87.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
67. Jahrgang
Erscheint Dien »tag, Donnerstag und SamStag. Die EtnrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 18 Pfg.
Dienstag, den 26. Juli 1892.
LbennementSpreil vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und ... 1. 1v, sonst i»
80 Pfg. Lrägsrlohn, durch die Post bezogen Mk« ganz WÜtttemt-erg Mk. 1. SV.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw, 25. Juli. Morgen Dienstag, 8 Uhr abends, werden die HH. Erd hold und Schaffer in der Turnhalle hier ihren verbesserten Phonographen vorführen. (S. die Ankündigung im heutigen Blatt.) Der Edison-Phonograph, welcher bisher die phonographischen Reproduktionen durch einzelne Schläuche zum Ohr des einzelnen Hörers vermittelte, ist durch die Erfindung der genannten Herren zu einem Apparat umgeschaffen, der nun die ihm zur Reproduktion übergebenen Töne vor einer zahlreichen Gesellschaft (4—5000 Personen) klar und deutlich zum Ausdruck bringt. Der Apparat ist wie folgt zusammengesetzt. Eine konisch geformte Messingwalze wird durch einen Elektromotor kleinster Art — Tauchbatterie — 2 Chromsäure-Elements ^ etwa 3 Volt Stärke — in Bewegung gesetzt. Ueber diese Messingwalze können Hohlwalzen mit einer eigenartigen, ziemlich harten Wachs-, Parafin- und Asphalt-Mischung bezogen, leicht aufgestreift werden. Eine Schallkapsel, bestehend aus einem Nickelring in Größe eines Zweimarkstückes, welcher ein nur 0,15 mm starkes Glas- Compositionsplättchen (die Membrane) umschließt, gleitet von einem Ende der Walze zum andern. Unterhalb dieses Glasplättchens befindet sich ein scharf geschliffenes, leicht bewegliches Stiftchen von sehr hartem Edelstein, welches die durch die Schallwellen vermittelst des Glasplättchens empfangenen Schwingungen in die Wachs-Metall-Walze graviert. Wenn nun der Apparat die phonographischen Aufnahmen zurückzugeben hat, tritt an die Stelle des scharf geschliffenen Edelsteinstiftchens ein stumpfes abgerundetes, welches in den von elfterem erzeugten Zeichnungen fortgleitet. Die Glasmembrane gibt dann die Töne zurück, welche durch mannigfach geformte Schalltrichter verstärkt werden. — Wir könnten hier eine Reihe von Preß- stimmen über die Vorführungen dieses gegenüber der
älteren Konstruktion erheblich größeren Leistungsfähigkeit besitzenden Apparats anführen, sofern es uns nicht am Raume mangelte. Der Erfolg soll überall selbst die hochgespanntesten Erwartungen übertroffen haben.
— Das Ergebnis der am Donnerstag und Freitag stattgehabten Pferdemu st erung vermögen wir erst in nächster Nummer mitzuteilen.
Deckenpfronn, 23. Juli. Gestern fiel beim Ziegelbieten ein lOjähriger Knabe so unglücklich von der Leiter, daß er vom Platz getragen werden mußte, doch scheint derselbe glücklicherweise keine innerlichen Verletzungen davongetragen zu haben.
Stuttgart, 22. Juli. Dieser Tage ist aus den Werkstätten der Maschinenfabrik von G. Kuhn in Stuttgart-Berg die 2000ste Dampfmaschine hervorgegangen, der in aller Kürze der 2000ste Dampfkessel folgen wird. Der Inhaber der Firma, Herr Ernst Kuhn, hat zur Feier dieses Ereignisses und in dankbarer Erinnerung an den Begründer der Werkstätten, den si Kommerzienrat Gotthilf Kuhn, den Beamten und Arbeitern nach Maßgabe der Dienstjahre ein namhaftes Geldgeschenk überreichen lassen. — Das Geschäft wurde bekanntlich 1852 gegründet und hat sich von den bescheidensten Anfängen zu einer Bedeutung entwickelt, daß es heute eines Weltrufes genießt. Namentlich im Dampfmaschinen- und Dampfkesselbau werden die aus den Kuhn'schen Werkstätten hervorgegangenen Maschinen zu den besten gezählt, welche die deutsche Maschinenindustrie herstellt. — Die oben genannte Jubiläums-Dampfmaschine ist für die Fabrik Raitelhuber, Bezner und Co. in Gemmrig- heim bestimmt. Staatsanz.
Stuttgart, 23. Juli. Heute früh hat ein Mann in der Wagnerstraße auf ein Mädchen, mit dem er früher verlobt gewesen, das die Verlobung aber vor ca. 6 Wochen rückgängig gemacht hatte, drei
Schüsse und dann einen Schuß auf sich selbst abgefeuert. Beide wurden schwer verletzt. Der Mann ist im Katharinenhospital gestorben.
Stuttgart, 23. Juli. Heute ist auf dem reich mit Flaggen geschmückten Bahnhof der Newyorker Männer-Gesangverein „Arion" eingetroffen, empfangen von einem nach Tausenden zählenden Publikum, von dem Liederkranz mit der Vereinsfahne und dem Amerikanerklub, sowie von Deputationen der übrigen hies. Gesangvereine. Als der Sonderzug in Sicht war spielte die Prem'sche Kapelle einen amerik. Liedermarsch. Nachdem die Gäste den Wagen entstiegen waren, begrüßte sie Kfm. Otto Mayer in Abwesenheit des O.-P.-M. Steidle in herzlichen Worten, ebenso der Konsul der Ver. Staaten, Hr. L.Gottschalk zugleich im Namen des Amerikanerklubs. Hierauf erwiderte der Präsident des Arion Hr. Richard Katzenmayer etwa Folgendes: Als wir vor etwa 3 Wochen den deutschen Boden in Hamburg betraten, da wußten und fühlten wir wohl, daß der Arion in Deutschland herzlich willkommen sein werde. Daß wir aber überall eine sich immer mehr steigernde warme, innige und brüderliche Aufnahme finden, darauf waren wir nicht vorbereitet. Wir wissen diese Aufnahme wohl zu schätzen und erlauben uns, unserem tiefen, herzlichen Dank Ausdruck zu verleihen. Wir werden das deutsche Wort und das deutsche Lied immerfort hegen und pflegen. Wir sagen Ihnen auch Dank dafür, daß Sie mitgewirkt haben, Deutschland zu solcher Macht und Größe zu verhelfen, wie es heute dasteht, einig im Innern und hochgeachtet im Ausland, so daß auch uns im Ausland lebenden Deutschen, diese Machtstellung zu gute kommt. Die herzliche Aufnahme, die wir hier gefunden, wird unvergeßlich in uns fortleben. Wir sind überzeugt, daß wir hier recht angenehme und schöne Stunden verleben. Sie sollen auch von uns beim Abschied sagen, es waren doch
» 6 14 4 1515 6 1 O 14 . Nachdruck verboten.
Dolorosa.
Roman von A. Wilson. Deutsch von A. Geisel.
(Fortsetzung.)
Dagegen ließ sich Nichts sagen und bald war die Stunde der Abreise herangekommen. Regina weinte bitterlich, als Percy Lindsay sich über sie beugte und «inen Kuß auf ihre Stirn drückte; „wenn ich nur begreifen könnte", schluchzte sie, „weßhalb Du durchaus zu den Heiden gehen mußt? Eines schönen Tages werden sie Dich braten und auffrefsen — Du wärest nicht der erste Missionar, der auf diese Weise endete."
„Beruhige Dich, Regina," sagte der junge Geistliche sanft, „hier wie in Indien bin ich in Gottes Hand und wenn es sein Wille ist, kehre ich heil und gesund hieher zurück. Vergiß mich inzwischen nicht Regina —"
„Wo denkst Du hin?" fiel das Mädchen ihm ins Wort; „ich werde stets an Dich denken! Ach, wenn ich doch mit Dir gehen könnte!"
„Daran ist einstweilen noch nicht zu denken," entgegnete Percy Lindsay leuchtenden Blickes, „aber vielleicht kommt dereinst der Tag, an welchem ich Dich an dies Wort erinnern werde. Ich werde Dir fleißig schreiben — laß auch Du manchmal von Dir hören und —"
Der Eintritt des Pfarrers und seiner Schwester unterbrach das Gespräch; der elftere mahnte zur Eile und so mußte denn geschieden sein. Frau Lindsay empfahl Hannah an aui's Beste für Regina zu sorgen und zum Arzt zu senden, falls die Schmerzen im Fuß am nächsten Tage noch nicht geschwunden sein sollten. Sodann
nahm die gute Frau Abschied von Regina, versprach ihr, ihren Aufenthalt in Boston nach Möglichkeit abzukürzen und bat Regina, sich zu schonen. —
Während seine Mutter und der alte Pfarrer das Unterbringen des Gepäcks im Wagen überwachten, kehrte Percy Lindsay nochmals ins Zimmer zurück und sagte hastig und leise zu dem noch immer schluchzenden Mädchen:
„Regina — ich habe eine Bitte an Dich nimm hier das Päckchen und bewahre es uneröffnet, bis Du 18 Jahre alt bist. Sollte ich vor dieser Zeit sterben so bist Du Deines Versprechens ledig; Du magst alsdann das Päckchen öffnen und seinen Inhalt als ein Andenken an Deinen treuesten Freud betrachten — vielleicht — aber nein — ich kann und darf jetzt nicht mehr sagen. Lebe wohl, Regina — Gott erhalte Dich so wie Du bist, bis wir uns wieder sehen!"-
Im nächsten Augenblick hatte Percy das Zimmer verlassen und gleich darauf vernahm Regina das Rollen des Wagens, welcher ihn von dannen führte.
„Regina — möchtest Du Dich nicht lieber zu Bett legen?" fragte Hannah am Abend desselben Tages ihre junge Pflegebefohlene.
„Nein, Hannah — ich liege hier auf dem Sopha so gut. wie in meinem Bett und wenn ich meinen Fuß möglichst schone, wird er gewiß bald heilen."
„Ich könnte Dich ja in Dein Zimmer tragen," sagte Hannah eifrig.
„Behüte ich bin viel zu schwer für Dich." erklärte Regina; „wenn Du mir noch eine Decke bringen wolltest, wäre ich Dir sehr dankbar, Hannah — vielleicht hilfst Du mir auch beim Auskleiden?"
„Gern, nickte die Alle, „und da mich Frau Lindsay für Dein Wohlergehen verantwortlich gemacht hat, werde ich die Nacht über bei Dir bleiben. Ich lege mir eine Matratze auf die Erd« und wenn Du Etwa« brauchst, kannst Du mir rufen."
Regina protestierte, aber vergeblich — das Einzige, was sie erreichte, war daß Hannah versprach, sich das Sopha Ms dem Vorzimmer herüber zu schieben und