das Gesetz betont, welches die städtische wie ländliche Bevölkerung gleichmäßig als eine schwere Belästigung empfindet. Die Erhebung der Beiträge belastet sämt­liche Klassen der Bevölkerung und die Behörden mit einer Unsumme von Plackerei und Arbeit. Auch die Ausgaben selbst werden drückend empfuuden; wenn erst im Verlauf der Jahre bezüglich der Rentenleistung die volle Wirksamkeit eingetreten sein wird, muß sich die nach Millionen zählende Zubuße aus Reichs­mitteln in der erhöhten Steuerlast weiter fühlbar machen. Das Gesetz entspreche weder den Fabrik­arbeitern und den Handwerkern noch der Landwirt­schaft. In allen diesen Kreisen werde weniger die einstige Versorgung des Familienoberhauptes als die Fürsorge für die Witwen und Waisen vermißt. Die weibliche arbeitende Klasse werde selten in den Genuß der Rente kommen, ebensowenig wie ein großer Teil der männlichen Arbeiter. Wo die Rente als Bedürfnis empfunden wird, erfüllt sie ihren Zweck durch die Geringfügigkeit des Betrages nicht. Endlich wird beklagt die allerwärts unliebsam vermerkte obrigkeitliche Kontrole aller persönlichen Verhältuisse und das zu befürchtende Nachlassen des Sparsam­keitstriebes. Die Petition empfiehlt zur Aufhebung Übergangsbestimmungen: Wer bereits eine Rente bezieht, soll im Bezug derselben bleiben. Die für den Arbeitnehmer bezahlte Hälfte der Beiträge soll zurückgezahlt werden, die andere Hälfte zur Deckung der Rente verwendet werden. Zum Schluffe wird betont, daß die Aufhebung eine Wohlthat für das Volk wäre. Mit einer bloßen Revision des Gesetzes sei nicht gedient.

Saarbrücken, 19. Jan. Am Freitag Mittag wollte der Bergmann Maul aus Burbach für seine Kinder einen Schlitten Herstellen und benutzte beim Klopfen als Unterlage eine Granate, die er, wie das hier leider vielfach Sitte ist, als Andenken an die Spicherer Schlacht aufbewahrte. Beim Klopfen entzündete sich das Geschoß, Spitze und Boden der Granate sprangen unter furchtbarem Knall ab und dem Bergmann gegen den vornübergebeugten Kopf. Dem Aermsten wurde die Hirnschale zerschmettert und in wenigen Minuten war er eine Leiche. In Folge dieses Vorfalles hat die Polizeibehörde den nur zu billigenden Entschluß gefaßt, in allen Häusern der Stadt Haussuchungen nach derartigen alten Geschossen abhalten zu lassen.

Berlin, 22. Jan. Antisklaverei-Lot- terie. Der zweite Hauptgewinn der Antisklaverei- Lotterie im Betrage von 300 000 fiel auf Nr. 31301.

Berlin, 23. Jan. Die gestrige erste Be­ratung des Handelsvertrages mit der Schweiz im Reichstag war zunächst nur von einem Drittel der Abgeordneten besucht. Es erregte Enttäuschung, daß nicht Graf Caprivi den Ver­trag einbrachte. Unter diesem Eindruck stand die ganze Verhandlung, welche keinen Vergleich bot mit den an Aufregung und Spannring reichen Dezemberberatungen. Vielfach war Indifferenz und Ermüdung bemerkbar. Staatssekretär Marschall v. Bieberstein sprach gewandt, ohne indessen besonders zu wirken. Nur einmal wurde rechts Bravo gerufen, bei dem Passus

Schutz der nationalen Arbeit*. Der Beifall am Schluß der Rede kam vereinzelt. Die Aussichten des Vertrages gelten in parlamentarischen Kreisen für günstig. N. Tagbl.

Die Kriminalpolizei in Charlottenburg hob eine Falschmünzerwerkstatt auf, wo Ein- und Zweimarkstücke fabriziert wurden. Die Fälscher be­fanden sich bei der Anfertigung von Gipsformen, als sie von den Beamten überrascht wurden.

Bern, 21. Jan. Eine seltene elektrische Erscheinung, schreibtDer Bund", versetzte das Quartier du Bourg in Freiburg i. B. letzten Mon­tag in Aufregung. Eine etwa 1 Meter hohe, grün­violette Flammenzunge erhob sich über dem Haupte des Bronzestandbildes von P. Girard und erleuchtete den ganzen Platz taghell. Die mit Schnee belasteten und vom Winde bewegten elektrischen Drähte, die über das Denkmal hinführen, bewirkten diese Ent­ladung. In der Brauerei Peier aber, deren Beleuch­tung diese Leitung vermittelt, entsprach dieser Er­scheinung am Girard-Denkmal ein fast vollständiges Erlöschen der elektrischen Lampen.

Brüssel, 23. Jan. Das Hotel des Herzogs von Arenberg, am Platz Petit Sablon, steht seit heute früh 2 Uhr in Flammen. Das Hotel ent­hält Gemälde und Kunstgegenstände von hohem Werte und europäischem Rufe. N. Tagbl.

London, 20. Jan. Um 10 Uhr vorm, ging der Leichenzug des Herzogs von Clarence, der Sarg auf einer sechsspännigen Laffette, von Sand­ringham Hause über Wolferton zum Bahnhof, wohin der Prinz von Wales und der Herzog von Fife zu Fuß, die Prinzessin von Wales, ihre Töchter, Prinz Georg, die Herzogin von Teck und Prinzessin Mary zu Wagen folgten, und von da nach Windsor, wo der Kondukt um 3 Uhr eintraf. Der Sarg, unter Eskorte der Leibgarde, wurde von Husaren durch eine dichte Volksmenge zur Georgskapelle getragen; die Prinzen und die Vertreter fremder Fürstlichkeiten folgten. Den Gottesdienst verrichtete der Bischof von Rochester. Abends erfolgt die Beisetzung in der Gruft unter der Albert-Gedächtniskapelle, woran nur Familienangehörige teilnehmen.

vermischtes.

Grüne Nelken sind das neuestePariser Handelsprodukt. Als diese dort in der vorigen Woche zum ersten Male in der Blumenabteilung der großen Hallen erschienen, erregten sie bei den Händlern und beim Publikum Staunen und Aufsehen. Beim Pub­likum drückte sich dieses in starker Kauflust aus, welche den Preis der einzelnen Nelke rasch auf zwei Franken trieb, bei den Fachleuten aber in heftigem Mißtrauen. Die Handelsgärtner riefen, das ist echt französisch! sofort die Polizei an, denn erklärten sie, das könne nicht mit natürlichen Dingen zugehen, grüne Nelken gebe es nicht und offenbar handle es sich um irgend einen Betrug. Die Polizei schritt thatsächlich ein, beschlagnahmte einige der merkwürdigen Blumen und übergab sie dem Chemiker des städtischen Laboratoriums zur Untersuchung. Dieser stellte ohne Mühe fest, daß die grünen Nelken wirklich künstlich gefärbt sind.

aber in einer Weise, die man kaum beanstanden kann. Gewöhnliche weiße Nelken werden abgeschnitten und mit den lang gelassenen Stengeln in ein Gefäß ge­stellt, das mit einer wässerigen Anilinlösung gefüllt ist. Die Lösung an sich ist farblos. Durch die Kapillarität steigt eine kleine Menge der Flüssigkeit die Gefäßbündel entlang in den Stengel auf und ge­langt nach einiger Zeit in die Kronblätter, wo sie durch die eigene chemische Zellenthätigkeit der Pflanze oxydiert wird und eine prächtige smaragd-grüne Farbe annimmt, die sie auch den Kronblättern der Pflanze mitteilt.

Ein Schlauberger. Durch eine Kriegslist gewann dieser Tage ein Schlächtergeselle eine jener unsinnigenEßwetten", die schon so viel Unheil ver­anlaßt haben. In einer Wirtschaft in Berlin erzählte nämlich der Wirt, daß sein Karo, ein gewaltiger Neufundländer, unglaublich viel Futter gebrauche. Da erhob sich plötzlich am Nebentische ein hünen­hafter Schlächtergeselle und erklärte, er sei im Stande mehr zu vertilgen, als der Riesenhund. Er erbot sich, als der Wirt dies bezweifelte, zu einer Wette, welche sofort zum Austrag gebracht werden sollte. Der Wirt ging die Wette ein und es wurde festge­setzt, daß der Unterliegende für den Hund selbst­verständlich dessen Herr außer einerLage" für die Anwesenden auch die Kriegskosten, d. h. den Betrag für die verzehrten Speisen, bezahlen solle. Der Schlächter, der sich die Wahl der Speisen Vorbehalten hatte, bestellte für sich und seinen Gegner zunächst je eine Portion Kalbsbraten. Karo, der bis dahin be­haglich am Ofen lag, ward gerufen und verzehrte mit großem Behagen schnell den unverhofften Lecker­bissen. Auch der Schlächter war bald fertig. Darauf verspeisten die beiden Gegner noch mehrere Portionen Braten, Karo mit unveränderter Leichtigkeit, der Schlächter aber zuletzt nur noch mühsam, so daß der Wirt schon zu triumphieren begann. Da ließ der Schlächter aber zwei trockene Brödchen bringen, biß herzhaft in eines und reichte das zweite seinem vier­beinigen Gegner. Dieser beschnüffelte aber nur das Gebäck und wendete sich dann verächtlich ab, während der Schlächter tapfer zubiß, bis der letzte Happen verzehrt war. Dann erhob der Hüne sich von seinem Platz und rief dem verblüfften Wirt lachend zu: Sehen Sie nun, ich habe gesiegt; her mit der Lage!" Die Gäste stimmten dem Schlauberger zu und der Wirt mußte gute Miene zum bösen Spiel machen und dieLage" zum besten geben.

Kaudmirtschaftl. Aezirksverein.

Bezug von Grassamen betreffend.

Wie im vorigen Jahre so auch Heuer über­nimmt der Consumverein die Abgabe von Grassamen auch für die Mitglieder des landwirtschaftl. Vereins und erhalten diese letzteren aus der landw. Vsreins- kaffe eine Rückvergütung von 3 ^ pr. Pfund. Die Betreffenden je einer Gemeinde wollen unter Angabe der einzeln bezogenen Quantität ihre Ansprüche durch den Ortsvorsteher rechtzeitig an den Unterzeichneten Cassier gelangen lassen.

Calw, den 23. Januar 1892.

Vereinsvorstand Cassier Supper. AnseI.

Amtliche Kekauiilnmchilngell.

Straßenbau-Inspektion Calw.

Stein;erkleinerungs-Accor-.

Am Mittwoch, den 27. ds. Mts., vormittags 10 Uhr, wird auf dem Rathaus in Hirsau die Zerkleinerung von Muschelkalksteinen an folgenden Staatsstraßen im öffentlichen Abstreich veraccordiert:

Straße Nr. 85, TübingenCalw, von km 34,200 bis 35,890 160 cdw, Straße Nr. 102, BöblingenCalmbach, von km 21,000 bis 23,056 310 ebw,

von llm 23,872 bis 26,248 400 ebm, Straße Nr. 103, CalwNagold, von km 0,499 bis 3,617 200 edw,

von km 8,000 bis , 9,700 300 odw. Hiezu werden tüchtige Accordsliebhaber eingeladen.

Calw, den 23. Januar 1892.

K. Straßenbau-Inspektion. Fleischhauer.

Schweinenmrkt.

findet n» jedem Samstag in Catn» statt.

Bemerkt wird, daß am letzten Samstag 26 Kaufsliebhaber für Läufer

und Milchschweine sich auf dem Markt einfanden, aber keine Schweine zugeführt waren. Es ist zu erwarten, daß der Markt künftig recht belebt werden wird.

Stadtschulthcißenamt

H affn er.

Die Stiftungspflege Weltenschwann Zavelfteiner Seite, leiht an Lichtmeß

««ff Mark

gegen gesetzliche Sicherheit zu 4°/« aus.

K u st e r e r.

Krinat-Anzeigen.

Statt besonderer Anzeige:

Wilhelm Aingler Lina Frohnmkyer

Verlobte.

Calw, im Januar 1892.

Wechselformulare

sind vorrätig in der Druckerei d. Bl.

Danksagung.

Spreche hiemit allen edlen Wohl- thätern auf diesem Wege meinen innig­sten Dank aus für die milden Gaben, welche mir durch den am 28. Oktober v. I. bei Hrn. Löwenwirt Hammer ausgebrochenen Brande arg Geschädigten eine bedeutende Hilfe waren.

Nochmals ein recht herzlichesVer­gelte Gott!"

Calw, den 23. Jan. 1892.

Johannes Neunzling, Handelsmann

aus Hettenleidelheim (Pfalz).

Calw.

Lehrling gesucht

für sofort oder Frühjahr.

Jakob Schneider, Kübler.