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nach einigen Stunden gelang es, die Tiere wieder einzufangen. — Küfermeister Böhringer von IIsfeld wollte ein Mostfaß in den Keller verbringen als der Strick riß und das Faß über ihn wegrollte. An seinem Aufkommen wird gezweifelt. — Ein zum Glück seltener Gast kehrte neulich im Gasthaus R. in Großbottwar ein. Durch mancherlei Prahlereien und das Vorgeben, das Städtchen besichtigen zu wollen, brachte er es zuwege, daß er nach reicher Mahlzeit ohne Zahlung die Wirtschaft verlassen konnte. Wie in Ludwigsburg, Bietigheim und Marbach hat er auch hier das Wiederkommen vergessen.
Bebenhausen. In den letzten Tagen haben S. M. der König täglich die regelmäßigen Meldungen entgegengenommen und mit dem Vertreter des Kabinets- chefs gearbeitet. Am 25. ds. Mts. empfingen Aller- höchstdieselben den evangelischen Pastor bei der deutschen Botschaft in Madrid Fr. Fliedner in Audienz. Vom 26. bis 28. ds. Mts. wohnten S. M. den unter der Leitung des hier eingetroffenen Oberjägermeisters Frhr. v. Plato im Revier Weil in Schönbuch und den in der Nähe von Bebenhausen stattgefundenen Treibjagden auf Hochwild bei. An denselben nahm auch Prinz Max zu Schaumburg-Lippe teil und waren hiezu außer den Herren des Allerhöchsten Gefolges geladen: der k. preuß. Gesandte Frhr. v. Saurma, Generallieut. v. Lindequist, der Oberkammerherr Frhr. von Neurath, der Flügeladjutant Oberst v. Grävenitz, der Oberst- lieut. a. D. Graf v. Dillen, Hofbildhauer Kurfeß, Maler Reck und die Forstbeamten der betreffenden Reviere.
Ravensburg. Ein Metzgergeselle und Lehrling wurden beim Aufziehen eines geschlachteten Farren durch Reißen des Seiles und Herabstürzen der Last ersterer schwer, letzterer leicht verwundet.
Jsny. In Kleinholzleute ist das Anwesen des Bauern A. Schuhwerk niedergebrannt.
Bremen, 29. Juli. Ein zur Renovierung des Stadttheaters aufgestelltes Gerüst brach zusammen. Vier Arbeiter wurden schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht, zwei Arbeiter sind leicht verletzt.
Breslau, 1. Aug. Der Ausbruch der Cholera in Warschau wird amtlich bestätigt. Eine authentische schlesische Zeitungsmeldung constatierte Cholerafälle in der Grenzstation Sosnowicc.
Breslau, 1. Aug. Bei dem gestrigen Brand im kgl. Proviantamt in der Magazinsstraße sind über 600 Ztr. Hafer verbrannt.
Paris, 30. Juli. Gestern sind 12 neue Cholerafälle im Männerquartiere der Irrenanstalt in Bonneval vorgekommen. Eine Person war sofort tot. Je ein plötzlicher Todesfall ereignete sich in Saint- Mour und Auneau.
Versailles, 29. Juli. Die Geschworenen verurteilten die wegen Dynamitdiebsstahls in 8ois^
sous Lliollss angeklagten Anarchisten und zwar Fan- coux zu 20 Jahre Zuchthaus und 10 Jahr Aufenthaltsverbot, Challeret zu 12 Jahr Zuchthaus, Rouhet zu 6 Jahr Gefängnis, Etievant zu 5 Jahr Gefängnis.
Petersburg, 30. Juli. Der Zar wohnt wegen der Choleragefahr den diesjährigen Manövern in Charkow nicht bei.
Uermischles.
— Aus den „Homöopathischen Monatsblättern" erfährt man durch Sanitätsrath Dr. Bilfinger wieder einen »Fall gründlicher Vergiftung durch Impfung. Ein Kind des Fuhrmanns Jlshöfer in Stuttgart erkrankte nach erfolgter Impfung an Jmpf- gangrän (Brand) und bald trat auch der Tod ein. Der Jmpfarzt verklagte nun die Mutter wegen fahrlässiger Tötung. Die von dieser als Zeugen aufgeforderten Hausgenossen konstatierten, daß das Kind musterhaft auferzogen worden, und daß es die Hauptfreude des Vaters war. Die Frau erhielt nun dieser Tage ein Schreiben der K. Staatsanwaltschaft, daß das Verfahren unter Uebernahme der Kosten auf die Staatskasse eingestellt worden sei. Bilfinger hofft, der Impfzwang werde bald den historischen Kuriositäten angehören.
EineKonkurrenzdesBieres. Ein neuer Gerstensaft ist erfunden und wurde „deutsche Würze" betitelt. Diese „Würze" soll wie Pilsener Bier aus- sehen und sich im Geschmacke zwischen Münchener und Pilsener Bier halten. Die Erfindung entstammt nicht aus München wohl aber aus Bayern.
Rede am Schlußakt
30. Juki 1892.
Hochverehrte Versammlung! Liebe Schüler!
Als wir uns vor einem Jahr in feierlicher Abschiedsstunde hier zusammenfanden, da hatte ich Ihnen von bedeutungsvollen Aenderungen in unserem Lehrerkreis zu berichten. In dieser Hinsicht ist das abgelaufene Jahr in einer selten* Ruhe und Gleichmäßigkeit verlaufen. Es konnte in ungestörter Ruhe die stille Arbeit an Seele und Geist unserer jungen Pflegebefohlenen verrichtet werden, und der Erfolg dieser Arbeit ist ein lohnender und in seltenem Maße befriedigender gewesen. Die meisten Schüler haben das ihnen vorgesteckte Ziel glücklich erreicht, und während z. B. im Vorjahr nur 15 Belobungen für Fleiß und Wohlverhalten erteilt werden konnten, sind es deren Heuer 25, gewiß ein erfreulicher Beweis, daß es an regem Leben in der jungen Schaar nicht gefehlt hat. Möge dies allen ein Sporn sein, im nächsten Schuljahr alle Kraft einzusetzen, um in erhöhtem Maße den Beifall und die Zufriedenheit der Lehrer zu erwerben. Mögen namentlich die Lässigen, die Faulen, die Bequemen und Gedanklosen, die sich der großen Bedeutung ihrer Aufgabe als Schüler für
ihr späteres Leben noch nicht bewußt sind, und an denen es leider niemals fehlt, zur Erkenntnis kommen, daß, auch wenn es nicht gelingt, sich Auszeichnungen zu erringen, doch die gewissenhafte Arbeit eines Jeden geschätzt wird, und daß wir sie nicht um unseretwillen und nicht um der äußeren Ehre willen, sondern wegen des inneren Vorteils schätzen, den sie den Fleißigen und Arbeitsamen selber bringt. Niemand schadet der Träge und Gleichgültige, als sich selbst, indem er zurückbleibt und mangelhafte Kenntnisse davonträgt. Also im neuen Schuljahr mutig und unverdrossen, zielbewußt und entschlossen an die Arbeit getreten! und der Lohn wird der Mühe nicht fehlen.
Dieses neue Schuljahr wird, wie ich schon in einem kurzen Artikel im Wochenblatt vor einigen Monaten mitgeteilt habe, tief eingreifende Veränderungen und Neuerungen bringen. Sie alle wissen, daß auf dem Gebiet des Gymnasialunterrichts wichtige Neuordnungen stattgefunden haben. Und wir würden unserer hiesigen Anstalt die Lebensader unterbinden, wir würden namentlich die Uebertritte in andere Lehranstalten, auf die wir notwendig Rücksicht nehmen müssen, da wir unsere Schüler nicht bis zur Universität oder zum Polytechnikum führen, wir würden, sage ich, diese Uebertritte erschweren, ja unmöglich machen, wenn wir uns den Aenderungen jener Lehranstalten nicht anschließen würden, soweit es sich mit dem Charakter unserer Anstalt verträgt.
Mit Freuden wird gewiß allenthalben die Einrichtung begrüßt werden, daß in der ersten Klasse nicht sofort mit dem lateinischen Unterricht begonnen wird. So wie wir die Schüler aus der Volksschule bekommen, — ich darf das sagen, ohne der Volksschule irgend zu nahe zu treten, denn andere Lehranstalten bekommen ihre Schüler aus einer eigenen Vorbereitungsschule, die wir hier nicht haben, und in der nur Schüler unterrichtet werden, die in eine höhere Lehranstalt eintreten wollen, — so wie wir die Schüler aus der Volksschule bekommen, tritt an dieselben, wenn sofort mit dem Latein angefangen wird, eine harte Aufgabe heran, die bei vielen Schülern schon von vornherein einen gewissen Horror vor dem Lateinischen erweckt, und der bisher manche im ersten Schuljahr sich nicht gewachsen gezeigt haben. Viele Eltern werden davon zu erzählen wissen. Jetzt soll in der ersten Hälfte des Schuljahrs ein größerer Nachdruck auf den deutschen Unterricht gelegt werden, der nunmehr mit 8, statt bisher mit 3'/s Stunden bedacht wird. Auch dem Rechnen und dem naturgeschichtlichen Unterricht werden künftig in der I. Kl. mehr Wochenstunden gewidmet werden. Im zweiten Halbjahr soll dann ein vorbereitender Lateinunterricht begonnen werden, damit den übrigen Klassen, namentlich aber der zweiten, keine zu große Aufgabe zufällt. Denn bis zum Abschluß der VI. Klasse soll im Lateinischen dasselbe Ziel wie bisher erreicht werden, obwohl in allen diesen Klassen der Lateinunterricht um 1—2 Wochenstunden gekürzt wird. Und dieses Ziel wird auch erreicht werden, wenn eben schon in der ersten Klasse ein tüchtiger
daß meine Mutter wirklich unschuldig war! Aber so lange Hannah noch im Hause war, durfte ich nicht reden und dann starb er so plötzlich!"
„Hannah — hatte Hannah mit der Sache zu thun?" frug Frau Lindsay bestürzt. Regina nickte und teilte ihr dann Alles mit, was sie an jenem Gewitterabend erlauscht und was Hannah später bestätigt hatte. Frau Lindsoy geriet außer sich, als sie an Hannah's heuchlerische Entrüstung nach der Entdeckung des Diebstahls gedachte, doch faßte sie sich bald, um Regina nicht noch mehr aufzuregen und ftagte nach einer Weile besorgt:
„Hast Du mit Hannah von dem Inhalt des Dokuments gesprochen?"
„Nein Tante," versetzte Regina einfach, ich konnte doch nicht mit einer Dienerin, die noch dazu einen Diebstahl begangen, über die Geheimnisse meiner Mutter sprechen!"
„Gott erhalte Dich so, mein Liebling", sagte Frau Lindsay ergriffen; „hast Du Deiner Mutter von der Sache geschrieben."
.Nein. Tante — gerade deshalb teile ich Dir mit, was zu meiner Kenntnis gelangte — ich wollte um Deinen Rat bitten."
„Mein Rat lautet dahin, daß Du am besten thun wirst. Deiner Mutter Mitteilung von der Angelegenheit zu machen — möglicherweise hängt viel von der Zerstörung des Dokuments ab. Das Einzige, was ich über diese unglückselige Sache weiß, will ich Dir nicht vorenthalten — mein teurer Bruder teilte mir seiner Zeit mit, er habe Deine Eltern getraut und zwar nicht in der Kirche, sondern hier im Hause. Wer Dein Vater ist und wie er heißt, habe ich nicht erfahren; Deine arme Mama hat sicherlich Gründe für die strenge Wahrung ihres Geheimnisses und daß mein lieber Paul, der ihr volles Vertrauen besaß, ihre Handlungsweise billigte, bürgt für die Richtigkeit ihrer Entschließungen."
„O, Tante — wie glücklich machen mich Deine Worte," schuchzte Regina, „weißt Du, daß ich erst vor wenigen Monaten ganz zufällig entdeckte, daß mein« Mutter Schauspielerin ist? S e hatte wohl manchmal erwähnt, daß ihr Beruf sie bald hierhin.
bald dorthin führe, daß sie Schauspielerin sein könnte, fiel mir nicht ein — ich glaubte, sie gäbe Klavierunterricht oder spiele in Koncerten. Beim ersten Schulfest nun gab mir Frau Patter einige Zeüungen für Onkel Paul und als ich zufällig einen Blick auf dieselben warf, fiiel mir der Name „Olivia Orme" ins Auge. Du kannst Dir denken, daß ich die Zeitung näher ansah; der Name befand sich in einem Artikel aus Italien und zwar besprach derselbe in geradezu enthusiastischer Weise die Darstellung der „Medea" durch Madame Olivia Orme. Ich eilte zu Onkel Paul und fragte ihn, ob die berühmte Schauspielerin meine Mutter sei; er bejahte und meinte, wenn ich den Artikel meiner Mutter senden wollte, werde es ihr Freude machen. — Aber ich mochte es nicht thun — ich kenne meine Mutter so wenig und so verbrannte ich das Zeitungsblatt und schwieg.
In diesem Augenblick vernahm man das Rollen eines Wagens; Frau Lindsay und Regina erhoben sich hastig, legten ihre Mäntel und Hüte an und verließen unter bitteren Thränen das vereinsamte Haus, welches die Küstersfrau hinter ihnen abschloß, während der Küster die Reisenden zur Eisenbahn begleüete.
XII. Kapitel.
Am nächsten Morgen, als der Schnellzug in den Bahnhof von Newyork ein« fuhr, fiel der Schnee in dichten Flocken; auf dem Perron herrschte ein wahrhaft betäubender Lärm und Regina, welche bisher nur die Stille des Landlebens kennen gelernt hatte, blickte ziemlich ängstlich auf das Getriebe und das Hasten der Menge, die sich am Bahnhof eingefunden hatte. Frau Lindsay hatte Regina dem Kondukteur empfohlen, als sie sich unterwegs von ihr getrennt, und der Mann war sehr freundlich gegen das junge Mädchen gewesen; er hatte Regina gesagt, sie möge ruhig im Waggon sitzen bleiben, bis er den Herrn, der sie in Empfang nehmen werde, gefunden und wirklich erschien der Kondukteur jetzt in Begleitung eines eleganten jungen Mannes wieder und öffnete die Waggonthür mit den Worten:
„Gnädiges Fräulein — der Herr wünscht Fräulein Orme abzuholen!"
(Fortsetzung folgt.)