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Aussicht genießt. Nachdem wir uns hier ein wenig erfrischt hatten, gingen wir an der Molkenkur und dem prächtigen Scheffeldenkmal vorüber in das Heidelberger Schloß. Wir erstaunten hier über die großartigen Reste des alten kurpfälzischen Residenzschlosses wie überhaupt über die wunderschön gelegene Stadt, welche in reichster, lieblicher Natur sich am Ausgange des Neckarthales ausgebreitet hat. Nach dem im Prinz Max eingenommenen Mittagessen fuhren wir das Neckarthal hinauf bis nach Neckargemünd und gingen dann über Dillsberg nach Neckarsteinach, welches eine prächtige Lage hat und von 4 Burgen bekränzt ist. Von da aus fuhren wir in zwei Nachen den Neckar hinunter, was für alle 25 Schüler sehr interessant war; abends kehrten wir mit der Bahn nach Heidelberg zurück, wo wir in dem obengenannten Hotel übernachteten. Am andern Tage um 8 Uhr fuhren wir wieder von Heidelberg weg und waren um ',-10 Uhr in der altberühmten Stadt Worms, bekannt durch das Nibelungenlied und den Reichstag vom Jahre 1521. Hier besichtigten wir das prächtige Lutherdenkmal, welches auf uns alle einen tiefen Eindruck machte, und den alten, berühmten Dom. Dann sahen wir uns noch die Schiffbrücke bei Worms an, fuhren hierauf nach Ludwigshafen und mit einem Dampfer nach der Neckarmündungsstadt, dem größten Handelsort Deutschlands am Oberrhein, nach Mannheim. Hier konnten wir noch den großartigen Hafen besichtigen, worauf wir in den Zug stiegen, der uns rasch der Heimat wieder zuführte. Dieser schöne Ausflug, der vom herrlichsten Wetter begünstigt war und sämtliche Teilnehmer hochbefriedigte, wird uns allen in immerwährender Erinnerung bleiben.
Calw. Am gestrigen Sonntag konzertierte die Städt. Juaendkapelle aus Pforzheim unter Direktion ihres Kapellmeisters Karl As ch im „Lindengarten" hier. Das Wetter hatte sich zum Beginn des Konzerts prächtig gestaltet und war infolgedessen der Besuch ein sehr zahlreicher. Die junge Anlage auf diesem Platze, von welchem aus man eine herrliche Aussicht auf die Stadt und thalauf- und thalabwärts hat. Mm; "Mb.
Kapelle boten manches neue, sie waren frisch und exact und verdienten mit vollem Recht den reich gespendeten Beifall.
* Calw, 26. Juni. Freunden des gestirnten Himmels dürfte die Notiz von Interesse sein, daß sich im Wagen oder großen Bär augenblicklich der sog. „Winnecke"-Komet befindet, welcher am 8. Juli etwa achtzigmal so hell sein wird, als zur Zeit seiner Entdeckung. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß er im ersten Drittel des Juli mit unbewaffneten Augen wird gesehen werden können. Zur Zeit seines größten Glanzes wird er sich in dem Sternbild der Zwillinge befinden.
Stuttgart, 25. Juni. Wochenmarkt. Heute war der Lebensmittelmarkt von Käufern und Verkäufern wieder sehr belebt. Die Saison schreitet immer rascher voran ; so sind reife Stachelbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren und Johannisträub chen heute schon mehrfach vertreten. Auch Prestlinge und Waldbeeren finden willige Abnehmer. Kirschen wurden in 1200 Körben zu Markt gebracht und rasch zu den seitherigen Preisen verkauft. Die Hauptabsatzquelle ist eben immer noch Bayern, darum werden wir wohl noch zum Peter- und Paulsfeiertage noch keinen billigen Kirschenkuchen bekommen; die Witterung ermöglichte in der Hauptsache einen trockenen Versand, wobei gute Preise erzielt wurden.
Markgröningen, 24. Juni. Am gestrigen Abend fand hier eine schöne und seltene Feier statt. Rektor Zeller, Vorstand des K. Lehrerinnenseminars und des Waisenhauses, ist heute in voller Rüstigkeit und jugendlicher Frische in sein 71. Lebensjahr eingetreten, da ließen es sich die Angehörigen dieser Anstalt nicht nehmen, ihrer Freude und Teilnahme an diesem Tag festlichen Ausdruck zu geben. Mit Einbruch der Dunkelheit bewegte sich, geführt von einer Militärkapelle aus Ludwigsburg, ein langer fröhlicher Zug junger Leute, voran die Waisenkinder, dann die Seminaristinnen, je mit ihren Lehrern und Lehrerinnen, mit Lampions aus dem Seminargarten vor die mit Guirlanden und Tannenreis geschmückte Wohnung des Gefeierten. Der Choral: Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren, leitete die Feierlichkeit ein; dann folgten mehrere ernste und heitere Weisen der Militärkapelle und ein Gesang der Seminaristinnen. Seminaroberlehrer Stolpp brachte im Namen beider Anstalten dem verehrten Vorstand deren Glückwünsche dar, die in einem freudig aufgenommenen Hoch endigten. Rektor Zeller erwiederte in längerer Ansprache, die er mit einem Hoch auf Seine Majestät den König und seine hohe Gemahlin schloß, in welches die Teilnehmer, sowie die zahlreich herzugeströmte städtische Bevölkerung jubelnd einstimmten.
UNttsss tcki^dsr-Kofl4gH'",ji yWer^M?H nunmehr auf Mittwoch den 29. ds. von vormittags 11 Uhr an bestimmt. Nach dem heute veröffentlichten Programm wird das Königspaar die neu erbaute Fachschule für Spinnerei, Weberei und Wirkerei, die Marienkirche, die Frauenarbeitsschule, die mechanische Baummollweberei von Ulrich Gminder und die Gustav Wernerschen Anstalten besichtigen. Die Stadt rüstet sich, ihrer Freude über die ihr zugedachte allerhöchste Ehre durch einen festlichen Empfang Ausdruck zu verleihen.
Eutingen, 21. Juni. Eine unheimliche Entdeckung machte gestern Abend Waldhornwirt Krespach. Als er zu Bette gehen wollte und ge
wohnterweise unter sein Bett schaute, fand er, daß eine Person unter seinem Bette lag. Krespach eilte sofort in die Wirtschaft und holte die noch dort an» wesenden Gäste, welche den frechen Eindringling hervorholten. Bei seiner Durchsuchung fanden sich 60 ^ vor, welche er aus der Kommode gestohlen hatte.. Der hiesige Landjäger verhaftete den Burschen und verbrachte ihn hinter Schloß und Riegel.
Niedernau, 23. Juni. Der interessante sog. Kanzelfelsen in den sieben Thälern bei Niedernau, bei dem sich besonders die akademische Jugend Tübingens zu lagern pflegte, ist letzten Sonntag gegen 12 Uhr mit donnerähnlichem Getöse in den. Katzbach hinabgestürzt.
Ulm, 24. Juni. Nach dem ausgegebenen offiziellen Programm bezüglich des Besuchs des Königs und der Königin am 30. d. M. erfolgt, die Ankunft Ihrer Majestäten um 10'/- Uhr vormittags. Nach dem Empfang und der Begrüßung wird eine Umfahrt durch die Stadt, dann eine Parade in der Friedrichsau stattsinden; nach derselben, etwa von 1 bis 2 Uhr, wird ein Frühstück auf dem Rathaus eingenommen. Sodann ziehen sich Ihre Majestäten in das Hotel zurück. Nach einer 1'Mündigen Pause besichtigen die Majestäten das Münster und begeben sich alsdann nach Friedrichsau, wo ein Volksfest stattfindet. Um 6'/- Uhr ist das Diner auf dem Rathaus. Nach eingebrochener Dunkelheit findet die Illumination des Münsters statt. I. M. die Königin begiebt sich abends 10 Uhr 52 Min. nach Stuttgart zurück, während der König im Gasthof zum Russischen Hof übernachtet und am andern Morgen nach Heiden» heim sich begeben wird.
Ravensburg, 23. Juni. Die Spar- und Vorschuß bank hat heute den Konkurs angemeldet. Soweit bis jetzt ermittelt, beträgt die Ueber- schuldung nahezu '/- Mill. Mark. Der Krach dieser Bank wird durch die Solidarhaft der Mitglieder für viele derselben verhängnisvoll werden. In wieweit dieses Unheil durch Schuld der Bankleitung herbeigeführt worden ist, wird die gerichtliche Untersuchung
— Fürst und Fürstin Bismarck trafen am Freitag morgens 2 Uhr in München ein. Ein Empfangskomite überreichte mit kurzen Worten der Begrüßung Blumensträuße und ein Musikkorps spielte- die „Wacht am Rhein". Bis zur nahen Villa Lenbach's bildeten Studenten Fackelspaliere. Um 10'/- Uhr morgens brachte der akad. Gesangverein dem Fürften- paar ein Ständchen. Eine Deputation aus Augsburg ersuchte den Fürsten um einen Besuch, welcher Einladung der Fürst mit der Einschränkung zusagte,, daß ihm nur eine Stunde hiefür verbleibe. Er sprach der Deputation gegenüber seine Freude aus, daß er. seinen alten politischen Gesinnungsgenossen Bürger-
Moment entschied über die nächste Zukunft Regina's. Die Blicke des Vormunds
und der Mündel, die sich bis jetzt fremd gewesen, tauchten ineinander und der seelische Rapport, der nur zwischen Gleichgesinnten möglich ist, war hergestellt. Unwillkürlich breitete der Geistliche seine Arme der Kleinen entgegen und zu Palma's höchstem Erstaunen flog Regina auf den neuen Vormund zu und schmiegte sich zärtlich und vertrauend an sein Herz ....
Frau Lindsay fühlte ihre Augen feucht werden und Herr Palma blickte angelegentlich hinaus in den Garten. Plötzlich begann Regina heftig an zu schluchzen und als der Pfarrer besorgt fragte, ob ihr etwas fehle, schüttelte sie nur den Kopf und schmiegte sich fester in seine Arme.
„Es thut mir so gut, weinen zu können." flüsterte sie endlich, unter Thränen lächelnd.
„Dann weine nach Herzenslust, mein Liebling," sagte der Pfarrer sanft und Regina nützte dieses Zugeständnis aus. Endlich aber trocknete sie ihre Thränen, und nachdem sie mit Frau Lindsay Freundschaft geschloffen, folgte sie der Aufforderung der Letzteren, sich ihr neues Zimmer zu besehen, während der Pfarrer den Advokaten in die Bibliothek führte. Nachdem Beide Platz genommen, sagte Herr Palma:
„Ich sehe, daß ich im Irrtum war, als ich annahm, Sie, hochwürdiger Herr, und Regina seien einander fremd."
.Das war durchaus kein Irrtum," lächelte Doktor Hargrove; „wir sahen uns vorhin zum ersten Mal."
„Dann muffen Sie im Besitz eines Zaubermittels sein", meinte Palma lachend, oder haben Sie Regina durch ihren Blick magnetisiert, hochwürdiger Herr?"
„Nicht, das ich wüßte, was bringt sie zu der Frage, Herr Palma?'
„Diese Art und Weise, wie Regina ihre Begrüßung aufnahm und erwiederte — gegen mich ist die Kleine so kühl und zurück altend, als möglich. Sie wissen doch, daß ich Ihr Mitvormund bin, hochwürdiger Herr?"
„Jawohl. Hat Regina's Mutter Ihnen ihre Schicksale mitgeteilt Herr Palma ?"
„Nur soweit dies nötig war, hochwürdiger Herr; sie wünschte meinen Rat und macht» mich zu diesem Behufe mit verschiedenen Thatfachen bekannt."
„Kennen Sie den wirklich Namen der Dame, Herr Palma?"
„Nein, ich kenne Sie nur unter dem Namen Olivia Orme und als eine Schauspielerin und Künstlerin ersten Ranges, außerdem ist sie eine vollendete Schönheit."
„Sind Ihnen die Umstände, unter welchen ihre Heirat geschlossen wurde, bekannt?"
„Nein, ich weiß nur, daß Sie, ehrwürdiger Herr, die Trauung vorgenommen
haben."
„Kennen Sie den Namen von Regina's Vater?"
„Nein, derselbe ist mir niemals genannt worden, wenn Madame Orme mir auch mitgeteilt hat, daß Orme nur ihr angenommener Name sei."
„Und hegen Sie Vermutungen hinsichtlich der Lösung des Geheimnisses?"
„Offen gestanden — nein. Anfänglich freilich spürte ich etwas wie Neugier und gab dieser oder jener Annahme Raum, meine Klientin indes lehnte es entschieden ab, mir D-lails mitzuteilen und vertröstete mich auf spätere Zeiten. Ich weiß genug, um ihre Interessen wahren zu können und mehr ist für's Erste nicht nötig."
Doktor Hargrove nickte befriedigt vor sich hin; Herrn Palma's Charakter und Art, sich zu geben, waren ihm höchst sympathisch. Nach kurzem Schweigen fuhr der Advokat fort:
„In Bezug auf ihre Tochter hat Madame Orme mir volles Vertrauen bewiesen. Sie Unterzeichnete kürzlich auf meinem Büreau, in Gegenwart zweier Zeugen,. ein Dokument, laut welchem wir Beide, Sie, hochwürdiger Herr und ich, zu Vormündern über ihre Tochter, Regina Orme, ernannt worden sind; sollte einer von uns Beiden sterben, bevor Regina mündig ist, so fällt dem Anderen die Aufgabe zu der übernommenen Verpflichtung allein gerecht zu werden. Ich muß gestehen, daß ich nur widerwillig in die Übernahme der Vormundschaft gewilligt habe, denn ich bin sehr beschäftigt und habe keine Muße für derartige Mühewaltungen, allein ich konnte die Bitte nicht wohl abschlagen."
„Halten Sie Regina's Mutter für eine durchaus ehrenhafte Persönlichkeit^. Herr Palma?"
(Fortsetzung folgt.)