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war ein bayrischer Chevauxlegeroffizier von der Luft- fchifferabteilung aus München. Derselbe war Morgens 9'/- Uhr in München aufgefahren und hatte den in der Luftlinie 180 Km betragenden Weg in 3'/, Stunden zurückgelegt. Der Offizier ließ sich die Zeit seiner Ankunft vom Schultheißen beurkunden, den Ballon auf. einen Wagen laden und nach Geislingen zur Bahn führen. Nachdem er eine Erfrischung einge­nommen hatte, begab er sich gleichfalls auf den Rück­weg. In Binzwangen feierten Jakob Unterkircher und seine Frau, eine geb. Weiß ihre goldene Hochzeit, an welcher sich nicht nur die Verwandten, sondern die ganze Einwohnerschaft des Volkes be­teiligten.

Kirchheim u. T., 21. Jan. Die seit einiger Zeit zirkulierenden falschen Zweimarkstücke sind aus einer Bleikomposition hergestellt und sehen den echten täuschend ähnlich. Das Falsifikat trägt den Kopf des Königs Ludwigs II. von Bayern und den Buch­staben v. Der auf der Rückseite befindliche deutsche Reichsadler ist sehr genau geprägt.

Weilheim u. T., 21. Jan. In der heutigen Gemeinderatssitzung teilte Stadtschultheiß Scheu mit, daß kürzlich in seinem Hof 2 buchene Holzscheitchen gelegt worden seien, welche, weil nicht verdächtig, in die Küche kamen und von denen eines im Ofen, das andere im Herd Verwendung fand. Beide Scheitchen waren mit Pulver geladen und explodierten, glücklicherweise ohne Schaden zu verursachen. Wie an einem der Scheitchen, das nur teilweise verbrannt, deutlich sichtbar, ist die Bohrung Dreherarbeit und mit einem Löffelbohrer ausgeführt. Heute ist dem Stadtschultheißen ein anonymer Brief zugekommen, in welchem mit einem Dynanntattentat gedroht wird.

Heidenheim, 22. Jan. Ein hiesiger Kauf­mann ließ sich von einem Hausierer mit Herrenkleider­stoffen bethören und kaufte demselben für ca. 120 ^ Stoffe ab. Voll Profit legte er die Stoffe seinem Schneider vor und meinte, da habe er billig einge­kauft. Dieser aber erklärte ihm, daß er betrogen sei, die Stoffe seien nicht die Hälfte wert von dem, was er bezahlt habe. Nun eilte er zum Stations­kommandanten, um den Betrüger aufzusuchen, allein der war bereits verschwunden. Der praktische Kauf­mann hat jetzt zum Schaden noch den Spott.

Ulm, 21. Jan. Gestern abend verübte ein Unteroff. einen frechen Betrug an einem Unter­gebenen. Der Unteroffizier hatte gelegentlich einer bei seiner Mannschaft vorgenommenen Durchsuchung, ob solche im Auftrag erfolgte, bleibt dahingestellt, in der Kiste eines Soldaten einen Schein bemerkt, der zur Abholung von Wertsendungen am Postschalter berechtigte. Es gelang ihm, sich diesen Schein unbe­merkt zu verschaffen und nach dem Dienst auf das Postamt zu gehen und den bedeutenden Betrag zu erheben, der ihm anstandslos ausgehändigt wurde, da der Schein auch die vorschriftsmäßige Beurkundung

des HauptmannS trug. Der Soldat wollte ebenfalls nach dem Dienst sein Geld erheben und ging aufs Postamt, um anzuzeigen, daß er seinen Schein ver­loren haben müsse; es wurde ihm hier aber die un­erfreuliche Mitteilung, daß vor einer Viertelstunde das Geld schon erhoben worden sei. Sofortige An­zeige des Soldaten veranlaßt« eine milit. Untersuchung, die bald auf die richtige Spur führte. Der Beamte am Postschalter erinnerte sich, daß der das Geld Ab­holende heiser war. Auf Grund dieser Angabe lenkte sich der Verdacht auf den Unteroffizier, der die rote Lize am Mantelkragen, die Auszeichnung des Unter­offiziers, entfernt hatte, um leichter seine Manipulation ausführen zu können, und der keine Zeit mehr be­kam, das ihn belastende kleine Stück Tuch wieder anzunähen. Der Thäter wurde schießlich leicht über­führt.

Schrozberg, 22. Jan. Ein auf der Durch­reise begriffener Schäfer von Rosenberg fütterte heute mittag seine ca. 150 Hämmel auf dem hiesigen soge­nannten Schafsee ab. Ein Teil derselben geriet auf die Stelle, die erst gestern abgeeist worden war. Die­selbe brach ein und 16 Stück Hämmel kamen um in dem kalten und nassen Element. Als ein seltenes Jagdglück darf erwähnt werden, daß der hiesige Fürst!. Waldschütze Haas auf einen Schuß einen Hasen und den denselben verfolgenden Marder erlegte.

Karlsruhe, 21. Jan. In der Neujahrs­nacht wurde morgens gegen 3 Uhr an dem Bahn­durchgang an der Ettlingerstraße der Draht der elek­trischen Leitung durchgeschnitten und hierdurch die Glühlampe ausgelöscht. Die Thäter wurden inzwischen in der Person zweier Burschen entdeckt, von denen der eine das Messer hergegeben, der andere den Streich vollführt hat. In welcher Gefahr der letztere schwebte, hatte er wohl selbst nicht geahnt. Eine Untersuchung der Messerklinge, in der sich zwei Löcher nebeneinander befinden, deutet darauf hin, daß der Bursche vom elektrischen Strom unfehlbar getötet worden wäre, wenn das Heft des Messers nicht von Bein gewesen wäre oder wenn er während des Durchschneidens die Hand an die Klinge gebracht hätte. Mutwillige junge Leute mögen sich den Vorfall zur Warnung dienen lassen.

Nürnberg, 21. Jan. Die Aufhebung des Jnvaliditäts-u. Altersversicherungs­gesetzes. Die Petition der freisinnigen Partei Nürnbergs, behufs Aufhebung des Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes, welche zur Zeit in ganz Bayern zur Unterzeichnung aufliegt, hat folgenden Wortlaut:An den hohen Bundestag und Reichs­tag des Deutschen Reiches erlauben sich die Unter­zeichneten die Bitte zu richten, es wolle den gesetz­gebenden Körperschaften des Deutschen Reiches ge­fallen, das Jnvaliditäts- und Altersversicherungsgesetz vom 22. Juni 1889 baldmöglichst wieder aufzuheben." In den Gründen wird die große Mißstimmung über

ein und nehmen im k. Schloß Wohnung. Auf dem Bahnhof findet großer Empfang statt. Zum Ehren­dienst bei Sr. Maj. werden kommandiert: der komm.

General des III. Armeekorps, Gen.-Lieut. v. Versen,

Gen.-Adj. Sr. Maj. des Kaisers und Königs, der Komin. der4.Garde-Kav.-Brig., Gen.-Maj. ».Michaelis und als Ordonnanzoffizier der Rittmeister v. Dewitz vom Leibgarde-Hus.-Neg. und Adjutant der Garde- Kav.-Div. Der Ehrendienst meldet sich in Lucken­walde bei Seiner Majestät. Se. Maj. der Kaiser werden die hohen Gäste auf dem Bahnhofe empfangen.

Der Wagenzug bewegt sich über die Königgrätzerstraße, durch das Brandenburger Thor, die Mitte der Straße Unter den Linden" entlang zum k. Schloß. Vor der Terrasse des k. Schlosses ist die Leib-Kompagnie des 1. Garde-Reg. z. F. mit Fahne und Musik als Ehrenwache aufgestellt. Nach dem Abschreiten der Front der Ehrenwache erfolgt ein Vorbeimarsch dieser und der Eskorte. Den Dienst als Ehrenposten vor den Gemächern Sr. Maj. des Königs von Württem­berg übernehmen während Allerhöchstdessen Anwesen­heit je 6 Unteroffiziere des 1. Garde-Reg. z. F. und des Leib-Garde-Husaren-Reg. Sämtliche Offiziere und Mannschaften, welche sich am 24. d. M. auf der Einfahrtsstraße bewegen, haben in Helm und Waffenrock zu erscheinen. Am 26. d. M. werden Se. Maj. der Kaiser und König mit Se. Maj. dem Könige von Württemberg sich um 2 Uhr nach Pots­dam begeben und um 5 Uhr beim Offizier-Korps des Leib-Garde-Husaren-Regiments speisen. Empfang auf dem Bahnhof in Potsdam findet nicht statt.

Von 700 in Stuttgart ausständigen Schriftsetzern ist die Hälfte eingestellt worden und von 1500 Gehilfen in Leipzig konnten nur 600 Arbeit finden.

Reichenbach a. F., 22. Jan. Gestern abend gegen 6 Uhr ereignete sich hier ein großes Un­glück. Der Hochdorfer Ziegler Ehr. Lutz holte für Sägmühlebesitzer Köst in Reichenbach aus dem Bahn­mühlthal Langholzstämme. Bei der Einfahrt in den Ort Reichenbach mußte eine abschüssige Stelle passiert werden, welche durch dort befindliche Bauwesen eine enge Straße und Kurve hat. Der 19jährige Knecht Küchele, aus Böhringen gebürtig, sah der Vorsicht halber von seinen Pferden aus, neben denen er her­lief, nach dem Hinteren Teil des Wagens, ob derselbe richtig geschwenkt würde; in demselben Moment rutschte der Vorderwagen gegen Küchele, welcher denselben so an eine Hausecke drückte, daß ihm sofort der Brust­korb eingedrückt, sowie auch das Rückgrat gebrochen wurde. Der Tod des jungen Mannes trat augenblicklich in seiner noch stehenden Stellung ein und mußte seine Leiche durch Wagenwinden be­freit werden.

Göppingen, 22. Jan. In der Nähe von Auendorf landete am Dienstag nachmittag 1 Uhr ein Luftballon mit einem einzigen Insassen. Es

Damit ging er ächzend und hustend davon, und Kapitän Herbold sah ihm mit einem mitleidigen Kopfschütteln nach.

Man hört schon des Totengräbers Hund bellen!" sagte er vor sich hin. Ich glaube nicht, daß er den Schnee noch einmal fallen sieht!"

Dann trat er mit schwerem Herzen in seinen Bücherladen ein, der ihm nie­mals so düster und unbehaglich erschienen war als gerade heute.

Er hätte lieber noch einmal mit derFrieda Petersen" Schiffbruch gelitten, als daß er seiner Tochter erzählte, wie es um ihr Glück und um ihre Hoffnungen stand.

VIII.

Die Dienstboten im Hause des reichen Kaufherrn steckten die Köpfe zusammen und tauschten allerlei geheimnisvolle Bemerkungen unter einander aus. Es mußte etwas Schweres, Unheildrohendes in der Luft liegen, denn es hatten sich Dinge zu­getragen, welche man innerhalb der Mauern dieses alten Patrizierhauses niemals für möglich gehalten hätte. Der Streit Petrrsens mit dem Kapitän, der nach der ruhmredigen Erzählung des Dieners ohne sein energisches Dazwischentreten sicher in Thätluhkeitrn ausgeartet wäre, hatte gewissermaßen nur als Vorspiel gedient zu einer anderen, viel befremdlicheren Szene, die zwar keinen anderen Zeugen gehabt hatte, als die beiden Beteiligten selbst, von der indessen einige scharfe Domestiken­ohren immer noch genug erlauscht hatten, um zu den wunderlichsten Erklärungen und Schlußfolgerungen zu gelangen.

Diese Szene hatte sich zwischen Herrn Werner Petersen und seinem Sohne Kurt abgespielt, und zwar in dem nämlichen Gemache, in welchem Kapitän Herbold an diesem Morgen ftine Ehre so nachdrücklich verteidigt hatte.

Daß der Kaufherr zu der gewohnten Stunde nicht in sein Kontor hinab ge­gangen war, konnte an und für sich schon als ein schier unerhörtes Ereignis gelten, daß er aber bei einem Gespräch mit seinem eigenen Sohne in einen Zorn geriet, welcher seine sonst gleichmütig kühle Stimme beinahe schreiend werden ließ und sie noch im zweiten Nebenzimmer vernehmlich machte, da» war «in Faktum» besten sich Niemand aus seiner Umgebung hätte erinnern können.

Es war da sehr viel von Lossagung und Enterbung die Rede gewesen, und wenn auch die Antworten, welche der junge Offizier seinen zürnendem Vater gegeben, für die Lauscherohren nicht verständlich gewesen waren, so mußten sie doch jedenfalls sehr viel trotzigen Widerspruch in sich geschlossen haben, denn Herr Werner Petersens Erregung hatte sich immer mehr gesteigert, und zuletzt hatte ein besonders wißbe­gieriges Stubenmädchen ganz deutlich vernommen, wie er sagte:

Dann ist in meinem Hause für Dich nicht länger Platz! Ein Sohn, der mir den Gehorsam verweigern kann, wo eS sich um meine und seine Ehre handelt, hat sich damit auch von mir loSgrsagt und jedes Band kindlicher Liebe und Ehrfurcht zerrissen. Ich gebe Dir Bedenkzeit bis morgen! Habe ich bis dahin eine befriedi­gende Erklärung von Dir nicht empfangen, so werde ich wissen, was ich zu thun > habe, um vor aller Welt zu erweisen, daß ich keinen Anteil habe an diesem Wahn­sinn. Dir aber wünsche ich in diesem Fall wenigstens innerhalb meiner vier Wände nicht wieder zu begegnen.

Gleich darauf hatte dann der junge Herr das Zimmer des Vaters verlassen.

Er war wohl bleicher gewesen als sonst, im Uebrigen aber hatte er keineswegs das Aussehen und die Haltung eines zerknirschten armen Sünders gehabt. Er war in ein eigenes Gemach gegangen, um dort längere Zeit mit Schreiben zuzubringen, und der Brief, den er endlich mit feinem Vornamen unterzeichnen konnte, trug die Aufschrift:An meinen Vater!"

Eben war Kurt im Begriff, diese» Schriftstück in einen Umschlag zu legen, als an seine Thür geklopft wurde. Der Bediente mit dem unverschämten Gesicht, der heute auch seiner Herrschaft gegenüber ein« bedeutsame pfiffige Miene annehmen zu dürfen glaubte, meldete, ein kleine», ärmlich ausfehrndes Mädchen habe soebm da» Billet für den Lieutenant abgegeben. Es habe erklärt, eine Antwort sei nicht notwendig und habe sich sogleich wieder entfernt, obwohl man bemüht gewesen sei, es zurück zu halten.

(Fortsetzung folgt.)