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durch den Gemeinderat den Ortspreisen ent­sprechend festsetzen zu lassen.

4) Steuerbefreiungsansprüche sind von den Orts­steuerkommissionen sachgemäß zu prüfen und in das hiefür besonders zu führende Verzeich­nis aufzunehmcn.

b) Leibgedinge, Wohnungsrechte, Leibrenten u. s. w. unterliegen gleichfalls der Besteuerung; ebenso find verzinsliche und unverzinsliche Zielerforde­rungen zu fatieren, dagegen dürfen

6) die Einlagen in die Oberamts- und Landes­sparkasse nicht satiert werden.

7) Die Steuerpflichtigen haben die Fassionen selbst zu unterzeichnen, die Bevollmächtigten der im Ausland sich aufhaltenden Steuerpflichtigen und die Privatvermögensverwalter haben den Fast sionen Vollmachten in Original oder in be­glaubigter Abschrift unter Angabe der Giltig­keitsdauer beizuschließen.

8) Wer ein steuerpflichtiges Einkommen ganz oder teilweise verschweigt, hat neben der verkürzten Steuer den zehn­fachen Betrag derselben als Strafe zu bezahlen.

9) Die Ortssteuerkommissionen haben das Geschäft genau nach den bestehenden Vorschriften zu vollziehen und sämtliche Akten mit den Kosten- verzeichnifsen spätestens am 15. Mai d. I. anher vorzulegen.

Hirsau, den 9. April 1892.

K. Kameralamt.

Kemmel.

Tages-Ukuitzkeiten.

* Calw, 11. April. Der diesjährigen Pas­sionsaufführung des Kirchengesangvereins lagen verschiedene Gesänge von Heinrich Schütz, G. F. Händel und I. S. Bach zu gründe.Die sieben Worte Jesu am Kreuze" von Schütz waren umrahmt von 2 düster gehaltenen Chören, welche zur Betrach­tung des bittern Leidens Jesu auffordern und recht eindringlich zu den Herzen sprechen. Die Worte des Evangelisten, ebenso einige Arien und Necitative von Händel, sowie eine StimmeAch Golgatha, unsel'ges Golgatha" von Bach, wurden von Frl. H. Weber aus Wildberg gesungen. Die Sängerin besitzt eine ansprechende, Helle, einschmeichelnde Stimme; ihre Aussprache wie auch ihr Vortrag ist ungeziert, natür­lich und ungesucht. Ihre Leistung verdient alle An­erkennung und wir würden uns freuen, wenn die Solistin auch ferner dem Kirchengesangverein ihre Kraft zur Verfügung stellen würde. Die Altpartien wurden von Frl. Heldmaier recht brav vor­getragen; ebenso entledigten sich die Herren W. Schwämmle und H. Ansel jr., welch elfterer die 7 Worte des Herrn übernommen hatte, ihrer Auf­gabe in sehr befriedigender Weise. Am wirkungs­

vollsten war die Passionsmusik von Bach. Großartig ist der DoppelchorKommt, ihr Töchter, helft mir klagen" mit dem eingefügten ChoralO Lamm Gottes unschuldig" (gesungen von dem Schülerchor des Herrn Roos), wirklich ergreifend die Choräle und innig erquickend der liebliche SchlußchorWir setzen uns mit Thränen nieder". Die Orgelbegleitung lag in den bewährten Händen des Hrn. Organisten Vinqon und die Violinenbegleitung wurde durch Herrn G. Baumann, Hrn. Musikdirektor Speidel und Schüler exakt und sicher durchgeführt. Mit Umsicht und gewohnter Energie hat der Dirigent des Kirchen­gesangvereins, Hr. Fr. Gundert, auch diesmal wieder die Aufführung geleitet, wofür ihm hiemit auch der wohlverdiente Dank ausgesprochen werden soll.

* Calw, 11. April. Am Freitag abend fand im Georgenäum die Schlußfeier der gewerb­lichen Fortbildungsschule statt. Der Schul­vorstand, H. Prof. Haug, leitete die Feier mit einer trefflichen Ansprache an die Schüler ein, worauf die Preisverteilung erfolgte und weitere aufmunternde Ansprachen von dem Vorstand des Gewerbevereins, H. Direktor Spöhrer, und dem Vorstand des Ge­werbeschulrats, H. Rektor Müller, sich anfchloßen. An fleißige, tüchtige und brave Schüler konnten Prämien und Belobungen verteilt werden. Die Prämien be­standen aus Büchern, Handwerkszeug und baar Geld. Bei der Erteilung von Prämien wird nicht nur auf Kennt­nisse, sondern besonders auch auf Wohlverhalten und gute Sitten gesehen. Da nur für das Zeichnen eine Stiftung für Prämien vorhanden ist, für die übrigen Schulfächer aber nicht, so ist es sehr dankenswert, daß der Gewerbeverein hier eintritt und alljährlich eine gewisse Summe für diesen Zweck bewilligt, damit die Schüler in den wissenschaftlichen Fächern nicht leer j ausgehen. Die Fortbildungsschule war auch im letzten l Winter stark frequentiert und es ist den Schülern jede Gelegenheit geboten, sich weiter fortzubilden. Es ist erfreulich, daß von den meisten Meistern eine Weiterbildung für notwendig erachtet wird, denn ohne gute Schulbildung kommt einer in gegenwärtiger Zeit zu keinem besseren Posten. An der Schule unter­richteten 7 Lehrer. Unterrichtsfächer waren: Fran­zösisch, Englisch, Deutsch, Rechnen, Geometrie, Buch­führung, Freihand- und technisches Zeichnen.

Hirsau, 7. April. Gestern nachm, verlor der 5jährige Knabe von W. Kr afft hier auf eine traurige Weise das Leben. Derselbe wurde von einem anderen, gleich alten Knaben auf einem Handkarren über die Nagoldbrücke geführt; da die Brücke hier etwas ab­schüssig ist, so kam der Karren in schnellen Lauf, konnte von dem leitenden Knaben nicht mehr gehalten werden und schlug um, wobei der darauf befindliche Knabe so schwer verletzt wurde, daß er auf der Stelle tot war.

n. Liebelsberg, 10. April. Gestern -cköurde auf unserem Rathause ein harter Strauß aus-

gefochten. Die bürgerlichen Kollegien von hier, Ober- haugstett, Schmieh und Emberg waren versammelt,, um über die gemeinschaftlich zu bauende Wasserleitung endgiltig Beschluß zu fassen. Den Vorsitz führte Oberamtmann Supper. Der ebenfalls anwesende Wasserbautechniker und Zivil-Ingenieur K r ö b e r aus Stuttgart verlas den Kostenvoranschlag, nach welchem die 4 Gemeinden ca. 107 000 ^ gemeinschaftlich zu. bezahlen hätten. Nach Maßgabe der Einwohnerzahl event. auch der Entfernung, sollte diese Summe in Prozenten auf die einzelnen Orte verteilt werden. Man einigte sich bis auf 1 Prozent, von welchem die hiesige Gemeinde freiwillig die Hälfte übernahm, die andere Hälfte sollte Schmieh und Emberg trägem Nun entspann sich ein scharfer Kampf und fast wäre an dieser Kleinigkeit (ca. 500 das ganze Projekt gescheitert, da beide Gemeinden sich hartnäckig gegen, die Uebernahme dieses letzten halben Prozents sträub­ten. Endlich, nach vielem Zureden, einigte man sich dahin, daß beide Orte je '/« °/° tragen sollten. Es hätte also an obiger Summe zu übernehmen Ober- haugstett 34 °/o, Liebelsberg 28'/-"/°, Schmieh 19'/«'/» und Emberg 18'/«°/». Auch die Wahl des Verwal­tungsausschusses ging nicht ohne Kampf ab. Die kleineren Orte Schmieh und Emberg verlangten näm­lich die gleiche Mitgliederzahl wie die größeren Ge­meinden Haugstett und Liebelsberg und führten dafür mancherlei zum Teil sonderbare Gründe ins Feld- Endlich gelangte man auch hierin zu einer Einigung und es wählten außer den Schultheißen die größeren. Orte je 2, die kleineren je 1 Mitglied in den Aus­schuß. Sobald die Genehmigung der Kgl. Kreis­regierung eingeholt ist, wird mit dem Bau begonnen, und hofft man, die Leitung bis nächsten Herbst fertig stellen zu können.

Feuerbach, 8. April. Mehrere Mtter melden: Heute vormittag 9 Uhr erfolgte in der Hauffschen Fabrik, in welcher Schwefelkohlenstoff her­gestellt wird, eine heftige Explosion, welche die Fabrik in Brand setzte. Verletzt wurde niemand, da die Arbeiter gerade zum Vesperbrot gegangen waren.. Die Fabrik hat bis vor 14 Tagen Pikrinsäure fabriziert, von der manchmal Quantitäten von mehreren hundert Zentnern aufgespeichert waren. Seit 14 Tagen war jedoch zum Glück die Fabrikation eingestellt und kein Vorrat mehr vorhanden.

Eßlingen, 7. April. Bei der Stadtschult­heißenwahl haben von 2774 Wahlberechtigten. 2026 ^ 73°/» abgestimmt. Amtsrichter Dr. Mül- berger erhielt 1001 Stimmen, Amtmann Dr. Schön­mann 949 Stimmen, Dr. Heiner 70 Stimmen.

Strümpfelbach i. R., 8. April. In hiesiger Gemeinde stehen die frühen Kirschbäume als Vor­boten der etwas späteren Sorte bereits in schöner Blütenpracht, und man hat über die Osterfeiertage die schönste Gelegenheit, hier ein wahres prachtvolles Blütenmeer zu sehen.

gebt mir Unterstand bis morgen, denn ich bin müde, und dann wollen wir weiter zusammen reden. Ich habe gehört, daß es euch schlecht ergeht und daß der Hof in Gefahr ist, Blutsaugern und Wucherern in die Hände zu fallen. Gottlob, daß ich zu rechter Zeit wiederkehrte und es in meiner Macht steht, diesen Schimpf von dem Besitz meiner Väter abzuwenden. Also, tröstet Euch, Mann, eS soll Euch geholfen werden."

Dem Bauer fiel eS bei diesen Worten wie eine Zentnerlast vom Herzen, während über das Gesicht des blaffen Weibes die Hellen Thränen liefen, als sie sprach:

Siehst Du, Walter, wenn die Not am größten, ist die Hilfe am nächsten! O, ich wußte, daß es nicht zum Ärgsten mit uns kommen würde! Aber setzt Euch, Ulrich, und teilt unser einfaches Abendessen mit uns; 's ist freilich nicht viel, aber immerhin genug, einen müden Wanderer zu stärken."

Treuherzig reichte sie dem Gast die Hand und eilte dann hinaus, um das Nötige zu beschaffen. Ulrich aber sank in den alten Sessel, vergrub sein Gesicht tief in beide Hände und der Strom der Erinnerungen brach allmächtig über ihn herein.

Das war dieselbe Stelle, wo die tote Mutter jahrelang ihre Abende verbracht

dieselbe Stelle, von wo aus sie ihre letzten mahnenden Worte zu ihm gesprochen

von wo er in wildem Trotz hinausgeeilt war in den nächtlichen Wald die Stelle, nach welcher er zurückkam, mit ewiger nie zu sühnender Schuld beladen.

Nie zu sühnen! Er fühlte eS nie deutlicher als heute.

Wohl hatte er alles, was sonst dem Menschen das Leben leicht und angenehm machen kann, denn die letzten Jahre in New-Dork hatten ihm Geld und Schätze die Fülle gebracht er kehrte als ein reicher Mann zurück. Aber einen Reichtum hatte er unwiderbringlich verloren den Flieden der Seele die Ruhe des Herzens, nie war ihm die» so klar geworden, wie an diesem Abend, wo er an der Stätte weilte, die Gegend wieder betteten halte, wo er diese kostbaren Güter dereinst von sich geworfen.

Und »in Name war heute plötzlich an sein Ohr geschlagen, der den Sturm in

seinem Innern wieder voll und ganz erweckt die alten Bilder wieder aufgefrischt hatte, daß sie so lebendig vor ihm gestanden, als seien die Erlebnisse der letzten fünf­zehn Tage, die ihn zum ernsten Manne gereist hatten nur eitel Traum:

Gertrud!

Sie lebte hing noch am Hof hatte selbst einen Teil ihres bescheidenen Einkommens für die Erhaltung desselben geopfert.

Wie eine wilde, glühende, verzehrende Sehnsucht kam es über ihn; er mußte sie, mußte die Einzige Wiedersehen, um die er dies Alles auf sich geladen um die er sein Leben hingeworfen, die lange, lange Qual getragen hatte.

Nur noch wie ein nebelhafter Schatten dämmerte in weiter Ferne das Gedenken an Weib und Kind, die er da drüben, jenseits des Oceans, unter den rauschenden Bäumen des urewigen Waldes gebettet wußte allmächtig lockte ihn das Bild der Lebenden und die erste, heiße Jugendliebe flutete wieder so gewaltig in seinem Herren auf, daß ihn das Gefühl zu ersticken drohte.

Der Bauer mochte ahnen, daß in der Brust des Gastes etwas Eigentümliches vor sich ging, denn er überließ den Besucher ungestört seinem Sinnen, bis die mit Speise und Trank zurückkehrend« Bäuerin denselben aufschreckte und seinen Gedanken entriß.

Das einfache Mal war beendet, aber bis tief in die Nacht hinein saßen die Dreie rechnend und zählend, und als Ulrich spät sein Lager aufsuchte, wußte er Alles und hatte sich mit dem Besitzer des Gutes über die Zukunft geeinigt.

Der Schwedenhof war wieder sein Eigentum, er hatte die Schulden über­nommen und Walter in einer Weise abgefunden, wie es dieser in seinen kühnste« Träumen nicht erwarten konnte. Ruhe und Freude waren bei dem Ehepaar binnen wenigen Stunden eingekehrt und zum ersten Male schliefen sie wieder den Schlaf der Glücklichen, während der Spender diese» Glücke» ruhelos auf seinem Lager saß und da» nicht finden konnte, was er vergeblich fest langen Jahren suchte dm

Frieden.-

(Fortsetzung folgt.)