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— Wie die Frankfurter „Kl. Pr." mitgeteilt, haben die jetzt beendigten Revisionen definitiv ergeben, daß der flüchtige Hauptkassierer des Rothschildschen Bankhauses Jäger 1,700,000 unterschlagen hat. Das ist die Summe, die gleich zu Anfang genannt wurde. Es handelt sich auch nicht um jahrelang oder auch nur längere Zeit fortgesetzte, durch falsche Buchführung verübte Veruntreuungen, sondern die Unterschlagung geschah, wie bereits erwähnt, dadurch, daß Jäger 1,200,000 ^ für das Bankhaus Rothschild bei einer anderen Bankfirma erhob, und zwar einige Tage früher, als sie fällig waren, und 500,000 aus der von ihm verwalteten Kasse entnahm. Der Brief aus Darmstadt mit Jägers fingierter Unterschrift ist, wie jetzt ermittelt wurde, von einer der beiden „Damen" geschrieben, zu denen Jäger in Beziehungen stand. — Wie ein Berichterstatter aus guter Quelle gehört hat, wurden die Gehälter für den ersten und zweiten Kassierer jetzt auf 10,000 ^ erhöht. Ein anderer Berichterstatter teilt mit, es kämen zahlreiche Anerbietungen von Leuten, die sich für Gewährung eines anständigen Honorars verbindlich machen, Jäger binnen kurzer Zeit zur Stelle zu bringen. Einer dieser Herren verlangt dafür 150,000
Berlin, 30. April. Die Nordd. Allg. Ztg. polemisiert gegen die übermäßige Beachtung, welche verschiedene Blätter dem 1. Mai schenken. Der sozialistischen Feier dieses Tages wohne keine politische Bedeutung bei.
Berlin, 30. April. Das Tageblatt meldet aus Paris: An der Pariser Börse wickelten sich am Freitag die Geschäfte im Freien unter den Kolonnaden des Börsengebäudes ab, da gedroht worden war, das Börsengebäude mit Dynamit in die Luft zu sprengen. — Die Anarchisten schlugen an den Kasernen ein Manifest an, welches die Truppen zum Abfall auffordert. Die Polizeipräfektur erhielt 1500 Drohbriefe, der Präfekt persönlich 142.
Metz, den 25. April. Neue Feuerwehrlei t e r. Im Hofe der St. Vinzenzschule fand gestern Vormittag eine zwei Stunden währende eingehende technische Prüfung der in der Fabrik von C. D. Magirus in Ulm gefertigten 16 Meter langen mechanischen Feuerleiter statt. Anwesend waren Herr Bürgermeister Halm, die Herren Beigeordneten Dr. Adelmann, Lallement, Augustin, Maschineninspektor und Baurat Wolfs, Maschineningenieur Gioertz aus Montigny, Kreisbaurat Heidegger, Stadtbaumeister Wahn, Branddirektor Mungenast, Oberbrandmeister Latz, die Offiziere der Feuerwehr und eine Anzahl anderer Herren. Die besonders kräftig gebaute ganz ausgezogene freistehende Leiter wurde durch Anhängen von Gewicht an der obersten Sprosse mit 439 Kilogr. belastet, in derselben Stellung, aber fahrend, fand eine Belastung mit 166 Kilogr. statt. Hierauf wurde dasselbe Gewicht angehängt und in Bewegung gesetzt, um zu ermitteln, welchen Einfluß diese Prozedur auf die Leiter haben könnte. Das Ergebnis dieser Prüfungen war ein äußerst befriedigenves. Ebenso günstig verlief die nach beiden Seiten hin vorgenommene einseitige Belastung der Leiternspitze mit 274 Kilogr., sowie das Neigen der Leiter nach der Seite und nach vorwärts. Dieselbe Konstruktion lieferte Magirus schon vor Jahren unserer Garnisonsfeuerwehr, woselbst sich solche vor
züglich bewährt hat. Die Detailausführung der Leiter wurde als sehr gut und sachgemäß anerkannt, die Handhabung als sicher und einfach, so daß sich unsere Feuerwehr dieser neuen Rettungsleiter mit vollstem Vertrauen bedienen kann.
Bern, 30. April. (Privattelegr. d. „N. Nachr.") Im Arbeiterdorfe Prilly, nahe der Stadt Lausanne, hat in dem Hause, wo die achtzigjährige Mutter des Präfekten Pingoud von Lausanne wohnt, eine Explosion stattgefunden; Pingoud hat durch die Post außer einer ganzen Anzahl von Drohbriefen eine Patrone erhalten mit der Aufschrift: „Ein Muster". Auf Verfügung des Bundesanwaltes wurden in Lausanne drei Anarchisten französisch-italienischer Nationalität verhaftet. Weitere Verhaftungen stehen bevor. Das Treppenhaus und die Balustrade sind zerstört; verletzt wurde Niemand.
Wien, 30. April. An verschiedenen Orten fand man gestern Plakate mit den Worten: „Hoch Ravachol! Wir kommen auch nach Wien"; dieselben wurden sämtlich konfisziert. — Die Pester Polizei verbot alle angesagten 31 Arbeiteryersammlungen, die für den 1. Mai in Aussicht genommen waren. — In Tarent wurde nach einer Meldung aus Venedig gestern das Rathaus von Anarchisten in die Luft gesprengt. In ganz Italien dauern die Verhaftungen von Anarchisten fort.
Brüssel, 30. April. Die Anarchisten- Verhaftungen wurden heute in ganz Belgien eifrig fortgesetzt. Für morgen bestehen keine Besorgnisse außer in Lüttich. Gegen den gestrigen Brüssel- Pariser Nachtschnellzug wurde durch Auflegen zweier Dynamitbomben auf die Schienen in der Nähe von Mons ein Attentat verübt. Der Zugführer konnte den Zug rechtzeitig zum Stehen bringen. Zwei Franzosen wurden, als der That verdächtig, verhaftet.
Paris, 30. April. Der Ministerrat sprach sich bezüglich des Verkehrs mit Dynamit gegen die Aenderung der bezüglichen Vorschriften und für die strengste Anwendung der bestehenden Gesetze aus, welche die Eigentümer des Dynamits, selbst wenn dasselbe gestohlen wurde, verantwortlich machen. Den Polizeikommissären der Umgebung von Paris wurde befohlen, morgen Massenansammlungen zu zerstreuen und für Manifestantentrupps den Eintritt in die Stadt zu verhindern. In Marseille wurden etwa zehn, in Saint Etienne vier, in Algier vierzehn mitden französischen in Beziehung stehende Anarchisten verhaftet.
Kermischtes.
Maifeier. Zu den am 1. Mai stattgehabten Versammlungen war eine Resolution zur Annahme empfohlen worden, welche die Schaffung einer wirksamen Arbeiterschutzgesetzgebung für alle Länder verlangt und als Grundlage hierzu den achtstündigen Normalarbeitstag, Verbot der Arbeit von Kindern unter 14 Jahren und Beschränkung der Arbeit aller Minderjährigen von 14—18 Jahren auf sechs Stunden täglich, Verbot der Nachtarbeit mit Ausnahme für jene Betriebe, welche ihrer Natur nach ununterbrochenen Betrieb erfordern, Ausschluß der Frauenarbeit in allen den weiblichen Organismus schädigenden Be-
ragenden Persönlichkeiten aus allen Kreisen der hiesigen Stadt. Um 1 Uhr fuhr Seine Majestät der König an und gratulierte dem Jubilar persönlich. Seine Majestät hat dem Jubilar einen prachtvollen silbernen Tafelaufsatz verehrt. Staatsanz.
Stuttgart, 30. April. Am 1. Mai d. I. scheidet Polizeiinspektor Ammon aus dem städt.
Polizeidienst, in welchem er nahezu 19 Jahre lang Dienste geleistet hatte. Der Gemeinderat hat demselben, anläßlich der Pensionierung für treue und gewissenhafte Pflichterfüllung besondere Anerkennung ausgesprochen. — In der Nacht vom 28./29. ds. Mts. wurden einem hiesigen Weingärtner, während derselbe bei seiner Hochzeit war, mittels Einbruchs 42 gestohlen. Der Thäter ist ein Taglöhner, welcher vor dem Diebstahl mehrere Tage bei dem Bestohlenen gearbeitet und den Aufbewahrungsort des Geldes, sowie die Abwesenheit des Bestohlenen gewußt hat, derselbe ist festgenommen.
Stuttgart, 30. April. Strafkammer.
Wegen fahrlässiger Körperverletzung wurde gestern Nachm, der 32jähr. Metzger Albert N a ch t r i e b von Eßlingen, bei Metzgermeister Frech hier im Geschäft, zu 14 Tagen Gef. verurteilt. Am 10. Jan.
Nachm. 3 Uhr fuhr er durch die Schellingstraße in die Kanzleistraße in raschem Tempo; hiebei wurde eine vom Herdweg kommende Dame überfahren und einige Schritte geschleift. Dieselbe erhielt mehrere Verletzungen, an welchen sie 6 Wochen krank darnieder lag; ein Strafantrag wurde nicht gestellt. Der An- gekl., welcher behauptete, rechtzeitig gerufen zu haben, was jedoch widerlegt wurde, gab seine Fahrlässigkeit in der Hauptsache zu, hat auch am Abend desselben Tages den Mann der Verletzten um Entschuldigung gebeten. Da er außerdem auch gut beleumundet und noch nie bestraft ist, lautete seine Strafe so mild wie oben angegeben. Schw. M.
Heilbronn, 28. April. Der vom Gemeinderat beschlossenen Herabsetzung der städt. Fleischsteuer um ein Drittel wurde heute vom Bürgerausschuß einstimmig, von den vereinigten bürgerlichen Collegien aber mit 23 gegen 9 Stimmen die Genehmigung versagt. Die Zustimmung beider Collegien erhielt aber die vom Bürgerausschuß beantragte Herabsetzung des Schulgeldes für Volksschüler von jährlich 4 ^ auf 2 ^ 40 -A
Gerabronn, 28. April. Heute hat sich hier eine Wette vollzogen, die viel Heiterkeit erregte.
Kaufmann Heß und Bärenwirt Rühling wetteten mit Redakteur Rückert um 36 daß sie in einem Tag, von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends, einen Kubikmeter Steine klopfen würden. Unter großem Andrang des Publikums hatten sich die beiden Herren schon bis mittags 12 Uhr ihrer Aufgabe entledigt und es hat nun Herr Rückert 36 ^ zu bezahlen, welche zu mildthätigen Zwecken bestimmt sind.
Tuttlingen, 29. April. Aus dem neuen Donaubette wurde heute Mittag der Leichnam einer nahezu 60jährigen Frau gezogen. Dieselbe war die Ehefrau eines vor 4 Wochen verstorbenen Schmiedmeisters und zeigte seit dessen Tod Spuren von Geistesstörung.
.selbst frappiert darüber, aber ich habe mich davon überzeugt, daß ein Mehr Verschwendung gewesen wäre. Es ist ein Hauptgrundsatz der Kriegtkunst, an richtiger Stelle die Kräfte der Mannschaft möglichst zu schonen. Ich freue mich, daß dieser Grundsatz unsrem Feldwebel so in Fleisch und Blut übrrgegangen ist, wir ich überhaupt den Scharfblick bewundere, mit dem der Feldwebel die Situation erfaßt hat."
Knotterich, Du Engel.
„Soweit war'« gut. Warum haben Sie mir keine Meldung geschickt?"
„Ich habe dem Herrn Oberst sofort Meldung und Skizze geschickt."
„So, nun der Mann wird'mich in seiner Dummheit nicht gefunden haben. DaS ist aber nicht Ihre Schuld."
Ah.
„Um zu sehen, ob Ihr klarer Blick sich in allen Lagen bewährt, habe ich Ihnen melden lasten. Sie sollten sich, falls Sie überlegen angegriffen werden, auf das GroS zurückzirhen."
O, weh, dir Heeg».
„Sie haben die Überlegenheit des Feinde» sofort richtig erkannt, Sie haben aber meinen Befehl nicht auSgeführt, haben sich nicht auf da» Gros zurückgezogen."
O Gott, die Heege, die Heege!
„Ich wollte sehen, ob Sie Selbständigkeit genug besitzen, um einen Befehl, dm Sir im vorliegenden Fall für falsch erkannt haben, nicht zu befolgen. E» ist da» eine große Verantwortung, die man da auf sich nimmt. Aber in Ihrem Fall war ^ da« einzig Richtige."
Ich mußte mich krampfhaft an meinem Nebenmann halten, sonst wäre ich umgefallen.
„Sie haben sich sehr richtig gesagt, befolge ich den Befehl und ziehe mich auf da» Gros zurück, so ist mein ganzes Corps ohne linke Seitendeckung; ich folge dem Befehl also nicht, sondern ziehe mich längst des Waldsaumes zurück, ganz so, wie Sie es auSgeführt haben. Das ganze zeigt mir, daß sich der Feldwebel nach der Karte genau über die Gefechtslage orientiert hatte. Ich spreche Ihnen für Ihre heutige Leistung meine vollste Anerkennung au», es wird mich freuen. Sie bei der nächsten Übung al» Kamerad begrüßen zu können. Ich danke Ihnen, meine Herren!"
Ich war sprachlos, es flimmerte mir vor den Augen. Für ein solche» Feld- Herrn-Genie hatte ich mich selbst in meinen kühnsten Träumen nicht gehalten. Ich weiß heute noch nicht, wem ich allem die Hand gedrückt habe, nur dunkel ist mir erinnerlich, daß mein Hauptmann zu mir sagte: „Es freut mich, daß Sie der Kompagnie Ehre gemacht haben, ich habe e» nicht ander» erwartet," sowie weiter daß ich ein paar Mal leise sagen hörte: „Der Mensch hat einen unglaublichen Dusel."
Dann ging ich, von den Kameraden voller Ehrerbietung und achtungsvoller Scheu beglückwünscht, zur Kompagnie zurück.
„No, hawe mer unser Sach net gut gemacht?" frug Knotterich.
„Knotterich, Sie sind «in Engel! Übrigen» find da» aber meine Sachen!"
,Lu Befehl, Herr Feldwebel I ich Hab' ja auch nur gemeint."
Ende.