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Amis und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
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Erscheint »iev« lag, Dvnnerrtag und Samstag. Die Etnrücknngsgedühr betrigt im Bezirk und nächster Um» g-bung » Psg. die Zeile, sonst IS Psg.
Amtliche Wekanutmachunge«.
Die Ortsvorsteher
werden beauftragt, binnen 8 Tagen anher zu berichten, ob sich in ihren Gemeinden die Sitz- und Stimmordnung derjenigen Gemeinderathsmitglieder, welche nach Ablauf einer Wahlperiode wieder in den Gemeinderath gewählt werden, nach der Zeit ihres erstmaligen Eintritts in das Kollegium oder nach derjenigen der neuesten Wiederwahl richtet.
Calw, den 31. Juli 1892.
K. Oberamt.
vr. Schönmann A.-V.
Tages-Ueuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.s Am 29. Juli ist von der evang. Oberschulbehörde die Mittelschulstelle in Calw dem Schullehrer Müller "daselbst übertragen worden.
* Calw, 31. Juli. Das Reallyceum beging gestern seine Schlußfeier im Hörsaale des Georgenäums. Nach dem Gesang „Herr, dir ist niemand zu vergleichen" hielt Hr. Rektor vr. Weizsäcker eine Ansprache (s. 2. Seite der heutigen Nr.), m der er hauptsächlich über die bevorstehenden Neuerungen im Lehrplan nähere Erläuterungen gab und über die Art des Lernens beherzigenswerte Worte an die Schüler richtete. Hierauf folgten abwechslungsweise Gesänge und Deklamationen. Die Abschiedsrede über „Gedanken beim Schulaustritt" hielt ein Schüler der VII. Klasse. Das Zeugnis über die wissenschaftliche Befähigung zum Einjährigen Dienst wurde an 15 Schüler der VII. Klasse, die Berechtigung für die Prima eines Realgymnasiums an
Dienstag, den 2. August 1892.
1 Schüler der VIII. Klasse ausgeteilt. Einer großen Zahl von fleißigen und braven Schülern konnten wieder Prämien und Belobungen übergeben werden. Der Gesang „Freiheit die ich meine" schloß die würdige, zahlreich besuchte Feier ab.
Stuttgart. Mehrere Goldarbeiter gerieten in einer Wirtschaft der Hauptstätterstr. in Streit, der sich bei einem Begegnen im Nachhausegehen wiederholte, wobei es zü einer Rauferei kam und der eine der Streitenden einem andern ein Stück seiner Nase abbiß. Der Verletzte wird ein künstliches Nasenstück erhalten. Der Thäter ist festgenommen. — In vergangener Nacht zwischen 1 und 2 Uhr wurde ein aus einer Wirtschaft kommender junger Mann in der Nähe der Gewerbehalle von 2 Strolchen überfallen, seiner silbernen Uhr beraubt und durch Messerstiche und Stockschläge schwer verletzt. Der Verletzte schwebt in Lebensgefahr. Die Thäter sind noch nicht ermittelt.
Stuttgart, 29. Juli. Der Zoologische Zirkus von Karl Hagenbeck, der seit zwei Tagen seine Vorstellungen in dem neuen, eleganten Zirkusgebäude von Werkmeister Hangleiter am Marienplatz begonnen hat, bietet in der ausschließlichen Vorführung dressierter Tiere eine anziehende Neuheit auf dem Gebiet dieser Art von Schaustellungen. Die Tierdressur ist längst über den Kreis der Kulturtiere hinausgeschritten und hat sich mit Vorliebe den scheuen, unbeholfenen, störrischen, wilden und heimtückischen Geschöpfen zugewandt. So werden auch im Hacken- beck'schen Zirkus einsiedlerische Störche vorgeführt, die neben anderen Kunststücken sich plötzlich tot stellen, Schweine, die die Gelehrigkeit eines Pudels entwickeln, Seehunde, die mit ihren Floßenstummeln das Tambourin schlagen, Guitarre spielen, Salvenfeuer abgeben und bei allen diesen Künsten sich höchst possierlich
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geberden. Daneben bewahren Elephant, Pferd und Hund den Ruf der besonderen Virtuosität, der ihnen von Alters her zukommt. Die eigentliche Glanznummer des Programms aber und eine wirklich merkwürdige Sache ist die Vorführung einen großen Gruppe dressierter Raubtiere durch Herrn Mehrmann. Sind die Tiere auch noch jung, so sind doch namentlich die Löwen und Tiger ganz gewaltige Bestien und es ist frappierend zu sehen, wie friedlich und folgsam sie sich betragen. Da ist nicht mehr die Rede von dem „Löwenbändiger", der unter dem Schutz von bereit gehaltenen Eisenstangen rasch in das Käfig trat, mit Peitschenhieben die Tiere durcheinanderjagte und froh war, wenn er wieder mit heiler Haut aus dem Zwinger schlüpfte. Herr Mehrmann wie das übrige Personal bewegt sich ganz sorglos unter den Löwen, Tigern, Leoparden, Bären; jedes Tier geht willig an seinen Platz, kommt heran, wenn die Reihe der Vorführung es trifft, stellt sich friedlich neben das andere in eine beliebige Gruppe; am Schluffe bewegen sich alle frei durcheinander, darren unter sich und mit den Hunden und umdrängen den Dresseur. Mit diesem überraschenden Bild schließen die Vorführungen, in die die akrobatischen Künste eines Clowns angenehme Abwechslung bringen.
— Am 27. ds. brach in Stuttgart in der Hauptstätterstraße ein Brand aus, der jedoch bald gelöscht wurde. Zwei Dienstmädchen hatten ein Licht niederbrennen lassen, wodurch verschiedene Gegenstände in Brand gerieten. — InHofen bei Cannstatt fand ein Schuhmacher seine vor Jahren ihm durch Diebstahl abhanden gekommene Taschenuhr dieser Tage schön eingewickelt auf dem Fensterbrett. Ein erfreuliches Wiedersehen. — Von einem Viehtransportwagen sprangen in Fellbach 3 Rinder in die nahen Kornfelder und richteten bedeutenden Schaden an. Erst
6 ^ ^ ^ ^ 6 1 O . Nachdruck verboten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
«Ich hoffe, Du siehst zu schwär,, Regina", sagte Frau Lindsay. „Herr Palma mag ja kühl und vielleicht auch hochmütig sein, aber seine Fürsorge für Dich ist geradezu rührend und ich weiß, daß unter der anscheinend kalten Hülle ein warmes Herz schlägt. An meiner in New-Aork wohnenden Jugendfreundin, Frau Mafon, wirst Du eine freundliche und sehr verständige Ratgeberin haben, und mein Brief an sie sichert Dir die liebevollste Aufnahme in ihrem bescheidenen Heim."
Regina schwieg eine Weile und dann begann sie unsicher:
„Du wirst mich gewiß auslachen, Tante Elise, aber eS bedrückt mich gar zu sehr; daß ich inmüten der Stadt, ohne Garten, Blumen und Bäume leben soll, und von einem Hühnerhof oder Taubenschlag ist selbstverständlich auch nicht die Rede."
Wirklich flog ein Lächeln über Frau Lindsay's Gesicht als sie entgegnete:
„Regina — Du scheinst zu vergessen, daß Du bald fünfzehn Jahre alt bist — Du kannst doch nicht immer mit einem Kaninchen auf dem Arm oder einer Taube auf der Schütter herumgehen!"
„Das ist'« ja eben," klagte Regina, „in New-Iork schickt sich das nicht mehr für mich und deshalb Haffe ich die Stadt."
Der Eintritt der Küstersfau, welche fest Hannah's Weggehen im Haushalt hülfreich« Hand geleistet hatte, machte der Unterhaltung ein Ende.
„Ich muß Dir noch etwas anvertraurn, Tante," sagte Regina flüsternd indem sie sich an Frau Lindsay schmiegte.
„Aus verschiedenen Umständen habe ich die Überzeugung gewonnen, daß der
wirkliche Name meiner Mutter nicht Orme lautet; einzelne Worte, die ich zufällig hie und da vernommen, belehren mich, daß meine Zukunft wie meine Vergangenheit im Dunkel liegen und dieser Gedanke hat mir manche trübe Stunde bereitet. Ich habe volles Vertrauen zu meiner Mutter, ich weiß, daß sie nur thut, was recht und gut ist und doch möchte ich Eines gern wissen."
Sage mir, Tante, ist der Vorname meiner Mutter Minnie?"
„Das weiß ich nicht, mein Liebling — mein theurer Bruder hat über diesen Punkt m,r gegenüber durchaus geschwiegen — jedenfalls war er zur Geheimhaltung dessen, was ihm anvertraut worden, verpflichtet. Er sprach von Deiner Mutter stets als Frau Orme."
„Sprach der Onkel jemals von dem Verlust eines wertvollen Dokuments, Tante?" frug Regina hastig.
„Ja — vor Jahren, lange ehe Du zu uns kamst, wurde meines Bruders Schreibtisch von unberufener Hand geöffnet und eine kleine Mappe mit Papieren entwendet", versetzte Frau Lindsay, Regina erstaunt anblickend.
„Fiel der Verdacht der Entwendung auf meine Mutter ?" fragte Regina atemlos.
„Aber, mein Liebling, wer konnte denn so gausam sein, Dir dies Alles mitzuteilen ?" fragte Frau Lindsay bekümmert.
„Das sollst Du später erfahren, Tante", rief Regina ungeduldig, „bitte beantworte meine Frage und glaube nicht, Du müßtest mich schonen. Die Wahrheit schmerzt ja mitunter, aber dennoch — habt Ihr — geglaubt — meine Mutter — sei — die Diebin gewesen?"
„Nein, Regina," sagte Frau Lindsay ernst; „ich selbst wußte nichts von den Dokumenten und mein treuer Bruder war viel zu milde in seinem Urteil, um eine» unbegründeten Verdacht zu hegen, geschweige denn zu äußern. Ich sah, daß das Thema ihm peinlich war und so vermied ich es, dasselbe zu berühren."
„Ach — flüsterte Regina ergriffen; „wenn ich ihm nur noch hätte sagen könne».
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