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Caprivi teilnehmen. Am 20. ds. Mts. wird die Königin über Friedrichshafen in Seefeld eintreffen.
Stuttgart, 20. Aug. Gestern früh wurde der vom K. Landgericht hier wegen Mordversuchs steckbrieflich verfolgte Karl Anton Lutz von Weilder- stadt in hiesiger Stadt durch Landjäger Böhm festgenommen und an das zuständige Gericht eingeliefert.
Bekanntlich hat Lutz am 20. Juni d. I. die Frau Strauß in Sillenbuch durch einen auf sie abgefeuerten Schrotschuß an der rechten Seite schwer verletzt.
N. Tagbl.
— Von Weingärtnern hört man vielfach, daß die Hitze dem Weinstock nicht gut sei. Da die Beeren noch nicht am Ende ihres Wachstums angelangt seien, so schrumpfen sie durch das verfrühte „Braten" ein, und hievon erholen sie sich nicht mehr, auch nicht durch einen nachfolgenden Regen. Auf Trauben, die durch das Laub ganz gedeckt sind, hat die Hitze noch keinen schädlichen Einfluß, aber die freiliegenden Beeren schmoren und gehen dem Ertrag vrloren. Beträchtlich kann wohl der Schaden noch nicht sein; doch wäre nach der übermäßigen Hitze der letzten Tage ein baldiger Regen für Mensch und Flur eine von jedermann herbeigesehnte Erquickung.
Tübingen, Id. August. Die „Tüb. Ehr." hatte gestern berichtet, daß am 17. d. bei dem teilweise erst mittags nach Entringen zu einem Gefechtsschießen ausgerückten Militär eine größere Anzahl Mannschaften von Unwohlsein befallen wurden und in Wagen zurückbefördert werden mußten. Zwei Mann sollten gestorben sein. Heute nun schreibt das Blatt: „Das in der Stadt allgemein verbreitet gewesene Gerücht, es seien 2 Soldaten des hiesigen Bataillons dem vorgestrigen Tag zum Opfer gefallen, stellt sich erfreulicherweise als irrtümlich heraus. Wie uns von zuständiger Seite mitgeteilt wird, ist von den am 17. Erkrankten niemand gestorben. Auch sämtliche am 17. in das Garnisonslazaret aufgenommene Mannschaften — 5 — sind derart wieder hergestellt, daß deren Entlassung aus dem Lazarat als genesen für gestern bezw. für die nächsten Tage bevorstand, bezw. bevorsteht."
Schorndorf, 18. Aug. Als in der vorigen Woche in Grunbach ein Wanderlager eröffnet wurde, haben die dortigen Kaufleute sofort beschlossen, gegen dieses Wanderlager besondere Maßregeln zu ergreifen. Sie ließen vor dem Hause, in welchem der Verkauf der Waren des Wanderlagers stattfand, einige Marktstände aufschlagen und verkauften in denselben ihre dahin gebrachten Waren. Durch dieses Verfahren verminderte sich der Zulauf zu dem Wanderlager sehr trotz der Bekanntmachung des Wander- lagerhalters, daß er seine Waren 40°/» unter dem Preis abgebe. Das Vorgehen der Grunbacher Kaufleute ist originell und wird ohne Zweifel Nachahmung finden, zumal ohnedies schon durch Hausierer und
einiges mit Herrn Palma besprach, betrachtete Regina die an den Wänden hängenden verschiedenen Bilder und nahm dann, nachdem sie Hut und Mantel abgelegt, auf dem Sessel, den Harcourt zurecht gerückt hatte, Platz. Hierauf öffnete der Künstler die Thür des Nebenzimmers und unter freudigem Bellen stürzte Ajax herein und begrüßte seine Herrin mit stürmischen Liebkosungen. Regina vergaß Alles um sich her; sie kauerte neben Ajax am Boden, schlang beide Arme um seinen zottigen weißen Hals und schluchzte. Die beiden Herren ließen sie ruhig ausweinen und dann sagte Herr Palma:
„So, Regina — nun setzen Sie sich wieder zurecht und machen Sie Ajax begreiflich, daß er auf dem neben dem Sessel liegenden Kissen Platz nehmen muß. Schön — nun legen Sie die Linke auf den Kopf des Hundes; trocknen Sie Ihre Augen und lösen Sie Ihr Haar — Ihr Mutter wünscht, daß das Bild in dieser Weise gemalt werde."
Regina löste die schweren dunklen Flechten und ließ das lockige Haar, welches sie wie ein Mantel umwallte, über Schultern und Nacken geleiten. Herr Palma nickte beifällig und seine weiße Hand glitt ordnend über die glänzenden Wellen; dann trat er zurück und betrachtete die liebliche Erscheinung seines Mündel.
„Wie alt ist das Fräulein?" fragte der Künstler leise; „Ihre-Züge sind noch durchaus sanft und kindlich, aber der Ausdruck der Augen deutet auf geistige Reife."
„Nicht wahr, Regina, Sie stehen im sechzenten Jahr!"
„Ja, Herr Palma."
„Und sieht daS Fräulein immer so ernst und traurig aus, Herr Palma?"
„Ernst wohl, aber nicht so traurig; Regina — könnten Sie nicht ein klein wenig freundlicher dreinschauen?'
Regina versuchte zu lächeln, aber der Versuch siel so kläglich aus, daß Herr Palma ungeduldig rief:
.Um Gotteswillen, keinen solchen Gesichtsausdruck. Regina — so denken Sie doch an irgend etwas Heiteres oder Freundliches. Halt, da fällt mir etwas ein — «aS ist denn aus dem jungen Geistlichen geworden, welcher es seiner Zeit für un-
fängnisstrafe von 6 Wochen und zur Tragung der- bedeutenden Kosten verurteilt.
— „Der Albbote" meldet von Schwenningen: Im Garten des Gg. Müller, Uhlandstraße, sind Kartoffelstöcke in der Höhe von 1'/- Meter zu sehen.
Wehingen, OA. Spaichingen, 16. August.. Das benachbarte Deilingen beherbergt gegenwärtig einen seltenen Gast in der Gestalt eines fremdländischen Vogels, der sich wohl verflogen hat, und so schachmatt auf dem Heuberg angekommen ist, daß er sich von einer hiesigen Frau leicht fangen ließ. Diese brachte den Vogel dem Herrn Lehrer Sauter, der sich des. beschwingten Gastes mit solcher Sorgfalt angenommen hat, daß er sich bereits wieder im Fliegen übt. Der Vogel, von der Größe einer Taube, hat ein lerchenfarbiges Gefieder, lange Stelzfüße und unbehaubten. Kopf. Vermutlich hat man es hier mit einem verirrten Exemplar des in Europa in 9 Arten vorkommenden Strandläufers (Irinxa,) zu thun, die gesellig in Sümpfen und Mooren, an Seen und Flüssen leben, schnell laufen und fliegen, in Schaaren wandern: und in kurzem Grase nisten.
Ulm, 19. Aug. Der Ausbrecher Klein,, dessen Verfolgung bis jetzt ohne Erfolg geblieben ist, trank gestern Abend 5 Uhr in der Wirtschaft zum Rheinthal 2 Glas Bier und aß eine Sulz. Als der Wirt in den Keller ging, verließ K. ohne Bezahlung das Lokal. Von den Anwesenden wurde Klein, welcher durch Entfernung seines Schnurrbarts ein verändertes Aussehen hat, erst später erkannt.
— Das Entweichen Kleins veranlaßte die N. T. zu folgenden Bemerkungen: Als auffällig wird dem U. T. bezeichnet, daß Klein nicht in Sträflingskleidern von Ludwigsburg hierhergeliefert wurde, sondern m seinen Zivilkleidern, die ihm nun das Entkommen erleichtern; es sollen da „Rücksichten" genommen worden sein, die der Verbrecher offenbar nicht verdiente. Auch wurde Klein vom Gefängnis aus nicht „geschlossen" zum Verhör ins Landgericht geführt; er hätte schon bei dieser Gelegenheit mehrmals entspringen können. — Uebrigens soll von der Schaffhausener Polizei an die Ulmer Gefängnisinspektion bereits ein Beileidstelegramm eingelaufen sein; auch wurde auf einer hiesigen Kegelbahn gestern. der rechte Eckkegel „Klein" benamst, weil der betreffende Kegel etwas schwer zu „kriegen" ist.
Ulm, 20. Aug. Der Einbrecher Klein ist heute inNördlingen verhaftet worden, woselbst er sich selbst dem Gerichte gestellt haben soll. Die dortige Polizei wurde von hier telegrafisch ersucht, beim Transport des Arrestanten alle mögliche Vorsicht anzuwenden.
— In Ulm liegt zur Zeit der vor kurzem gegründete „Schutzverein für Handel und Gewerbe" gegen den Konsumverein als einem Schädiger der Gewerbetreibenden zu Felde und hat es dahin gebracht, daß die Metzger ihre Verträge mit
erläßlich hielt, zur Bekehrung der Sepoy's nach Indien zu pilgern? Schreibt der junge Mann Ihnen mitunter?"
„Bis jetzt habe ich nur einen einzigen Brief von Herrn Lindsay erhalten und zwar als Einlage in einem Schreiben seiner Mutter an mich."
Herr Palma bemerkte, daß Regina's Lippe zuckte und ihre Augen sich verschleierten; er blickte sie forschend an und fragte dann leichthin: „Haben Sie dem jungen Mann versprochen, seine Briefe zu beantworten, Regina?"
„Ja, Herr Palma."
„Dann thut mir's Leid, daß ich als Vormund mein Veto einlegen muß; eine solche Korrespondenz erscheint mir in keiner Weise paffend und da die Verabredung ohne mein Vorwissen getroffen wurde, kann es Sie kaum befremden, wenn ich dieselbe aufhcbe."
„Herr Palma," sagte Regina leise, aber bestimmt, „ich bitte Sie, dieses Verbot nicht auszusprechen. Sollten Sie es dennoch thun, dann müßte ich an meine Mutter schreiben und diese bitten, mir die Korrespondenz zu gestatten. Als der Briefwechsel verabredet wurde, lebte Onkel Paul noch, der doch auch mein Vormund war und da er nichts dagegen einzuwenden hatte —"
Regina schlug bei dielen Worten den Blick, den sie bisher gesenkt gehalten, zu. ihrem Vormund auf und sein Gcsichtsausdruck ließ sie in ihrer Verteidigungsrede stocken. Er schaute sie halb lächelnd, halb spöttisch an und sagte dann, während er seine Brieftasche hervorzog und derselben mit zahlreichen ausländischen Marken versehenes geschloffenes Briefkouvert entnahm:
„Hier ist ein Schriftstück hindostanischer Provenienz, welche- heute in meine Hände fiel; laut Poststempel ist dasselbe schon im Juni in Kalkutta aufgegeben, worden, vermutlich hat Nena Sahib oder sonst ein Rajah den Brief aufgefangen und so die verspätete Ankunft verschuldet. Ah — nun kommt plötzlich Sonnenschein: in das trübe Gesichtchen und zwar auf dem direktesten Wege über Indien! Da — nehmen Sie — wenn Sie glauben, die auf die Adresse bezeichnet« Persönlichkeit zu sein!*
(Fortsetzung folgt.)
Detailreisende dem Kaufmann auf dem Lande eine empfindliche Konkurrenz entstanden ist.
Marbach, 20. Aug. Gestern hat der Neckar 2 Opfer gefordert. Abends 5 Uhr badete ein Mädchen am Eisenbahnviadukt und ließ sein öjähriges Schwesterchen am Ufer zurück. Dieses bekam aber auch Lust zu baden und ertrank. Durch einen Malergehilfen, der am Viadukt arbeitete, wurde das Kind aus den Fluten geholt; Wiederbelebungsversuche waren aber erfolglos. — Ziemlich an der gleichen Stelle ertrank gegen 8 Uhr ein gegenwärtig hier einquartierter Dragoner des Regiments König Nr. 26.
Mundelsheim, 18. August. Ter 16jähr. Sohn eines Fischers (Fährgers) vom Schreyerhof fand in seinem Nachen, welchen am letzten Sonntag junge Leute aus Bietigheim benützt hatten, eine Patrone. Er spielte mit derselben; plötzlich explodierte die Patrone, welche ohne Zweifel Dynamit enthielt, wobei dem jungen Mann drei Finger der linken Hand weggerissen wurden. Die Explosion war so stark, daß mehrere Fensterscheiben zertrümmert wurden.
Wäldenbronn, 20. August. Der in den fünfziger Jahren stehende Gottlieb Seitz von hier spannte seine Kühe im Freien vom Wagen ab. Ein Tier rannte wütend auf den ruhigen, sein Vieh mild und gut behandelnden Mann dar und drückte ihn so gegen den Wagen, daß ihm eine Gesichtshälfte um das Auge herum so zerfleischt wurde, daß sie nach verschiedenen Richtungen hin von der kundigen Hand ves Arztes zusammengenüht werden mußte. Das Auge, welches der heftigen Geschwulst wegen noch nicht untersucht werden kann, wird leider verloren sein. — In Sulzgries wurde eine Frau von ihrem im raschen Lauf rückwärts einen Abhang dahinschießenden Wagen zu Boden geworfen und die Mückenkurbel drang ihr so schlimm durch die Handfläche, daß sie im vollsten Sinne des Worts auf die Erde gespießt wurde. Die ganze gefährliche Verwundung heilt verhältnismäßig gut.
Gmünd, 20. Aug. Das Jnf.Reg. Nr. 126 ist gestern Abend aus Straßburg mit Sonderzügen hier eingetroffen und zog mit Oberst v. Greifs an der Spitze mit klingendem Spiele in die Stadt ein. Das 120. Jnf.Reg. traf Nachmittags in Unterböbingen ein, dasselbe wird dort und in den umliegenden Ortschaften Mögglingen, Herlikofen, Iggingen und Lind- ach untergebracht. Das Regimentsexerzieren findet heute und die folgenden Tage auf den Höhen zwischen Rems und Lein statt, das Brigadeexerzieren dauert vom 27. Aug. bis 2. Sept.
Wasseralfingen, 18. Aug. Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Die Wahrheit dieses Sprichworts mußte ein hiesiger Angestellter, der einen seiner Kollegen anonym denunziert hatte, erfahren. Er wurde dieser Tage vom Landgericht Ellwangen wegen falscher Anschuldigung zu der Ge-