ordentliche Zug mit Festteilnehmern hielt 600 m vor Zollikofen in einem Waldeinschnitt. Der Pariser Zug hatte Verspätung und war in großer Geschwindigkeit, um die verlorene Zeit einzubringen. Daher war das Anhalten unmöglich und der Oboe so stark; die Toten find gräßlich zugerichtet, einige gar nicht kenntlich. 6 Leichen sind noch nicht erkannt; die Aerzte schneiden die Handschuhe ab, um nach den Chiffern an den Ringen zu sehen. Vom Zugspersonal ist schwer verwundet der Lokomotivführer des Pariser­zugs und leicht der Heizer, Reisende des Schnellzugs haben nur leichte Verletzungen. Die Leichen wurden am Waldrand niedergelegt und mit Grün zugedeckt. Achtzehn schwer verwundete Personen wurden wegge­bracht, etwa 40 50 Verwundete sind in be­nachbarten Landhäusern untergebracht worden; viele Aerzte sind an Ort und Stelle geeilt. Die Aufreg­ung ist groß; viele Personen haben erklärt, sie fahren nicht mit der Bahn und verlangen Fuhrwerk.

Como, 15. Aug. In dem Augenblick, als heute der Dampfer im Begriff war. Paffagiere zu einer Vergnügungsfahrt auf dem See aufzunehmen, brach die Landungsbrücke und alle darauf Be­findlichen stürzten ins Wasser. Etwa 30 Per­sonen wurden gerettet, eine ertrank, das Schicksal mehrerer Anderer ist noch unbekannt. Es herrscht roßer Schrecken über diesen Vorfall und spielen sich erzzerreißende Szenen ab. Bei dem gemeldeten Unglücksfalle sind zwei Personen ums Leben ge­kommen, ein Telegrafenbeamter und ein Arbeiter, der heute früh geheiratet hat. Das Wasser wird nach weiteren Opfern durchsucht. Die Volksmenge umgibt, traurig bewegt, die Unglücksstätte.

London, 13. August. Ueber die Ver­wendung der Torpedoboote im Kriege hat der englische Admiral Geo. Elliot in einem Schreiben an dieTimes" auf Grund der kürzlichen Marine­manöver seine Ansicht entwickelt. Ist es auch nicht möglich, so etwa führt der Verfasser aus, daß die Torpedoboote gegen kleinere von Torpedobooten be­gleitete Geschwader auf hoher See und noch weniger gegen vor Anker liegende und durch Torpedonetze be­schützte Schiffe ankämpfen können, so können sie doch in engen Gewässern, wie dem Kanal oder dem Mittel­meer, den durchfahrenden Schiffen beträchtlichen Schaden zufügen und es scheint, als ob Frankreich wesentlich aus diesem Grunde seine Küsten mit Torpedos aus­rüstet. Haben die kürzlichen Manöver kein anderes Ergebniß als das erreicht, die Bedeutung des numer­ischen Uebergewichts der Torpoboote und Torpedo­kanonenboote an den Tag zu legen und die verschiedenen Arten ihrer Verwendung zu zeigen, so ist das amt­liche Programm seiner Aufgabe zu einem großen Teil gerecht geworden. Alljährlich fordert der Verlauf der Manöver eine mehr oder minder abfällige Kritik her­aus; es würde jedoch falsch sein, wollte man sich da­durch von einer Wiederholung derselben abhalten lassen, da sie sich, wie allseitig zugestanden wird, von großem Nutzen erwiesen haben. Man muß zudem in Betracht ziehen, daß die Admiralität immer Schwierigkeiten hat, die genügende Zahl Offiziere und Mannschaften für die bereits erbauten Kriegsschiffe zu finden. Die An­

hänger des Blokadesystems dürften aus den verflossenen Manövern eine gute Lehre in Hinsicht auf die außer- ordentlichen Anforderungen ziehen, welche an die Dis­ziplin und Leistungsfähigkeit der Offiziere und Mann­schaften der Torpedoboote im Kriegsfälle in der Nähe der feindlichen Häfen herantreten. Um die Wichtig­keit der Torpedoboote bei einem Seekrieg zu beweisen, tritt der Admiral nun mit einem Vorschlag hinsichtlich des Programmes der nächsten Manöver hervor. Man möge die verfügbaren Schiffe in zwei Flotten von je 20 Schlachtschiffen teilen, jedem Schlachtschiff ein Tor­pedo-Kanonenboot zur Seite geben und diese beiden Flotten dann auf der See gegeneinanderstellen. Die Zahl der von Torpedo-Kanonenbooten kampfunfähig gemachten Schlachtschiffe soll dann für den Ausgang des Sieges entscheidend sein. Außerdem möge man der einen Flotte eine größere Zahl von Torpedo-Kanonen­booten zur Verfügung stellen als der anderen und das Resultat abwarten, welches, wie der Admiral in beiden Fällen glaubt, den Beweis liefern würde, daß das numerische Uebergewicht der Torpedo-Kanonen­boote von derselben, wenn nicht größerer Bedeutung als das der Schlachtschiffe ist.

Uermischtes.

Die unablässigen Bemühungen der preuß­ischen Regierung im Verein mit einsichtigen, sachkund­igen Autoritäten der Volkswirtschaft, Volksernährung und Volkshygiene um Förderung des Massenver­brauchs von Seefischen fangen an, ihre Früchte zu tragen. In Geestemünde, das sich immer mehr zum Zentralpunkte des Handelsverkehrs und Absatzes m frisch gefangenen Seefischen herausbildet, nimmt die Zufuhr wie auch der Versandt des beregten Ar­tikels zusehens umfangreichere Dimensionen an. Es zeigt sich, daß die Aufnahmefähigkeit des Marktes mit dem wachsenden Angebot von Vorräten mindestens glichen Schritt hält, zumal das Augenmerk der In­teressenten mit vollem Eifer darauf gerichtet ist, die Ware in best erreichbarer Qualität zu liefern. Dazu gehört möglichst rasche Heranbringung und Expedier- ung des Fischgutes. Estere wird befördert durch die Einstellung zahlreicher neuer Fischdampfer, letztere durch Schaffung ausreichender neuer Auctionslokali- täten. Nach beiden Richtungen ist in jüngster Zeit Bedeutendes geleistet worden. Die Fischdampferflotte der Unterweserorte hat in diesem Jahre einen so starken Zuwachs wie nie zuvor. Ende dieses Jahres wird die Zahl der Geestemünder Fischerdampfer mehr als 30 betragen. Mit dem Bau einer dritten Auctions- halle ist bereits begonnen worden. Was den Versandt betrifft, so wurden kürzlich an einem Tage nicht weniger als 25 mit Seefischen beladene Waggons von Geeste­münde nach binnenländischen Bestimmungsorten ab­gelassen.

Die französischen Marine-Mann­schaften haben auf die Russen keinen günstigen Ein­druck gemacht. So schreibt rückblickend der Feuilletonist des PetersburgerDen":Ich erinnere mich nicht mehr, an welchem Tage es war, als die Franzosen auf Kuttern zum Marmorpalais gebracht wurden, von wo sie dann auf das Marsfeld geführt wurden.

um Sslawjansik und seinen Chor zu hören, von dem sie natürlich nichts verstehen konnten. Ein Kutter nach dem anderem legt beim Quai an. Die Matrosen, von Bootsleuten und Offizieren begleitet, betraten das Land und stellten sich an der Ecke des Marmorny- Perenlok auf. Alle gingen sie dabei an einem Ober­offizier vorüber, der zuerst an's Land gestiegen war; aber höchst selten machte einer der Matrosen seinem Vorgesetzten die-vorgeschriebenen Honneurs. Hierauf machte mich einer der dabei stehenden russischen Stabs­offiziere aufmerksam. Viele der Untcrmilitärs standen in Gruppen, rauchten Cigarren und Papierossen. Als das KommandoMarsch" erschallte, gingen die Mat­rosen unordentlich, rauchend, nicht formiert, in die Millionnaja ab.Was ist das?" rief ein russischer Offizier aus, der sich dabei an mich wandte:was soll das bedeuten! Unsere Soldaten marschieren sogar in die Badestube in Reih' und Glied. Sehen Sie sich mal die Sache an!" Aus dem gleichen Anlässe mußte ich dieselben Ausdrücke der Verwunderung von einem unserer Generale vernehmen, ferner von einigen Oberoffizieren, ja sogar von Untermilitärs und von Gorodowois (Schutzleuten) .... Auch habe ich nicht gesehen, daß französische Matrosen vor unseren Offi­zieren Honneurs machten, während unsere Soldaten nicht blos den fremden Offizieren, sondern sogar den sehr ähnlich uniformierten Bootsleuten militärischen Gruß boten. Man hat mir versichert, daß man im Zoologischen Garten Soldaten und Offiziere am selben Tisch trinken sah, was ich aber nicht glauben möchte.

Blumensprache. (Beim Blumenkorso.) Weßhalb so nachdenklich, Herr Baron?"Ich warf der Gräfin einen Zweig mit Palmkätzchen in den Wagen und rief ihr zu:Sie sind auch ein Kätzchen!" Darauf warf sie mir eine Kamelie zu was wollte sie wohl damit sagen?"

Laudwktsch. Bezirksverein.

Dritter württembergischer Saatfruchtmarkt Stuttgart.

Der Ausschuß derStuttgarter Landesproduk­tenbörse" unddie Vereinigung württembergischer Landwirte haben beschlossen, am 14. Sept. d. I. im Stadtgartensaale zu Stuttgart einen Saatfruchtmarkt abzuhalten. Landwirte unseres Bezirks, welche beab­sichtigen, Saatware auf diesen Markt zu bringen, können die benötigten An Meldebogen nebst Pro­gramm bei dem Unterzeichneten erhalten.

Calw, den 19. August 1891.

Kassier Ansel.

Uortrag im Georgenimrn.

Donnerstag, den 20. Aug., abends 8 Uhr, wird Herr vr. Lcklrsrclt, Missionsarzt aus Christiansborg in Westafrika, die Güte haben, einen Vortrag zu halten über

Land und Leute in Westafrika"^

wozu jederman freundlich eingeladen wird.

Georgcnäl'ms-Ansschufi.

Glockenzuges in Bewegung setzte. Mehrere Minuten vergingen, ehe ihr geöffnet wurde. Dann stand sie zitternd und mit niedergeschlagenen Augen vor demselben gramgebeugten alten Manne, den sie gestern im Vestibüle ihres Palais nicht ein­mal einer Antwort gewürdigt hatte. Er sah heute noch um vieles verstörter und unglücklicher aus. Seine Augen waren tief in ihre Höhlen gesunken und von einer dunklen Röte umgeben. Das dünne graue Haar hing wirr um die eingefallenen Schläfen. Er erkannte sie wohl nicht sogleich; aber als sie nun mit zitternder Hand den Schleier zurückschlug, da kam es wie ein dumpfer Zorneslaut über seine Lippen und mit gebieterischer Geberde streckte er den Arm aus, sie von seiner Schwelle zu weisen. In dem nämlichen Augenblick jedoch wurde eine andere Thür geöffnet, eine schlanke Mädchengestalt tauchte in dem Rahmen derselben auf, und eine weiche, wohl­lautende Stimme, die nur leicht verschleiert schien von einer ticfinnerlichen Betrübniß, fragte:Bist Du es, Schwester Asta? Bist Du endlich gekommen?"

Der drohend ausgestrcckte Arm des Alten sank schlaff herab; er murmelte et­was Unverständliches vor sich hin und kehrte sich, ohne die Fürstin eines weiteres Blickes zu würdigen, kurz ab, um in der Thür eines Nebengemaches zu verschwinden. Das junge Mädchen aber näherte sich der noch immer regungslosen Asta. Sie er­griff ihre Hand und zog sie in den halbdunklen Flur.

Ach. Schwester," sagte sie, und dabei rollten die Thränen über ihre Wangen, warum kamst Du nicht gestern, als wir Dich so sehnlich erwarteten?"

Barmherziger Gott!" stöhnte die Fürstin.So ist es doch nicht etwa zu spät?"

Ja, Asta, in dieser Nacht ist unsere arme Mutter sanft entschlummert."

Aus der Brust der jungen Witwe kam ein halb erstickter Schrei. Sie glitt neben ihrer jungfräulichen Schwester in die Knie, und die unnatürliche Spannung der letzten Stunden löste sich in eine Fluth von Thränen.

Darf ich sie noch einmal sehen?" fragte sie endlich mit der bangen Scheu

eines bösen Gewissen.Nur für wenige Augenblicke! Ich kann nQ-t von ihr gehen, ohne sie um Verzeihung gebeten zu haben."

Und die beiden Schwestern, die sich seit Jahren heute zum ersten Mal wieder­sahen, giengen Hand in Hand in das Sterbezimmer.

Ach, wie oft hatte der Fürstin Baranow inmitten all' ihres verschwenderischen Glanzes die einfache, beinahe dürftige Einrichtung dieses Zimmers vor Augen ge­standen ! Wie krampfte sich ihr jetzt das Herz zusammen beim Anblick dieser dunklen, altväterischen Möbel, von denen kein einziges fehlte und keines seinen Platz ver­ändert hatte! So weit sie zurück zu denken vermochte, hatte hinM dem großge­blümten Vorhang das Bett der Mutter gestanden. Da stand cs Hch noch heute, aber für die arme, vielgeprüfte Frau, die unter der weißen Leinmaydhülls darauf ruhte, war schon ein anderes Bett bereitet, das sie nicht mehr zu «Massen brauchte.

Laß mich mit ihr allein, Alice!" bat die Fürstin.Auch mit Dir möchte ich noch sprechen, aber nicht in diesem Augenblick und nicht in diesem Jammer! Ich bitte Dich, erwarte mich dort, wo wir früher zusammen zu schlafen pflegten!"

Das junge Mädchen, dessen Züge eine auffallende Aehnlichkeit mit denjenigen Asta's zeigten, wenn auch ihr Antlitz ungleich zarter und durchgeistigter erschien, ging still hinaus. Die Fürstin aber entfernte zögernd die feuchte Hülle vom Gesicht der Entschlafenen, und gab sich dann ohne alle Selbstbeherrschung einem mit schranken­loser Heftigkeit hervorbrechenden Schmerze hin. Wie in wilder Selbstanklage schlug sie sich gegen die Brust, und unverständliche, abgerissene Laute kamen über ihre Lippen, die Sprache eines von der furchtbarsten Qual zerrissenen Menschenherzes. Immer wieder preßte sie ehren Mund auf die erstarrte Hand der Toten, die von ihren Thränen überströmt wurde, und als die Raserei der Verzweiflung vorüber war, als sie sich endlich mit sichtlicher Anstrengung erhob, da zeigten sich auf ihrem Antlitz tiefe, scharfe Linien, welche sic um Jahrs gealtert erscheinen ließen.

(Forts- folgt.)