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Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
67. Iahrgav-.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und Samstag. Die Etnrückungigebühr tetrLgt im Bezirk und nichster Umgebung » Psg. die Zeile, sonst l2 Psg.
Donnerstag, den 28. Juli 1892.
Ldonnenientspret» »terteljiihrltch in der Stadt ss Psg. «nd g» Psa. Tri,erlahn, durch die Post bezogen Mk> l. lb, sonst in ganz Württemberg MI. 1. »b.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw, 27. Juli. Edison's Phonograph mit seinen neuesten Verbesserungen wurde uns gestern Abend durch Hrn. Erd hold in der Turnhalle vorgeführt. Der Vortragende erklärte zunächst die Konstruktion des Apparats, welche wir in kurzer Fassung bereits mitgeteilt haben, worauf eine Aufnahme durch Hrn. Erdhold selbst erfolgte, welcher vermittelst eines Schallschlauchs dem Phonographen die Worte zur Fixierung übergab: „Guten Abend meine Damen und Herrn! Kennen Sie mich? Nein? Hahaha! Ich Lin Edison's Phonograph, Ja, ja, durch diese hohle Gasse muß er kommen." Nun folgte die Melodie von „So leben wir" (gepfiffen), ein kurzes Räuspern, Adieu meine Herrschaften, adieu, adieu, adieu!" Die Reproduktionsmembrane wurde aufgelegt und der elektr. Motor setzte die Metallwalze in Rotation, worauf die Worte durch ein großes, dem Apparat angeschloffenes Schallrohr klar und deutlich, namentlich aber die in hoher Tonlage gesprochenen und besonders die gepfiffene Melodie zur Wiedergabe gelangten. Ebenso deutlich wurde ein Pistonsolo, welches dem Phonographen durch das Schallrohr übermittelt wurde, wiedergegeben, während einige von einem Herrn durch den Schallschlauch gesprochene Worte wohl leicht verständlich waren, jedoch den Sprecher kaum erkennen ließen. Hr. Erdhold griff nun in seinen Vorrat von Gesangsvorträgen, Trompetensoli rc. Er entnahm einem Etui einen Hohlzilinder nach dem andern und steckte dieselben auf die Metallwalze, welche sofort das Lied „Nur am Rhein da möcht' ich leben" und einige Jodler zur Wiedergabe gelangen ließen, ferner einen Bauernpolka durch eine Jahrmarktkapelle, untermischt mit Händegeklatsch und Jauchzer, und vieles
andere. Ganz besonders deutlich und schön zu vernehmen war der Parademarsch durch die Kapelle eines Infanterie-Regiments. Es folgten nun die Versuche telephonischer Uebertragung von vokalen und instrumentalen Musikpiecen. Hiezu war von der Turnhalle eine Drahtleitung zum Saale des bad. Hofs gezogen und dort ein Schallleiter von weitem Umfang angeschlossen. Ein daselbst zum Vortrag gebrachtes Lied von einigen Sängern war aus einem einfachen Schalltrichter sehr deutlich, ja fast die einzelnen Stimmen hörbar, noch besser aber war ein Solo und der Vortrag auf dem Klavier zu vernehmen; man glaubte, das Instrument stehe außerhalb der Turnhalle dicht am Fenster. — Fragt man sich nun, zu was kann uns der Phonograph in seiner jetzigen Vervollkommnung dienen, so ist wohl darauf zu antworten: „Er wird so manches Rätsel in der noch immer sehr dunklen Lehre vom Schall mit lösen helfen, er wird in der Medicin zur Prüfung der Lunge — Geräusche der Ein- und Ausathmung — beitragen. Die Reden großer Männer, von Gelehrten, haben wir nicht erst stenographisch, sondern können dieselben gleich wiedervernehmen. Die Compositionen berühmter Musiker können statt durch Noten, im Original aufbewahrt werden. Im Besitze eines Phonographen können wir die Stimmen ferner Verwandten und Freunde wieder vernehmen und von längst Verstorbenen uns in die Erinnerung rufen. Wie lange wird es noch dauern und wir haben statt des Pianinos oder der Spieldose einen Phonographen im Zimmer, für welchen wir nur die in jeder Musikalienhandlung käuflichen Hohlzilinder mit Musikstücken, von einem ganzen Orchester vorgetragen, zu kaufen brauchen, und vielleicht einige Jahrzehnte später hören wir am Sonntagmorgen den Choral vom Turme herab durch den
Phonographen? — So mechanisch wollen wir aber doch nicht werden.
— In der am Montag stattgehabten General- versamlung der Bezirkskrankenkasse wurde wiederholt beschlossen die Stadt und Bezirk zu trennen und wird der Beschluß nun nochmals der Kreisregierung zur Genehmigung vorliegen.
— (Pferdemusterung.) Von den im Juni 1884 zur Musterung gebrachten 784 Pferden, sind 112 als brauchbar befunden worden und von den Heuer vorgeführten 720 Pferden 291.
Nagold, 25. Juli. Unter Führung von Prof. Wetze! haben heute die Seminaristen einen dreitägigen Ausflug nach dem Niederwald-Denkmal angetreten. — Bei schönster Witterung wurde gestern am Jakobsbrunnen das übliche Waldfest gefeiert. In der Nähe dieses Brunnens wird in den nächsten Tagen die Frölich'sche Wasserheilanstalt (nach Kneipp) eröffnet. N. Tagbl.
Stuttgart. Das Samstag früh in einer Wirtschaft der Wagnerstr. durch Revolverschüffe seitens ihres früheren Verlobten schwer verletzte Mädchen lebt noch und, wenn der Zustand auch ein sehr bedenklicher ist, soll doch einige Hoffnung, sie am Leben zu erhalten, vorhanden sein.
— In Nills Tiergarten sammelte sich gestem eine ungeheure Menschenmenge, um dem Aufstieg eines Luftballons beizuwohnen. Derselbe war mit 500 Cubikmeter Gas gefüllt. Beim Aufsteigen stand Capitain der Luftschifffahrt Herzog auf einem Brettchen, worauf er mit den Zähnen ein Tau ergriff und anscheinend frei zwischen Himmel und Erde schwebte. Die Richtung des Ballons war eine südwestliche; die
^ Nachdruck »erbaten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
„Alle guten Geister," stammelte Hannah entsetzt, den Spaten wie zur Abmehr gegen Regina erhebend.
Diese Bewegung verwandelte das Mitleid des Kindes in Zorn; „Du solltest Dich schämen, Hannah," schalt sie, „nieder mit dem Spaten!"
Willenlos ließ die Alte das Werkzeug sinken und dann flüsterte sie: „Ach Gott, bist Du's» Regina? Ich glaubte, es sei ein Geist!"
„Deine Mifsethat macht Dich furchtsam, Hannah," sagte Regina, die Alte scharf anblickend.
„Ach ja — Du sprichst wahr," nickte Hannah traurig; „ein Strohhalm jagt mir jetzt Furcht ein, während ich früher mutig genug war. Aber wie kommst Du hierher mit Deinem verletzten Fuß« und weshalb spionierst Du überhaupt?" schloß sie finster, indem sie Regina an der Schulter packte und derb schüttelte.
„Laß mich los," gebot Regina hastig, aber die Alte achtete nicht auf ihre Worte, sondern fuhr keifend fort:
„Ich hab's satt, mich von Dir bewachen zu lassen — was kümmert« Dich, was ich hier zu schaffen habe?"
„Ich will Dir sagen, weßhalb Du hierhergekommen bist", entgegnete Regina furchtlos; „Du hast Deine Seele dem Bösen überantwortet und schlichest Dich hierher, Deinen Sündenlohn zu erheben."
Aschfahl im Gesicht starrte Hannah auf das Kind, während sie giftig sagte: „Aha — Du hast in der Kirche gesessen, zu horchen! Schade , daß der Kirchturm Dich nicht begraben hat, aber nur Geduw — ich werde schon mit Dir fertig werden!"
„Ich habe Euch freilich belauscht, aber nicht absichtlich. Ich saß unter dem Fenster in der Kirche und ward so Zeuge Eures Gesprächs —"
„Also wirklich," unterbrach die Alte sie stöhnend.
„Hannah," sagte Regina halb mitleidig, „hast Du Ursache, meine Mutter zu hassen, — hat sie Dir jemals etwas zu Leide gethan?"
„Sie hat mich verleitet, einen Diebstahl zu begehen," versetzte Hannah verstockt; „nein, nicht in der Art, wre Du denkst," fuhr sie fort, als Regina sie ungläubig anstarrte; .aber als sie an einem stürmischen Winterabend ins Pfarrhaus kam, Hütte ich sie den Pfarrer anflehen, ihr das Papier, welches von unschätzbarem Wette sei, zu geben; Doktor Hargrove weigerte sich und gab ihr nur eine Abschrift, und da versuchte mich der böse Feind und ich stahl das Papier, um es dem alten General drüben in Europa zu verkaufen, weil ich arm war und mir für meine alten Tage einen Notpfennig sichern wollte! Ich habe seitdem keine ruhige Stunde mehr gehabt — mein Gewissen quälte mich Tag und Nacht."
„Gott hat's gut mit Dir gemeint. Hannah", sagte Regina sanft; „er sandte seinen Blitz, um Deine Sünde zu verhüten und Du solltest ihm von Herzen dankbar sein."
„Du hast gut reden", grollte Hannah, „wenn ich wirklich bereuen wollte, würde mir kein Mensch glauben und auch Gott verzeiht mir gewiß nicht."
„Wie thöricht redest Du doch, Hannah", sagt« Regina tröstend; „ich hege keinen Groll gegen Dich und Gott ist noch viel barmherziger als die Menschen!"
Ungläubig blickt« Hannah das Kind an.
„Willst Du damit sagen, daß Du je wieder Vertrauen zu mir haben könntest?" fragte sie unsicher.
„Ja, Hannah — ich weiß, daß Du nie wieder lügen noch stehlen wirst — Gott war gnädig genug, Deine Sünde von Dir zu nehmen, und es hieße, chm schlecht danken, wenn Du rin zweites Mal sündige» wolltest. Der alte General, dem Du da» Dokument verkaufen wolltest, ist meiner Mutter Feind; jetzt kann er