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Landung erfolgte auf der Filderebene, zwischen Vai­hingen und Möhringen.

Der MännergesangvereinArion" verließ heute morgen 9 Uhr mit Extrazug unsere Stadt.

Der Abschied, zu welchem sich die Vorstände und viele Mitglieder des Liederkranzes und Amerikaner-Clubs eingefunden, war überaus herzlich. Als sich der Zug in Bewegung setzte, ertönten schier endlose Hochrufe.

Stuttgart, 26. Juli. Der Zoologische Zirkus von Hagenbeck beginnt morgen seine Vor­stellungen in dem neuen Zirkusgebäude auf dem Marienplatz. Er war zuletzt in München, wo die Vorstellungen den lebhaftesten Zuspruch gefunden haben. Das Neue und Eigenartige der Vorstellungen besteht hauptsächlich darin, daß die verschiedenartigsten Raubtiere zusammen vorgeführt werden. Die Mög­lichkeit solcher Dressur wurde bisher vielfach angr- zweifelt, da man annahm, daß die Tiere sich gegen­seitig zerreißen würden. Hagenbeck hat es verstanden, das Gegenteil zu beweisen. Die Produktionen spielen sich mit einer staunenswerten Ruhe und Sicherheit ab. Auch nach Erledigung der Programmnummern bleiben sämtliche Raubtiere frei im Zwinger, ohne sich ein Leides zu thun.

Bebenhausen. Während der letzten Tage nahmen S. M. der König vormittags die regelmäßigen Meldungen entgegen, arbeiteten sodann mit dem Ver­treter des Cabinetschefs und fuhren gegen Abend öfters zur Jagd auf den Anstand. Gestern Abend haben S. M. die Mitglieder des Corps Suevia, zu welchem Allerhöchstdieselben von früher her in nahen Bezieh­ungen stehen, zu einer Abendunterhaltung einzuladen geruht, zu welcher auch S. H. Prinz Ernst zu Sachsen- Weimar und S. D. Prinz Max zu Schaumburg- Lippe hier eintrafen. Heute nach der Tafel brachte der Tübinger GesangvereinHarmonie", welcher die Erlaubnis hiezu eingeholt hatte, dem König eine Huldigung dar, wobei der Vorstand zunächst eine Ansprache hielt und sodann die Sänger auf der Ter­rasse vor dem Fürstenbau einige Lieder vortrugen, wofür S. M. denselben mit huldvollen Worten dankte.

Später empfingen S. M. mit I. Kgl. Hoh. Prin­zessin Pauline eine Abordnung der städtischen Töchter­schule in Tübingen, welche der Prinzessin eine hübsche Arbeit überreichte. Heute Vormittag traf der neuer­nannte Generaladjutant Generallieutenant Freiherr von Falkenstein hier ein, um sich bei Seiner Majestät zu melden und kehrte nach der Tafel über Tübingen nach Stuttgart zurück. Gleichzeitig reiste auch Prinz Ernst zu Sachsen-Weimar wieder von hier ab, um sich in seine Garnison Ulm zurück zu begeben.

Oberndorf. In Böchingen brannten Wohn- und Oekonomiegebäude des Bauern Wendelin Holzer sowie die beiden anstoßenden Wohnhäuser lind Scheuern des Taver Schwarz und des Felix Digiser bis auf den Grund nieder.

Großbottwar, 24. Juli. Diesen Abend siel ein fünfvierteljähriges Kind des Weing ärtners

ihr nicht mehr schaden und ich danke Gott dafür. Du verläfsest in kurzer Zeit das Pfarrhaus vermutlich werden wir einander nie wieder begegnen und so lange Du noch hier bist, werde ich schweigen wie'das Grab. Frau Lindsay soll niemals erfahren, was ich unabsichtlich erlauscht, und Doktor Hargrove nur, falls er glaubt, meine Mutter habe das Pap-er selbst geraubt; aber selbst dann teile ich ihm erst nach Deiner Abreise nut, wie alles zusammenhängt. Bist Du mit diesem Versprechen zufrieden, Hannah."

Hannah schluchzte bitterlich; sie schlang den Arm um das Kind und murmelte zerknirscht:

So viel Güte habe ich nicht verdient.'

Beruhige Dich, Hannah", sagte Regina liebreich;Gott hat Alles zum Besten gelenkt und"

Eine plötzliche Ohnmacht hinderte Regina am Weitersprechen; die blauen Augen schloffen sich und die zarte Gestalt wäre zu Boden gesunken, wenn nicht Hannah's kräftige Arme sie gehüsten hätten.

Regina umfassend, lob die Alte die regungslose Gestalt des Kindes gleich einer Feder empor und schritt mit ihr durch den Kirchhof und den Garten dem Hause zu. Im Garten kamen hastige Schritte hinter ihr her und eine gedämpfte Stimme flüsterte:

Tante Hannah was ist denn geschehen? Du siehst bleich und verstört aus und ha, ist die« Minnie's Tochter?"

Schweig', Peter und mache, daß Du fortkommst es ist Alles aus! Ich muß suchen, sie in« Hau» zu schaffen, ohne daß der Pfarrer es bemerkt geh' mir aus dem Wege, Peter."

Hannah's Mahnung hätte wohl kaum gefruchtet, wenn nicht in dem Augen­blicke, da die Alte die in den Garten führende Thür öffnete, Ajax mit wütendem Gebell aus dem Hause gestürzt wäre; Peter trat hastig den Rückzug an und Hannah schritt mit ihrer Bürde in» Haus.

Fabrikdirektor Walther sprach über die Elektrizitäts­werke der Argen. Die Maschinenfabrik von Escher, Wyß und Eie. Filiale des Züricher Hauses wurde besichtigt und hierauf ein Frühschoppen in der Räuberhöhle ein­genommen. Um 1 Uhr folgte das gemeinschaftliche Mittagsmahl im Gasthof zum Waldhorn wobei Prof. Bach auf die Stadt Ravensburg und auf die deutsche Industrie, Commerzienrat Spohn auf den württ. Jn- genieurverein, Herr Krauß auf die Damen toastete. Der Nachmittag war einer Besichtigung der Sterkel- 'schen Pinselfabrik, sowie des benachbarten Weingarten gewidmet. Gestern erfolgte eine Ausfahrt nach Bregenz.

Hamburg, 26. Juli. DieHamburger Nachrichten" nennen die vorgestrige Bismarck-Ovation in Kissingen einen gewaltigen Protest der süddeutschen Volksstämme gegen die Verunglimpfung des Altreichs­kanzlers.

Ueber den Tod der Berliner Lehrerin Fräulein Marie Lange in der Schweiz wird dem Berner Bund aus Rovio (Lugano) geschrieben:Der sonst so harmlose Monte Generoso hat am 22. d. zum ersten Male seit vielen Jahren ein Opfer ge­fordert. Eine Gesellschaft von 5 deutschen Damen in den mittleren Jahren unternahm an diesem Morgen bei bedecktem aber ruhigem Wetter eine Besteigung desselben von Lugano über Maroggia und Rovio (be­kanntlich ist das der lohnendste Weg für Fußgänger). Etwa Stunde oberhalb Rovio verließen die Damen den rechten Weg, kletterten einen für Einheimische wohl gangbaren, aber doch bedeutend schwierigen Pfad aufwärts, bis sie auf einer Grashalde etwa eine Stunde oberhalb Rovio auch diesen verloren. Sie kehrten deshalb um, in der Absicht, in Rovio sich ein wenig auszuruhen und den richtigen Weg zu erfragen. Beim Abstieg brach plötzlich eine der Damen (diejenige, die in der Mitte zwischen den andern ging) lautlos zusammen, kollerte einige Schritte über Halde und Ge­sträuch hinunter, ohne den mindesten Versuch zu machen, sich irgendwo an Sträuchern oder Grasbüscheln festzu­halten, und stürzte von da kopfüber eine vielleicht lO bis 15 Meter hohe Wand hinunter auf einen Felsen. Zwei der Damen kamen nun sofort ins Dorf hin­unter, um Hilfe zu holen. Unverzüglich eilte ich mit einigen Leuten, den nötigen Utensilien, Medikamenten, Seilen rc. zur bezeichnet«» Stelle. Nach etwa ein- stündigem Klettern und Suchen fanden wir die Abge­stürzte am Fuße des besagten Felsrandes mit einer klaffenden Wunde am Kopf, leblos, so daß uns nichts übrig blieb, als die nötigen Schritte zu thun, daß von Amtswegen die Feststellung des Thatbestandes und die Ueberführung der Leiche nach Rovio unge­ordnet würde. Die Verunglückte ist eine Lehrerin aus Berlin, Namens Marie Lange, eine beleibte Dame, die angesichts ihrer Körperfülle und ihres Alters (circa 50 Jahre) Anstrengungen, wie sie solche Kletterpartien erfordern, nicht gewachsen war. Da auch die medi­zinische Totenschau außer einigen nicht bedeutenden Wunden und Quetschungen am Kopf keine ernsten

X. Kapitel.

Die für Frau Lindsay's Abwesenheit vorgesehene Zeit verlängerte sich um zwei Tage, weil die Freundin in Boston, in deren Hause sie Aufenthalt genommen, plötzlich erkrankt war; nach 10 Tagen indes traf eine Depesche in der Pfarrei ein, welche die Ankunft der Hausfrau für den nächsten Vormittag in Aussicht stellte. Doktor Hargrove sowohl wie Regina sehnten sich lebhaft nach der Abwesenden; Regina'« Fuß war unter Hannah's sorgfältiger Pflege und Wartung so ziemlich ge­heilt und nur längere Wanderungen mußte Regina noch vermeiden.

Da Doktor Hargrove schon seit mehreren Jahren eine Abnahme seiner Seh­kraft verspürt hatte, ließ er sich gern von Regina vorlesen und auch an dem Tage, an welchem Frau Lindsay's Depesche eintraf, hatte Regina ihres Amtes als Vor­leserin während mehrerer Stunden gewaltet. Nach Tisch, als der Pfarrer malt und bleich in seinem Sessel saß, kam ein Bote, der ihn zu einem Schwerkranken rief und trotz Reginas Bitten, den Gang auf den Abend zu verschieben, machte er sich sofort auf den Weg.

Der glühend heiße Tag neigte sich seinem Ende zu, al« der Pfarrer langsamen Schrittes heimkehrte. Regina eilte ihm entgegen, nahm ihm Hut und Stock ab und sagte besorgt:

Onkel, Du siehst völlig erschöpft aus, weshalb bist Du denn so lange fort­geblieben ?"

Ich bin schon ziemlich zeüig aufgebrochen", versetzte der Pfarrer,aber unterwegs bekam ich einen Schwindelanfall und so setzte ich mich auf einen Wegrain und ruhte ein Stündchen."

Soll ich nicht den Doktor mfen lassen?" fragte Regina ängstlich.

Behüte, die Anfälle sind gar nicht gefährlich, Kleine. Du weißt ja, daß ich fest Jahren daran leide."

Peter im Hause seines Schwagers zum Fenster zwei Stock hoch herab auf das Pflaster. Dasselbe hatte am Hinter- und Vorderkopf solch schwere Verletzungen, daß nach Aussprache von zwei herbeigerufenen Aerzten das Kind die Nacht nicht überleben wird. Die be­klagenswerten Eltern sind um so mehr zu bedauern, als ihnen von mehreren Kindern nur dieses einzige am Leben verblieben war.

Heilbronn, 22. Juli. In der gestrigen Gemeinderatssitzung ergriff vor Eintritt in die Tages­ordnung der Vorsitzende GR. Kieß das Wort mit Bezug auf die von Oberamtmann Dr. Gugel in letzter Sitzung des Gemeinderats gemachte Mitteilung. Der Oberamtmann habe ausdrücklich betont, daß seine Mitteilung als streng vertraulich zu betrachten sei und deshalb die Gemeinderatsmitglieder gebeten, die­selbe in diskretester Weise zu behandeln. Trotzdem sei am 17. Juli in derHeilbr. Ztg." der wesentliche Inhalt der oberamtlichen Verfügung abgedruckt ge­wesen. Dadurch könne der Gemeinderat gegenüber der Regierungsbehörde in ein sehr ungünstiges Licht kommen, und es sei nicht ausgeschlossen, daß Mit­teilungen der Regierung, die von großer Bedeutung für das Wohl und Wehe der Stadt sein könnten, in Zukunft unterbleiben, wenn solche Indiskretionen Vorkommen. Als Vorsitzender halte er es für seine Pflicht, das Kollegium auf diesen Fall besonders auf­merksam zu machen. Er fordere diejenigen Herren, welche sich weder durch Mitteilung an eine Zeitung noch an andere Personen beschwert fühlen, auf, sich von den Sitzen zu erheben. Sämtliche Mitglieder erheben sich. Die Sache führte noch zu einem längeren Wortwechsel zwischen den Gemeinderatsmit­gliedern; a. a. bemerkte GR. Rosengart: Man mache seit einer ganzen Reihe von Jahren die Erfahrung, daß Dinge, die bestimmt seien, diskret behandelt zu werden, allgemein bekannt werden. Es könne hiebei wohl direkt und bewußt Verrat mitspielen, aber in weitaus den meisten Fällen scheine ihm die Sache in das Publikum übergesickert zu sein durch vertrauliche Mitteilung an einen guten Freund oder an die Frau. GR. Kieß erwidert, im vorliegenden Fall könne, der ganzen Schreibweise nach, den Artikel nur ein solcher geliefert haben, der entweder Kenntnis von dem Aktenstück selbst gehabt oder hier nachgeschrieben habe; die Herren werden sich ihres Eides wohl be­wußt gewesen sein als sie alle einmütig aufstanden. GR. Dittmar gab dem Bedauern Ausdruck, daß diese Sache öffentlich verhandelt worden, wogegen GR. Hauck der Ansicht ist, daß die öffentliche Behandlung notwendig war, um auszudrücken, wie leid es den Mitgliedern des Kollegiums thue, daß Indiskretionen begangen wurden. Der Gegenstand wird verlassen.

Staatsanz.

Ravensburg. Samstag tagte hier der württembergische Jngenieurverein. Die geschäftlichen Verhandlungen nahmen morgens um '/-9 Uhr nach Begrüßung durch Schultheiß Springer ihren Anfang.

(Korts^m, f.lgt.)