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Fünfmarkstück angehalten worden. Dasselbe trägt das Bildnis des Königs von Bayern, die Jahreszahl 1874 und ist dem Anschein nach von Zinn. Die Fälschung ist am leichten Gewicht, matten Klang und fettigen Anfühlen zu erkennen.

Aalen, 29. Okt. Auf der Bahnstrecke Aalen- Essingen ereignete sich gestern abend ein Unglücks- fall, der in seinen Folgen noch gelinde abgelaufen ist. An einem Bahnübergang war die Schranke nicht geschlossen, als der nach 8 Uhr von hier nach Stutt­gart abgehende Personenzug denselben überschritt. Unglückseligerweise aber fuhr zu derselben Zeit ein mit leeren Bierfäßchen belader Wagen von der Bier­brauerei Köpf zum Ochsen über den Uebergang. Die Pferde hatten bereits das Geleise überschritten, als die Maschine den Wagen erfaßte und zertrümmerte. Das Gespann riß sich los und rannte eine Strecke weit davon, blieb aber dann stehen. Der Knecht, welcher auf dem Wagen saß, wurde über die Bahn­böschung hinausgeschleudert und hat dadurch, seinen Schmerzen nach zu schließen, bedeutende innerliche Verletzungen davongetragen. Auch eines der Pferde hat am Fuße Schaden genommen.

Crailsheim, 30. Okt. Vor der Station Jagstzell, Richtung Aalen-Crailsheim wurde gestern Abend eine Kuh überfahren; diese kam vom Weideplatz auf den Bahndamm, wo sie von der Ma­schine des Güterzugs erfaßt und zerrissen wurde.

Friedrichshafen,, 28. Okt. Heute Mittag 2 Uhr wurde das bayrische Salonboot Prinzregent bei der Einfahrt in den hiesigen Hafen von dem herr­schenden Oststurm gegen den rechten Hafenmolo ge­trieben. Der Backbordkasten erhielt eine bedeutende Beschädigung, namentlich wurden alle Radschaufeln gekrümmt und eine Exzenterstangs abgebrochen. Das Schiff konnte infolge dessen seine Fahrt nach Kon­stanz nicht mehr fortsetzen. Das Württembergische SchiffMömpelgard" übernahm die Ausführung dieser unterbrochenen Kursfahrt mit einer kleinen Ver­spätung. Das beschädigte Schiff liegt im hiesigen Hafen und wird das defekte Rad wenigstens so weit herzustellen gesucht, um die Heimfahrt nach Lindau selbständig ausführen zu können.

Hechingen, 28. Okt. Heute ist die Revision der von dem verstorbenen Stadtpflege: Haid verwal­teten Kaffen abgeschlossen worden. Das Resultat übersteigt alle bisher gehegten Befürchtungen. In der Stadtkasse fehlen zwarnur" ca. 3690 Mk. bar, während sich bei den Nebenverwaltungen, (Lokalschul­fond, Armenfond, Lehrmädchen-Stiftung rc.) im Ganzen

über 75,000 Mk. Fehlbeträge herausstellten. Das ganze Defizit beträgt demnach rund 79,000 Mk. Jetzt ist die Frage, wer hat dafür aufzukommen?

Frankfurt, 30. Okt. Die Kraftüber­tragung der Firma W. Lahmeyer u. Cie. von Offenbach a. M. nach Frankfurt, die bisher unter Verwendung von Gleichstrom stattgefunden hat, wurde heute in der Weise in Betrieb gesetzt, daß zur Ver­sendung in den Fernleitungsdrähten dreiphasiger Wechselstrom Haselwanderschen Systems verwandt wird, derselbe aber zur Verwendung in der Frankfurter Station direkt durch einen Lahmeyerschen Umformer auf die Form von niedergespanntem Gleichstrom ge­bracht wird. Obgleich die Ausstellung bereits ge­schlossen ist, wohnten der Probe der hochinteressanten Anlage eine auserlesene Zahl von Herren bei, darunter Hr. v. Miller, Baurat Lindley und der amerikanische Erfinder des Mehrphasenstroms, Bradley. Die An­lage, die von Anfang an auf das Vorzüglichste funk­tionierte, unterscheidet sich somit von der Lauffener Drehstrom-Uebertragung dadurch, daß an Ort und Stelle nicht Drehstrom, sondern Gleichstrom zur Speisung der Lampen zur Verwendung gelangt, und hat somit ebenfalls große praktische Bedeutung.

Dresden, 29. Okt. Se. Mas. der König empfängt heute nachmittag im Schlosse den königl. württembergischen General v. Ickern, welcher die Thronbesteigung Sr. Mas. des Königs Wilhelm II. anzeigt und später an der Hoftafel in der königlichen Villa zu Strehlen teilmmmt.

In Dresden hat Ende Oktober eine Ver­sammlung von Frauen innerhalb des dortigen Vereins Volkswohl" eine Petition zu Gunsten des Trunk- suchtsgesetzes unterschrieben, nachdem durch einen Vortrag von Dr. W. Bode, dem Geschäftsführer des sächsischen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die große Wichtigkeit des vielumstrittenen Entwurfes für die Frauen dargelegt war. Die Ge­suchsteller bitten, der Reichstag und der Bundesrat möchtenzum Wohle des Volkes und ganz besonders auch zum Nutzen unzähliger jetzt unter dem Wirts­hausleben und der Trunksucht ihrer Familienglieder schmerzlich leidenden Frauen an dem Entwürfe fest- halten und namentlich dessen wichtigste Bestimmungen, welche die Unterbringung Trunksüchtiger in geeignete Heilanstalten vorschreiben, in keinem Falle aufgeben." So viel uns bekannt, bemerkt dazu dieSozial- Korrespondenz", ist das der erste deutsche Frauenruf in dieser Sache. In den englischen und skandinavischen Ländern würden schon tausende von solchen Kund­

gebungen im Werke sein. Es ist ja kein Zweifel,- daß das Trunksuchtsgesetz, besonders die schon erwähnten Bestimmungen über Entmündigung und Heilung starker Trinker für unzählige Frauen ein großer Segen sein würde. Wie die Verhältnisse jetzt liegen, wird die Trunksucht des Mannes zuerst an seiner Frau und Familie gestraft. Schreiber dieses hat oft brieflich oder mündlich Auskunft geben sollen, ob sich denn gegen einen solchen Mann, der seine Mutter ins Grab zu bringen droht oder seiner Frau und Kinder Habe zu Grunde richtet, nichts machen ließe, ob man ihn nicht zeitweilig zum Wohle aller Beteiligten in einer Anstalt vor dem Alkohol absperren könnte. Die Frage mußte immer verneint werden. Immer mußte man auf das erwartete Trunksuchtsgesetz vertrösten."

Berlin. DieNational Zeitung" bringt ein Schreiben von Dr. Karl Peters an Schröder- Poggelow, datiert Kilimandscharo-Station, 25. August 1891, worin Peters mitteilt, daß er in der glücklichen Lage war, seine Truppenzahl vermindern zu können. Peters befindet sich wohl. Die Bevölkerung dort sei sehr reich und ähnlich entwicklungsfähig wie in Uganda. Gestern fand in den Geschäftsräumen der Diskonto- Gesellschaft die Konstituierung der Astrolabe- Kompagniemit einem Grundkapital von 2,400,000 statt. Die Gesellschaft bezweckt, im Schutzgebiet der Neuguinea-Kompagnie Plantagenwirrschaft, insbeson­dere den Tabackbau, zu betreiben.

Berlin, 30. Okt. In einer gestern abgehaltenen Buchdruckerversammlung wurde konstatiert, daß 22 Berliner Buchdruckereien mit 200 Gehilfen die Forderung der Gehilfen bewilligten. Ferner wurde festgestellt, daß in ganz Deutschland 11,000 Vereins­mitglieder kündigten.

Potsdam, 29. Oktbr. Der König von Rumänien ist heute nachmittag um 3 Uhr über Berlin nach Budapest abgereist. Der Kaiser schüttelte bei dem Abschied am Bahnhofe dem Könige herzlich die Hände. In Breslau wird der rumänische Thron­folger mit dem Könige zusammentreffen.

Vermischtes.

In Schliersee im bayrischen Hochland gab es vor einigen Tagen ein Haberseldtreiben. Diese uralte Art eines Volksgerichts gegen mißliebige Persönlichkeiten, das dem betroffenen vorher durch Anschrift an das Haus angekündigt und dann nachts durch vermummte Männer unter furchtbarem Lärmen ausgeführt wird, ist trotz strengster Verbote im Hoch-

rr » Nachdruck oerbaten.

Nur unter einer Bedingung.

Von Hans Wachenhusen.

(Schluß.)

Als suche er in ihm einen Fürsprecher, trat auch er neben sie, die das Antlitz auf dem Kinde geborgen; er beugte sich über das blonde kleine Haupt, und da schreckte Nadine plötzlich zusammen; auffahrend hob sie die St.r.r vor einer Stimme, die so nah, so glockenhell an ihr Ohr schlug, denn:

Papa!" klang es wie ein Engelsruf von den rosigen Lippen des Kindes, das diesen Namen so oft von seinen Spielkameraden rufen gehört, und die junge Mutter sah mit starren Augen, wie es die Aer.nchen zuihm. seinem Freunde, ausstreckte.

Geisterbleich, erzitternd richtete sie sich auf, als Ottomar den Kleinen vom Lager hob, das Händchen desselben küßte, und dieser das Aermchen um des Mannes Nacken legte, das andere m>t glücklichem Lächeln zu ihr ausstreckte.

Und erst jetzt erfaßte sie jäh die ganze Bedeutung dieser Szene; das Wo.l» das der Knabe gerufen, hallte in ihrem Herzen; sie schaute hin, wie innig die Beiden sich hielten, wie der blonde kleine Kopf sich an den des jungen Mannes schmiegte, dabei auch sie so wonnig anlächelte und nach ihr verlangend doch nicht von ihm wollte!

Und da plötzlich ging es wie Verklärung über Nadinen's Antlitz: hoch auf­atmend legte sie die Hände an die Wangen und blickte gen Himmel.

O, mein Gott, ich danke Dir!" hauchte sie auf aus tiefstem, beglücktem Herzen. Das war seines Schutzengels Stimme!" Und die Hand gegen Ottomar ausstreckend, als dieser ihr das Knäbchen reichen wollte, fuhr sie in Exstase fo.t:

Ottomar, behalte ihn, er sei Dein! .. . Und auch ich darf cs jetzt sein, seit er selbst das erlösende Wort gesprochen!" Sie warf sich mit einem Freudenlaut an seine Brust, und er schlang den Arm auch um sie.

So standen sie ihrer drei, lautlos, innig umschlungen, denn auch der Knabe hatte sein Aermchen um der Mutter Nacken gelegt, bis ein rauhes Hüsteln Nadine aus ihrem Glückslcaum ausschreckte, Ire vor dem General zurückwich, der mit strafen­dem Blick auf die Gruppe schaute.

Das erlösende Wort!" rief er streng.Ich hörte eS! Mein armer Sohn ist also vergessen!" Und zu ihr tretend fuhr er, ihre Hand ergreifend, fort: Kannst Du mir schwören, daß Du diesem da nichts verraten von der einen Be­dingung, die Dir die Freiheit zurückgeben durfte, daß er sich nicht absichtlich in Dein Herz gestohlen durch das Kind, das nur aus eigenem wahrhaften Instinkt nach dem

verlangen sollte, der ihm den Verewigten ersetzen könne? . . . Nur um dies zu verhüten, stand ich stets auf der Wacht" er senkte den Kopfes sollte mir weh thun, hätt' ich meines Amtes so schlecht gewaltet!"

»Ich schwöre es bei dem Glück meines Kindes schwör' ich es!" rief freudig Nadine, ihn umarmend und die Stirn auf seine Schulter lehnend.

So ist des Seligen Wille geschehen und ich habe kein Recht mehr über Dich!" Er küßte Nadine auf die Stirn, aber so kalt, als gehöre sie nicht mehr zu ihm. Auch Oltomar die Hand zu drücken, das bracht' er nicht über sich. Trauernd ver­ließ er die Drei und schritt gebeugt in den Garten hinaus, durch den er ungemeldet gekommen.

Nadine stellte überglücklich den Knaben auf seine Füßchen und flüsterte ihm einige Worte zu.

Oospapa, hier bleiben!" rief dieser dem unglücklichen Alten nachtrippelnd, und inr wandte sich, seine Hände ausstreckend, nahm ihn auf seine Arme und trug ihn in den Garten hinaus.

Zu mir sollst Du kommen!" rief er, ihn m t Thränen an sich pressend,zu mir, oft und immer, denn" .... Nadine war ihm gefolgt; er reichte ihr hastig den Knaben zurück und preßte abgewendet ihre Hand zum Abschied.Ihr Beide Ihr braucht mich nicht! . . . Leb' wohl!"

Er ging und hatte nach diesem Erlebniß eine schlaflose Nacht, in der er hin und her erwog, ob denn auch wirklich Alles mit rechten Dingen zugegangen.

Am nächsten Tage suchte er aber doch heimlich einen RechtZgelehrten auf' um diesen zu befragen, ob denn wirklich ein noch so unvernünftiges Kind den Aus- schlag habe geben können, und der sagte ihm:Wie Sie mir die Sache darlegen, sollte und konnte das allerdings nur so geschehen, dieweil ein mündiger Sohn keines väterlichen Schutzes mehr bedarf.

Die Toten haben kein Recht mehr!" brummte der Alte heimgehend. Und so überwand er denn schließlich seinen Groll und schloß doch Frieden. Die Sehn­sucht nach dem Kinde ließ ihm keine Ruhe.

Als er im nächsten Sommer, seiner alten Gewohnheit folgend, wieder nach Ems ging und Nadine und Ottomar als junges Paar ihn dorthin begleiteten, stellte er seinem hohen Gönner, dem Kaiser Wilhelm, auf der Promenade sein Enkelchen vor, das er an der Hand führte.

Majestät." sagte er.ich hatte gehofft, einen tüchtigen Soldaten aus dem Jungen zu machen, aber er ist mir unter die Diplomaten gekommen, und da Hab' ich nichts mehr zu befehlen!"

End«.