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Renner genehmigt; gleichzeitig mit Herrn v. Renner hatten alle anderen Minister ihre Portefeuilles zur Verfügung gestellt, worauf der König den Minister­präsidenten Freiherrn v. Mittnacht berief und ihm unter Versicherung seines Vertrauens den Entschluß zu erkennen gab, eine Aenderung im Bestand des Staatsministeriums nicht zu verfügen. Heute nachmittag findet in Gegenwart des Königs die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen König Karls statt.

Stuttgart, 13. Okt. Heute haben Seine Majestät den neuernannten Staatsminister der Finanzen I)r. von Riecke in Audienz empfangen.

Stuttgart, 13. Okt. Man schreibt dem Frkf. I. von hier: Dem Vernehmen nach sollen die Veränderungen in den ersten Stellen des Hofdienstes, die bestimmt zn erwarten sind, noch nicht in nächster Zeit, vielleicht nicht vor Weihnachten, zu erwarten sein. Man hört davon, daß der König auch den jetzigen Gesandten in München, den Freiherrn v. Soden, in seine Nähe ziehen wolle. Die Königin- Witwe hatte ihrerseits von Anfang an auf eine Apanage aus der Civilliste Verzicht geleistet, und wird deshalb auch wohl auf ein Wittum vom Lande keinen An­spruch erheben. Ihre Residenz dürfte die hohe Frau den Winter über im Kronprinzcnpalais aufschlagen. Königin Olga soll, abgesehen von der Apanage, die sie als Großfürstin noch von Rußland bezieht, ein Vermögen von 24 Millionen Mark besitzen, als dessen Erben die Herzogin Wem mit ihren beiden Töchtern gelten. Die Königin-Witwe hat von dem Maler Burger in München ein Bild in Pastellfarben malen lassen, welches ihren verstorbenen Gemahl auf dem Totenbette darstellt.

Stuttgart, 11. Okt. Der Festsaal der Liederhalle zeigte heute ein düsteres Gewand. Der Liederkranz hatte nämlich auf heute Nachmittag eine Trauerfeier für König Karl, dessen Büste sich über dem Podium befand, veranstaltet. Die bürgerlichen Kollegien, Militär- und Civilbeamte nahmen an der Feier Teil. Prof. Dr. Schanzenoachs Trauerrede fand allgemeine Befriedigung. Trauerchoräle bildeten die Umrahmung der erhebenden Feier.

Stuttgart, 10. Okt. Während der Sarg des Königs am Donnerstag aufaebahrt wurde, wäre leicht im Kgl. Residenzschloß ein Brand ausgebrochen. Stubenmädchen hatten Fremdenbetten zum Erwärmen an ein geheiztes Kamin gestellt und waren fortgeeilt, um die Aufbahrung zu sehen. Ein Bett ist vermut­lich in das Feuer gefallen, brannte und setzte auch den Balkon in Brand, so daß die Funken von der Hauptwache bemerkt wurden. Zum Glück gelang es, das Feuer ohne jeden Alarm zu löschen.

Tie Metallwarenfabrik, Gravier- und Präge­anstalt von Wilhelm Mayer hat eine Medaille des hochseligen Königs Karl ausgeführt. Der Kopf ist sehr gut getroffen; das Brustbild trägt die Unter­schrift Furchtlos und Trew; die Kehrseite trägt die von dem Palmzweig umrahmte Schrift: Karl König von Württemberg, geb. 6. März 1823, st 6. Oktober 1891. Eine schöne Pflanzendekoration bildet den Umkreis. Die Medaille ist sorgfältig ausgeführt und fein ziseliert, und wird jedem Württemberger, ins­

besondere auch jedem Münzensammler als eine schöne Erinnerung an den verewigten König willkommen sein.

Die Stadtgemeinde Stuttgart be­absichtigt durch Erstellung einer Wafferwerksanlage auf den Markungen Oßweil, Poppenweiler und Benningen das dort noch vorhandene freie Gefall des Neckars auszunützen und die sich ergebende Triebkraft durch Erzeugung elektrischen Stromes mittelst Drahtleitung nach Stuttgart zu übertragen, um die Residenzstadt mit elektrischem Licht und elektrischer Kraft zu versorgen. Das K. Oberamt Ludwigsburg hat im gestrigen Blatt eine hierauf bezügliche amtliche Bekanntmachung erlassen, welche die Einspruchsfrist auf 14 Tage festsetzt.

Stuttgart, 9. Okt. Gestern vormittag hatte sich vor dem Schwurgericht wegen Totschlags der 18 Jahrs alte Taglöhner Georg Jakob Leih- bacher von Cannstatt zu verantworten. Die öffentl. Anklage vertrat der 1. St.-A. Elben, die Verteidig­ung hatte R.-A. Raich übernommen. Als Sachver­ständige waren Oberamtsarzt vr. Bletzinger von Cannstatt und 12 Zeugen geladen. Der Vorgang, um welchen es sich bei dieser Verhandlung handelte, und bei welchem der 24 Jahre alte Taglöhner Schweizer von dem Angekl. erstochen wurde, ist folgender: Der Angekl. wohnte bei seinen Eltern in der Hofenerstr. in Cannstatt, im gleichen Hause auch der erstochene A. Schweizer nebst seinen Eltern. Die beiden Parteien lebten schon längere Zeit im Unfrieden, hauptsächlich aber der Angekl. mit dem getöten A. Schweizer und dessen Bruder K. Schweizer. Der Angekl. ärgerte sich über das Verhältnis des A. Schweizer mit einem Mädchen. Leihbacher zeigte es schließlich der Polizei an, welche das Mädchen am Abend des 30. Mai d. I. verhaftete, worüber der Angekl. sie ausspottete. Am andern Tage begegneten sich die drei, es gab sofort einen Wortwechsel, wobei der getötete A. Schweizer dem Leihbacher einen Stoß auf die Brust versetzte; dieser fiel zu Boden, zog, als er wieder auf den Beinen war, sofort das Messer und brachte dem Schweizer 4 Stiche bei. Einer derselben drang dem Schweizer ins Herz und der 2. in den Unterleib. Schweizer war sofort tot. Leihbacher wurde von den Geschworenen einer Körperverletzung mit nachfolgendem Tode schuldig gesprochen, worauf ihn das Schwur­gericht zu 4 Jahren Gefängnis verurteilte.

Stuttgart, 12. Okt. (Sozialdemokra­tischer Parteitag). Die Landesversammlung der Sozialdemokratie Württembergs findet am 8. November hier statt.

Winnenden, 9. Okt. Es ist wohl schon öfter vorgekommen, daß Hasen rc., welche sich an der Bahnlinie niedergelegt hatten, von der Bahn über­fahren wurden, als eine Seltenheit dürfte aber die Thatsache zu bezeichnen sein, daß heute früh in der Nähe der Station Neustadt von dem dort stationierten Bahnwärter ein überfahrener und getöteter Fuchs gefunden wurde, was bei der angeborenen Schlauheit zu verwundern ist; dem armen Kerl war der Vorder­teil des Kopfes vollständig abgequetscht.

Vom Bottwarthal, 10. Okt. Die warmen Oktobertage wirken auf die Reifs der leider wenigen Trauben noch günstig, so daß der Heuer so sehr heim­gesuchte Weingärtner noch hoffen darf, daß der 1891er,

lager hätte auf die Dauer doch einigermaßen bedenklich für ihn werden können. Den Wagen mußten wir vorläufig leider im Stich lasten. Aber die Pferde sind mit einem zuverlässigen Burschen aus dem Dorf bereits unterwegs, und wenn Sie jetzt nur die Freundlichkeit haben wollten, Ihr Fräulein Tante zu wecken und zum Einsteigen einzuladen, so dürften die Fährlichkeiten dieser Nacht für Sie ihr Ende erreicht haben!"

Er zog sich zurück, noch ehe Nelly ein Wort des Dankes aussprechen konnte. Nicht ohne einige Schwierigkeiten gelang es ihr, Tante Dorette wieder halbwegs zum Bewußtsein zu bringen, und die würdige Dame hatte kaum die Augen aufge­schlagen, als sie auch bereits von Neuem in der erbarmungswürdigsten Weise über ihr Mißgeschick und ihre Verlassenheit zu jammern begann. Auch die vermeintliche Barbarei des Doktors spielte jetzt in ihren Wehklagen eine große Rolle, und sie war nicht wenig erstaunt, daß Nelly ihr darauf mit ziemlich scharfer Betonung be­merkte, Aante Dorette müsse ihren vorherigen Scherz, den sie lebhaft bedauere, voll­ständig mißverstanden haben.

Sie sprachen der alten Frau ihren Dank für die Aufnahme und Bewirt­ung aus, und als Mutter Conrad, die nur mit einem Kopfnicken geantworet hatte, die geleerte Taste vom Platze des jungen Mädchens nehmen wollte, sah sie neben derselben ein Goldstück schimmern. Sie nahm es auf, eilte hinaus und streckte es Nelly, die eben im Begriff gewesen war, in den Wagen zu steigen, entgegen.

Sie haben etwas vergessen, Mamsell! Man soll vorsichtig sein mit so wertvollen Sachen!"

Die beinahe unfreundlich hervorgestoßenen Worte setzten Nelly in nicht ge- geringe Verlegenheit.

Ich habe das Geld nicht vergessen." sagte sie zögernd.Ich wollte Sie v,elmehr bitten, eS als eine kleine Entschädigung anzunehmen für die Mühe, welche wir Ihnen verursacht haben! Oder wenn Sir da» nicht wollen," fuhr sie hastig fort

wenn auch nach Menge bloß das Prädikatsehr wenig", doch nach Güte vielleicht nochziemlich gut" erreichen kann. Die Keltern werden wohl in den meisten Gemeinden gar nicht geöffnet und das geringe Erträgnis in Privatkeltern gepreßt werden. Die Trauben leiden, weil so wenige vorhanden, auch unter der Gier der Vögel, so daß der Winzer dadurch noch manche Traube schwinven sehen muß. Nach statistischen Aufzeichnungen war es im Jahre 1821 das letztem«!, daß keine Kelter in unserer Gegend ging; dasselbe war in den Jahren 1816 und 1792 der Fall.

Kraftübertragung LaufsenFrank­furt. Man schreibt dem N. Tagbl. aus Lauffen a. N., 12. Okt.: Heute nachmittag forderte die Kraft­übertragung von hier nach Frankfurt das erste Men­schenleben. Ein seit Anfang bei der Montage und beim Betrieb beschäftigter Monteur kam mit einem Leitungsdraht in Berührung und war augenblicklich tot. Die angestellten Wiederlelebungsversuche waren erfolglos.

Obersontheim, 10. Okt. An Schubarts hundertjährigem Todestag fand in seinem Geburtsort eine einfache, den Bestimmungen der Landestrauer angepaßte Gedenkfeier statt. Vor dem beleuchteten Geburtshause, an welchem eins Erinnerungstafel das Andenken an Schubart aufrecht erhält, hielt Pfarrer Schäfer von Untersontheim die Gedächtnisrede, in welcher er des Dichters litterarische Bedeutung würdigte und ihn namentlich als Freund der Wahrheit und deutschen Patrioten feierte. In den Räumen des Gasthofs zur Sonne, wo das Bild Seiner Majestät des verewigten König Karls umflort aufgehängt war, gedachte der Ortsgeistliche Pfarrer Jmendörffer in bewegten Worten des Hingangs unseres Landes­fürsten und entwickelte darauf in längerer Ausführung das Lebensbild Schubarts. Die einzelnen Momente desselben wurden durch eingeschobene Deklamationen von seinen Gedichten veranschaulicht. An der würdigen Feier beteiligte sich die Einwohnerschaft von Ober­sontheim sehr zahlreich, auch die Nachbarstädte Gail­dorf und Hall waren bei derselben vertreten.

Möckmühl, 11. Okt. In dem Neubau der Kunstmühle in dem benachbarten bad. Ort Ruchsen, die erst seit Kurzem wieder in Thätigkeit gesetzt wurde, ereignete sich am vergangenen Samstag früh folgender schwere Unglücks fall nach dem Morgenessen. Der 21jährige Mahlknecht begab sich hinauf in den Ma­schinenraum, wo ein Riemen von der Scheibe abge­sprungen war, und wollte denselben während des Laufs wieder auflegen, wobei ihn dieser sofort erfaßte und fortriß und ihm den Kopf vollständig zerquetschte. Als man nach ihm sah, fand man ihn bereits tot in der Maschine hängen.

Trochtelfingen, 9. Okt. In unserer Nach­barschaft zieht die böse Scharlachkrankhcit immer weitere Kreise unter der Jugend. So ist auch solche hier ausgebrochen, und ist die Schule, da auch schulpflichtige Kinder von der Krankheit ergriffen sind. Seitens der Oberbehörde bis auf weiteres geschlossen worden.

Ebingen, 12. Okt. Gestern Mittag 2 Uhr hielt der Bezirksbaumwärter-Verein im Gasthof zur Krone in Margarethausen eine Versammlung ab,, welche sehr stark besucht war. Oberamts-Baumwart

als die Alte eine abwehrende Bewegung machte,so kaufen Sie Ihrem kranken Manne Fleisch oder Wein dafür! Um seinetwillen dürfen Sie es nicht zurückweisen!"

Die Alte schüttelte den Kopf.

Nein, Mamsell, da ist Ihr Geld! Wir nehmen keine Almosen!"

Diese schroffe Ablehnung in Gegenwart des Doktors, der schweigend an ihrer Seite stand, machte Nelly vollends verwirrt, und ohne Ueberlegung fuhr es ihr heraus:

Aber sagten Sie denn nicht selbst, daß Sie von dem Herrn Doktor"

Weiter kam sie nicht; aber die Alte hatte sie sehr wohl verstanden.

Das ist etwas Anderes, Mamsel! Der Herr kennt das Los armer Levte, er erachtet es als seine Pflicht, ihnen dasselbe zu erleichtern, seine Wohlthaten empfangen wir nicht als Almosen. Den Wein rechnet der Herr Doktor mit mir ab. Wenn es Ihnen schwer wird, einer armen Frau einen kleinen Dank schuldig zu sein, da. hätten Sie in ein Wirtshaus gehen müssen.

Es war so unverkennbar ihre Absicht, sich deS Geldes zu entledigen, daß Nelly sich wohl genötigt sah, es zurückzunehmen. Sie stieg in den Wagen, in welchem sich's Tante Dorette auf dem breiten Rücksitz schon so bequem gemacht hatte, daß neben ihr kaum noch für ein Kind Platz gewesen wäre, und ließ sich auf dem schmalen Vordersitz nieder. Der Doktor nahm seinen Hut ab und schickte sich an, die Wagenthür zu schließen; aber noch ehe dieselbe in's Schloß gefallen war, legte sich NellyS zierliches Händchen auf den Schlag und ihr Gesicht tauchte noch einmal aus dem Dunkel auf.

Büte Herr Doktor Sie werden uns doch begleiten?" sagte sie ganz schüchtern. Ich bin so furchtsam geworden, daß ich mich halbtot ängstigen würde, ehe wir nach Hause kämen. Sie schlagen mir das nicht ab. nicht wahr?"

Ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß Sie nicht das Geringste mehr zu fürchten haben, mein Fräulein! Die beiden ehrlichen Ackergäule, die ich da aufgetrieben habe, werden sich zwar etwas Zeit kaffen, aber sie geraten sicherlich nicht auf gefährliche Seitenwege." (Forts, folgt.)