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Geschenke und Andenken hierher gelangen lassen. Die Fachschule für Spinnerei, Weberei und Wirkerei er­hielt das große Bildnis des Königs, ausgeführt von der bekannten Kunsthandlung von Hanfstängl in München. Die 4 Mädchen, welche beim Empfang am Bahnhof bezw. in der Frauenarbeitsschule Blumen­bouquets überreichten, empfingen von der Königin deren Photographie in Kabinetformat mit eigenhändig beigefügter Unterschrift. Der Knabe, welcher am vergangenen Mittwoch bei der Abfahrt des Königs­paares mit genauer Not der Lebensgefahr entgangen war, erhielt vorgestern von den Majestäten einen Wagen zum Geschenke.

Schorndorf, 4. Juli. Ein Gang durch die Felder bietet gegenwärtig einen erfreulichen und er­hebenden Anblick. Die Halmfrüchte stehen dicht und kräftig, die etwa 140150 am langen Halme des Dinkels und des Weizens tragen schöne volle 15 bis 20 am lange Aehren. An dem bis jetzt frisch grün gebliebenen Kartoffelkraut glänzen weiße und blaue Blüten in Hellen Farben; die Mohnpflanzen, fast mannshoch gewachsen, haben ihre reizenden lilafarb­igen Blütenkronen entfaltet; Mais und Futterrüben zeigen einen üppigen Wuchs. Die Ob st bäume haben nur teilweise Früchte. Birnen fehlen fast ganz; einzelne Apfelbäume versprechen reichen Ertrag, andere einen geringeren, viele aber tragen keine oder nur ganz wenige Früchte. Auf den höher gelegenen Orten soll ein größerer Obstertrag zu hoffen sein. Unter dem Einfluß der überaus günstigen Witterung wachsen die Aepfel stattlich heran.

Brackenheim, 4. Juli. Wie ernste Folgen das leichtsinnige Umgehen mit Schießwaffen mit sich bringt, zeigt nachstehender in Ochsenbach, hieMen Oberamts, vorgekommener Fall. Die 20jähr. Friederike Schiedel ging an einen: Garten vorbei, in welchem sie den 10jährigen Friedrich Mächtle bemerkte, der mit einer Zimmerflinte auf sie zielte. Auf ihren Zuruf:Du triffst mich ja doch nicht!" Habs sie so­fort gespürt, daß sie geschossen sei. Das Kügelchen drang unterhalb der rechten Brust ein und konnte bis jetzt vom Arzt noch nicht aus der Wunde entfernt werden. Lebensgefährlich scheint der Zustand der Getroffenen nicht zu sein, doch kann über den weiteren Verlauf nichts Bestimmtes gesagt werden. Der jugendliche Schütze will nicht absichtlich losgedrückt haben; er sei vielmehr von hinten von einem andern Knaben an den Arm gestoßen worden, worauf der Schuß losgegangen sei.

Künzelsau, 3. Juli. In den letzten Tagen las man in verschiedenen Blättern vom 1540er Wein, als von einerHerzensfalbe"! Ueber dieses Jahr lesen wir in einer alten Kronik:Anno 1540 ist ein sehr dürrer und heißer Sommer gewesen, desgleichen in langer Zeit nie erfahren worden, darinnen ein Ueberfluß und Ausbund an Frucht und Wein er­wachsen; doch sind von der Hize viel Trauben eis- gedorrt, um Bartholomäi hat man die frischen Trauben abgelesen und die dürren stehen lassen; hernach aber hat es eine gute Durchfeuchte geben und sind die stehen gebliebenen Träublein wieder aufgeloffen und

frisch worden, also daß man zum andernmal gelesen und der letzte Wein bester als der erste geworden. Der Eimer Wein hat in diesem Jahr in Stuttgart 2 Gulden 40 kr. gegolten." N. Tagbl.

Ein am Sonntag unternommener Feuer­wehr-Ausflug von Ebingen nach Bad Jm- nau per Leiterwagen endete damit, daß einer der Fuhrleute bei der Nachhausefahrt auf einige Rand­steine auffuhr, wodurch der Wagen umstürzte und die Jnsaßen eine Strecke geschleift wurden. Stadtrat Binder wurde hiebei der Fuß am Knöchel gebrochen, mehrere andere wurden verletzt. Von Haigerloch nach Balingen zu passierte noch das weitere Unglück, daß in einer Ortschaft einem Kind die Räder über die Füße gingen, wodurch ebenfalls ein Fuß gebrochen sein soll. Mit der Eisenbahn fährt sich's doch weit sicherer, wenn man auch mitunter einer Verspätung gewärtig sein kann. Die Bahnfahrt hat aber noch ein weiteres für sich: man kann nicht überall einkehren.

Langenau, 5. Juli. In dem Ort Neren- stetten, OA. Ulm, herrscht große Aufregung. Der Gemeinde- und Kirchenstiftungspfleger Jakob Braun ist verschwunden. Letzten Samstag begab er sich an­geblich zum Königsfest nach Ulm, kehrte aber nicht mehr zurück, und als man nach seinen Kassen sah, waren dieselben leer. Von Friedrichshafen aus schrieb er dem Schultheißen eine Postkarte, er habe den Tod im Bodensee gesucht. Man glaubt aber nicht daran und vermutet ihn in der Schweiz.

Ravensburg, 4. Juli. Der Besuch des Königs in hiesiger Stadt ist laut eingelaufener Nachricht für den Anfang August in Aussicht ge­nommen.

Berlin, 4. Juli. Fürst Bismarck hat in einer Unterredung niit einem Mitarbeiter der Mün­chener Allgemeinen Zeitung der Vermutung Ausdruck gegeben, daß von Berlin aus in Wien ein Druck ausgeübt worden ist, um seinen Empfang durch Kaiser Franz Joseph zu verhindern. Ferner liefen An­gaben durch die Zeitungen, daß von hiesigen amtlichen Stellen auf die sächsische oder bayerische Regierung bezüglich des Empfanges oder Nichtempfanges des Fürsten Bismarck bei den betreffenden Höfen ein Einfluß ausgeübt worden sei. Alle diese Angaben werden jetzt offiziös als völlig halt- und grund­los bezeichnet. Infolge der Pariser Nachrichten, wonach für das Jahr 1900 eine Pariser Welt­ausstellung in Aussicht genommen ist, wird am 6. Juli abends eine Sitzung der gemischten Deputation zur Förderung des hiesigen Weltausstellungsprojekts statt­finden.

Paris, 2. Juli. Die Oliolsra nootras- Epidemie wird nun offiziell zugestanden. Die Hospitalverwaltung giebt als Ursache das Seinewasser an. Die Epidemie existiert seit drei Monaten, und es sind 159 Todesfälle konstatiert. Die meisten bis jetzt vorgekommenen Fälle von Eholeraformen lassen den Gesamtcharakter als einen lokalen betrachten. Es ist kein Fall indischer Cholera zu verzeichnen.

Vermischtes.

Die Erklärung im Staatsanzeiger, wonach das Steckenbleiben des Sonderzugs zur Schne- ckenburger-Feier infolgemehrmaligen mut­willigen Anziehens des Griffs der Notbremse" erfolgt sei, veranlaßt den Kriegerverein Ebingen zu folgendem, von gegenwärtiger Temperatur wohl nicht ganz unbeeinflußten Inserat:

Sämtliche Teilnehmer am Sonderzuge zur Schneckenburger-Feier in Tutt­lingen, also auch die Nichtvereinsmit­glieder werden freundlichst eingeladen, sich behufs Protest gegen den Bezicht, daßmut­williges Anziehen der Notbremse" der Grund des Steckenbleibens des Zugs bei dessen Rückfahrt gewesen sei, heute Dienstag abend 8 Uhr im Bezel'schen Garten zu einer Versammlung ein­zufinden. Es ist das Erscheinen möglichst vieler Mitglieder, welche zweckdienliche Angaben machen können, erwünscht, da die Beschwerde bis zu höchster Stelle in Vorlage kom­men soll. Der Ausschuß.

Aus Paris wird geschrieben: Ravachol hat keine Berufung gegen das Todesurteil ein­gelegt. Er meinte, er habe es satt, sich von einem Gefängnis zum andern schleppen zu lassen, und wolle der Sache endlich ein Ende machen. Selbst die vielen anonymen Briefe anarchistischer Freunde haben auf ihn keinen Eindruck gemacht; er scheintauch nach der Haltung der Anarchisten in St. Etienne ihrem Ver­sprechen, ihn zu rächen, nicht mehr zu trauen. Es ist allerdings überraschend, wie zahm seine Gesinnungs­genossen sich verhalten haben. Nur im Thal von Gier, namentlich in Jzieux, hatten die Predigten des Anarchisten Sebastian Faure eine gewisse Bewegung hervorgerufen. In einer Anarchistenoersammlung waren dort Todesdrohungen gegen die Geschworenen und die Richter ausgestoßen worden; man sprach davon, Ra­vachol zu rächen, ja sogar, ihn zu befreien. Seit die Leute aber bemerkt haben, daß sie streng überwacht werden, sind sie viel ruhiger geworden. Sie wissen, daß alle Maßregeln getroffen sind, um Unruhen sofort zu unterdrücken.

Neue Scheren. Einen Fortschritt in der Herstellung der Scheren verdanken wir den bekannten Fabrikanten Henckels in Solingen. Die gewöhnliche Schere besteht aus zwei Schneiden, die durch einen Stift verbunden sind. Sie wirken dadurch, daß sie den Gegenstand zwischen sich abquetschen. Bei der. neuen Schere sind dagegen die Schneiden durch eine Kapsel verbunden, in welcher eine einfache Hebelüber­setzung bewirkt, daß die eine Schneide während des. Zumachens an der andern heruntergezogen wird. So­mit wirkt die untere Backe als eine Unterlage und die obere als Messer, welches den Gegenstand auf der Unterlage zerschneidet. Dann wird eine viel größere Wirkung erzielt. So schneidet eine kleine Gartenschere der neuen Bauart einen dicken Zweig glatt durch; eine kleine Schere ist im stände, eine fünffache Lage Filz und Sohlleder zu durchschneiden. Die neue Er­findung wird sich sicherlich bald einbürgern.

Ein pfirsichfarbenes Atlaskleid siel in weichen Falten an der königlichen Ge­stalt herab und entledigte in einer pompösen Kourschleppe. Eine Stuarlkrause aus feinstem Brabenter Linnen umgab den wundervollen Nacken und der viereckige Aus­schnitt des Gewandes zeigte die kostbare Perlenschnur, welche Leicester beim Abschied seiner jungen Gattin um den Hals gelegt hatte. Das üppige Haar war hoch auf­gekämmt ; einzelne lange Locken strahlten sich über die schneeigen Schultern und eine Diamantaigrette schimmerte in den Haarwellen, die sich über die weiße Stirn zu einem Diadem schlangen. In jedem Zoll, in jeder Linie war Olivia Orme die Ver­körperung des jungen, unschuldigen, liebreizenden Weibes, welches ungeduldig der Heimkehr des Gatten harrt und der Meldung lauscht, die sein Bote überbringt.

Der Paradesessel, auf welchem Platz zu nehmen, Varney die junge Frau über­reden möchte, stand der Gesandtenloge gerade gegenüber, mit königlicher Geberde wehrt Amy dem Boten, der vor ihr steht, und sagt mit ihrer süßen Stimme:

Nein, guter Varnay diesen Ehrenplatz nehme ich einst ein, wenn mein Herr und Gebieter selbst mich zu demselben geleitet. Einstweilen ist meine gräfliche Würde noch nicht offenkundig und so fasse ich mich in Geduld."

War es Zufall, daß bei diesen Worten Anny Robsart's Blicke über die Ge­sandtenloge flogen, das Gesicht der Dame streiften und sich dann auf Robert Douglas' schöne Züge hefteten?"

Jetzt trat Amy Robsart ans Fenster, um auf den Hufschlag, der Lei'cester'L Ankunft künden sollte, zu lauschen, und Frau Douglas flüsterte ihrem Gatten zu:

Ist sie nicht entzückend? Ich habe noch niemals so herrliche Augen gesehen sie glühen und leuchten in geradezu bezaubernder Weis«! Hast du bemerkt, Rodert, wie sie mich ansah? Vermutlich haben'- meine Brillanten ihr angethan! . . . Die

I Schauspielerinnen verstehen sich auf dergleichen und sie hat sicherlich längst entdeck:, I daß mein Schmuck der kostbarste im ganzen Theater ist."

Robert Douglas schwieg und wandte kein Auge von der Bühne, der Bäck der Schauspielerin schien eine Art magnetischen Rapport's zwischen ihm und ihr her- gestellt zu haben, denn seine bisher so schläfrigen Augen öffneten sich weit, ffins Pulse flogen, und während die Worte seiner Gattin verständnislos an sein Ohr schlugen, strebte er den leisesten Ton von der Bühne zu erfassen. Ec beugte sich weit über die Lagenbrüstung, wie gebannt hingen seine Blicke an Anry Robsart's Lippen und seine sonst so bleichen Wangen färbten sich mit dunkler Glut, als die Tragödin jetzt sagte:

O, ich kenne ein treffliches Heilmittel gegen die Eifersucht; wenn mein teurer Herr von meinen Lippen stets nur die lauterste Wahrheit hört, wenn meine Gedanken gleich einem aufgeschlagenen Buche vor ihm liegen und mein Herz nur ein treuer Spiegel seiner eigenen Gefühle und Empfindungen ist, dann müßte es seltsam zu­gehen, wenn er an mir zweifeln wollte. Er hat den kostbarsten Schatz seines Hauses, seine Ehre in meine Hand gelegt wie sollte ich sie nicht nach Kräften hüien und wahren?" Und dann öffneten sich die Pforten und Leicester trat in's Gemach; mit einem Jubelschrei sprang Anny ihm entgegen und ein dröhnender Beifallssturm er­schütterte da- Haus. Und dann saß sie wie ein Kind auf dem Schemel zu Leicester's Füßen; er deutete ihr die verschiedenen kostbarsten Orden, die sein fürstliches Gewand schmücken, und es ließ sich wohl kein schöneres Bild denken, als das der Hingeber,- den lieblichen Anny, die sich an den Gatten schmiegte und mit rührender Zärtlichkeit an seinen Blicken hing.

(Fortsetzung folgt.)