r^LivLLU.
Amts und Anzeigeblalt für den Bezirk (Lalw
'S 122
NS '
ML/M
rn»-i^7..,i i.
LSK
VrL»
W>
I
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, den 15. Oktober 1891.
Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt BO Pfg. und Lv Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst iv ganz Württemberg Mk. 1. S5.
Amtliche Bekanntmachungen.
Traurrgottesdienst
für
des Mkmgten Königs Karl Majestät.
Am Sonntag, den 18. Oktober ds. Js., Vormittags '/»10 Uhr, wird in der hiesigen evangelischen Stadtkirche ein Trauergottesdienst für Seine Majestät den verewigten König Karl abgehalten werden, wozu wir geziemend einladen. Die an dem Zug in die Kirche sich Betheiligenden sammeln sich vor '/»IO Uhr am Rathaus.
Calw, 14. Oktober 1891.
Oberamtmann Dekan Supper. Braun.
Die gemeinschaftlichen Ämter,
welche auf unseren Aufruf m Nr. 109 des Calwer Wochenblatts, betreffend die Unterstützung der bedürftigen Hagelbeschädigten, uns noch keine Mittheilung über die bei ihnen emgegangenen Beträge gemacht haben, wollen diese Mittheilung in Bälde an uns gelangen lassen.
Calw, 13. Oktober 1891.
Oberamtmann Dekan Supper. Braun.
Tages-Ueuitzkeiten.
Calw. Auf die von dem Gemeinderat hier unterm 6. ds. an Ihre Majestät die Königin Olga erlassene Beileidsadresse ist heute folgende Zuschrift eingelaufen:
Stuttgart, 12. Oktober 1891.
Ihre Majestät die Königin Olga aufs tiefste erschüttert durch den unersetzlichen Verlust den Höchstdieselben nach Gottes Fügung durch den Hingang Höchstihres Gemahles des Königs erlitten haben, finden einen Trost in den vielfachen, aus allen Kreisen des württembergischen Volkes hervorgehenden Kundgebungen der allgemeinen Trauer und aufrichtigen Teilnahme, von welcher auch der Verehr!. Gemeinderat der Stadt Calw Höchst derselben einen Beweis gegeben hat.
Auf Befehl Ihrer Majestät spreche ich hiemit Höchst deren gnädigstenDank aus und zeichne mit vollkommener Hochachtung Der Sekretär der Königin Olga:
B. v. Wolfs.
Stuttgart, 10. Okt. Der „Staatsanzeiger" enthält folgenden Erlaß vom König: „Der König an den Staatsminister der Justiz. Es ist Mein Wille, aus Anlaß Meines Regierungsantritts einen umfassenden Gnadenakt zu erlaffen und Ich will deshalb den Anträgen Meines Justizministers hierüber entgegensetzen. Dabei ist Mein Absehen darauf gerichtet, daß die Erweisung der landesherrlichen Gnade insbesondere auch den Angehörigen der ärmeren Volksklasse, welche unter dem Druck äußerer Not sich minder bedeutender Verfehlungen schuldig gemacht haben, zu teil werde. Stuttgart, den 8. Okt. 1891. Wilhelm. Faber.
Stuttgart, 12. Okt. In der kgl. Schloßkapelle, in welcher vor dem Altäre noch wie an. Tage der Beisetzung die zahllosen Kränze auf dem Bahrtuch über der Gruft liegen, fand gestern der Trauergottesdienst für Seine Majestät den höchstseligen König Karl unter Teilnahme der gesamten Königl. Familie
und deren noch anwesenden hohen Gäste statt. Seine Majestät der König und Ihre Majestät die Königin nahmen die Mittelplätze der vordem Reihe in der kgl. Hofloge ein; rechts und links von den Majestäten saßen die hohen Damen des Königshauses, hinter ihnen die Fürstlichkeiten, sodann die kgl. Hofstaaten und das Gefolge der fürstlichen Gäste. Vor der Hofloge im Schiffe der Kirche hatten die sämtlichen Herren Staatsminister, das diplomatische Korps, der Geheime Rat, der ständische Ausschuß u. s. w. Platz genommen. Mit dem Eintritt des Königspaares erklang die Orgel und das Doppelquartett des kgl. Singchors, unterstützt von Kammersänger Balluff, sang Hellwigs „Himmelsruh und Frieden", welches schon am Beisetzungstage einen so ergreifenden Eindruck gemacht hatte. Oberhofprediger Prälat v. Schmid hielt die Predigt über den Text, welchen Seine Majestät der König ausgewählt: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich Dir die Krone des Lebens geben." Redner verband diese mahnende Verheißung mit dem württembergischen Wahl- und Wappenspruche „furchtlos und treu", und zeigte, wie der höchstselige König Treue gehalten habe in allen Lagen des Lebens, in guten und bösen Tagen gegen sein Haus, gegen sein Volk und gegen das große deutsche Vaterland. Auch des allerhöchsten Geburtstages Ihrer Majestät der Königin gedachte der Prediger, zu welchem Ihrer Majestät kein schönerer Gruß zugerufen werden könne, als die Textworte „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben." Die Gemeinde sang „Was Gott thut das ist wohl gethan" und „Gott ist getreu."
Stuttgart, 12. Okt. Es verlautet, die Königin-Witwe wolle zur Stärkung ihrer Gesundheit sich nach dem Süden begeben und dort den Winter verbringen. — Laut „Staatsanzeiger" hat der König das Entlassungsgesuch des Finanzministers
6 44 4 11 6 1 O 44 . Nachdruck verboten.
Aessy's Werkoöung.
Eine nächtliche Geschichte von Reinhold Ort mann.
(Fortsetzung.)
„So hat Ihr Mann nun seinen Widerwillen gegen die Aerzte abgelegt und sich darein ergeben, einen von ihnen in seinem Hause zu sehen?"
„Das ist ja eben das Wackere von dem Doktor, daß er sich ihm garnicht erst zu erkennen gegeben hat, als er merkte wie die Sachen standen! Mit der Geduld eines Engels hörte er die Verwünschungen an, die mein Mann ununterbrochen gegm die gelehrten Herren ausstößt, und dabei behandelt er ihn immer mit der nämlichen Freundlichkeit und Güte. Viel schöne Redensarten macht er freilich nicht; aber das Herz hat er wahrlich auf dem rechten Fleck und mit seinen guten Augen sieht er rasch genug, wo es fehlt, und Hilfe braucht. Noch ist er nicht ein einzig Mal gekommen, ohne ganz im Stillen irgend etwas zurückzulaffen: eine Flasche Wein oder ein Huhn für die Suppe oder auch einen harten Thaler. Und ich meine doch, er gehört selber nicht zu den reichen Leuten!"
Aus dem Krankenzimmer herüber klang das schwache Husten des anscheinend erwachten Mannes, und die Alte ging hinaus, um nach ihm zu sehen. Nelly hatte beide Arme auf den Tisch gestützt, das Gesicht in die Hände gelegt und blieb unbeweglich in dieser Stellung, auch als die alte Frau zurückkam und ihren alten Platz am Herde wieder einnahm. Mutter Conrad mochte wohl meinen, daß das junge Mädchen ebenso wie die Tante eingeschlafen sei, und sie wendete sich darum ganz überrascht zu ihr hin, als Nelly plötzlich mit weicher, bittender Stimme sagte!
„Würde es Ihnen wohl gar zu viel Mühe machen, Mutter Conrad, wenn Sie mir auch eine Taffe von Ihrem Glühwein bereiteten?"
Nach wenigen Minuten stand das dampfende Getränk vor ihr und wenn eS
auch so heiß war, daß sie sich fast die feinen Lippen daran verbrannte, zwang sich doch Nelly mit heldenmäßiger Tapferkeit, es ganz schnell bis auf den letzten Tropfen auszutrinken. Sie batte die Taffe eben niedergesetzt, als man draußen das Rollen eines Wagens vernahm, der vor dem Häuschen hielt. Mit dunkler Röte übergoffen sprang Nelly empor. Sie wußte augenscheinlich nicht, was sie anfangen sollte; denn zaghaft blickte sie bald auf die schlafende Tante, bald auf die gleichmütige alte Frau; endlich machte sie einen Schritt nach dem Ausgange hin, als ob sie Jemandem, den sie erwartete, entgegengehen wollte. Zum Glück aber blieb sie noch auf halbem Wege stehen, denn sonst wäre sie unfehlbar mit dem Doktor Fischer zusammengeprallt, der in seinem großen regentriefenden Mantel eben jetzt hastig in die Küche trat. Sie standen einander so nahe gegenüber, daß die kühle, nasse Lust, die er mit hereinbrachte, sie wie in eine Wolke einhüllte und sie ein wenig erschauern machte. Sie war vor Befangenheit festgebannt und auch ihn ließ die Ueberraschung sekundenlang regungslos stehen bleiben. Diese Ueberraschung — nicht nur durch das unerwartete Gegenüberstehen, sondern vor Allem über das unbeschreiblich reizende Aussehen, das ihr die Verlegenheit gab; die schönen, trotzigen Augen waren zu Boden gesenkt, das Köpfchen geneigt, wie das eines hütenden Kindes und an den langen Wimpern schimmerte eL sogar wie eine Thräne. In diesem Augenblick empfand HanS Fischer, was er vorhin in seinem Eifer zu helfen garnicht bemerkt hatte: daß aus dem kleinen übermütigen Mädchen eine gar liebliche Jungfrau geworden war.
Aber er war sehr weit entfernt, sich selbst und seinem Erscheinen irgend welchen Anteil an der sichtlichen Veränderung zuzuschreiben, die in Nellys Stimmung vorgegangen war, und als er die erste Ueberraschung verwunden hatte, trat er höflich einen Schritt bei Seite und erstattete in seiner früheren ruhig-ernsten Weise die Meldung, daß der ersehnte Wagen, der die Damen nach Hause bringen solle, vor der Thüre stehe.
„Sie werden mir's wohl verzeihen, daß ich erst Ihren Kutscher abgeholt habe, dm wir der Sicherheit halber auf dem Bock festgebunden haben. Das feuchte Ruhe-