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Außervem ist der Vorstand der K. Kreisregier­ung und in einzelnen dringenden Fällen auch das Oberamt befugt bezw. ermächtigt, unter besonderen Umständen Befreiung von der Vorführung eintreten zu lassen.

In den Fällen o und ä ist eine von dem Ortsvorsteher ausgefertigte Bescheinigung vorzulegen.

Von der Verpflichtung zur Vorführung ihrer Pferde sind ausgenommen: Beamte im Reichs- und Staatsdienste hinsichtlich der zum Dienstgebrauch, so­wie Aerzte und Tierärzte hinsichtlich der zur Aus­übung ihres Berufes notwendigen Pferde, und Post­halter hinsichtlich derjenigen Pferdezahl, welche von ihnen zur Beförderung der Posten kontraktlich gehalten werden muß.

Der Verkauf eines Pferdes vor erhaltener Ge­stellungs-Aufforderung entbindet nicht von dessen Ge­stellung, sofern die Ablieferung an den neuen Er­werber noch nicht erfolgt ist.

Diejenigen Pferde, welche wegen hohen Alters, Entkräftung, vorübergehender oder dauernder Krank­heit augenscheinlich unfähig sind, den Weg nach dem betreffenden Musterungsort und zurück zurückzulegen, sind der Vormusterungskommission nicht vorzuführen. Jedoch haben die Ortsvorsteher in dem Pserde-Register bei jedem Pferde, welches wegen Transportunfähigkeit nicht gestellt wird, genau anzugeben und je speziell zu bescheinigen, aus welchem Grunde das betreffende Pferd von dem Ortsvorsteher für transportunfähig erachtet wurde.

Vorstehendes haben die Ortsvorsteher alsbald in ortsüblicher Weise in der Gemeinde bekannt zu machen, austerdem sind die Pserde- besitzer noch speziell zur Vorführung der Pferde urkundlich aufzufordern.

Die Formulare zu den Verzeichnissen der Pferde­besitzer und ihres Pferdebestandes werden den Orts­vorstehern in Zeitkürze zugehen.

Calw, den 5. Juli 1892.

K. Oberamt.

vr. Schönmann A.-V.

Tages-Ueuigkeiten.

IX. Westliches Gäusüngerfest in Simmozheim am 3. Juli. Ein herrlicher Sommermorgen war angebrochen, als der in reichem, festlichem Schmuck prangende Ort Simmozheim sich anschickte, die Gesangvereine des westl. Gäusänger­bundes, wie noch andere dem Bunde nicht angehörigen Vereine und sonstige Sangesfreunde gastlich zu em­pfangen. Alle Straßen waren mit Tannen geschmückt. An den Eingängen waren Ehrenpforten errichtet und mit Inschriften versehen. Der Festplatz befand sich in einem schönen, schattigen Obstgarten und war zur Aufnahme der großen Zahl von Festgästen vortreff­lich geeignet. Zwei Wirtschaften sorgten für die leib­liche Erquickung der Gäste. Um 1 Uhr fand die Hauptprobe der Gesamtchöre vor dem Rathause unter Leitung von Schullehrer Wurst in Simmozheim statt. Hierauf sammelte man sich zum Festzug. Derselbe ! bewegte sich alle Straßen passierend zum Aestplatz. ^

Hier thaten sich zunächst die Vorstände und Gesangs­direktoren der zum Gau gehörigen Vereine zusammen behufs der Wahl der zwei Delegierten zum Besuch des Schwäbischen Sängerfestes in Reut­lingen. Als solche wurden gewählt Kaufmann Unger von Gechingen und Schullehrer Frey von Decken- pfronn. Nun schaarten sich die Vereine um die Tri­büne behufs Absingens der 2 Gesamtchöre:Mit dem Herrn fang alles an" undIm Pokale klaren Wein". Was diese Chöre anlangt, so wurden dieselben gegenüber dem Vorjahr besser ge­sungen und wurden auch mit großem Beifalle seitens des Publikums ausgenommen. Doch hätten dieselben noch mehr Effekt gemacht, wenn sie präciser und mit mehr Takt" gesungen worden wären. Die Tenoren waren den Büßen stets voraus, ein Beweis, daß die Sänger zu wenig auf den Dirigenten gesehen hatten. Die Begrüßungsrede hatte Schuliheißenamtsverweser Hildengarth von Simmozheim, die eigentliche Festrede der Vicevorstand des Gaus Schullehrer Jäger vonGültlingen übernommen. Letzterer würdigte in seiner Rede den. Wert und die Bedeutung des Gesangs namentlich für das soziale Leben. Sein Hoch galt dem deutschen Männergesang. Nun begann das durchs Loos bestimmte Absingen der Specialchöre: Ostelsheim, L.-K.,Gruß an den Wald", StammheimDer Lenz ist angekommen", Gech­ingenAlles was die Erd enthält", Ostelsheim, G.-V-,Waldabendschein", Deckenpfronn,Am Waldrand steht ein Tannenbaum", Gültlingen Ach Elslein, liebes Elslein", Alt Heng st ettEs lebt in jeder", MüttlingenUnsre Wiesen grünen wieder", DöffingenO Wald mit deinen", Sim­mozheim, Toast. Auch hier ist ein wesentlicher Fort­schritt zu verzeichnen. Es wurde von einzelnen Vereinen wirklich Gediegenes vorgetragen. Wir haben den Eindruck gewonnen, daß sich die einzelnen Vereine viel Mühe gegeben haben, um ehrenvoll zu bestehen und wir glauben, daß wenn die Vereine in der Pflege des Gesangs so fortfahren, auch wieder ein Fortschritt beim nächsten Gaufest, welches voraussichtlich in Alt- hengstett stattfinden soll, zu verzeichnen sein wird. Dazu tragen diese Gaufeste ganz besonders bei, denn der Hauptzweck derselben ist ja, daß ein Verein den andern hört und seine Leistungen darnach bemißt. Wir wünschen dem westl. Gäusängerbund auch ferneres Blühen und Gedeihen und schließen mit dem Wunsche:

Gott gebe, daß das deutsche Lied,

Stets immer grünt und immer blüht!"

Leonberg, 2. Juli. Der Konditor Henning von hier, welcher am 26. März d. I. seine Frau und sein Kind durch Axthiebe schwer verletzte und seither im Oberamtsgerichtsgefängnis saß, wurde ge­stern lt.N. T." in die Irrenanstalt Schussenried verbracht, weil man seinen Geisteszustand für nicht normal hält.

Stuttgart, 4. Juli. Gestern abend halb 10 Uhr haben mehrere junge Leute von Gablenberg und Wangen bei einem Tanzvergnügen in Wangen miteinander Streit bekommen. Als die Gablenberger die Wirtschaft verließen, wurden sie von den Burschen von Wangen verfolgt und auf dem Wege nach Gablen­

berg in der Nähe von Wangen wurden sie eingeholt, woselbst sich eine Schlägerei entwickelte. Einer der Gablenberger brachte mittelst seines Messers einem seiner Gegner von Wangen einen Stich in die Halz- schlagader bei. Der Verletzte brach zusammen und war sofort eine Leiche. Der Thäter wurde festge­nommen.

Untertürkheim, 3. Juli. Die Trauben­blüte ist nun im allgemeinen beendigt und man darf mit dem Verlauf zufrieden sein; wenn auch ein­zelne Gescheine in Folge des naßkalten Wetters zu Anfang der Blütezeit etwas notlitten, so blieben doch die allermeisten Blütenansätze erhalten und die der- malige Witterung ist für das Wachstum der jungen Trauben ganz günstig. Prächtig gedeihen die Gemüse, besonders die Kartoffeln, deren üppiges Kraut Heuer von manchen Landwirten mit einer schwachen Kupfer­lösung bespritzt wird, um der Kartoffelkrankheit vor­zubeugen.

Reutlingen, 3. Juli. Nachdem das Pro­gramm für das vom 10. bis 12. Juli hier stattfindende XXIII. Schwäb. Liedersest bekannt gegeben worden ist, soll insbesondere noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß trotz der großen Zahl der ange­meldeten Sänger seitens der Quartierkommission An­ordnungen getroffen wurden, auch weitergehenden An­sprüchen an gute Unterkunft anderer Festgäste voll­kommen zu genügen. Hiebei sei auch bemerkt, daß auswärtigen Festgästen Vorausbestellung und Bezug, von Generalkarten, (nummerierte Sitzplätze zu 5 Stehplätze zu 4 -A), welche zur Teilnahme an allen Aufführungen und festlichen Veranstaltungen berech­tigen, sehr zu empfehlen ist. Die Herren A. Sturnu am Markt und Rob. Wolf, Glashandlung hier sind: vom Festausschuß mit der Versendung beauftragt, worden. Die Bauten auf dem Festplatz, welche auch eine Postagentur mit Telephonstelle, eine Sani- täts- und Feuerwache umfassen, sind nahezu vollendete Ebenso ist die elektrische Beleuchtungsanlage fertigge­stellt, welche mit 18 Bogenlampen den Festplatz abends taghell beleuchtet. Die Betriebskraft hiezu liefert die Maschinenfabrik von Ulrich Kohllöffel hier. Der am Montag den 11. Juli in Aussicht genommene Fest­zug wird eine ungewöhnliche Ausdehnung annehmen und sich, gute Witterung vorausgesetzt, glanzvoll ent­falten. Eine große Zahl prächtiger wertvoller Ehrengaben ist seitens der Feststadt wie auswärtiger wettsingender Vereine schon eingegangen und täglich treffen noch weitere ein. Nicht geringe Anziehungs­kraft üben zum Feste wohl auch die lieblichen Reize des oberen Echatzthales mit dem romantisch gelegen, vielbesungenen Lichtenstein, welche durch die kürzlich eröffnete Echatzthalbahn neue erschlossen sind, auf die weitesten Kreise aus. Die Feststadt am Fuße der Achalm darf nach den umfassenden Vorbereitungen den festlichen Tagen mit der berechtigten Erwartung, entgegensetzen, daß das so großartig angelegte Fest sowohl für das Sangesleben in Schwaben, als auch in jeder anderen Hinsicht für alle Teilnehmer einen wirklich schönen, befriedigenden Verlauf nehmen wird..

Reutlingen, 4. Juli. Das Königspaar hat aus Anlaß seines jüngsten Besuches mehrere

Trejsillian und Varnay ihre erste Szene mit den zuerst Ausgetretenen hatten. Der weißhaarige Mann begab sich zu den Garderoben; vor derjenigen, welche Madame Orme zugeteilt war, stand Frau Walter und dieser übergab Herr Walter den Zettel derselbe enthielt die Worte:

Rechte Proszeniumsloge im ersten Rang; zwei Herren und eine Dame, Letztere in einem hunkelroten Abend-Mantel."

Die Dame im roten Mantel. Frau Robert Douglas, saß zwischen ihrem Gatten und dem Gesandten. Der Mantel war längst herabgeglitten und die stark dekolletierte Büste zeigte fast zu üppige Formen, welche das knapp anliegende, matt­gelbe Atlasgewand in auffälliger Weise hervorhob. Der dunkle Teint war durch aufgelegtes Rot belebt; die schwarzen Augen hatten einen dreisten Ausdruck und die vollen roten Lippen ließen, wenn sie lächelten, zwei Reihen gesunder, aber unschön geformter, gelblicher Zähne sehen. Das kohlschwarze Haar war kunstvoll geordnet und durch Brillantnadeln, welche Schmetterlinge vorstillten, gehalten in den Ohren funkelten gleichfalls Brillanten und den Hals umschloß ein Perlen-Kolier mit Diamanten-Agraffe. Alles in Allem sah die Dame trotz ihrer kostbaren Toilette höchst gewöhnlich aus und die aristokratisch feine Erscheinung ihres neben ihr sitzen­den Gatten hatte an ihr eine prächtige Folie. Robert Douglas zählte jetzt etwa 33 Jahre, er sah indes «her jünger aus, während bei seiner Gemahlin, die zwei Jahre älter war, als er, das umgekehrte Verhältnis herrschte sie glich einer Vierzigerin. Jede Bewegung seines schlanken Körpers atmete unbewußte Grazie; das feingeschnittene Gesicht zeigte seltene Regelmäßigkeit der Züge und die Hand, welche nachlässig mit dem juwelenbesetzten Opernglas spielte war frauenhaft klein und fein geformt. Robert Douglas blickte mitunter gelangweilt und gähnend in dem Hause umher, während feine Gattin lebhaft mit dem Gesandten plauderte.

Wissen Sir. daß Graf T. gar nicht gut auf Ihre berühmte Landsmännin zu sprechen ist?" wandte sich Frau Douglas soeben lächelnd an den Gesandten.

Weshalb was hat denn Frau Orme gethan?" fragte der Angeredete neugierig.

Nun sie hat einen bei Königinnen der Bühne seltenen Takt an den Tag gelegt. Der Graf lernte Madame Orme in London kennen, resp. er sah sie auf der Bühne und verliebte sich sofort rasend in die schöne Frau. Nach dem zweiten Akt schrieb er einige glühende Worte, steckte dieselben in ein herrliches Rosenbouquet und fügte der Sendung einen kostbaren Ring, den sein Großvater einst vom Herzog von Orleans zum Geschenk erhalten hatte, bei, worauf er seinen Kammerdiener in die Garderobe der Dame sandte und ihr die Sachen überreichen ließ. Nach Beendigung des dritten Aktes indes erhielt der Graf Alles zurück und der einzige Unterschied be­stand darin, daß das Billet zerschnitten und die Streifen um den Ring gewickelt waren. Baron Torpe, welcher in derselben Loge saß, hat mir die Geschichte erzählt,. Als ich den Grafen später neckte, sagte er enthusiastisch:

,O, sie ist eine Göttin, sie müßte indesSulitelma" heißen. Das Wort bedeutet Robert, was bedeutet es doch gleich?"Schneekönigin," antwortete- Douglas gähnend und leise setzte er hinzu:

Adda sprich nicht so laut Du fällst sonst auf."

Ohne auf die Mahnung zu achten, fuhr Frau Douglas mit lauter Stimm, fort.

Ich hätte sie so gerne schon gestern als Medea gesehen» aber Robert hatte keine Lust und da unsere Kleine krank war, so"

Ein Sturm von Applaus ließ die Sprecherin verstummen; Amy Rvbsart hatte di« Bühne betreten und ihr galt dir enthusiastische Begrüßung des Publikums.