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recht nette, brave Kerle. Der Präsident forderte die Amerikaner auf, seine Worte zu bekräftigen mit dem Wahlspruch des Arion:Ein starker Hort dem deut­schen Lied und deutschen Wort!" den die Sänger begeistert anstimmten.

Obertürkheim, 22. Juli. An der Kam­mer; des Albert Ruoff zum Anker sind gefärbte Tauben anzutreffen.

Obersontheim, 20. Juli. In der Nacht vom Montag auf Dienstag wurde in der hiesigen Apotheke ein frecher Einbruch verübt. Nachdem der Thäter, welcher mit den Lokalitäten wohl vertraut sein muß, eine Fensterscheibe eingedrückt hatte, öffnete er den Fensterflügel und nahm durch diesen seinen Eingang in den Spezereiladen. Im anstoßenden Musikzimmer zündete er eine am Pianino steckende Kerze an, begab sich durch die unverschlossene Thüre und die Küche und durch den Hausöhrn in die Apotheke, wo er die tags zuvor glücklicherweise geleerte Kasse gewaltsam erbrach und sie ihres Inhalts, der aber nicht bedeutend gewesen sein mag, bei Heller und Pfennig beraubte. Durch ein Fenster der Apotheke hat er wahrscheinlich seinen Ausgang genommen. Die Hausbewohner, welche einen Stock höher schliefen, ahnten nichts von dem Vorgang und überzeugten sich erst am frühen Morgen, welch unheimlicher Besuch sich in der Nacht in ihrer Behausung aufgehalten hatte. Als Andenken hatte derselbe ein altes Messer zurückgelassen. In derselben Nacht wurde bei einem Konditor, dessen Laden an der gleichen Straße liegt wie die Apotheke, ein Einbruch versucht. Durch ein auffallendes Geklirr wurde ein gegenüberwohnender Bäcker veranlaßt, zum Fenster hinauszuschauen, wo­rauf der hiedurch in seinem Handwerk Gestörte eilends Reißaus nahm, auch hier ein altes, schartenreiches Messer zurücklassend. Gestern Nachmittag war der Staatsanwalt und Untersuchungsrichter hier in Tätig­keit. Bis jetzt hat man leider noch keine sichere Spur von dem Thäter.

New-Iorker Arion. Ueber die Festlich­keiten, welche dem Arion in München bereitet wurden, wird demN. Tgbl." gemeldet: Ebenso herzlich und animiert wie der gestrige Empfangsabend zu Ehren des New-Dorker deutschen Gesangvereins Arion gestaltete sich das von den vereinigten Gesang­vereinen München veranstaltete Sängerfest im Bürger­lichen Bräuhause. Nach den Begrüßungen der Ver­treter der Stadt und der Vereine sprach Präsident Katzenmayer vom Arion den mit Enthusiasmus aufgenommenen Dank der Amerikaner aus, worin er der friedlichen Mission der Deutschamerikaner gedachte und mit einer Verherrlichung des Fürsten Bismarck schloß. Ein Begrüßungstelegramm des Vorstands des Stuttgarter Liederkranzes Oberpostmeister Steidle, traf während des Festzuges ein. Die vollendet vorgetragenen Lieder der Sänger vom Arion erzielten stürmischen Beifall.

Die projektierte Distanz-Wettfahrt München- Coburg arrangiert seitens der Münchener allgemeinen

Radfahrerunion, wird am 28. ds. stattfinden. Die Distanz ist 290 Kilometer, alle 50 Kilometer sind Eontrollstationen und werden 6 Erfrischungsstationen bewilligt. Die Abfahrt soll früh 2 Uhr bei dem RestaurantHoftheater" in München geschehen; man glaubt, daß die Ankunft um 3 Uhr nachmittags in Coburg erfolgen dürfte.

U.U. Kiss in gen, 24. Juli. Eine großartige Huldigung, welche sich zu einer Kundgebung sonder­gleichen gestaltete, wurde am heutigen Sonntage dem gegenwärtig zur Kur hier weilenden Altreichskanzler Fürsten Bismarck dargebracht. Aus Baden, der Pfalz, Hessen, Frankfurt und Thüringen hatten sich mehr als 5000 Personen, darunter eine stattliche An­zahl von Damen, in unsere Bäderstadt eingefunden, um dem genialen Gründer des deutschen Reichs den schuldigen Tribut der Ehrfurcht und der Dankbarkeit zu zollen und damit zugleich den Beweis zu liefern, daß das Volk nimmermehr des Mannes vergessen kann, durch dessen so beispiellos erfolgreiches Wirken es erst zu einem großen und mächtigen Glieds in der europäischen Staatenfamilie geworden ist. Nachdem die verschiedenen Extrazüge sämtlich mit Fahnen und Kränzen geschmückt, hier eingetroffen waren, setzte sich um 2 Uhr nachmittags der imposante Zug unter Vor­antritt einer Musikkapelle von der Saalebrücke aus in Bewegung nach der oberen Saline, der Wohnung des Fürsten Bismarck. Letzterer saß am Mittelfenster des ersten Stockwerks als der Zug vorüberging. Der gewaltige, jeder Beschreibung spottende, immer und immer wieder ertönende Jubel der Tausende die unten vorbeizogen, schien ihn mächtig erregt zu haben, denn mit bebenden Händen hielt er die Lorgnette vor die thränenüberströmten Augen für die Huldigungen mit stetigem Neigen des Hauptes dankend. An den übrigen Fenstern befanden sich die Mitglieder der fürstlichen Familie. Die Fürstin, wie Graf Herbert Bismarck nebst seiner jugendlichen Gemahlin; auch Professor Schwenninger war gegenwärtig. Nachdem der Huldiaungszug der um die Saline herumschwenkte, in dem geräumigen Garten Aufstellung genommen hatte, erschien der Fürst von seinem Sohne Herbert und seinem Leibarzte begleitet unten im Garten um auf einem mit Lorbeer geschmückten, erhöhtem Sitze Platz zu nehmen. Der Jubel, mit welchem das Er­scheinen des Fürsten begrüßt wurde, wollte kein Ende nehmen und erst allmählich trat die Ruhe ein, welche nötig war, damit die programmmäßig vorgesehenen Begrüßungsreden gehalten werden konnten. Ansprachen wurden gehalten im Namen der Badenser, der Pfälzer, der Hessen, sowie der Frankfurter, die sämtlich mit einem Hoch auf den Fürsten schloßen und jedesmal einen wahren Begeisterungssturm erzeugten. Dies gilt namentlich von der Rede des badischen Vertreters, Herrn Eckhard aus Mannheim, der unter krönen­dem Beifall ausführte, daß man in Süddeutschland kein Verständnis für das habe, was im Jahre 1890 geschehen sei. Fürst Bismarck, dessen Mienenspiel deutlich seine seelische Erregung bekundete, dankte in längerer Rede in der ihm eigenen liebenswürdigen Weise, indem er bescheiden die Huldigungen als nicht

seiner Person, sondern seiner Sache geltend bezeichnet«. Er gab einen hochinteressanten Rückblick auf die Ge­schichte der Vergangenheit und knüpfte hieran die Mahnung zu treuem Festhalten an dem Errungenen. Er schloß mit einem Hoch aufKaiser und Reich". Wie seine ganze Erscheinung, so zeugte auch seine Rede von Kraft und Frische und bildete einen sonder­baren Kontrast zu den Behauptungen derjenigen, welche in Bismarck einen an Leib und Seele ge­brochenen Greis erblicken wollen. Nach seiner Rede machte Fürst Bismarck einen Rundgang unter den Anwesenden, auf Schritt und Tritt von brausendem Jubel umtönt und von begeisterten Schaaren um­drängt. Mit einem Hoch auf die fürstliche Familie, welches Herbert zum Dank dafür, daß man auch um mit seinen eigenen Worten zu reden seine bessere Hälfte" habe leben lassen, mit einem solchen auf die deutschen Frauen erwiederte, schloß die denkwürdige Kundgebung, welche allen Teilnehmern eine Erinnerung für das ganze Leben sein dürfte. Als der Zug abmarschierte, saß der gefeierte Staats­mann wieder an dem bereits erwähnten Fenster und nochmals wiederholten sich die großartigen, stürmischen Huldigungsszenen, begleitet von den tausendfachen Rufen:Wir bleiben dir treu!"Wiedersehen!" Wiederkommen u. s. w. Der Fürst dankte init Er­heben, Winken und Kußhänden, auch trank er auf das Wohl der jubelnden Menschenmenge. Um 5 Uhr erfolgte die Verabschiedung und kurz darauf brachten die Extrazüge die patriotischen Männer in die Heimat zurück. Was den Gesamteindruck der Huldigung anbelangt, so mag hier nur erwähnt fein, daß Fürst Bismarck selbst sagt, er sei der Ansicht, daß wohl kaum einer derlebenden Minister" auf diese Weise geehrt worden sei.

DieNeue fr. Presse" meldet aus Brüx, daß 3 in der Emeran-Zeche verschüttete Arbeiter noch lebend herausbefördert wurden, nachdem sie siebenzehn Tage ohne Nahrung geblieben waren.

Aus Nancy wird wieder ein Grenzzwischen­fall gemeldet. Hienach hätten 30 deutsche Soldaten die Grenze überschritten, später sogar eine ganze Es­kadron Kavallerie. Eine Bestätigung liegt bis jetzt nicht vor.

In Ober-Italien sind infolge Hagel­schadens Felder im Umkreis von 30 Kilometer schwer geschädigt worden. Bei Montebello fielen faustgroße Schloßen.

Catania, 23. Juli. Der König spendete für die durch den Aetna-Ausbruch Geschädigten 20,000 Lire. Die Eruption hält in verminderter Heftigkeit an.

Haag, 23. Juli. Offiziell wird gemeldet: Der Ausbruch des Vulkanes zerstörte den nordwest­lichen Teil der großen Sanguirinsel vollständig. Zwei­tausend Eingeborene, jedoch keine Europäer, sind tot. Die Südosthälfte der Insel ist nicht untergegangen, nur die Gebäude und die Ernte sind zerstört.

Die Choleraerkrankungen in Astrachan, Kasan, Woronesch, Samara rc. dauern in gleicher Zahl fort.

auf demselben, anstatt auf der Erde zu schlafen. Der alte Pfarrer hatte verschie­dene Wege zu machen gehabt und war erst sehr spät nach Hause gekommen. Als er Regina gute Nacht wünschte, bat sie ihn, ihr sein spanisches Rohr zu leihen, da­mit sie im Notfälle mit demselben auf den Boden klopfen könne, um Hannah, die sehr fest schlief, zu wecken; lächelnd stellte der Pfarrer den Stock neben Negina's Lager und begab sich dann in sein Schlafzimmer. Zu Bette legte er sich freilich noch nicht; Regina hörte ihn noch lange um Mitternacht auf- und «bgehen und sie wußte, was ihm den Schlaf raubte es war die Trennung von Percy, die auch sie so schwer empfand.

Die Schmerzen im Fuße ließen Regina nicht schlafen und während sie sehn­süchtig auf das Anbrechen des Tages wartete, machte sie die Entdeckung, daß auch Hannah nicht schlief, obgleich sie sich mäuschenstill verhielt. Endlich schlug es 4 Uhr und gleich darnach erhob sich Hannah vorsichtig und leise von dem Sopha, auf welchem sie geruht, löschte behutsam die Lampe und kleidete sich an. wie Regina aus ihren Bewegungen schloß. Sodann verließ die Alte leise das Zimmer und bald hörte Regina den Riegel von der Hausthür schieben und die letztere öffnen.

Regina hatte sich Hannah's Ruhelosigkeit wohl zu erklären vermocht; offenbar stand die Alte im Begriff, das wichtige Dokument, welches deralte General" mit Gold aufwicgen sollte, seinem Versteck zu entnehmen, und plötzlich kam es wie eine Eingebung über Regina üe wollte und mußte die Natur dieses seltsamen Ge­heimnisses zu ergründen suchen.

Regina stand auf, was bei ihrem verletzten Fuße ziemlich schmerzhaft war, warf ihre Kleider über, löste den Verband von dem Fuße und zwängte das ge­schwollene Glied nicht ohne Mühe in den Schuh. Hierauf ergriff sie das spanische Rohr und sich auf dasselbe stützend, humpelt« sie zur Hausthür und von da die Stiege ^mab in den Garten. Auf der untersten Stufe ruhte sie einen Augenblick und dann

schritt sie langsam durch die kiesbestreuten Gartenpfade, auf welche der Mond sein bleiches Licht warf und hatte bald den Kirchhof erreicht. Umherspähend hatte sie bald Hannah entdeckt, welche einen Spaten trug und suchend zwischen den einge­sunkenen Gräbern hin- und herschritt. Sie wendete Regina den'Rücken zu und so konnte da» Kind sich unbemerkt in ihre Nähe schleichen plötzlich aber stieß Hannah einen lauten Schrei aus und sank in die Knie.

Allmächtiger Gott." hörte Regina sie tief ächzen,Du hast die Sünde ge­straft die Pappel ist verschwunden!" Hinter einem alten Grabstein hervorlugend, folgten Regina's Augen der entsetzt ausgestrcckten Hand der Alten ja, es war, wie sie gesagt ein Blitzschlag mußte den alten Baum getroffen und in Brand ge­setzt haben, denn an der Stelle, wo er gestanden, ragte nur noch ein kaum fußhocher verkohlter Stumpf empor. Wie verzweifelt starrte Hannah auf die Stelle; endlich raffte sie sich auf, hob den Spaten und begann zu graben und zu schaufeln. Nach einer Weile stieß der Spaten auf einen harten Gegenstand Hannah bückte sich hastig und hob einen formlosen kleinen Metallklumpen empor. Trostlos blickte sie auf denselben und dann rang es sich jammernd von ihren Lippen:

Zerstört vernichtet der Preis, um welchen ich zur Diebin ward, ist mir entgangen meine Sünde ist bestraft worden, wie ich's verdient."

Ein Bild der Verzweiflung kauerte die Alte am Boden; Regina betrachtete sie mitleidig und endlich humpelte sie über das feuchte Gras und sagte sanft und leiser

Hannah was fehlt Dir den» ?"

Mit einem Schrei fuhr Hannah empor und starrte aus Regina, die sie wohl für eine Geisterscheinung halten mochte, denn da» Kind sah einer solchen nicht un­ähnlich. Das gelöste schwarze Haar hing verwirrt um das bleiche, schmerzverzogene Gesicht und die tiefen Schatten unter den Augen gaben Regina etwa» Uebernatürliches-

(Fortsetzung folgt.)