348
Rübgarten, OA. Tübingen. Am I. d. M. traf ein Fremder bei den Brüdern Widmann hier ein, stellte sich ihnen als ihr Neffe aus Amerika vor und teilte ihnen mit, daß er von seinem Vater beauftragt sei, ihnen Geschenke zu überbringen. Die Freude war groß und fand zunächst ihren Ausdruck in einem gemeinschaftlichen Trünke in der Wirtschaft zur Krone. Zu seinem Bedauern hatte der Amerikaner die Geschenke in seinem Koffer in Mannheim zurückgelaffen und mußte zu dessen Erhebung deutsches Geld haben, da er natürlicherweise nur amerikanisches Geld besaß. Der eine der Oheime gab ihm 50 -F, worauf er die Abreise sofort antreten wollte, um zuerst das Amerikanerfest am 4. Juli in Stuttgart mitzumachen, dann nach Mannheim zur Erhebung des bekannten Koffers zu fahren und endlich mit den Geschenken beladen zu seinen Verwandten zurückzukehren. Den letzteren waren inzwischen doch Zweifel an der Aecht- heit ihres Neffen aufgetaucht und sie baten ihn so eindringlich um Rückgabe der geborgten Summe, daß er nicht zu widerstehen vermochte. Beleidigt über das Mißtrauen reiste er ab und kam mit den Geschenken nicht wieder. Ihre 50 aber haben die Oheime wenigstens behalten.
Rottenburg, 7. Juli. Kürzlich wurde hier ein hochbetagter Hospitalist tot im Garten des Spitals gefunden. Ob er sich zum Fenster hinausgestürzt hat oder ob er zufällig herausgefallen ist, läßt sich nicht feststellen. — Der Einbruch im bischöflichen Palais war dem Einbrecher dadurch erleichtert, daß eine Thüre für die Wäscherin offen stand. Der Versuch, in das Bureau der Bistumspflege cinzudringen, scheiterte alsbald an dein daselbst (seit dem im Jahre 1890 versuchten Einbruch) angebrachten elektrischen Läutewerk. Schw. M.
Kirchheim a. N., 9. Juli. Letzten Donnerstag Abend wollte der 13jährige Müllerssohn Fr. Trefz dahier mit der Zimmerflinte seines Vaters bei seinem Hause eine Katze erlegen, schoß aber den 6jähr. Sohn des Weichenwärters Weitbrccht so unglücklich in den Kopf, daß der Tod augenblicklich eintrat.
Gaildorf, 7. Juli. Die Heuernte ist hier beinahe ganz unter Dach. Die Oualrtät ist vorzüglich und wenn auch der 4. Teil vom serndigen Erträgnis fehlt, so sind die Bauern mit dein heurigen Ergebnis doch besser zufrieden. Winter- und Sommer- ! früchte, ebenso Kartoffeln berechtigen zu den schönsten s Hoffnungen. !
Langenau, 6. Juli. Der Gemeinde- und ! Stiftungspfleger Braun von Nerenstetten ist in seine > Heimat zurückgekehrt. Er wurde gestern Abend in ! seiner Wohnung verhaftet und in das Ulmer Gerichts- i gefängnis abgeliefert. Sein Kassendefizit beträgt ! 1300 !
— In Kottmannsweiler wurden einem i Bauern 1100 gestohlen. Der Diebstahl wurde ! vollfühlt, als sämtliche Hausangehörigen auf dem !
Felde waren. — Der Obermeister der Bäckerinnung in Ulm (Mack) hatte am Sonntag Abend nach 6 Uhr noch Waren verkauft und wurde von einem Kollegen dieserhalb der K. Staatsanwaltschaft zur Bestrafung angezeigt. Die Lokalblätter enthalten nun eine Danksagung des Hrn. Vorstands „für die freundliche, polizeiliche Bewachung seines Hauses seitens der Herren Kollegen". — In Ebingen sind in der sogen. Lumpengasse wieder 3 Gebäude abgebrannt. Das Feuer setzte an derselben Stelle an, wo der letzte Brand aufgehört hatte.
Friedrichshafen, 7. Juli. Heute, an einein reizvollen Sommerabend, ist die Königin Olga zu längerem Aufenthalt in dem ihr lieb gebliebenen hies. Schlöffe eingetroffen. Trotzdem eine Aufwartung durch die Vertreter der Behörden und Kirchen mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der hohen Frau nicht gewünscht worden ist, wurde sie doch von der Gesamtbevölkerung herzlichst bewillkommt. Troz der späten Abendstunde war auch die Stadt reich beflaggt. In Begleitung Ihrer Majestät befinden sich die Frau Herzogin Wera und die Prinzessinnen Olga und Elsa von Württemberg.
— Aus Baden wird geschrieben: „Die Kirschen ernte hat Heuer bei uns einen so hohen Ertrag gehabt, daß manche Gemeinden 80—100000 ^ daraus erlösten. Vom Kaiserstuhl gingen Hunderte von Wagenladungen in die Schweiz und nach Italien, wobei durchschnittlich 10 ^ vom Zentner erzielt wurden."
— Der Saatenbericht pro Juni in Bayern bezeichnet im großen Ganzen den Saatenbestand als sehr befriedigend. Kartoffeln, Hülsen- früchte, Futterpflanzen, Tabak und Hopfen berechtigen zu guten Aussichten. Obst steht in den einen Bezirken gut, in andern aber schlecht. Die Weinaussichten haben sich gebessert. Hochwasser und Hagelschläge haben die guten allgemeinen Aussichten bis dato nicht wesentlich beeinträchtigen können.
M ünchen, 8. Juli. Am 5. ds. Abends fand eine Besprechung hiesiger Industrieller betreffs der Berliner Weltausstellung statt. Es soll ein Konnte gebildet werden, welches die Agitation für die Beteiligung an einer deutschen Weltausstellung in Berlin in die Hand zu nehmen hätte. Deutschland müßte — das war die allgemeine Ansicht — trotz der von Frankreich angeblich beabsichtigten Ausstellung an der Veranstaltung einer Weltausstellung in Berlin im Jahre 1898 festhalten.
Würz bürg, 8. Juli. Die Gemeinden Fellen, Wohnrod, Aue und Mittelsinn erlebten am 4. d. von 2—3 Uhr nachmittags ein Gewitter mit Hagelschlag, wie es seit Menschengedenken nicht mehr vorgekommen ist. Das Getreide und die Kartoffeln wurden von den fast taubeneigroßen Schloßen strichweise zusammengeschlagen. Manche Bauern schätzen ihren Schaden auf über 1000 Niemand ist gegen
sprechen zu lassen, schien eines die Blicke der Schauspielerin mit magnetischer Gewalt zu fesseln. Immer wieder suchten Olwici Orme'S Augen das rosenfarbige Papier, welches nur wenige Z ilen in fester, markiger Schrift und die Unterschrift „Jules Duval" zeigte. Ach, nur zu gut kannte die Künstlerin die Schrift, sie wußte, daß der Mann, der sich „Jules Duoal" nannte. Robert Douglas hieß, und einem raschen Impulse folgend öffnete sie ein Fach des Schreibtisches und entnahm demselben einige dünne Briefe. Die Schrift war verblaß!; die Aufschrift der Briefumschläge trug die Bezeichnung „Fräulein Minnie Merle" und als die Künstlerin jetzt da» rosenfarbige Billet neben die vergiloten Briefe legte, blieb kein Zweifel, — die Worte „Minnie Merle" und „Jules Duval" waren von einer und derselben Hand geschrieben.
„Unwahr — sein Charakter bleibt sich immer gleich," murmelte die Dame bitt.r vor sich hin; „zu feige, unter eigenem Namen eine Zusammenkunft zu erbitten, welche seine gestrenge, gewöhnlich aussehende Gemahlin kaum gutheißen dürfte, versucht er sein Heil als „Jules Duval". So wenig als er sich vor Jahren ein Gewissen daraus machte, Minnie Merle zu verstoßen, um die Tochter eines reichen Bankiers heiraten zu können, würde er sich heute besinnen, das Weib, dessen er längst überdrüssig ist, abzuschütteln und eine Tritte die vielleicht jünger und hübscher ist, an sem falsches Herz drücken, aber sie hält ihn fest! Feiger, elender Verräter!"
Jetzt ward leise an die Thür gepocht und auf Frau Orme's „Herein" erschien Frau Walter mit einer Karte in der Haud.
„Der Kellner hat soeben diese Karte gebracht — soll der Herr eintreten?"
Gleichgültig griff die Künstlerin nach der Karte, kaum indes hatte sie einen Blick auf dieselbe geworfen, als sie bestürzt aussprang und in zitternder Erregung rief:
„Nein — nein — um keinen Preis — der Diener soll sagen, Madame Orme bedaure, den Besuch nicht annehmen zu können!"
Erschrocken blickte die Kammerfrau auf die Gebieterin, deren Gesicht plötzlich wie in eine dunkle Glut getaucht erschien, um im nächsten Moment wieder schneebleich zu werden; als indes Frau Walter der Thüre zuschritt, besann sich die Herrin eines Anderen und unsicher flog «S von ihre« bebenden Lippen:
Hagelschlag versichert. Das halbe Dorf Fellen stand- im Wasser. In Mittelsinn wurden Heufuhren umgestürzt, ein Knabe ein Stück Wegs fortgeschwemmt,, ein anderer durch einen Bürger vor dem Ertrinken gerettet. Das Elend ist groß. Das Pfarr- und Bürgermeisteramt von Fellen erläßt einen Aufruf zur Linderung der Not.
Hamburg, 5. Juli. Im Altoner Gefängnis haben drei Verbrecher, der Arbeiter Krüger, 42 Jahrealt, aus Potbus, Klempner Klatte, 23 Jahre alt,, aus Küstrin und Schlächter Menzel, 28 Jahre alt, aus Berlin, einen alten Wärter halb tot geschlagen und sind darauf entsprungen. Arbeiter Krüger und Schlächter Menzel sind in Braunschweig verhaftetworden..
Hamburg, 7. Juli. Der Ncwyorker Deutsche Gesangverein „Arion" traf heute Vormittag um 9 Uhr auf dem „Wieland" hier ein. Der vorausgereiste Direktor Katzenmayr begrüßte den Verein. Der Vorstand der Hamburg-Altonaer Liedertafel, Kümmel,, bewillkommnete die Sänger, die in geschlossenem Zuge mit ihrer Fahne in das Hotel Europe marschierten. Morgen findet ein Konzert und am Samstag ein Kommers statt. Am Sonntag erfolgt die Abreise nach Berlin. Ein Konzert auf dem „Wieland" am 2. Juli ergab einen erheblichen Ertrag für die Unterstützung Schiffbrüchiger. Am 4. Juli wurde der amerikanische Nationalfeiertag an Bord festlich begangen.
Berlin, 8. Juli. Aus Digermulen,. 8. Juli, wird gemeldet: Nach seiner Ankunft in Digermulen ging der Kaiser abends noch an das Land zu einem Spaziergange. Früh am siebenten, erstieg er die Höhe, von der das Berliner Nordlandspanorama ausgenommen ist, den Digermulenkollen,. dessen Spitze nach anderthalbstündigen Marsche erreicht wurde. Nachmittags areitete der Kaiser für den demnächst abgehenden Kurier. Das Wetter ist andauernd günstig. Heute früh acht Uhr setzt der Kaiseradler die Fahrt nach Hadschlö und Ostanagö fort.
Berlin, 9. Juli. Die Kreuzzeitung veröffentlicht einen Aufruf gegen „Willkür und böse Absicht" bei Jrrsinnserklärung. Dis Entscheidung über jede Entmündigung und Internierung in einer Irrenanstalt müsse in die Hand einer Kommission unabhängiger Männer gelegt werden, die das Vertrauen ihrer Mitbürger genießen. Der Arifruf hat zahlreiche Unterschriften.
— Eine an verschiedene Blätter versendete Mitteilung giebt eine Reihe von Aufschlüssen über die Reform des Militär st rafprozess es. Hie- nach würde der Entwurf im wesentlichen den Grundsätzen des jetzigen preußischen Militärstrafverfahrens entsprechen. Als erkennende Gerichte würden eingeführt: Standgerichte, Kriegs- und Oberkriegsgerichte und ein Reichsmilitärgericht mit einem General als Präsidenten. Zur Vertretung der Anklage würden Militäranwaltschaften und eine Obermilitäranwaltschaft
„Frau Walter — warten Sie doch noch einen Augenblick — ich — ich will —"
„Auf die Gefahr hin, launisch zu erscheinen, widerufe ich meine erste Entscheidung. Der Diener soll den Herrn nach etwa fünf Minuten eintreten lassen; sobald Sie ihm diesen Auftrag erteilt, Anna, kommen Sie wieder und nehmen Sie den Platz dort neben dem Kamin am untern Ende des Salons ein — ich habe meine Gründe dabei, Sie in meiner Nähe zu wissen. Aber halt — lassen Sie erst noch die Gardinen herab — ich sehe gar zu bleich aus und der rosige Schimmer kann meiner Erscheinung nur vorteilhaft sein."
Frau Walter erfüllte das Begehren der Herrin; während sie die rotseidenen Vorhänge herabließ, sagte Madame Orme gleichgültig:
„Ich war thöricht, mich so aufzuregen, weil unser Gesandter mir schrieb, er sei verhindert zu kommen und sende einen Bekannten, der mir seine Entschuldigungen überbringen solle — e» wird ein Pariser Stutzer sein, den er mir schickt."
Frau Walter entfernte sich jetzt, um den Diener anzuweisen; sobald sich die Künstlerin allein sah, rang sie die Hände und murmelte zwischen den festgeschlossenen Zähnen:
„In jedes Menschen Leben tritt früher oder später sein Gethsemane oder Golgatha — was zage ich denn — einmal muß es ja doch sein! Gott gebe mir nur die Kraft, mich zu beherrschen — so, nun habe das Schicksal seinen Lauf !"
Sie sank matt in den Sessel und zog den blumengeschmückten Tisch gleichsam als Schutzwehr zu sich heran; als Frau Walter nach kurzer Frist zurückkehrte, saß. Madame Orme anscheinend völlig gefaßt hinter der Blumenpyramide und während die Rechte nachlässig mit der Karte des Gesandten spielte, preßte sich die Linke, die das Medaillon mit Regina'« Bild hielt, auf das wildpochende Herz.
Und jetzt klang draußen im Korridor ein elastischer Schritt, den die Künstlerin unter Hunderten heraus immer und überall erkannt hätte; wie oft in vergangenen Tagen hatte Minnie Merle, unter dem Fliedergebüsch versteckt, diesem Schritte gehorcht und wie selig war sie dann, wenn der Schritt vor der kleinen Gartenpforte Haft, machte, in di« Ar«« de» Liebenden geflogen! . .. (Forts, folgt.)