^ P.
SMZMA
rvsarr.
130.
Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
66. Jahrgang.
Erschkint Dien i ta g, Donnerit-g und Samitag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung » Pfg- die Zeile, sonst IS Psg.
Dienstag, den 3. November 1891.
ganz
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt »0 Pfg. und g. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst io Württemberg Mk. 1. 35.
Tages-Uenigkeiten.
* Calw, 1. Nov. Das am Samstag abend von den Frl. Johanna Brackenhammer und Marie Zundel im Badischen Hofe gegebene Konzert gewährte den Zuhörern einen prächtigen Genuß. Frl. Zundel spielte als Eröffnungsstück einLoiiäo LLpriooio8o von Mendelssohn und später Kompositionen von Liszt, Chopin, Reinecke u. a. Die jugendliche Künstlerin erntete durch ihre bedeutende technische Fertigkeit und die Feinheit ihres Spiels großen Beifall. Die technische Durchbildung der Künstlerin ist bestechend; auch die äußersten Schwierigkeiten kommen bei ihr zu klarem, tadellosem, vollendetem Vortrag; sie beherrscht in Wirklichkeit ihr Instrument. Mit diesem hochzuschätzenden Vorzug verbindet sie auch ein geschmackvolles Spiel von großer Weichheit. Am meisten hat uns das Impromptu von Chopin und vor allem die Ballade von Neinecke durch ihren prachtvollen Ausdruck angesprochen. Nicht minder schön war auch die Kairos <1o Visims von Liszt. Die Sängerin Frl. Brackenhammer verfügt über einen klangvollen, sympatischen Mezzosopran, über tüchtige Gesangsbildung und entsprechende Vortragsweise. Die Stimme klingt hell, klar, metallreich und voll; besonders wirkungsvoll sind die Töne in der unteren und mittlereil Tonlage; die Aussprache ist musterhaft. Schon mit dem ersten Lied, einer Arie aus „Der Prophet" von Meyerbeer, bekundete die Künstlerin ein bedeutendes Gesangstalent. Der Vortrag dieser überaus stimmungsvollen Arie war wohlgelungen. Vorzüglich war „die Uhr" von Löwe und ebenso effektvoll „Liebesglück" von Sucher und das anmutige Lied „Zur Drossel sprach der Fink" von DÄlbert, so daß auch dieser Künstlerin lebhafte Anerkennung zu teil wurde. Das Konzert war in jeder Beziehung anregend und interessant und befriedigte allgemein.
Stuttgart, 29. Okt. Die deutsche Verlagsanstalt, vormals Eduard Hallberger, bekanntlich eines der größten deutschen Verlagsinstitute, dessen rühm- lichst bekannte Zeitschriften über die ganze Welt verbreitet sind, hielt heute ihre X. Generalversammlung ab. Exklusive des Vortrags vom Vorjahr beträgt der Jahresgewinn dieser Gesellschaft 517 131 ^ 88 -H, wovon ein beträchtlicher Teil zu Abschreibungen verwandt und aus dem Rest eine Dividende von 14"/« an die Aktionäre verteilt wird. Ein kleiner Rückgang der Dividende ist durch Naturereignisse verschuldet worden, indem nämlich der trockene Herbst und der letzte lange und harte Winter auf die in den großen Papierfabriken verwendeten Wasserkräfte von sehr nachteiligem Einfluß waren. Im Ganzen darf das letzte Geschäftsjahr bei der Verlagsanstalt als ein sehr günstiges bezeichnet werden. Als Vertrauensvotum für den Verwaltungsrat mag es gelten, daß die aus demselben ausscheidenden Mitglieder wiedergewählt wurden. Von 2479 vertretenen Stimmen erhielten: Kommerzienrat Moser, Sigmund Schott 2148 und Professor Georg Ebers-München 1806 Stimmen. Für den verstorbenen Generalkonsul Dörten- bach wurde dessen Sohn in den Aufsichtsrat gewählt. Einzelne scharfe Kontroversen, welche zu Anfang der Sitzung sich erhoben, hatten ihre Spitze in Personalfragen. Hauptsächlich in Mitleidenschaft gezogen
wurde dabei der bekannte Professor Joseph Kürschner. — Das von der Verlagsanstalt angekaufte „Neue Tagblatt", welches aber als selbständige Aktiengesellschaft weitergeführt wird, warf einen Jahresgewinn von 162000 ^ ab, wovon 10°/» als Dividende verteilt wurden. Ein Antrag auf Verschmelzung der beiden Institute zu einer Aktiengesellschaft wurde mit großer Stimmenmehrheit abgelehnt.
Stuttgart, 30. Oktbr. Die „Tagwacht" nennt als soz.-dem. Kandidaten für die Landtagswahl Oehringen Schriftsteller Agster, für Oberndorf Schriftsteller Stern in Stuttgart und für Neuenbürg Wirt Bronnenmayer in Göppingen.
Stuttgart, 31. Okt. Die Kammer der Abgeordneten kam heute mit der Adreßdebatte zu Ende. Bei Aiff. 5, die den Passus der Thronrede über die Einbringung eines neuen Entwurfs betr. die Verfassungsrevision umschreibt, brachte Ebn e reinen Zusatzantrag ein, wonach er und seine politischen Freunde als die geeignete Grundlage zur Zusammensetzung der zweiten Kammer die Aufhebung der Vorräte von Geburt und Amt erachten, v. Sch ad nahm sich der Privilegierten an und nahm für dieselben in Anspruch, daß sie ihr Mandat stets mit Einsicht und Pflichtgefühl ausgeübt haben und daß auch nicht der Hauch eines Verdachtes auf ihnen ruhen bleiben könnte, sie hätten nicht ebensoviel Vaterlandsliebe als die gewählten Abgeordneten, v. Göz wendet gegen den Antrag Ebner ein, daß die Mehrheit sich nicht für eine Aufhebung der Vorrechte der Privilegierten ausgesprochen habe, sondern nur für eine Einschränkung derselben. Ihnen den Stuhl vor die Thür setzen wolle man nicht. Stälin will für den Antrag Ebner stimmen, der ja eine Forderung des Programms der deutschen Partei von 1888 sei. F. Haus; mann (Gerabronn) erklärte klipp und klar, daß, wenn der Antrag Ebner nicht in die Adresse hineinkomme, er und seine engeren politischen Freunde an der Endabstimmung über die Adresse nicht teilnehmen würden. Mit 51 gegen 34 Stimmen wird sodann der Ebner'sche Antrag abgelehnt. Für denselben stimmen außer der Linken noch einige Mitglieder der deutschen Partei. Die Ziff. 6—8 der Adresse werden debattelos angenommen. Bei der Endabstimmung wird sie mit 82, allen abgegebenen Stimmen genehmigt. Die Abgeordneten F. und K. Haußmann, Brodbeck und Storz hatten vor der Abstimmung den Saal verlassen. — Am Dienstag soll die Adresse dem König überreicht werden. Die Vertagung der Stände wird am nächsten Donnerstag erfolgen.
Cannstatt, 29. Okt. Die für den Exerzierplatz bei Cannstatt angekaufte Fläche soll, wie das „N. T." hört, nach neuester Anordnung des Generalkommandos nun in aller Bälde, und nachdem das Obst eingeheimst, vollends abgeholzt, verebnet und arrondiert werden. Nur die Bäume entlang des Neckars bei der Schwimmschule sollen stehen bleiben.
Cannstatt, 29. Okt. Gestern abend 7 Uhr gerieten zwei Brüder M., welche bisher ein gemeinsames Geschäft hier betrieben, wegen desselben in ihrer Wohnung in der Sulzerrainstraße in Handgemenge, wobei der 23 Jahre alte Agent M. auf seinen Bruder einen Revolverschuß abgab, der glücklicherweise aber fehlging und in die Zimmerdecke schlug.
Ludwigsburg, 29.Okt. Sekondelieutenant Graf Schenk v. Stauffenberg vom Ludwigsburger Ulanenregiment, der infolge Sturzes mit dem Pferde Mitte September eine heftige Gehirnerschütterung erlitt und bis jetzt im Ludwigsburger Garnisonlazaret in ärztlicher Behandlung sich befand, ist nun so weit genesen, daß er in den nächsten Tagen zu seiner völligen Herstellung einen mehrmonatlichen Urlaub nach Bayern antretten wird.
Bietigheim, 30. Okt. Bei der gestern vorgenommenen zweiten Wahl eines Stadtvorstandes stimmten von 554 Wahlberechtigten 519, also 91 "/« ab. Dabei erhielten Ratsschreiber Metzger aus Stuttgart 280, Notariatsassistent Weigele von hier 246 Stimmen. Die Bestätigung des elfteren ist außer allem Zweifel. Bemerkenswert ist das Eintreten des „beanstandeten" Landtagsabgeordneten Es sich (vulgo Polen-Essich) für den leider zu jungen Kandidaten Weigele. Unter der Maske eines „Strohmanns" brachte es Essich auf 217 Stimmen.
Sulz a. N., 28. Okt. In Renfrizhausen, hiesigen Oberamts, ist gestern mittag das dem Steinhauer Friedrich Bäßler gehörende Wohnhaus nebst Remise abgebrannt. Das Feuer entstand dadurch, daß ein 6jähriges Kind mit Zündhölzer spielte.
Rottweil, 29. Okt. Am 9. Januar d. I. wurde von der Strafkammer des K. Landgerichts dahier der 22 Jahre alte, ledige Bäckergeselle Pius Ferdinand Entreß von Rottenburg wegen eines in der Nacht vom 18. aus 19. Oktober vorigen Jahrs an dem türkischen Oberstlieutenant Mustapha Bey in Oberndorf verübten schweren Diebstahls im Betrage von 460 und zweier weiterer Diebstähle, wovon einer in derselben Nacht an dem Bäckerlehrling Joseph Deger im Betrage von ca. 4 verübt wurde, zu der Zuchthausstrafe von 4 Jahren und 2 Wochen, sowie zum Verluste der bürgerlichen Ehren auf die Dauer von 6 Jahren verurteilt. Neuerdings haben sich nun aus Anlaß einer beim K. Landgerichte Tübingen stattgehabten Voruntersuchung gegen den zur Reserve entlassenen Musketier Jos. Köhler von Unterthalheim, O.-A. Nagold, die dringendsten Verdachtsgründe dafür ergeben, daß dieser der Thäter bezüglich der an Mustapha Bey und Joseph Deger verübten Diebstähle ist; namentlich wurde in seinem Besitze das Leinwandsäckchen gefunden, in welchem der erstere die ihm gestohlenen 23 -^.-Stücke aufbewahrt hatte und welches mit entwendet worden war. Seitens der hiesigen Staatsanwaltschaft ist bereits die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Pius Entreß und die sofortige Unterbrechung der Strafvollstreckung gegen denselben beantragt, voraussichtlich wird er im Laufe des morgigen Tages aus dem Zuchthaus entlassen. — Am vergangenen Sonntag und Montag wurden 7 Personen in das hiesige Amtsgerichtsgefängnis eingeliefert, welche der gewerbsmäßigen Wilderei und der Hehlerei verdächtig sind; soviel man hört, hat einer der 3 wegen Wilderei verhafteten Bursche bereits zugestanden, daß er im Laufe dieses und des vorigen Jahrs 17 Rehe gewildert hat; auch soll er die anderen Mitschuldigen erheblich belastet haben.
Heilbronn, 29. Okt. Beim hiesigen Postamt ist in kurzer Zeit wiederholt ein falsches silbernes