Balingen, 15. Aug. Gestern wurde auch hier die neu eingeführte Bezirks-Rindviehschau vorgenommen. Beigeführt waren 5 Farren und 41 Kühe in durchweg prächtigen Exemplaren. Viele Ortsvorsteher und ein zahlreiches Publikum waren zugegen, welches den vorgenommenen Messungen mit Interesse folgte. Bei Beginn der Schau erklärte der Direktor der Zentralstelle, Freiherr v. Ow, den Anwesenden das Verfahren, welches bei der Preisbemeflung eingehalten wird. Preise erhielten: 1 Farren 100 3. Preis; 100 2. Preis 1 Kuh; je 80 3.
Preise, 4 Kühe; 4. Preise, je 60 4 Kühe. Di
rektor v. Ow bezeichnete das Resultat als erfreulich für den Bezirk, der von den seither gemusterten drei Bezirken die meisten Preise erhielt.
Balingen, 17. Aug. Bei dem gestern früh stattgehabten Gewitter schlug der Blitz in die Schafstallung des Hrn. Lang hier und tötete 17 Schafe.
Ebingen, 17. Aug. Von einem eigentümlichen Mißgeschick wurde am Freitag und Samstag unser Bahnverkehr verfolgt, indem in zwei Fällen die Züge nicht mehr weiter konnten. Am Freitag mußte der um 5 Uhr abends hier eintreffende Personenzug seinen Aufenthalt in Lautlingen um nahezu eine Viertelstunde verlängern um frischen Dampf zu gewinnen, da vie Belastung des Zuges eine zu große war; am Samstag abend platzte an der Maschine des von Sigmaringen kommenden 8 Uhr-Zugs ein Kesselrohr, so daß der Zug etwa 1 Kilometer vor der hiesigen Station stehen bleiben bleiben mußte und erst nach 1'/, Stunden weiterfahren konnte, nachdem eine Hilfsmaschine von Tübingen eingetroffen war.
Göppingen, 17. Aug. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag jkam es mitten in der Stadt zu einer schlimmen Messeraffair e. Etliche junge Schreiner, welche erst auf dem Walfischkeller das Stiftungsfest ihres Fachvereins mitgemacht hatten und dann noch in der Stadt in der Wirtschaft eines Metzgers eingekehrt waren, gerieten vor dieser Wirtschaft mit einigen jungen Schneidergehilfen in Streit, bei dem es zuletzt Messerstiche absetzte. Ein Schneider wurde derart getroffen, daß er noch wenige Schritte lief und dann tot niederstürzte. Ein älterer Bäckermeister, der aufgestanden war, um zu backen, wollte dem Gestochenen auf dessen Geschrei zu Hilfe eilen, erhielt aber von einem taubstummen Schreiner sofort 2 Stiche und mußte sich wieder in sein Haus flüchten. Ein an dem Skandal unbeteiligter, verheirateter Buchdrucker, der nach Hause gehen wollte, wurde von einem der Messerhelden verfolgt und in den Unterleib gestochen, so daß er jetzt furchtbare Schmerzen leidet und man für sein Leben fürchtet. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft erschien noch Sonntrg vormittags zu vorläufiger Untersuchung. Ehe noch dieser ankam, brachte die Polizei 2 junge Leute auf, die eben bei einem Lehrer 20 ^ gestohlen hatten. Nachmittags wurde im Oberholz, nördlich von der Stadt, ein Schuhmacher von Wäschenbeuren, der hier
Leder eingekauft hatte, von einem Strolchen angefallen, der ihm mit vorgehaltener Pistole den Rest seines Geldes und die Uhr abnahm.
Täferroth OA. Gmünd, 17. Aug. Am Mittwoch abend kam die Ehefrau des Bauern Christian Ostertag hier in ihrer Küche dem Feuer so nahe, daß ihre Kleider alsbald Feuer fingen und sie bald in Hellen Flammen stand. Am ganzen Leibe mit Brandwunden bedeckt, ist die Unglückliche trotz angewandter ärztlicher Hilfe leider einige Tage darauf gestorben.
Heidenheim, 16. Aug. Unsere Stadt wurde heute mittag kurz nach 3 Uhr in nicht geringe Aufregung versetzt. In der Kattun-Manufaktur war ein Brand ausgebrochen und die Feuerwehr wurde durch Sturmläuten allarmiert; doch durfte dieselbe nicht in Thätigkeit treten, da mit Hilfe der in der Fabrik vorhandenen Feuerlöschhahnen, welche mit dem städtischen Wasserwerk in Verbindung stehen, das Feuer gelöscht werden konnte. Ohne die Wasserleitung wäre jedenfalls ein Teil der Fabrik abgebrannt, wodurch auf einige Monate eine größere Anzahl von Arbeitern beschäftigungslos geworden wäre.
Möckmühl, 12. Aug. Am Samstag Nacht auf Sonntag hatten wir eine sehr bedrohliche Schreckensnacht. Bei Einbruch der Nacht zogen beinahe zu gleicher Zeit zwei finstere Gewitter aus SW. und aus NW. heran unter unaufhörlichen Blitzen und Donnerschlägen. Das Gewitter aus SW. zog gerade über die Stadt, als '/-10 Uhr ein greller Blitz und gewaltiger Donnerschlag erfolgte, so daß man gewiß war, daß der Blitz eingeschlagen habe. Nach ungefähr 10 Minuten gab der Hochwächter auf dem Götzenthurm das Feuerzeichen; es flammte aus der Scheuer des Bäckers Eberbach, die an das Wohnhaus hinten angebaut ist, umgeben von mehreren Scheuern in einem enggebauten Häuserviertel mitten in der Stadt, eine ganz gewaltige Feuersäule in die Höhe. Die Feuerwehr war sofort am Platze und besetzte die Dächer der nur 2 bis 3 Fuß entfernten Häuser und begoß dieselben unausgesetzt. Zum Glück war es ganz windstill geworden, so daß das so gefährliche Feuer auf seinen Herd beschränkt werden konnte und nicht weiter um sich griff; das Löschen aber dauerte die ganze Nacht fort.
Friedrichshafen, 17. Aug. Der letztmals berichtete Rückfall in der Unterleibsstörung Seiner Majestät des Königs hielt bis Mitte voriger Woche an. Seit dem 13. August machte sich eine allmählige Abnahme der Krankheitserscheinungen bemerkbar. Die Besserung im Allerhöchsten Befinden hat seitdem keine Unterbrechung erlitten. Seine Majestät sind zwar zufolge des seit Monaten andauernden und zu Rückfällen neigenden Leidens noch sehr müde und ruhebedürftig, doch war es Allerhöchstdenselben in den letzten Tagen möglich, jeweils für einige Stunden das Bett zu verlassen. St.-A.
Berlin, 17. Aug. Die „Berliner Politischen Nachrichten* können aus zuverlässiger Quelle bestätigen, daß die Verletzung des Kaisers am Knie vollständig geheilt ist, nur noch bezüglich des Reitens war Vorsicht notwendig. Mit Rücksicht hierauf wurde Kiel als Aufenthaltsort für die nächste Zeit gewählt-
— Von Bern erhalten wir von einem gerade dort weilenden Calwer folgendes gemeldet: Als uns. am letzten Sonntag unser Spaziergang vom Bärengraben zurück an der Bahnlinie vorbeibrachte, begegneten sich gerade die Züge Zollikofen—Bern unk Bern—Zollikofen. Hiebei bemerkten wir, daß ein Herr sich zu weit aus dem Fenster geneigt hatte, denn sein Strohhut flog auf die Bahnlinie. Einige Minuten später sahen wir diesen Passagier mit einer Drotschke nach dem Spital führen, derselbe hatte eine 4 em. lange klaffende Stirnwunde, Hände und Oberkörper waren schrecklich mit Blut befleckt. — Heute Montag Morgen zwischen 5 und 6 Uhr stießen zwei Züge zwischen Zollikofen und Münchenbuchsee zusammen. Es gab, soviel man bis eben erfährt 10 Tote, 24 Verwundete (s. nachstehendes).
Bern, 17. Aug. Heute früh ereignete sich wiederum auf der fatalen Jura-Simplon-Bahn ein gräßliches Unglück. Ein Extrazug, welcher zu der Berner Feier heute früh von Biel her gegen Bern fuhr, mußte 600 m vor der Station Zollikofen, also noch in der Richtung auf Münchenbuchsee, warten, weil die Einfahrt durch einen Zug der Zentralbahn versperrt war. (Zollikofen liegt nämlich auch an der Linie Basel—Olten—Bern.) Nun kam der Pariser Zug ebenfalls von Biel her hinter den: Extrazug heran und konnte, wie es scheint, nicht mehr anhalten; nach einer Version soll der Führer die Signale nicht beobachtet haben, nach der anderen wirkte die Bremse nicht; kurz der Schnellzug fuhr mit aller Gewalt in den Extrazug hinein und zertrümmerte die vier letzten Waggons des Zugs. Dabei blieben mindestens 15 Personen tot, viel mehr noch sind verwundet. In Bern herrschte allgemeine Trauer in der festlichen Menge, welche die Straßen und Fenster füllte, um den Festzug anzusehen. In der „N. Z. Z." wird erzählt: „Ein junger Mann fuhr mit dem Extrazug von Biel nach Bern: der Zug blieb vor der Station stehen. Er hörte einen Pfifft schaute zum Fenster hinaus und sah, wie der Pariser Zug um den Waldrand herum auf den stehen gebliebenen Zug losfuhr. Schnell entschlossen stürzte sich der junge schlanke Mann zum Fenster hinaus. Kaum wieder auf den Füßen, hörte er den Zusammenkrach." Augenzeugen erzählen: Es war ein Krach wie von zwei Kanonen; dann ein schreckliches Schreien. Die Lokomotive überdeckte alles mit Dampf. Offenbar ist auch hier wieder bei einem Vergnügungszug nicht die gehörige Vorsicht angewendet worden. Extrazüge werden abgelassen, so daß die Bahn ungewöhnlich in Anspruch genommen ist, dabei soll der tägliche Dienst auch noch bewältigt werden. — Von Bern fuhren sofort der Präsident des Verwaltungsrats, derbem Mönchensteiner Unglück viel genannte Marti, der Oberst Dumur und Jollisaint hinaus und beteiligten sich an den Rettungsarbeiten. In die Berner Festfeier brachte dieser Unglücksfall bitteres Leid. Die Toten sind meistens Frauen aus Biel. — Der „Temp s" meldet über das Unglück: Der außer
beugten Alten mit dem langen grauen Haar und den tiefliegenden, stechenden Augen, den schleichenden hüstelnden Räuber seines Glückes! Er war beim Quartalswechsel der Flurnachbar der Familie Reimann geworden, und er hatte sich bei der Polizei als Musikus Kreter aus Wien anmelden lassen. Vom Morgen bis zum Abend kratzte er unermüdlich auf einer alten Violine herum, und es war gut für ihn gewesen, daß die Leute welche am Mariannen-Ufer wohnen, nicht so empfindliche Nerven haben dürfen, als ihre Mitmenschen in den vornehmeren Vierteln.
Sein Geigenspiel hätte ihm Albert gewiß von Herzen gern verziehen, aber daß er auch durch die dünne Verbindungsthür der Wohnungen Asta's süßes, absichtsloses Gezwitscher belauschte und daß er ihr auf der Straße auflauerte, um das hübsche Köpfcheit mit allerlei überspannten Fantasiegebilden von einer ehrenreichen Künstlerinnenlaufbahn und einer glänzenden Zukunft zu erfüllen, dafür hätte ihm der junge Schlossermeister noch heute einen Denkzettel geben mögen, der sicherlich nicht allzu gelinde ausfallen würde. Lachend hatte Asta anfänglich ihrem Verlobten und ihren Eltern von diesen sonderbaren Reden des alten Kreter erzählt. Allmählich hatte die gepflegte Saat doch Wurzel geschlagen in dem jungen glückdürstenden Mädchenherzen; ihre Miene war ernst und nachdenklich geworden, manches bittere Wort war halb unbewußt den rosigen Lippen entschlüpft, und an die Stelle der früheren liebevollen Zärtlichkeit war mehr und mehr eine schier unbegreifliche Scheu und kalte Zurückhaltung getreten. Eines Tages war dann der alte Kreter verschwunden gewesen, obwohl seine Wohnungsmiete noch auf volle sechs Wochen im Voraus bezahlt war und vierzehn Tage darnach hatte Asta das Haus zu einem kleinen Spaziergange verlassen, von dem sie noch bis auf diese Stunde nicht wieder zurückgekehrt war. Von Wien aus hatte sie einmal an ihren Verlobten geschrieben, ihn um Verzeihung gebeten und ihm sein Wort zurückgegeben. Eine unbezwingliche Leidenschaft für die göttliche Kunst habe sie zu dem entscheidenden Schritt getrieben, von dem es — wie sie wohl wisse — kein Zurück mehr gebe. Sie habe ihn recht gern gehabt, aber die Liebe zur Freiheit und zur Kunst hätten doch den ersten Platz
in ihrem Herzen, und so würde er an der Seite eines anderen Mädchens sicherlich ein viel reineres und ungetrübteres Glück finden, als sie es ihm zu bieten vermocht hätte. Der Musiker Kreter, den sie ihren Wohlthäter nannte, habe es übernommen, sie auszubilden, und sie habe vorläufig in einer freundlichen Familie ein gutes und anständiges Unterkommen gefunden.
Das war das einzige Lebenszeichen, welches Hartung jemals von seiner ehemaligen Braut empfangen. Wenn er später einmal bei dem alten Reimann, den der unerwartete Schlag völlig gebeugt hatte, eine schüchterne Frage nach Asta's Schicksal gewagt, so hatte er nur ein vieldeutiges Achselzucken oder irgend eine kurze wegwerfende Bemerkung als Antwort erhalten, und so glaubte er wie alle Welt, daß sie verschollen und kläglich zu Grunde gegangen sei.
Warum hatte ihn n rr gerade heute die Erscheinung der fremden verschleierten Dame so lebhaft an die verloren geglaubte Jugendgeliebte erinnern müssen! Hatte er doch geglaubt, der schöne kurze Traum sei so gut wie ausgelöscht aus seinem Gedächtnis und seine etwaige Wiederbegegnung mit der Unwürdigen könne sein Blut unmöglich noch einmal in raschere Wallung bringen. Und nun mußte er sich da auf ganz seltsamen Empfindungen ertappen, auf Empfindungen, die ihm um so weniger anstehen wollten, als er ja seit vier Jahren der zufriedene und glückliche Gatte einer ehrsamen Bäckerstochter war. Sein seelisches Gleichgewicht war ihm allen Ernstes verloren gegangen, und erst spät am Abend, als er seine beiven „Ael- testen" auf den Knieen schaukelte und sich von ihnen die Haare zausen ließ, fand er es wieder.
Die Fürstin Baranow hatte ihren ehemaligen Verlobten auf den ersten Blick erkannt. Sie war nicht frei von Aberglauben, und diese Wiederbegegnung auf der Schwelle des Vaterhauses wollte ihr als üble Vorbedeutung erscheinen. So eilig sie es bis zu diesem Augenblick gehabt, so langsam erstieg sie jetzt die drei schmalen, steilen, ausgetretenen Treppen. Bis in den Hals hinauf kühlte sie den Schlag ihres Herzens und mühsam mußte sie nach Atem ringen, bevor sie den Messinggriff des.