronzegefässe, sorg­fältig zusammengepackt, aufgefunden und von der Generaldirektion der Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen an die Königliche Staatssammlung vaterländischer Altertümer übergeben. Die Gefässe bestehen in zwei Seihern, einer davon ist noch ganz erhalten und von sehr gefälligem Muster, in zwei ! Pfannen, zwei Kesseln, drei Schalen, dem oberen ! Teil eines Henkelkrugs und in einem Gewichtseinsatz. ! Sämtliche Stücke sind so elegant als praktisch in den

Formen und werden eine neue Zierde der K. Staats­sammlung bilden.

Stuttgart, 6. Sept. Das Befinden des Rittmeisters Frhr. v. Röder ist unverändert; in der letzten Zeit ist eine entschiedene Besserung nicht ein­getreten. Frhr. v. Röder befindet sich noch immer nicht außer Gefahr, die Krankheit wird eine sehr langwierige werden.

Göppingen, 5. Sept. Gestern abend 9 Uhr brannte in Hohenstaufen das ganze Anwesen des Zieglers Bühler bis auf den Grund nieder. Der Besitzer, der versichert ist, fiel bei der Rettungs­arbeit ins Feuer und zog sich an Brust und Rücken Brandwunden zu. Eine starke Kalbel verbrannte. Brandstiftung wird vermutet.

Hechingen, 2. Sept. Hierher dringt die Kunde von einer entsetzlichen Blutthat. Bei Bur­ladingen wurde ein Mann gefunden, an dessen Halse ein Strick befestigt war. Bei näherer Besichtigung der Leiche entdeckte man in deren Rücken eine Anzahl Messerstiche, so daß die Verübung eines Mordes oder doch > Totschlages zweifellos erschien. Seitens des Gerichts ist heute eine Kommission behufs Unter­suchung der Sache an den Thatort abgegangen.

Bad Homburg, 6. Sept. Der Kaiser trifft am Donnerstag, den 8. ds., zum Besuche seiner Mutter, der Kaiserin Friedrich, hier ein und bleibt hier einen Tag. Am 9. reist er von hier direkt nach Koblenz. Die drei jüngsten kaiserlichen Prin­zen sind von Wilhelmshöhe bei Kassel wieder nach Potsdam abgereist.

Hamburg, 6. Septbr. Den Behauptungen der Blätter gegenüber, das Auftreten der Cholera sei vom Senat und den Behörden geflissentlich ver­heimlicht worden, konstatiert der Hamburgische Korrespondent, daß die Medizinalbehörde am 22. Aug. sofort nach Abschluß der bakteriologischen Untersuch­suchungen über den ersten Cholerafall das Reichs­gesundheitsamt benachrichtigte und die erforderlichen Maßregeln ergriffen wurden. Gegenwärtig befinden sich in den Krankenhäusern 2083 Cholerakranke. Der Leichentransport von Hamburg nach auswärts ist verboten. Die Sammlungen für den Notstand ergaben 185,000 ^5.

Hamburg, 5. Sept. Gestern wurden 290 Cholerakranke und 158 Leichen transportiert. Die Abnahme gegen vorgestern beträgt 35 Kranke und 39 Sterbefälle. Es herrscht eine zuversichtlichere Stimmung und Hoffnung auf weitere Abnahme der Krankheit.

Wie die Cholera verheimlicht wird. DerKölnischen Zeitung" wird geschrieben: Am 15. August war ich in Paris angekommen, wo ich für einige Tage geschäftlich zu thun hatte. Am 16. Aug. besuchte ich mit einem befreundeten französischen Jour­nalisten St. Denis und vas bei diesem Ort gelegene Dorf Sarcelles, welches etwa 1000 Einwohner hat. Als wir uns auf der Landstraße dem Dorfe näherten, hatten wir sofort den Eindruck, daß irgend etwas-

die Hand zurück ihre Börse war verschwunden! Sie vermochte sich im Augenblick nicht darauf zu besinnen, wo sie die Börse gelassen haben konnte und in bitterer Verlegenheit stotterte sie erglühend:

Ich habe kein Geld bei mir ich muß meine Börse verloren haben."

Mißtrauisch blickte er sie an und ziemlich verdrossen ^fragte er:

Wann kannst Du mir Geld zukommen lassen?"

Ich besitze nicht viel," sagte Regina verlegen,aber morgen werde ich Ihnen einen kleinen Betrag durch die Post zugehen lassen. Wollen Sie mir sagen, wie ich die Sendung adressieren soll?"

Er schüttelte den Kopf.

Nein", sagte er lebhaft,so nicht. Ich habe mein Kind lang genug entbehren müssen ich werde Dich morgen Nachmittag hier erwarten und das Geld aus Deiner Hand empfangen."

Regina schauderte unwillkürlich; er bemerkte es und frohlockte innerlich.

Ich werde es möglich zu machen suchen, morgen um dieselbe Stunde hier zu sein," sagte das arme Kind gepreßt.

Schön, ich verlasse mich darauf. Und noch Eines laß Herrn Palma nicht wissen, daß Du mich gesehen hast es könnte Dir und noch mehr Deiner Mutter schaden."

Seien Sie ohne Sorge," sagte Regina herb, wenn auch mit zuckender Lippe; Niemand offenbart freiwillig seine Schande und so werde ich über unsere Begegnung schweigen."

Versprichst Du mir das?" fragte der Vagabund eifrig.

Ja. Ich werde schweigen, bis ich Nachricht von meiner Mutter habe, denn Sie werden begreifen, daß ich ihr noch heute schreiben und ihr Alles Mitteilen muß. Und nun lassen Sie mich geh«« ich nmß nach Hause."

Adieu mein Kind."

Er streckte ihr die Hand entgegen, aber sie konnte sich nicht überwinden, dieselbe mit ihren Fingern zu berühren und einen Gruß nickend, eilte sie davon.

Halbtodt vor Aufregung, Entsetzen und Widerwillen schlug Regina den Heim­weg ein; sie war so eingehend mit ihren trüben Gedanken beschäftigt, daß sie nicht gewahrte, daß der regelmäßige Schritt eines Herrn ihr in kurzer Entfernung folgte und als 6e endlich das Palma'sche Haus erreichte, schlüpfte sie ihrer Meinung nach unbemerkt, hinein und stürmte hinauf in ihr Zimmer, wo sie ganz erschöpft in einen Sessel sank. Heltie, welche mit dem Einräumen frischer Wäsche beschäftigt war, er­schrak, als sie Regina's totbleiches, schmerzdurchwühltes Angesicht sah und der jungen Dame rin Glas Wasser reichend, sagte sie besorgt:

Fräulein Regina Sie sind so bleich wie das Betttuch hier in meiner Hand trinken Sie einen Schluck frischen Wassers."

Gehorsam trank Regina und dann sagte sie erklärend:

Ich bin wahrscheinlich zu weit gegangen und fühle mich sehr matt und an­gegriffen. Ist Frau Palma zu Hause?"

Gewiß, Fräulein die ganze Familie geht heute Abend auf den Ball zu Fräulein Tarrant und zum Essen werden mehrere Gäste erwartet. Welches Kleid soll ich Ihnen zurechtlegen, Fräulein?"

Gar keines. Hettie ich kann nicht bei Tisch erscheinen ich werde mich zu Bett legen. Entschuldigen Sie mich, wenn Frau Palma nach mir fragen sollte. Wo ist denn Fräulein Olga?"

In ihrem Zimmer der Friseur kam vorhin um ihre Ballfrisur zu ordnen. Fräulein Olga hat den ganzen Tag über geschlafen, um für den Abend frisch zu sein und jetzt sieht sie ganz prächtig aus. Schade, daß Sie noch nicht auf Bälle gehen dürfen, Fräulein Regina."

(Fortsetzung folgt.)