Der Reichspräsident in Dessau
TU. Dessau, 15. Juni. Während des Festmahls zu Ehren Hindenburgö im PalaiS der Gräfin Rcina brachte der an- haltische Ministerpräsident Deist einen Trink- sprnch aus, in dem er u. a. ausführte: Der Gruß, den die Anhalter unter ihren rauschenden Jahnen Ihnen anbieten, ist der Ausdruck umfassender Bereitschaft zur positiven Mitarbeit am Staat. Einheit deS Reiches auf dem Boden des Rechtes! Der Wille znr Einheit soll nicht erlahmen, bis das Ziel verwirklicht ist: alle deutschen Stämme, die im Reich vereinigt sein wollen, im Reich vereinigt zu sehen. Frei von jeder äußeren Unterdrückung, frei aber auch im Innern soll unser Volk im neuen Deutschland sein! Diesem Ziele gilt unsere Arbeit. Gelingt es uns — und wir hosfen, daß eS gelingt — die Bereitwilligkeit zur Mitarbeit am Staatsganzen weiter zu wecken und zu mehren, dann brauchen wir um die Zukunft unseres Vaterlandes nicht besorgt zu sein.
Der Reichspräsident dankte in einer Erwiderungs- ansprache, in der er u. a. auSführte: „Seien Sic überzeugt, daß die ReichSregiernng, wie ich selbst, gewillt ist, in Achtung vor dem geschichtlich Gewachsenen und Gewordenen die Eigenart auch der kleinen deutschen Länder zu erhalten und zu bewahren. Freilich darf dies nicht zu Eigenvrödelei und zur Absonderung führen. Erhaltung des Eigenlebens der deutschen Stämme und Länder soll nicht Zersplitterung und damit Schwächung erzeugen, sondern vielmehr der Stärkung des Zusammenschlusses aller Deutschen dienen! Ebenso wie in unserer alte» ruhmreichen Armee die Söhne aller Stämme in den geschlossene» Willen, nur dem gesamten Vaterlande zu dienen und unter einheitlicher Führung, die nur treuen Dienst am ganzen Volke kannte, zusammengefaßt waren und nur so die großen Taten unserer Geschichte vollbringen konnten, so kann auch das Reich nur bestehen und wieder aufwärts kommen, wenn sich Negierung nnd Bürger aller Länder mit den besten Kräften des Körpers und der Seele im Reich und in dem Gedanken an seine Znknnft unlösbar zusammenfindcn und. zusammenschließcn!"
Rußland und die Genfer Verhandlungen
TU. Riga, 15. Juni. Wie aus Moskau gemeldet wird, haben die Nachrichten über die angebliche Forderung Englands in Genf, wonach die Sowjetunion vom Völkerbunde ausgeschlossen werden soll, in Moskauer politischen Kreisen einen außerordentlich starken Eindruck gemacht. So wird darauf hingewiesen, daß eine solche Forderung Englands die offene Aufnahme des Kampfes gegen die Sowjetunion bedeuten würde. Die Svwjetregierung würde nicht umhin können, auf die Annahme dieses Vorschlages durch die Mächte, diesen zu erklären, daß ihre Zustimmung zu dem englischen Vorschläge von der Sowjetrcgierung als ein feindlicher Akt angesehen werden müsse.
Ein Wellslug des neuen Zeppelin- Luftschiffes
TN Friedrichshofen, 15. Juni. Dr. Eckener erklärte gegenüber der Presse, daß er mit seinem im Bau befindlichen Luftschiff „Z. 127" im nächsten Jahre in 300 Stunden, also in 12>§ Tagen, die Welt umfliegen wolle. Als Stützpunkte für diesen großen Flug sollen allein ein Stützpunkt an der russischen und einer an der amerikanischen Pazifikküste die-
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l>8. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) -
Eine Lachsalve brach los. Dann ein lärmendes Durch-^ einander von Stimmen und dann wieder Kichern. Es ist Jugend, die keine Sorgen kennt, die für jede Kleinigkeit Humor Hot, die noch ein Krösus ist, wenn sie das Geld für einen Mitlagstisch in der Westentasche sitzen hatl
Die Umgebung wurde ongesteckt von dieser Lustigkeit. Man schmunzelte und ließ wohlgefällig seine Blicke über die jungen Männer streifen. .
Der Ober nahm die Bestellung entgegen und ging dann mit raschem Schritt nach dem Büfett.
^Hellmuth legte seine Hand über die Rechte Sanders, die dieser auf dem Tisch Kegen hatte.
„Wollen wir gehen?" frug der Doktor. „Ich denke, Sie haben mich lange genug auf die Folter gespannt!"
Eben kam der Ober wieder zurück, mehrere Teller und Platten auf seinem Arm balancierend.
Er stellte sie rasch und geräuschlos auf den Tisch und neigte sich zu einem der Herren, der mit einem Finger auf die Weinkarte wies.
Hellmuth drückte seine Finger fest auf di« Hand Sanders.
„Sehen Sie sich einmal den Ober genau an, Herr Doktor!"
Dieser blickte scharf nach ihm hinüber und zuckte dann zusammen. Ein Lächeln hatte soeben auf diesem sympathischen Kellnergesicht gelegen, das ihn an Trude erinnerte.
„Herr Hellmuth!" stieß er hervor. „Ist sie das? — Es —
es-Ich hätte sie wieder nicht erkannt!" Sein« Hände
zitterten, und ein lähmender Strom rann ihm die Beine hinab bis in die Sohlen, als hätte er übermäßigem Alkohol- lenuß gefrönt. Er versuchte, sich zu erheben» aber der De- iektiv drückte ihn zurück.
„Die Täuschung ist wirklich gutl" sagte er. „Mir wäre es heute früh beinahe ebenso ergangen wie Ihnen jetzt, verehrter Doktor! Das Schwarz des Scheitels und die geschickt gefärbten Augenbrauen geben ihr einen völlig fremden Trivus." ^
neu, allenfalls noch der Flughafen von Lakehurst, der bereits von der amerikanischen Regierung zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt worden ist. Da das neue Luftschiff mit amerikanischem Helinmgas, das nicht explosiv ist, gefüllt werden soll, wird das neue Luftschiff nach Dr. Eckeners Meinung die größte Betriebssicherheit erreichen. Dazu kommen noch die starken Maschinen. Zur Errichtung einer Luftschifflinie nach Südamerika wird Dr. Eckener demnächst nach Argentinien reisen, um dort für die Errichtung eines Lnft- schiffstützpunktes Sorge zu tragen.
Aus aller Welt
Musik als Ausdruck der Friedensbewegung.
In Frankfurt am Main wurde die internationale Musik- auSstellnng eröffnet. Neben Oberbürgermeister Dr. Landmann sah man Dr. Stresemann, Herrivt nnd andere Gäste. Namens der ReichSregiernng begrüßte Reichsanßcnminister Dr. Stresemann das Ausstellungswerk von Frankfurt a. M. Im Wege der Technik sei es der Mnsik als Ausdruck der Friedensbewegung der Völker gelungen, Raum und Zeit zu überwinden. Die Zahl der Menschen, zu denen in dieser neuen Form heute die Musik gebracht werde, habe sich fast unendlich vermehrt. Er habe die Empfindung, daß damit im Zusammenhang leider eine gewisse Verflachung im musikalischen Empfinden eingetreten sei. Der Negerrhythmns siege über die Harmonie, aber wir hätten nicht den Weg von der Primitivität zur Verinnerlichung gemacht, um auf diesem Wege wieder zu einer neuen Ausdrncksform zu gelangen. Er habe den Wunsch, daß der Drang nach Teilung von dieser Verflachung als Wahrzeichen über dem „Sommer der Musik" stehen möge.
Aus Württemberg
Finanzminister Dr. Dehlinger über Politik und Finanzen
Vor einer großen Versammlung aus allen Ständen der Bevölkerung sprach Finanzminister Dr. Dehlinger am Samstag in Kttnzelsau über „Politik und Finanzen in Württemberg". Finanzminister Dr. Dehlinger kennzeichnete dann die Richtlinien für die Politik der gegenwärtigen wttrttembergischen Regierung dahin, daß sie für alle Stände des Volkes gleichmäßig besorgt sein nnd ansgleichcnd wirken müsse, und entwickelte die für seine Finanzgebarnug maßgebenden Grundsätze, wobei immer wieder zum Ausdruck kam, wie stark die Bundesstaaten in finanzieller Hinsicht seit der Erzbergerschen Finanzreform vom Reiche abhängig sind. Der oberste Grundsatz für unsere Finanzvcr- waltung lautet: Keine Ausgabe ohne Deckung. Das heißt Sparsamkeit und Einschränkung der Ausgaben, wo man die Einnahmen nicht steigern kann, unter Ablehnung einer das Volk belastenden Anleihepolitik, wobei als warnendes Beispiel die üblen Erfahrungen einzelner Städte erwähnt wurden. Sodann hörte «an in einer Ueverstcht die genauen Zahlen der Ausgaben, getrennt nach sachlichem Aufwand und Personalansgabe» und nach den einzelne» Verwaltungen. Verschiedene Zahlen fielen dabei ans, so die hohen Kosten für die Straßennnterhaltung, hervorgerufen durch die starke Abnützung besonders durch Lastkraftwagen auf den großen Durchgangsstraßen, die nun vor allem so gründlich in Stand gesetzt werden sollen, daß man für eine Zeit
dann Ruhe hat. Im ganzen entfallen bei den sachlichen Ausgaben 36 Prozent auf Baukosten und 17 Prozent aus die Fiirsvrgetütigkeit. Bei den Personalausgaben fiel der Betrag für die Kulturverwaltung mit 60 Millionen Reichsmark auf 30 Prozent deL Persoualanfwands entfällt jetzt schon auf die Volksschule. Im Zusammenhang damit behandelte der Minister Fragen der Beamtcnpolitik und besonders die Beamtenfragc, in der wir eben auch abhängig MM Reiche sind. Anerkannt wurde in vollem Umfang die Notlage des Beamteustanbes, besonders der unteren und mittleren Beamten, die in Württemberg früher zum Teil höher eingestuft waren nnd nun unter der Entwicklung der letzten Jahre besonders leiden. Denn die letzte Augleichung der Gehälter an die Preise fand 1021 statt und seitdem ist der Lebenshaltnugsiudex ständig in die Höhe gegangen von etwa 125 auf 115 Prozent, sodaß eine vorgeschlagcne 10- prozentige Erhöhung der Gehälter, deren Kosten für Württemberg allein 12,3 Millionen Reichsmark betragen würden, "durchaus gerechtfertigt wäre. Eine notwendige Revision der Besvldungsvrdnuug sollte zugleich erfolgen. Das Wort hierin wird aber zunächst der Reichsfinanzminister haben. Im Zusammenhang damit erwähnt der Minister noch seine Bemühungen um die Vereinfachung des Verwaltungsapparats. Die Aufhebung von Oberämtcrn komme nur in Frage, wenn es die Bevölkerung selbst wünsche. Dann verwahrte sich der Minister noch gegen die Vorwürfe der Opposition, die der Regierung in Sachen des Schullastenausgleichs und der Nichteinführung des 8. Schuljahres Knl- tnrfeindlichkeit vvrwirft, und des weiteren behauptet, sie sei indnstrie- und städtefeindlich, wahrend die Regierung nür einen gerechten Ausgleich anstrebt und eben mit den verfügbaren Mitteln soviel als möglich leistet, denn sie treibt keine Tagespolitik, sondern Politik auf lange Sicht. Der Etat für 1928 wird daher auch zeitig eingebracht werden, doch die Lage ist ernst. Wenn aber das ganze Volk nicht mehr bloß die rein materielle Seite des Lebens und'- den Juteressenkampf in den Vordergrund stelle, sondern ivahre Staatsgesinunng zeige, werde man auch der Znknnft Herr werden.
Die Inthronisation des Bischofs.
Notteubura.^5. Juni. Am Dienstag fand in der Bk» schofsstadt die feierliche Inthronisation von Bischof Dr. Sproll durch Erzbischof Dr. Fritz von Freiburg statt. Minister Bolz sprach dem Bischof im Namen des Staatspräsidenten und der württ. Regierung die besten Segens- und Glückwünsche ans, wobei er ausfiihrte: Ihre Tätigkeit als Generalvikar im württ. Landtag, Ihre Mitarbeit bei der Neuregelung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche gibt uns die Gewähr einer aussichtsreichen Zusammenarbeit. Während der 100 Jahre des Bestehens der Diözese Rottenburg sind mancherlei Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche vorgekommen. Für die Znknnft zn garantieren, ist für mich ein zu großes Wagnis, aber ich bin überzeugt, daß mir alle den Wunsch haben, daß sich die Zusammenarbeit harmonisch gestalten möge. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung dieses Wnusches liegt auch in der Freiheit und Unabhängigkeit, welche die Kirche in der neuen Verfassung bekommen hat. Ich glaube, daß diese Freiheit Staat und Kirche von Nutzen sein wird. Die Aufgaben, welche die neue Zeit uns stellt, können nur durch ernste Zusammenarbeit zwischen Staat nnd Kirche zu einem guten Ziele gebracht werben.
„Wenn sie es aber nun nicht ist?" sagte Sanders und umspannte das Weinglas, um seinen Händen eine Stütze zu gebest - . K-
„Sie ist es schon!" lachte Hellmuth. „Ich bin gestern mit ihr von Nymphenburg hereingefahren. Da war sie eine entzückend hübsche, junge Dame, die sogar so weit ging, sich nach Ihnen zu erkundigen"/"
„Nach mir?"
: „Ja!" - - . ^ ^
' Der Ober kam wieder°zürllck. ließ pcy ole Rechnung' begleichen, half den Herren in die Mäntel und öffnete ihnen mit einer respektvollen Verbeugung die beiden Flügeltüren-
„Wenn er wjederkommt--" Sanders Stimme zitterte
vor Aufregung, „dann spreche ich Ihn an "
„Um Gottes willen!" flüsterte Hellmuth bestürzt. „Das wäre das Verkehrteste, was Sie machen könnten. Wir müssen vorsichtig sein, sonst entschlüpft sie uns noch einmal, das Zeug dazu hat sie."
Sanders wandte kein Auge mehr vom Büfett, wohin der Ober gegangen war. Aber er kam nicht mehr zurück. Statt seiner schlanken Gestalt erschien ein anderer, dicker, beleibter, mit einer mächtigen Glatze und fleischigen Händen. Der Frack spannte, sich prall um seinen Körper. ^
Der Detektiv biß sich verärgert aus die Lippen. Hais« Gertraud Rammelt den Doktor vielleicht gesehen und Verdacht geschöpft?
Er winkte den Dicken herbei und frug, warum der junge Ober nicht mehr zum Bedienen käme. /
„Weshalb, mein Herr?" kam es höflich. ^ r. ^ '
„Ich bin Ihm noch die beiden Flaschen Wein schuldig," log Hellmuth, „es wäre mir höchst peinlich, wenn er am Abend ein Defizit hätte."
„Ach so," meinte der Kellner. „Has können Sie ruhig mir bezahlen," meinte er. „Ich liefere Ihm den Betrag schon ab."
„Wieviel macht es?" frug der Detektiv, „zwei Flaschen und ein Menu mit zwei Broten."
„Acht Mark!"
Sanders schob Ihm den Betrag bereits entgegen Uno machte nur eine abwehrende Gebärde, als Hellmuth das gleiche tun wollte.
„Ich hätte es ihm auch heute abend geben können," sagte er gleichmütig.
„Heute kommt er nicht mehr," gab der Dicke zurück. «M.
hat seinen freien Nachmittag und braucht erst morgen um zehn Uhr wieder im Geschäft zu sein!"
„Ach sol" Der Detektiv nickte gleichgültig, erhob sich und Sanders mit ihm. Sie ließen sich in die Mäntel Helsen und verließen das Lokal.
Hinten im Ankleidezimmer aber stand der schlanke Ober /und schlüpfte eben aus seinem Frack, um sich in einen , -Straßenanzug zu werfen. Der Dicke kam eiligst herein- ! gepustet und warf ihm acht Mark auf den Tisch: „Das ist die Zeche, von dem in der Ecke vorne, Hans," sagte er eilig. „Zwei Flaschen Pisporter, ein Menu, zwei Brote und das Trinkgeld. Nobel! Eine Mark!"
„Mir ist keiner etwas schuldig," wehrte der Schlanke. ''
„Na, wie denn sonst? Er hat mir's doch gesagt! blaue Brille hat er gehabt und einen Bocksbart, und noch einer saß neben ihm, ein Netterer mit grauem Haar schon und einem Diplomatengesicht." '
„Ich kann mich nicht erinnern, Maxi Hast du ihm den Wein vielleicht selbst gebracht?"
„Woher doch," sagte der Dicke ärgerlich. „Sie hatten s«j schon ausgetrunken, wie ich gekommen bin, und zu ver«
. ^wechseln sind die beiden ja auch nicht. Wenn du immer so"
' . vergeßlich bist, kannst du ja ganz hübsch daraufbezahleN' müssen alle Abend." -
„Ich habe noch nie daraufbezahlt," sprach der Schlanke ruhig. Er nahm die acht Mark mit einem gewissen Widerwillen und ließ sie in die Westentasche gleiten. Viellelchki' kam der Bocksbärtige wieder einmal, dann wollte er ihm - das Geld zurückgeben.
Gleich darauf stand er mitten im Gewühl der Straße und schritt rüstig aus. Da sah er auf der anderen Seite den gehen, auf welchen die Beschreibung des dicken Kollegen paßte. Da konnte er ihm also den Betrag gleich wieder zurückerstatten. Er überschritt den Fahrdamm und steuerte auf ihn zu.
Hellmuth wandte sich zufällig nach rückwärts und sah ihn kommen.
„Gehen Sie in das Geschäft hier nebenan," raunte ec Sanders zu, „aber rasch und sehen Sie sich nicht um. Sie kommt hinter uns drein. Weiß der Teufel, ob ich nicht eine Dummheit gemacht hohe mit der doppelt bezahlten Zechet"
MortsetzunL_kM.j-