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die sozialdemokratischen Ideen seien Wahnsinn, er sprach vomTeilen"; wenn man zu einem Bauern sagen würde, er solle seine Felder, und zu dem Kapitalisten, er solle sein Geld hergeben, sie würden sich schön bedanken." Dagegen habe ich zu bemerken, daß ich in jenem Vortrag das WortTeilen" mit keiner Silbe gebraucht habe. Vielmehr ist ausdrück-, lich nur auf das neueste Programm jener Partei hingewiesen worden, in welchem es heißt:die sozial­demokratische Partei Deutschlands erstrebt die Um­wandlung der Arbeitsmittel Grund und Boden, Bergwerke, Gruben, Maschinen und Werkzeuge, Ver­kehrsmittel in Gemeineigentum der Gesell­schaft, und die Umwandlung der kapitalistischen Pro­duktion in sozialistische Produktion." Das heißt auf deutsch, alles, was bisher Privateigentum gewesen ist, soll gemeinschaftliches Eigentum werden. Wenn der Berichterstatter der Tagwacht diese durchgreifende Veränderung in den bisherigen Besitzverhältnissen noch Teilen" nennen will, so ist das seine Sache. Sonst hören ja die Sozialdemokraten dieses Wort nicht gern und bezeichnen es bekanntlich als Unwissenheit, wenn man bei ihrem Programm vom Teilen redet. Wenn man sich aber ein wenig vergegenwärtigt, in welche Zustände wir durch diese letzten Absichten der genannten Partei hineingeführt werden sollen, und welche Gewalt­mittel schließlich anaewendet werden müssen, bis einem jeden Bauern und Kapitalisten u. s. w. sein bis­heriges Privateigentum abgenommen und inGemein­eigentum" verwandelt ist, so wird die Bezeichnung dieser Ideen als Wahnsinn wohl nicht zu stark sein.

Dann heißt es weiter:Schließlich führte der Herr Dekan noch an und das schien ihm am wenigsten zu passen daß gerade die angesehensten und besten Arbeiter Mitglieder des Sozialdemokrati­schen Vereins seien. Ein schmeichelhaftes Zeugnis für uns, weniger schmeichelhaft aber für die dem evangeli­schen Männerverein angehörenden Arbeiter". Leider muß auch diese Angabe berichtigt werden. Es mag ja sein, daß manche es gerne sehen würden, wenn den Mitgliedern des sozialdemokratischen Vereins ein solches Ehrenzeugnis ausgestellt würde. Aber die Sache verhält sich doch etwas anders. Ich habe nur erklärt, ich erkenne es gerne an, daß manche fleißige, tüchtige, sparsame Arbeiter sich der sozialdemokratischen Partei angeschlossen haben, Leute, denen man sonst nicht zu nahe treten möchte und welche nur von der Meinung geleitet seien, durch die Sozialdemokratie werde der Arbeiterstand gehoben.

Im übrigen hat der evangelische Männerverein, so jung er ist, die besten Aussichten und ladet nament­lich Arbeiter freundlichst zu seinen Zusammenkünften ein. Sollten auch Mitglieder des sozialdemokratischen Vereins den Männerverein wieder besuchen, so wird erwartet, daß sie es künftig mit der Berichterstattung etwas genauer nehmen möchten, ^kan Braun

* Calw. In der letzten Woche fiel in einem Hause der Vorstadt eine brennende Lampe vom Plafond

herunter. Die Lampe explodierte und sofort ergriff das Feuer alle brennbaren Gegenstände im Zimmer. Der angerichtete Schaden beträgt 50 Dieser

Fall mahnt aufs neue daran, die Eisenstängchen und HakenÖfters auf ihre Festigkeit und Sicherheit zu prüfen.

Rohrdorf, 3. Febr. Ein Vorkommnis, das leicht hätte ein großes Unglück herbeiführen können, ereignete sich in einem hiesigen Hause. Dort hatte man, um eine gemütlich durchwärmte Stube zu machen, den Ofen mit sogenanntem buchenem Stockholz ge­feuert, das mit der Axt kaum klein zu bringen ist und gewöhnlich im Walde mittels Pulver gesprengt wird. Es mag nun sein, daß ein solches mit Pulver geladenes Stück Holz, das beim Zerkleinern sich nicht entlud, nun in den Ofen kam und hier explodierte, denn auf einmal erfolgte ein furchtbarer Krach und der Ofen lag zertrümmert in der Stube; zum Glück entging das in der Stube gerade anwesende alte Mütterchen außer dem Schrecken jeder Verletzung. Es mahnt dieses Vorkommnis zur Vorsicht und die Holzmacher müssen beim Zerkleinern des Holzes mit Pulver eine solche in ihrem eigenen Interesse walten lassen. Es wird anläßlich dieses Unfalles erzählt, wie ein Holzmacher im Walde ein mit Pulver ge­ladenes Stück Holz, das nicht explodiert war, anbohrte. Durch diese Arbeit habe sich das Pulver entzündet, es explodierte und zerriß das Holz. Zum Glück sei der Betreffende hinter dem Klotz gestanden und so ebenfalls auch mit dem Schrecken davongekommen.

Stuttgart, 5. Febr. Gestern abend würde den Besuchern der Menagerie Ehlbeck-Wolfinger das durch Inserate bekannt gemachte seltsame Schauspiel der Erlegung eines Bären geboten. Der von Restaurateur Seeger käuflich erworbene zwei Jahre alte Bär wurde durch den Koch Anton Eberst, früherer Gardeschütze in Berlin, im Beisein einer großen Zuschauermenge, welche die Galerien und alle unteren Räume der städtischen Reithalle besetzt hatte, erschossen. Der Vor­gang ging sehr schnell von statten; ein wohlgezielter Schuß, welcher den Kopf des Bären traf, streckte den letzteren in seinem Käfig sofort tot zu Boden. Unter Begleitung vieler Schaulustiger wurde das erschossene Tier in das Restaurant des Käufers transportiert und dort sofort ausgeweidet. Das Gewicht des jungen Bären betrug 136 Pfund.

Stuttgart, 5. Febr. Landgericht. Wegen Hausfriedensbruch, Nötigung u. a. Vergehen standen gestern neun Ziegeleiarbeiter vom Fuchshof bei Ludwigsburg vor der I. Strafkammer. Die zwei Hauptangeklagten sind der Kantinenwirt L. Ehrmann, 32 Jahre alt, und der Ziegeleiarbeiter Georg Kraft, 30 Jahre alt. Die Besitzer der Ziegelei, Schnaidt­mann und Gurk, hatten die Ziegelfabrikation den Zieglern Schüle und Knoll teilweise in Accord ge­geben, welche die Arbeiter anstellten und auch aus­bezahlten. Am Samstag, den 26. September v. I. erhielten die letzteren keinen Lohn und erst am Sonn­tag eine größere Abschlagszahlung; das Restguthaben

der Arbeiter war übrigens zumeist durch Vorschüsse bereits ausgeglichen. Trotzdem war die Unzufrieden­heit unter den Arbeitern sehr groß; Ehrmann fachte die Erbitterung noch an und forderte die Arbeiter auf, in Masse auf das Comptoir der Fabrikinhaber zu ziehen, um den Lohnrest von diesen zu verlangen, obwohl ihm wie den andern bekannt war, daß niemand Forderungen an die Fabrikinhaber, sondern nur an Schüle und Knoll zu machen habe. Am Montag, den 28. September v. I. erschienen dann die neun Angeklagten, Ehrmann mit einem großen Metzgerhund, im Fabrikkomptoir und verlangten den rückständigen Lohn in brutalster Weise lunter schweren Beleidigungen und thätlichen Angriffen. Die letzteren fallen den beiden Hauptangeklagten zur Last. Drei Stunden lang belagerten die Angeklagten das Komptoir und ließen sich sogar Essen dahin holen, während Ehrmann zeitweise das Zimmer verließ, aber den Zurückbleiben­den drohte, seinen Hund auf sie zu Hetzen, wenn sie das Lokal verließen. Endlich gelang es dem Akkor­danten Schüle, das Komptoir zu verlassen und die Polizei zu Hilfe zu rufen. Ehrmann, bei dem auch das Vergehen der Freiheitsberaubung zu bestrafen war, erhielt 3 Monate und 2 Wochen Gefängnis, Kraft 2 Monate und 2 Wochen, die sieben anderen Angeklagten je 4 Wochen Gefängnis.

Kirchheim u. T., 4. Febr. In Betreff der Sonntagsruhe im Handelsgewerbe haben die cgerlichen Kollegien heute statutarische Bestimmungen dahin erlassen, daß an Sonn- und Festtagen, soweit der Geschäftsbetrieb nicht ganz untersagt ist, die Verkaufsstellen der Metzger und Bäcker von morgens 69 Uhr und nachmittags von 45'/, Uhr, die Verkaufsstellen aller anderen Gewerbetreibenden von vormittags 11 Uhr bis nachmittags 3'/- Uhr offen gehalten werden dürfen. In derselben Sitzung wurde in die Amtsversammlung gewählt der Stadt­vorstand, 8 Gemeinderäte und der Bürgerausschuß­obmann.

Tuttlingen, 3. Febr. Wie verlautet, ist den bürgerlichen Kollegien, abgesehen von dem An­erbieten des Herrn Prrger, -auch von der Firma Jetter und Scheerer das Anerbieten gemacht worden, unsere Stadt mit elektrischem Licht und die kleinen Betriebe mit Kraft zu versehen. Dieselbe könnte zur Zeit mit diesen! Zweck ca. 100 Pferdekräfte ver­wenden, ohne Vergrößerung ihrer Dampfanlage, also ohne größere Anlagekosten und würde im Bedürfnis­fall für den etwaigen Mehrbedarf sorgen. Zur Zeit werden die genauen Pläne ausgearbeitet. Obwohl das Resultat, das die Fragebogen ergeben werden, natürlich noch nicht auch nur annähernd geschätzt werden kann, so ist doch anzunehmen, daß die verfüg­bare Kraft für den Anfang selbst ohne Anwendung von Akkumulatoren zureichen könnte, mit Anwendung von letzteren jedenfalls genügen würde. Da eine besondere Dampfanlage nicht erstellt werden müßte, so wäre die genannte Firma sicher im Stande, zu sehr annehmbarem Preis elektrische Energie zu liefern

Für die letzten Worte, welche in beinahe freundlichem, überredenden Tone gesprochen worden waren, hatte der Beamte Grund genug gehabt. Kapitän Herbold's Gesicht hatte sich plötzlich mit einer dunklen, ins Bläuliche übergehenden Röte ge­färbt, daß man mit jedem Augenblick den Eintritt eines Schlaganfalls erwarten konnte. Während seine mächtige Brust in wahrhaft beängstigender Weise keuchte und arbeitete, kam kein Laut über seine zuckenden Lippen. Er hatte weder Sprache noch Atem, und er riß gewaltsam Rock und Weste auf, als wenn er sich damit Luft ver­schaffen könnte.

Elsbeth!" stöhnte er endlich.Elsbeth!" Und so schwach auch der Ruf ge­wesen war. so hatte er das Ohr seiner Tochter, die durch den Wortwechsel im Laden eben veranlaßt worden war, sich der Thür zu nähern, dennoch erreicht. Im nächsten Augenblick war sie an seiner Seite und umschlang in namenloser Angst mit beiden Armen seine wankende Gestalt.

Vater, lieber Vater! Um Gottes Barmherzigkeit willen, was ist Dir ge­schehen ?' fragte sie, ohne auf die Anwesenheit des Anderen zu achten, und eS war, als ob der sanfte, zärtliche Klang ihrer Stimme ihm einen kleinen Teil seiner Fassung wieder gäbe. Die Fähigkeit wenigstens, sich in Worten Luft zu machen, hatte er zurück gewonnen.

Man hat Deinen Verlobten erschlagen," sagte er heiser, nachdem er einen tiefen Atemzug gethan,und mich, mich will man beschuldigen, sein Mörder zu sein."

Meine Pflicht verbietet mir. Ihnen jetzt noch irgend welche Unterhaltungen mit anderen Personen zu gestatten," erklärte der Polizeibeamte, noch ehe Hrrbold das letzte Wort gesprochen hatte.Wenn Sie unschuldig sind, so dürfen Sie sicher sein, daß sich das bald genug Herausstellen wird! Jedenfalls aber muß ich darauf bestehen, daß Sie sich aus der Stelle bereit machen, mir zu folgen. Je weniger Aufsehen Sie dabei erregen, desto mehr werde» Sie da» wiederhole ich Jhnm in Ihrem eigenen Interesse handeln!"

Was in diesen Augenblicken jäh und unerwartet wie ein Blitz aus heiterem

Himmel auf das unglückliche junge Mädchen herniederbrach, das wäre sicherlich hin­reichend gewesen, auch den Mut und die Widerstandskraft einer gestählten und kampfgewohnten Mannesherzen zu vernichten. Fast jede Andere ihres Geschlechts würde unter solchem Uebermaß des Leids erlegen sein, oder doch wenigstens in lauten, verzweifelten Klagen eine armselige Erleichterung gesucht haben. Elsbeth Herbold aber legte in diesen furchtbaren Augenblicken einen Mut und eine heroische Tapferkeit an den Tag, welche selbst die Bewunderung und die Teilnahme des ab­gehärtetsten Kriminalisten erregt haben würden, wenn dieser ihnen nicht eine falsche Deutung gegeben hätte.

Wohl bedurfte Elsbeth einer schier übermenschlichen Anstrengung, um die Ohnmacht zu bekämpfen, welche sich auf ihre Sinne legen wollte, wohl fühlte sie, wie ihre Kniee wankten, und wie das dumpfe Schmerzgefühl eines zermalmenden Druckes ihre Stirn und ihre Schläfen umklammerte, aber sie blieb fest und auf­recht trotz alledem, sie schrie ihren Schmerz um den Geliebten und ihre namenlose Angst um den unter der furchtbarsten Anklage stehenden Vater nicht laut hinaus, sondern sie blieb in all' ihrer grenzenlosen Not eingedenk, daß sie stark und gefaßt bleiben müsse, um ihm ein Trost und eine Stütze zu sein in der schwersten Stunde seine« Lebens.

Folge ihm, lieber Vater," bat sie schmeichelnd.Dies Alles kann ja nichts anderes sein als ein trauriger Irrtum, ein Mißverständnis, das sich aufklären muß, sobald Du erfahren hast, wie man dazu kam, einen solchen Verdacht zu erheben! Man wird Dich rechtfertigen und man wird Dir Genugthuung geben. Nimm ihnen nur jetzt die Möglichkeit, Dir hart und unfreundlich zu begegnen!"

Und wie sich Kapitän Herbold bisher noch immer dem Willen seiner Tochter nachgiebig gezeigt hatte, so beugte er sich ihm auch hier, obwohl sich jeder Nerv seiner Seele und seines Körpers wild empörte gegen di« Vorstellung, daß er von einem Andern seiner Freiheit beraubt werden, daß er als Gefangener in einen Ge­wahrsam gebracht werden sollte. (Forts folgt.)