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einfacher Mann des Volkes kommt hier mit dem Herrscher zusammen, wie ein Familienglied mit dem Familienvater. Ich hoffe, daß nicht nur die Land­wirte speziell dieser Provinz, sondern meines gesamten Reiches die Empfindung haben werden, daß sie nach wie vor mit Mir zusammen gehören, daß wir mit­einander arbeiten, miteinander fühlen, und daß stets das hohenzollernsche Wort Lurun euigue auch in höch­stem Maße auf die Landwirtschaft anzuwenden ist. Der Kaiser schloß mit einem Hoch auf den Kreis Teltow. Sodann folgte unmittelbar die Rede auf -Caprivi mit der Ankündigung der Ernennung Caprivis zum Grafen.

Berlin, 19. Dezbr. Reichstag. Dritte Lesung der Handelsverträge. Frhr. v. Münch fühlt sich beleidigt, in der letzten Sitzung nicht zu Wort gekommen zu sein. Präsident v. Levetzow erklärt, dem Abg. v. Münch die größte Freiheit in der Debatte gelassen zu haben, was vom Hause be­stätigt wird. v. Helldorff (kons.) stimmt für die Verträge. Die Herabsetzung der Getreidezölle sei ja allerdings schmerzlich für die Landwirtschaft und die bisherigen wären durchaus gerechtfertigt gewesen, da­gegen auch die Vereinbarung der Handelsverträge ein handelspolitischer, durchaus notwendiger Schritt. Die kleinen wirtschaftlichen Bedenken müssen da zurück­stehen. v. Kardorff (freikons.) Im Publikum herrsche die falsche Meinung, daß unsere Handels­verträge am 1. Febr. 1892 ablaufen und wir uns in einer handelspolitischen Zwangslage befinden. Das ist nicht wahr, durch stillschweigende Verlängerung liefen unsere Verträge fort. Nur Frankreich habe seine Verträge gekündigt. Redner bringt alle Ein­wände gegen die Verträge nochmals vor. Bebel (Soz.) Er fürchte, daß die Verträge schon zu spät kommen. Die großen Massen seien so konsumtions­unfähig geworden, daß an eine erhebliche Ausdehnung des Absatzes wohl kaum mehr zu denken sei. Die Verträge hätten auf kürzere Zeit abgeschlossen werden sollen. Stöcker (kons.) kann für die Verträge nicht stimmen. Ein wissenschaftlich gebildeter Mann habe ihm erklärt, zum Schutze der Landwirtschaft müßte man auch über 5 bis zu 10 gehen. In empörender Weise habe Bebel von ver Sklaverei auf dem Lande gesprochen. In der Sozialdemokratie be­stehe Sklaverei, Knechtung und Gesinnung. Die letzten Jahre haben eine Lohnerhöhung gebracht, so daß die Arveiter nicht mehr mit Neid auf England oder Amerika zu blicken brauchen, v. Richter macht scharfe Ausfälle gegen v. Kardorff und Stöcker, der Mann, der für Erhöhung der Zölle auf 10 ^ sei, komme entweder von der Irrenanstalt oder gehöre dorthin. Der Rest war persönlich, v. Hüne (Zent.) wendet sich ebenfalls gegen Stöcker. Politische Be­weggründe habe das Zentrum nicht, es stimme mit schwerem Herzen für die Verträge, weil es die poli­tischen Beweggründe anerkenne und das Ansehen der Regierung auch im Innern stützen wolle. Nach kurzen Erklärungen einzelner Parteiführer, daß sie für die Verträge stimmen, und nach wenigen persön­

lichen Bemerkungen schließt die allgemeine Beratung. Es folgt die Einzelberatung, zunächst des Ver­trags mit Oesterreich. Böckel (Antis.): Die Freisinnigen wollen den Freihandel, auch die mög­lichste Freiheit der Börse, auf welcher, wie die Voss. Ztg. einmal schrieb, die reichen Ernten wie ein Alp lasten. Bamberger lacht heute über Hie Fehler der Regierung. Bei den Wahlen im Jahre 1895 werden wir Antisemiten in seinem Wahlkreise lachen. Den ungarischen Kornhändlern arbeitet man mit den Ver­trägen in die Hände, der deutsche Bauer wird den ungarischen Juden ausliefert. (Lachen links.) Ich begreife nicht, wie Sie bei so ernsten Dingen lachen können! (Rufe: Zur Sache!) Redner will aus den ungarischen Parlamentsverhandlungen vorlesen, wird aber vom Präsidenten zur Sache gerufen. Ich komme zum Schluß (Rufe links: Bravo!). Rufen Sie nur Bravo, dann rede ich noch eine halbe Stunde weiter. (Heiterkeit.). Die Verträge werden nur der Börsenspekulation neuen Anreiz geben. Es wird bald ein neuer Krach kommen. Dann sind wir moralisch und finanziell ruiniert. Dadurch wird lediglich die Sozialdemokratie gestärkt. Zurück zur Politik Bis­marck! Ich gehöre nicht zu den Bewunderern des­selben; ich tadle es, daß ein Mann wie Bleichröder solchen Einfluß auf ihn gewinnen konnte. Aber er war tausendmal besser als die jetzige Regierung. Daraus werden die einzelnen Teile des Vertrages mit Oestreich-Ungarn auf Antrag v. Kardorffs sn dloe angenommen. In namentlicher Ab­stimmung wird darauf der ganze Vertrag mit Oesterreich-Ungarn mit 243 gegen 48 Stimmen angenommen.

Tages-Ueuigkeiten.

Nagold, 18. Dezbr. In den letzten Tagen sind hier die Wagen der Alten st eiger Lokal­bahn angekommen. Ob die Bahn diesen Monat noch dem Betrieb übergeben werden kann, ist sehr fraglich.

Ditzingen, 16. Dez. Heute wurde auf hies. Feldmarkung Hofjagd abgehalten, an der auch Herzog Wilhelm von Urach teilnahm. Trotzdem die regnerische und stürmische Witterung der Jagd nicht gerade günstig war, so konnten doch 104 Hasen zur Strecke gebracht werden. Bei dem heurigen überall geringen Hasenbestand darf dieses Jagdresultat als ein gutes bezeichnet werden.

Tübingen, 17. Dezbr. In der gestrigen Sitzung des Schwurgerichts wurde E. G- Moll von Hattenhofen, OA. Göppingen, wegen Todschlags zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Angeklagter hatte in Dettenhausen, OA. Tübingen, den ledigen K. S chmid von Spremberg in Preußen und den ledigen Ehr. Glöckler von Weil der Stadt durch Messerstiche derart verletzt, daß dieselben augenblicklich tot auf dem Platze blieben.

Fremden st adt, 14. Dez. Zum Kassier der Gewerbebank an Stelle des im Alter von 36

Jahren verstorbenen Kaufmanns Otto Wagner wurde Kaufmann und Adlerwirt Rudolf Rath gewählt. Der Kassier hat eine Kaution von 25,000 zu stellen. Die Gewerbebank erfreut sich großer Blüte. Im letzten Jahr wurden 6 ^/ 2 °/° Dividende verteilt neben einer ansehnlichen Summe, die zum Reservefonds ge­schlagen wurde.

Aus dem Oberamt Freuden st adt, 17. Dez. In Untermusbach ertrank gestern abend in einein stark angeschwollenen Quellbach der Glatt, der dortige Stiftungspfleger, Amts- und Polizeidiener. An dem­selben waren infolge einer Krankheit schon längere Zeit Spuren geistiger Störung wahrzunehmen. Auf die gewaltigen Ströme und Regengüsse ver letzten Tage ist nun kältere Witterung mit Schneefall ein­getreten. Unsere Höhe ist jetzt mit einer schönen^ gleichmäßigen Schneedecke bekleidet.

Ehingen, 17. Dez. Ein unheimliches Gerücht verbreitete sich heute vormittag in der Umgegend. Der Forstwächter Hämmerle, in Diensten des Hrn. Baron v. Freiberg in Allmendingen seit mehreren stehend, der die letzte Nacht nicht nach Hause kam, ist heute früh in einer Waldhütte erschossen aufge­funden worden. Es ist noch nicht aufgeklärt, ob sich derselbe selbst entleibte, oder ob man es mit einem Verbrechen zu thun hat, worüber die Untersuchung, näheren Aufschluß geben wird. Hämmerle war ein Mann in den besten Jahren; um ihn trauert eine junge Witwe (aus Rottenburg a. N. gebürtig) nebst 2 kleinen Kindern, wovon eines aus erster Ehe.

Freiburg i. Br., 15. Dez. Dem 33 Jahre alten Lorenz Ehrenbieth, Schneider seines Zeichens,, gelang es vor Jahren, als Laienbruder in einem bayerischen Benediktinerkloster anzukömmen, dann nach seiner Entlassung von da in Bozen als Trappisten­bruder. Als seine Reiselust erwachte, ging er nach Rom, lebte dort in der Pilgerherberge, stahl einem Studenten seine ganze Barschaft und reiste damit nach Trient, um im Herbst d. I. in Konstanz als Kapuziner wieder aufzutauchen. Mehrere Pfarrer Badens schenkten dem angeblichen Mitbruder Glauben und Geld. So focht er sich bis Freiburg durch und betrieb in Norsingen wieder seine Schneiderthätigkeit, als er verhaftet wurde. Er wurde von der hiesigen. Strafkammer wegen Diebstahls und Unterschlagung zu 1 Jahr 10 Monaten Gefängnis verurteilt.

Küdingshofen bei Bonn, 17. Dez. Dieser Tage wurde hier das Fest der diamantenen H och- zeit der Eheleute Theodor Busch und Katharina,, geb. Koch aus Ramersdorf gefeiert. Der Jubel­bräutigam zählt 84, die Jubilarin 82 Jahre. Beide Leute sind verhältnismäßig rüstig, haben eine stattliche Zahl von Kindern, Enkeln und Urenkeln und erfreuen sich allgemeiner Hochachtung und Wertschätzung. Die Gemeinde bereitet zur Ehrung der alten Leute diesen ein herrliches Fest.

In einer der letzten Nächte waren auf der Straße in Halle a. S. zwei Studenten mit mehreren Arbeitern zusammengeraten, wobei es zu

Das dunkel gebräunte Antlitz war von einem kurzen, grauen Barte umrahmt, und auch da» graue, borstige Haupthaar war ganz kurz geschoren. Unter den starken Brauen hervor blitzten zwei klare, durchdringende Augen, die weder für die Nähe noch für die Ferne eines Brillenglases bedurften, und auf deren Grunde auch dann, wenn sie sich bemühten, recht zornig dreinzuschauen, jederzeit etwas wie ein Schimmer unverwüstlicher Gutmütigkeit und Biederkeit zurückblieb.

Einen Fehler aber hatte Kapitän Herbolds kernige Gestalt dennoch aufzuweisen, und dieser Fehler war sogar empfindlich genug, um die sonderbare Verwandlung des beweglichen Seemannes in einen seßhaften Bücherkrämer vollkommen erklärlich zu machen. Wohl zeichneten sich unter dem linken Aermel seines leichten Rockes mit voller Deutlichkeit die in Kampf und Arbeit gestählten eisenfesten Muskeln ab, aber die rechte hing schlaff und leer herab Kapitän Herbolv war ein Krüppel, oder, wie er selber nicht ohne einigen Stolz zu sagen pflegte, ein Invalide. Hatte sich auch im Laufe der Zeit der übrig gebliebene linke Arm nach und nach Einiges von der Geschicklichkeit des verloren gegangenen rechten angeeignet, und verfügte er sicher­lich über eine viel größere Kraft, als sie die meisten normal gebauten Menschen in ihren beiden Armen aufweisen können, so war der Kapitän doch immerhin in gar vielen Dingen recht unbeholfen und schwerfällig geworden, und es würde schlimm genug um ihn bestellt gewesen sein, wenn ihm der gütige Himmel nicht ein Wesen an die Seite gegeben hätte, das ganz darnach angethan war, ihm den fehlenden Arm zu ersetzen.

Es war um die Mittagszeit eines warmen Spätsommertages, als Herbold an seinem gewöhnlichen Platze unter der brennenden Lampe saß und sich mühsam durch die etwas schwerfällige AuSdrucksweise eines im Jahre 1796 erschienenen, überaus gelehrten, naturwissenschaftlichen Werkes hindurch arbeitete. Er pflegte bei solcher Beschäftigung sehr wenig auf dasjenige zu achten, was in seiner Umgebung -geschah, und erst, als er rin verlegenes Hüsteln ganz nahe an seiner Erste vernahm.

wurde er auf den Besucher aufmerksam, welcher schon seit einer geraumen Weile von dem Ladentische stand. Mit einem einzigen raschen Blick hatte Kapitän Herbold das Aeußere des Mannes erfaßt, und aus der Langsamkeit, mit welcher er sich von seinem Stuhle erhob, hätte man schließen können, daß die Musterung nicht eben sonderlich zu Gunsten des Fremden ausgefallen sei.

In der That war sehr wenig Vorteilhaftes und Einnehmendes in der Er­scheinung desselben. Er war kaum mittelgroß, schmalbrüstig, schmächtig und ein wenig verwachsen. Zwischen den eckigen Schultern aber saß ein Kopf von ganz, unverhältmsmäßiger Größe und von seltener Häßlichkeit. Das strohblonde Haar fiel in langen, glatten Strähnen zu beiden Testen herab, und das hagere, unschöne Gesicht war von einer krankhaften Bläffe, die nur noch stärker hervorgehoben wurde durch die Unzahl von Sommersprossen, welche es bedeckten. Wohl gebildet war nur die breite, hochgewölbte Stirn, hinter welcher Klugheit und Energie ihren Sitz zu haben schienen, und auch in dem bescheidenen, beinahe zaghaften Blick der großen hellblauen Augen konnte wohl etwas rührend Hilfloses, Mitleidflehendes gefunden werden.

Was steht dem Herrn zu Diensten?* fragte Kapitän Herbold, der den jungen Mann fast um doppelte Haupteslänge überragte, in seiner gewohnten Weise. Und der Besucher brachte mit einer dünnen, unsicheren vielfach stockenden Stimme seirr Anliegen vor.

Ich wohne fest gestern in Ihrer nächsten Nachbarschaft,* sagte er,und es hat mir große Freude gemacht, zu sehen, daß es hier eine Buchhandlung giebt. Sie haben unter Ihren Vorräten gewiß sehr Viele», was mich interessieren würde, und wenn ich auch nicht reich genug bin, um große Einkäufe zu machen, so erweisen Sie mir doch vielleicht die große Güte, mich ein wenig Umschau bei Ihnen hatten zu lassen.*

Fortsetzung folgt.

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