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Stuttgart betrifft, so haben sich 403 zum völligen Ladenschluß verpflichtet, 407wünschen" ihn für künftig, 221 wollen Sonntags nur vor dem Vormittags­gottesdienst offenhalten, dagegen 1221 auch über Mittag, und zwar 45°/» über 1 Uhr, 28°/° länger als 2 Uhr. Endlich wies der Vortragende darauf hin, wie viel der Einzelne zum Schutz des Sonntags thun könne durch Unterlassung der Sonntags­einkäufe, welche bei einiger Ueberlegung und gutem Willen meist ebenso gut am Werktag gemacht werden könnten. Er schloß mit der Mahnung an die Haus­väter, daß sie sich zu dem Losungswort entschließen möchten: der Sonntag gehört meiner Familie und meinem Gott. Die sich nun entspinnende Erörterung drehte sich um die Fragen, ob für die Sonntagsruhe der Arbeiter statt 24 Stunden nicht 36 Stunden, von Samstag abends 6 Uhr bis Mon­tag früh 6 Uhr angestrebt werden sollten, ferner ob hier das Bedürfnis vorliege, daß die Kaufläden am Sonntag während der ganzen gesetzl. erlaubten Zeit von 5 Stunden offen gehalten werden? Sodann erfreute Hr. Rektor vr. Weizsäcker die Versamm­lung durch einen trefflichen geschichtlichen Rückblick auf 2 berühmte Januartage; er stellte dem 18. Januar 1871, dem Tag der Annahme der deutschen Kaiser­würde durch Wilhelm I., die Tage von Canossa gegenüber (25.27. Jan. 1077), wo ein deutscher König barfuß, in der Kleidung eines Büßenden, im Schloßhof stehen und auf des Papstes Gnadenwort harren mußte. Der Redner knüpfte an diese Er­innerung Worte patriotischer Mahnung, welche mit lautem Beifall ausgenommen wurden. Der Rest des Abends wurde mit Besprechung von Vereinsangelegen­heiten, mit Deklamation und geselliger Unterhaltung zugebracht.

x Calw, 15. Febr. Gestern Abend von 6 Uhr an hielt Herr W. Volk aus Pforzheim einen 1'/-ständigen Vortrag über die Geschichte der Erde im I. Dreiß'schen Saale. Sein in allen Teilen sehr guter Vortrag wurde mit großem Beifall ausgenommen. Herr Volk verstand es, sich für jeder­mann verständlich auszudrücken, namentlich waren die bildlichen Darstellungen durch das Sciopticon sehr interessant. Es war nur zu wünschen, daß die Mühe, die sich der Vortragende gegeben hat, durch stärkeren Besuch bester belohnt worden wäre.

Calw. Von Holzbronn meldet man uns > einen Fall, der in weitem Umkreis tiefes Beileid erweckt. Innerhalb 12 Tagen sind dem Landpost­boten Niethammer fünf Kinder an der Hals­bräune gestorben, während die Frau und das letzte Kind, ein dreijähriger Knabe, ebenfalls an der ge­fürchteten Krankheit darniederliegen. Im ganzen Ort ist sonst kein Fall von Erkrankung vorgekommen. Alle 5 Kinder ruhen in einer Reihe auf dem Gottes­acker.

Leonberg, 12. Februar. Seit einiger Zeit weilt hier ein schwarzer Reichsbürger aus Kamerun. Derselbe ist hier bei Missionar Bizer, welcher die biblische Geschichte und den Katechismus in die Sprache der Duallas übersetzt, wobei ihm der Kameruner behilflich ist. Der Letztere erhält zugleich Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen und anderen Schulfächern, um diese Kenntnisse später in seiner Heimat für seine Stammesgenossen zu verwerten. Sein Alter ist ungefähr 21 Jahre, jedoch vermag er darüber keinen bestimmten Aufschluß zu geben.

Stuttgart, 13. Febr. In der Nacht vom 11./12. Febr. wurde in einer Buchdruckerei hier ein Einbruchsdiebstahl verübt und der Inhalt der in einem Schreibtisch aufbewahrten Tageskasse mit ca. 700 gestohlen. Zwei Diebe, wovon einer in der betr. Druckerei gearbeitet hatte, wegen Blauen- machens aber entlassen worden ist, wurden in ihrem Schlafraum in betrunkenem Zustande getroffen und festgenommen. Ein Teil des gestohlenen Geldes wurde bei ihnen vorgefunden.

Stuttgart. Zirkus James. Ein äußerst reges und rühriges Leben herrscht seit einigen Tagen in der hiesigen städtischen Reithalle, welche sich, voll­ständig umgestaltet, demnächst in einem ganz neuen, höchst eleganten Kleide präsentieren wird, indem hier, wie bereits bekannt, Capt. James am 6. März mit seinem großen japanischen Zirkus seinen Einzug hält. Große Vorbereitungen werden u. a. auch bereits getroffen, um die Wasserpantomime (den Zirkus unter Wasser), mit welcher Direktor James Ben Akibas SpruchAlles schon dagewesen" des­avouiert und dem hiesigen Publikum etwas hier noch nicht Dagewesenes bringt, zu einer Sensationsnummer zu gestalten. Auf mächtigen Gerüsten stehen bereits acht eiserne Bassins, über 100 Kubikmeter Wasser fassend, welche sich allabendlich brausend in die Manege ergießen und den Zirkus unter Wasser setzen werden. Die Pantomime soll neu insceniert und in ganz neuer, luxuriöser Ausstattung zur Aufführung gelangen. Ueberhaupt sollen dem Publikum große Ueberraschungen bevorstehen und ihm em exquisites künstlerisches Menu aufgetischt werden.

Ulm, 12. Febr. Die Viehzuchtgenossenschaft für das Oberamt Ulm hat in der letzten Woche einen größeren Transport Zuchtvieh in der Schweiz aus­kaufen lasten, 25 Farren und 18 Kalbeln, die heute unter die Besteller, lauter Mitglieder der Genossen­schaft, versteigert wurden. Es sind durchweg gute Tiere, die um nicht zu hohen Preis erworben wurden. Die Versteigerung ergab einen beträchtlichen Mehrerlös, der den Steigerern zu gute kommt, da die Viehzucht­genossenschaft den größten Teil der Aufkaufskosien auf ihre Kasse übernommen hat. Der höchste Steigerungs- .pröis für einen Farren ist 1100 für eine Kalbel

810 Mit diesem Einkauf ist wieder ein bedeuten­der Schritt zur Verbesserung der Viehzucht im Bezirk geschehen, der sich, namentlich der untere Teil (Langenau und Umgegend) in dieser Hinsicht schon seit lange des besten Rufs erfreut. Beim Eisenbahntransport der aufgekauften Tiere ist ein Farren verunglückt, der infolge dessen geschlachtet werden mußte. Der ganze Transport war jedoch bei der Versicherungsgesellschaft Wilhelm« in Magdeburg versichert, so daß die Genossen­schaft nicht in Schaden kommt.

Württembergischer Gerberverein. Der Ausschuß dieses Vereins hielt unter dem Vorsitz des Herrn Christian Bantlin aus Reutlingen am Stuttgarter Ledermarkt den 2. Februar eine Ver­sammlung im Hotel Silber in Stuttgart ab, zu der sich ca. 60 Mitglieder aus dem ganzen Lande ein­gefunden hatten. Hauptgegenstand der Beratung bildete dis gegenwärtig ungemein schwierige Preislage der im Lande zur Fabrikation kommenden Ledersorten. Die Lederpreise stehen thatsächlich in keinem Verhältnis mehr zu den Preisen der Roh-Ware, der Gerbstoffe, den hohen Arbeitslöhnen und den immer mehr sich steigernden Gemeinde-Steuern. In erster Linie war die Versammlung einig, daß bedeutende Preisermäßig­ung in allen Sorten roher Häute und Felle einzu­treten habe, und daß ein Zusammenstehen aller Kollegen behufs Abschlags der Rohware um mindestens 10 bis 15°/o gegenüber den gegenwärtigen Preisen dringend geboten sei. Weiter wurde im Interesse der vaterländischen Forstwirtschaft zu reger Beteiligung am nächsten im April stattsindenden Heilbronner Rindenmarkt aufgefordert, und besonders darauf aufmerksam gemacht, daß durch die König!. Forstbe­hörde zum Schutz der Eichen-Rinden gegen Regen wasserdichte Decken angeschafft wurden, die sich sehr bewährt haben. Von mehreren Seiten wurde bezeugt, daß die 50 Pfennige pro Zentner Mehrkosten für das Deckenmaterial gerechtfertigt und durch den Mehr­wert der unberegneten Rinden vollkommen ausgewogen werden. Viele Mitglieder erklärten, daß sie in Zu­kunft gern sich mehr an der Heilbronner Rinden-Ver« steigerung beteiligen werden, wenn wirklich durch Staat und Gemeinden mittelst derartiger Decken geschützte Rinde in thatsächlich unberegnetem Zustand zum Ver­kauf gelange. Diese Garantie müsse der Käufer haben;, es seien auch viel zu wenig Decken im Gebrauch ins­besondere bei Gemeinden. Der Ausschuß wurde be­auftragt bei der König!. Forstdirektion auf möglichste Vermehrung des Deckenmaterials zu dringen; auch soll am Heilbronner Rindenmarkt den Gemeinden diese Einrichtung ebenfalls empfohlen werden, da nur bei Lieferung regenfreier Ware die Heilbronner Rinden- Versteigerung in Zukunft günstige Resultate aufweisen werde. Ueber die Einschätzung zur Gewerbe­steuer wurden Klagen laut dahingehend, daß der Modus der Einschätzung nicht überall derselbe sei..

Arrestanten in seine Zelle zurückzuführen, da er für diesen Tag seine vergebliche Ar­beit einzustellen gedachte, als ihm gemeldet wurde, daß ein junges Mädchen da sei, welches ihn in der nämlichen Angelegenheit sehr dringend zu sprechen wünsche. Seiner Pflicht gemäß ließ er sie hereinführen, und er war überrascht von der An­mut und Lieblichkeit ihrer Erscheinung. Aber sein Gesicht wurde doch sehr ernst, als er erfuhr daß es die Tochter des Angeschuldigten Herbold sei, welche da vor ihm stehe. Er zweifelte nicht, daß sie irgend einen Versuch machen würde, ihren Vater zu entlasten, und er war darum von vornherein entschlossen, ihr mit der miß­trauischsten Vorsicht zu begegnen.

Die strenge Miene des Beamten und der düstere Charakter deS ganzen Ge­bäudes, in welchem seine Amtsstube lag, machten Elsbeth anfänglich sehr schüchtern und unbefangen; aber die bloße Erinnerung daran, daß sie hier nicht für sich selbst, sondern für ihren geliebten Vater zu sprechen habe, genügte, ihr Mut und Besonnen­heit zurück zu geben.

Ohne Stocken und ohne Verlegenheit erzählte sie bis in die kleinste Einzel­heit Alles, was sich vorhin in Johannes Jasmunds Mansardenstübchen zugetragen, und weder die sonderbar forschenden Blicke des Untersuchungsrichters, noch das un­gläubige Kopfschütteln, dessen er sich hier und da nicht erwehren konnte, vermochten sie in Verwirrung zu setzen.

Nicht ohne gewisse Spannung griff der Richter endlich nach dem Blatt» das ihm Elsbeth zuletzt als einen unzweideutigen Beweis für die Richtigkeit ihrer Er­zählung und für die Glaubwürdigkeit von JaSmunds Selbstbeschuldigung überreichte. Der kleine Schreiber mußte diese Zeilen noch mitten in der Nacht und gleich nach seiner Heimkehr aus das Papier geworfen haben, denn sie zeigten nicht die gewöhn­liche Schönheit und Regelmäßigkett seiner Handschrift, sondern liefen kraus und wirr durcheinander. Trotzdem war jedes Wort deutlich zu lesen und mit wachsen­dem Erstaunen nahm der Richter von dem Inhalt des merkwürdigen Schriftstück- Kenntnis.

ES lautete:

Ich bin ein Mörder! Dieselbe Hand, welche diese Worte niedrrschreibt, hat da» Blut eine» Menschen vergossen! Ich bin wie in einem Traume, und

wenn ich nicht das blutige Messer vor mir sähe, würde ich noch immer nicht glauben können, daß dies alle» Wahrheit sei! Aber e» giebt keinen Zweifel mehr! Jch> bin ein Mörder! Wer mir das noch vor wenig Tagen vorhergesagt hätte, mir, dessen Blut sich empörte, wenn ich ein lebendiges Geschöpf leiden sah! Und ich habe es nicht einmal im Jähzorn gethan oder in der Trunkenheit oder bei ge­störtem Geiste! Nein, ich habe kaltblütig und mit Überlegung gehandelt. Während des ganzen Tage» habe ich mich mit dem Plan getragen und habe alle Möglichkeiten erwogen, wie er am besten und am sichersten auszuführen sei. Meine letzten Pfennige habe ich ausgegeben, um mir das Dolchmesser zu kaufen. Der Waffenhändler auf dem Burstah wird es mir bezeugen, denn er mußte mir noch eine Kleinigkeit von dem Kaufpreise «blassen, well meine Baarschaft nicht reichte. Mit wie großen Augen mich der Mann ansah, als ich ihn fragte, ob das Messer auch wohl scharf und stark genug sei, um damit einen Menschen auf den ersten Stoß zu töten. Er hielt mich sicherlich für wahnsinnig, und doch bin ich niemals bei kälterem Blute und bei ruhiger Ueberlegung gewesen, als zu dieser Zeit. Es wollte mir erst nicht in den Sinn, daß ich ihn von hinten her feige niederstrchen sollte wie ein gemeiner Mörder! Er sollte nicht unvorbereitet fallen, sondern er sollte wissen, wofür er seine Strafe er­hielt. Eine lange Zeit hindurch ich glaube, e» sind mehrere Stunden gewesen wartete ich vor seinem Hause. Als er endlich herauskam, heftete ich mich an seine Fersen und versuchte, ihn zur Rede zu stellen! Aber er gab mir trotzige und hoch­mütige Antworten, und als mich dann dieser schreckliche Husten überfiel, so daß ich nicht mehr von der Stelle konnte, da kam er mir aus den Äugen.

Wie lange ich dann in den Straßen herum geirrt bin, die Hand immer an dem Griff meines Dolchmesser», weiß ich nicht mehr. Mit einem Mal sah ich ihn wieder vor mir gehen, und ich hätte laut aufjubeln können, so sehr erfreute mich diese Entdeckung. Aber ich machte keinen Versuch mehr, ihn anzureden. Ich habe ja keine Gewandtheü im Angreifer! und meine Kräfte sind so gering. Wenn er meine Absicht erkannt hätte, würde er mich sicherlich zu Boden geschlagen haben, noch eh« ich meinen Arm erhoben! Darum mußte ich ihm hinterrücks beizukommen suchen ei blieb mir kein« Wahl!

(Schluß folgt.)