M 151 . Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw. 66 . Ilchrgaiis.

Erscheint Dt-N r la g , D-nn-rSl-g und Samitag. Di« EinrkckungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um­gebung » Psg. die Zeile, sonst tL Psg.

Amtliche Bekanntmachungen.

werden beauftragt, umgehend hierher anzuzeigen, ob ihre Gemeinde der Tiefbauberufsgenossen­schaft gemäß Z 5 Abs. 3 des Bauunfallversicherungs­gesetzes vom 11. Juli 1887 als Mitglied beige­treten ist.

Calw, den Id. Dezember 1891.

K. Oberamt.

Supper.

Die KlllndksSinttt

werden angewiesen, den vorgeschriebenen Auszug aus dem Sterberegister des Jahrs 1891, enthaltend die Einträge von Todesfällen männlicher Personen, welche das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, läng­stens bis 13. Januur 1802 hieher einzusenden.

Die nötigen Formularien werden den Standes­ämtern mit der Post zugehen.

Calw, den 21. Dezember 1891. H K. Oberamt. Supper.

Die K. Pfarrämter

werden ersucht, die Geburtslisten der im Jahr 1872 geborenen Kinder männlichen Geschlechts spätestens bis 15. Januar 1802 den Ortsvorstehern ihrer Gemeinden zum Zweck der Anlegung der Rekrutirungs- stammrollen zu übergeben. In die Gcburtslisten sind auch die im Jahr 1872 auswÄts geborenen, im Familienregister enthaltenen Söhne'solcher Familien, welche das württ. Staatsbürgerrecht besitzen und sich auswärts aufhalten oder aufgehalten haben, unter

Dienstag, den 22. Dezember 1891.

Abonnementspreis oterteljährlich in der Dtadt BO Pfg. md LS Pfg. Trägerlohn, durch die Post bqopen Mk. 1. 15, sonst ganz WLrttem^e'. z Mk. 1. Sb.

der RubrikBemerkungen" aufzunehmen, damit bei Aufstellung der Stammrollen solche Militärpflichtige nicht übersehen werden.

Den Gemeiudttüthev

wird aufgegeben, bei Prüfung der Geburtslisten die Familienregister der Standesämter in obiger Rücksicht durchzusehen.

Calw, den 21. Dezember 1891.

K. Oberamt. Supper.

Deutsches Reich.

Berlin, 17. Dez. Die Feier des Neu­jahrsfestes am hiesigen Hofe bewegt sich im Rahmen des hergebrachten Zeremoniels. Das Kaiserpaar hält nach dem Gottesdienst in der Schloßkapelle große Defiliercour ab: die Bestimmungen über Hoffeste , während der heurigen Karnevalszeit bleiben noch Vor­behalten. Doch sind Feste in größerer Ausdehnung wie im Vorjahre nicht geplant. Der weiße Saal wird zum letzten Male vor seinem Umbau bei den Hoffesten benutzt. Oberhofmarschall Graf Eulenburg, ist leicht an der Influenza erkrankt, jedoch bereits auf dem Wege der Besserung.

Berlin, 18. Dez. Der Kaiser hat dem Reichskanzler, General von Caprivi, anläß- läßlich der heutigen Annahme der Handelsverträge durch den Reichstag den Grafentitel verliehen. An der heutigen Einweihung des Kreishauses für den Kreis Teltow nahm der Kaiser teil und brachte bei dem Festmahl ein Hoch auf den Kreis Teltow aus. Als die Nachricht von der Annahme der Handels­verträge eintraf, erhob sich der Kaiser nochmals zu einer Rede und sagte, das Ergebnis sei der hingeben­

den Arbeit des Reichskanzlers zu verdanken. Dieser einfache schlichte preußische General hat es verstanden, in zwei Jahren sich in Themata einzu­arbeiten, die zu beherrschen außerordentlich schwierig ist. Mit seltenem politischen Blick hat er das Vater­land vor schlimmen Folgen im rechten Augenblick be­wahrt. Es ist selbstverständlich, daß die einzelnen Interessen Opfer bringen müssen, damit das Ganze vorwärts gebracht werde. Ich glaube aber, daß die That, die durch Einleitung und Abschluß der Handels­verträge für die Mit- und Nachwelt als eines der bedeutendsten geschichtlichen Ereignisse dastehen wird, eine geradezu rettende zu nennen ist. Der Reichs­tag in seiner großen Mehrheit hat gezeigt, daß er den weiten politischen Blick dieses Mannes erkannt hat und sich ihm anschließt. Es wird dieser Reichstag sich einen Mark- und Denkstein in der Geschichte des Deutschen Reiches damit gesetzt haben. Trotz der Verdächtigungen und Schwierigkeiten, die dem Reichs­kanzler und meinen Räten von den verschiedensten Seiten gemacht sind, ist es uns gelungen, das Vater­land in neue Bahnen einzulenken. Ich bin über­zeugt, nicht nur unser Vaterland, sondern auch Mil­lionen Unterthanen anderer Länder, die mit uns in einem großen Zollverband stehen, werden der­einst diesen Tag segnen, und Ich fordere Sie auf, mit mir das Glas zu leeren auf das Wohl des Reichs­kanzlers; Se. Exzellenz General Graf Ca­privi lebe hoch!"

Berlin, 18. Dez. An der heutigen Einweih­ung des Teltower Kreishauses nahm der Kaiser mit dem Minister des Innern v. Herrfurt teil. Bei der Festtafel erwiderte der Kaiser auf das von dem Landrat Stubenrauch auf Allerhöchstdenselben ausge­brachte Hoch. Er sagte: Um das heutige Fest be­neiden uns sämtliche andere Nationen der Welt. Ein

1 k 1 6 1 O H » Nachdruck verboten.

Kapitän HerboD's Tächter.

Novelle von F. Herrmann.

I.

Die B.straße zu Hamburg, ist eines jener engen, vielfach gekrümmten

Gäßchen, an denen in den inneren Teilen der alten Handelsstadt trotz aller Ver­besserungen und Verschönerungen noch immer kein Mangel ist. Ueber die spitzen Dächer der ehrwürdigen, altmodischen Wohnhäuser, deren zerbröckelnde Mauern klaffende Riffe zeigen und die hier und da merklich aus ihren Fugen zu weichen scheinen, sind schon Jahrhunderte hinweggezogen, und es bedarf wahrlich nur eines geringen Aufwandes an Phantasie, um sich angesichts dieser mittelalterlich anmuten­den Bauten zurückzuträumen in die längst entschwundene Blütezeit der mächtigen Hansa.

Aber das rege und geschäftige Leben, welches einst auch in der B.straße

pulsiert haben mag, ist längst verstummt. Der Verkehr hat sich andere, bequemere Wege gesucht, und die Kinder der armen Leute, welche neuerdings hier vornehmlich ihre Quartiere aufgeschlagen haben, können ungefährdet auf dem holperigen Pflaster de- FahrdammeS ihr Wesen treiben. ES gilt als ein bemerkenswertes Ereignis, wenn einmal hier und da in schwerfälligem Trabe irgend ein Fuhrwerk vorüber raffelt.

Ungefähr in der Mitte der Straße, in einem der ältesten und baufälligsten Häuser, befand sich, wie das hölzerne Thürschild verkündete, die See- und Reiseduch- handlung des Kapitän Herbold und das kleine, zur ebenen Erde gelegene Verkauss- lokal mutzte um seiner eigenartigen Ausstattung willen notwendig die Aufmerksam­keit jedes Vorübergehenden auf sich ziehen. Die beiden Pfeiler der fast immer offen stehenden niedrigen Eingangsthür warm mit einer Unzahl von Bildern und Bildchen

beklebt, die augenscheinlich den verschiedensten Büchern und Zeitschriften entstammten und die nur das Eine mit einander gemeinsam hatten, daß sie sammt und sonders Szenen aus dem Seemannsleben oder wunderbare Abenteuer in fernen Ländern zum Gegenstand ihrer Darstellung hatten. Die beiden schmalen Fenster neben der Thür aber warm vollgepfropft mit mehr oder weniger zerlesenen und defekten Büchern der verschiedensten Größe und Gattung, und von der Straße her konnte das Tages­licht nur durch die Thüröffnung Zugang in das Innere des Verkaufsgewölbes finden.

Die Helligkeit, welche da drinnen herrschte, war denn auch selbst während der heitersten Sommertage von einer so zweifelhaften, dämmerigen AU, daß eine im Hintergründe des Ladens von der Decks herabhängende Petroleumlampe schon vom frühen Morgen an zu brennen pflegte. Was sie beleuchtete, war freilich kaum einer besonderen Bewunderung wert- In braun gestrichenen Regalen, die vom Fußboden bis zur niedrigen Decke reichten, waren die Vücherschätze des Kapitän Herbold auf­gestapelt, und wenn ihr Wert ihrer Anzahl auch nur annähernd gleich gekommen wäre, so hätte die sonderbare Bibliothek in der That ein ganzes Vermögen reprä­sentieren müssen.

Aber dieser Reichtum war von einer überaus fragwürdigen AU. und sicher­lich hatte bei der Ansammlung der erstaunlichen Vorräte der Zufall eine viel größere Rolle gespielt, als das Verständnis und der kritische Scharfblick des glücklichen Be­sitzers. Kapitän Herbold war in der ganzen B.straße eine wohl bekannte

und hoch geachtete Persönlichkeit. Wann auch immer man durch die offene Laden­thür einen Blick in das Innere des dämmerigen Raumes werfen mochte, immer konnte man seine breitschultrige, kraftvolle Gestalt auf dem einfachen Holzstuhl unter der trüb« brennenden Hängelampe sitzen sehen, eifrig in die Lektüre irgend eines allen, zerlesenen Werke« vertieft. In seinem Aeußeren machte er nun eigentlich durchaus nicht den Eindruck eines Stubenhockers und Bücherwurms, vielmehr war er noch in jeder Linie der rechte Typus «ine» knorrigen, wetterfesten Seemannes.