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schern, namentlich Emin Pascha, Wißmann, Francois u. s. w. spendet er das höchste Lob. Dagegen ist er auf den großen Afrikareisenden Stanley, unter dessen Befehl Westmark längere Zeit als Offizier gestanden sei, nicht gut zu sprechen. Er bezeichnet Stanley als einen charakterlosen gewinnsüchtigen Menschen, dem eS nur darum zu thun sei, Handel zu treiben und ein Geschäftchen zu machen. Am Schlüsse der oft grauenhaften Ausführungen, bei denen es manchem der Zuhörer etwas gruselte, wurde dem Kongoforscher Westmark für seine interessante Vorlesung die ge- bührende Anerkennung durch lebhaftes Bravo zu teil. Der Vortrag war nicht zahlreich besucht.
Stuttgart, 29. Juni. Ein gräßliches Unglück ereignete sich gestern früh auf dem hiesigen Bahnhof bei der Einfahrt des Backnanger Zugs 7 Uhr 57 Min. Der 27jährige Ankuppler Brixner, gebürtig aus Beilstein bei Marbach, sprang auf den Tender des langsam einfahrenden Zugs, scheint aber den Halt verloren zu haven, so daß er auf die Schienen stürzte und der Zug über ihn hinwegging. Der Unglückliche wurde völlig zerdrückt und verstümmelt. Brixner war erst seit kurzer Zeit im Eisenbahndienst; er hinterläßt eine trauernde Braut in Cannstatt.
Freuden st adt, 28. Juni. Unter zahlreicher Beteiligung tagte heute in den Räumen des Schwarzwaldhotels die Hauptversammlung des württ. Schwarz- waldvereins. Der Vorsitzende, Präsid. v. Bätzner, gedachte zunächst der im Jahr 1890 verstorbenen Mitglieder, des allzeit um die Interessen des Vereines bemühten Vorstandes Baurats Rheinhard und des Vorstandes des Calwer Bezirksvereins, Oekonomierat Horlacher, sowie des kürzlich verstorbenen Stadtschultheißen Beutter von Herrenalb und überbrachte die Glückwünsche S. K. Hoh. des Prinzen Wilhelm, des Protektors des Vereins, zur heutigen Versammlung, worauf zur Beratung der auf der Tagesordnung vorgesehenen Gegenstände übergegangen wurde. Die von" der Vorstandschaft vorgeschlagenen Abänderungen der Vereinsstatuten betr. § 3, wonach die Wahl des Vorstandes statt auf.3 nunmehr auf 4 Jahre erfolgen solle, sowie von Z 8, daß nur alle 2 Jahre eine Hauptversammlung stattsinde, wurden einstimmig angenommen. Als weiterer Gegenstand folgten Mitteilungen über die Thätigkeit des Hauptvereins und der Bezirksvereine, welcher, weil er gedruckt den einzelnen Mitgliedern zugestellt werden konnte, rasche Erledigung fand. Kassier Nennich erstattete hierauf Bericht, wonach die Kasse einen Baarbestand von 1625 ^ 56 aufweist, welche nach dem Vorschlag des Vorstandes an die einzelnen Bezirksvereine zur Verteilung gelangen sollen, und zwar wurden jedem der beteiligten Bezirksvereine ISO ^ zur Anbringung weiterer Wegweiser, an die ein gemeinschaftl. Zeichen W. Schw.-V. angebracht sein solle, überwiesen. Ferner wurde dem Bez.-Verein Freudenstadt ein Beitrag von 300 ^ zur Herstellung von Wegen zwischen Zuflucht—Hornisgrinde, sowie Zuflucht—Allerheiligen überwiesen, deren Anlage noch dringender sei als ein Aussichtsturm auf dem Kienberg. Der Bez.-Verein Neuenbürg erhielt ebenfalls 300 zur Ausführung eines Weges zur Aussicht bei der Teufelsmühle und in zweiter Linie zu einem Aussichtsturm auf dem Heukopf, zu welch letzterem Zweck der Stuttgarter Bez.-Verein bereits einen Beitrag von 300 ge
währt hat. Dem Bez.-Verein Oberndorf wurden 300 ^ übermittelt zur Herstellung des Dieselbachwegs, eines Aussichtsturms auf der Sulger Höhe und des Barbarawegs, wozu der Bez.-Verein Stuttgart 300 ^ beisteuerte und ebenso 300 ^ dem Bez.-Verein Calw zu einem Weg durch das Schweinbachthal und durch die Brandhalde. Dem Bez.-Verein Altensteig, welcher wegen des Eisenbahnbaus augenblicklich keine Anlage als besonders dringend bezeichnen konnte, wurden 400 zugewiesen mit der Auflage, bei dem Ausschuß die Genehmigung der auszuführenden Arbeiten einzuholen. Oberförster Koch brachte die Herstellung eines Gedenkzeichens für den ff Baurat Rheinhard in Anregung, welcher Gedanke bei der Versammlung freudigen Anklang fand, dem Reg.-Rat Nestle und Präs. v. Bätzner Ausdruck verliehen, worauf der Beschluß gefaßt wurde, den Vorstand zu ermächtigen, für irgend ein bleibendes Andenken an den Verstorbenen Sorge zu tragen. Der in der Vorstandssitzung einstimmig angenommene Antrag, für die Hauptversammlung einen bestimmten Tag festzusetzen, wurde nach der Begründung durch Graf v. Uxkull und Reg.-Rat Nestle angenommen. Als Ort der nächsten Hauptversammlung wurde einstimmig Altenstaig gewählt. Als Vorsitzender des Vereins wurde Präsident v. Bätzner durch Zuruf wieder gewählt, der für das entgegengebrachte Vertrauen dankte mit der Versicherung, soweit es in seinen Kräften stehe, sich der Angelegenheiten des Vereins anzunehmen. Nach eingenommenem Mittagsmaht, das durch verschiedene Toaste gewürzt wurde, besichtigten die Festteilnehmer die in reichem Flaggenschmuck prangende Stadt. Für morgen ist ein gemeinschaftlicher Ausflug über Schönmünzach auf die Hornisgrinde geplant.
Dußlingen, 26. Juni. Gestern abend entlud sich über der Steinlach ein furchtbares Gewitter. In Strömen ergoß sich das Wasser in den Ort; an einer Scheune wurde die Grundmauer unterspült und weggerissen, so daß das Gebäude gestützt werden mußte. Der Blitz schlug in das Rathaus, glücklicherweise ohne zu zünden. Der gerade anwesende Schultheißen- amts-Msistent und der Amtsdiener kamen mit dem Schrecken davon. Im Innern des Gebäudes hat der Blitz Zerstörungen angerichtet.
Oberndorf a. N. 26. Juni. Gestern abend entlud sich ein heftiges Gewitter. Zwischen hier und Rottweil ging ein Wolkenbruch nieder, infolgedessen der Neckar über seine Ufer trat. Auf den frisch gemähten Wiesen bedeutenden Schaden anrichtend. In dem hochgehenden Flusse verlor der verheiratete Söldner Seeburger von Altoberndorf, der mittelst eines Hackens Holz aus dem Neckar ziehen wollte und hiebei von einem großen Holzstück hinabgerissen wurde, das Leben. An das Holzstück angeklammert hatte er noch die Strecke von Altoberndorf bis hierher über 3 km) lebend zurückgelegt. Beim Durchgang durch die Neckarbrücke entschlüpfte ihm das Holz, worauf er eine kurze Strecke weiter unten in dem tiefen Kessel unter der städtischen Neckarbrücke verschwand. Die Leiche wurde andern Tags aufgefunden.
'Rottweil, 29. Juni. Beim Anstreichen einer Brücke über den Neckar entfiel gestern Abend dem Malerlehrling Christian Braunschweig, von Thuningen O.A. Tuttlingen, ein Pinsel; bei dem Versuche, letzteren zu erhaschen, fiel der Maler in den
Neckar und ertrank, obgleich rasch Hilfe zur Stelle war, wohl infolge eingetretenen Schlagflusses.
Unterboihingen, 29. Juni. Am Samstag Nacht geriet Sergeant Würth vom Stuttgarter Ulanenregiment unter den Zug 64, wobei ihm ein. Bein vollständig abgetrennt wurde.
Laupheim, 27. Juni. Der Nonnenfalter„ welcher voriges Jahr in den Wäldern des Frhrn. v. Hornstein so großen Schaden anrichtete, soll sich auch dieses Jahr, und sogar in größerer Anzahl wieder daselbst zeigen.
Geislingen, 28. Juni. Gestern Abend machte der Afrikareisende West mark einer leider nicht sehr zahlreichen, aber gespannt lauschenden Zuhörerschaft im Sonnensal Mitteilungen über seine Erlebnisse und Beobachtungen während seines 3jährigen Aufenthalts am Kongo. — In derselben Zeit wurde im Gasthaus zum Kreuz eine von dem Sozialdemokraten Kloß in Stuttgart veranstaltete, aus allen Gesellschaftskreisen stark besuchte öffentliche Versammlung gehalten, welcher heute Mittags 3 Uhr in Altenstadt eine zweite folgte, in diesem Jahr die dritte öffentliche Kundgebung!; deutliche Anzeichen, wie sehr die Sozialdemokratie bemüht ist, hier Boden zu gewinnen.
Ravensburg, 27. Juni. Tiefinniges Mitgefühl ruft ein überraschend schneller Todesfall heute in allen hiesigen Kreisen hervor. Ein junges Ehepaar, das vorgestrigen Donnerstag seine Hochzeit gefeiert, befand sich auf der Reise von Ebingen nach der Schweiz und beabsichtigte hier, zum Besuch von Verwandten kurzen Aufenthalt zu nehmen. Auf der Fahrt hieher, naye bei Durlesbach, fühlte sich die Frau unwohl und erhielt auf ihre wiederholte Klage über starke Kopfschmerzen von einem Mitreisenden Hoffmann'sche Tropfen; es besserte sich aber nicht und noch vor dem Eintreffen auf hiesigem Bahnhof hatte ein Herzschlag das Leben der jungen Frau geendet. Man denke sich den Jammer und die Trauer des jungen Gatten, sein und der Mitreisenden Schrecken und den Jammer der Eltern und Angehörigen bei Empfang der erschütternden Nachricht.
Bad Kissingen, 28. Juni. Fürst Bismarck wird schon in der nächsten Zeit hier erwartet. Die Salinenräumlichkeiten sind bereits für seine Aufnahme hergerichtet. Nach einer Meldung aus München sind auch, wie seit Jahren üblich, bereits die Hofwagen für den Fürsten bereit gestellt worden.
Helgoland, 29. Juni. Das Kaiserpaar ist um 6'/4 Uhr nach schwerem Gewitter bei schönem Wetter hier eingetroffen. Auf der Fahrt die Elbe abwärts teilte der Kaiser mit lebhaftester Freude dem Direktor der Paketfahrt Nissen mit, daß der Dreibund auf weitere sechs Jahre verlängert sei.
Helgoland, 30. Juni. Das Kaiserpaar ist gestern Abend 6'/» Uhr nach schwerem Gewitter bei schönem Wetter hier eingetroffen. Bei der Ankunft wurden die Majestäten von dem Kommandanten Geiseler und dem Admiral v. Goltz, dem Landrat Jürgensen, dem Gemeindevorstand und hohen Militär- und Zivilpersonen empfangen. Das Musikkorps der zweiten Matrosendivision spielte die Nationalhymne,
„Vor zehn Minuten jenem Mädchen gegenüber, das Du liebst. Aus jedem Worte sprach Deine Liebe/
„Aus jedem Worte, das die Eifersucht belauschte."
„Dmitri! — O mein Gott, bei welchem Namen soll ich Dich nennen!"
„Nenne mich iminerhin bei Demjenigen, an den Du gewöhnt bist."
„Nein. Dieser Dmitri lebt nicht. Dieser Name schloß Alles ein, was mir das Leben des Lebens wert machte; er klang mir süß und vertraut wie der Name meiner Mutter. Aber dieser Name war ein Maskenscherz, der Dich belustigte. Er war ein Kleid, mit dem Du Dich schmücktest — denn seine Einfachheit war mehr Schmuck in meinen Augen als Dein Rang und Dein Reichtum — um ein armes Mädchen zu bethören."
„Du thust mir Unrecht, Vera. Jede Absicht lag mir ferne. Dich zu täuschen. Die Verhältnisse waren es, die — ich wiederhole es — mir eine Rolle aufzwangen, die ich auch Dir gegenüber spielen mußte. Ich habe eine Doppelexistenz führen müssen, um dem Bunde zu dienen, dem wir Beide angehörcn, und Diejenigen zu täuschen, die uns überwachen. Du hast mich als den armen Studenten an der Fon- tanka kennen gelernt unter dem Namen, den ich als Angehöriger des Bundes führe, und ein seltsamer Zufall hat Dich bis zu diesem Tage vor der Entdeckung bewahrt, daß Dmitri Jelagin Niemand anderes ist als der letzte Sprosse einer russischen Fürstenfamilie, deren Name Dir sicher bekannt ist. Bin ich für Dich deshalb ein Anderer geworden, weil Du mich mit einem anderen Namen nennen mußt? Bin ich mit einem Schlage in Deinen Augen so verwandelt, daß Du keine Sympathie, keine Neigung mehr zu mir empfinden kannst?"
„Ja," sagte sie leise. „Du bist der Andere. So nennen sie Dich im geheimen Komitee —"
„Woher weißt Du das?" — fragte er, indem ein finsterer Schalten sich über seine Züge legte.
„Der Rote hat es Paul Zwetajeff gesagt. Konnte ich ahnen, als er mir >
diese Mitteilung machte, daß dieses Wort für mich eine ganz besondere Bedeutung gewinnen sollte? Der Andere, den ich kennen lernte, er ist Derjenige nicht mehr, den ich liebte und dessen Liebe ich zu besitzen glaubte —"
„Vera
„O täusche mich nicht auch darin. Ich weiß, daß Dein Herz mir nicht gehört; jener gehört es, der Du vor einigen Augenblicken auch ein verhülltes Bekenntniß abgelegt hast. Sie ist schön und reich und gewiß aus einem vornehmen Hause, eine paffende Partie für einen Fürsten und was gilt da die arme Vera, mit der Du ein paar Stunden vertändelt hast. — Geh" — fuhr sie fort, indem sie ihm die Hand entzog, die er fassen wollte — „Dein Herz ist so falsch, wie es Dein Name war. Oder hast Du den Mut, mir ins Gesicht zu lügen, indem Du sagst, daß Du sie nicht liebst?'
„Hör' mich an, Vera. Ich hasse nichts so sehr als die Lüge, und ich kann nicht leugnen, daß ich dieses seltene und liebenswerte Mädchen mit einem Gefühle verehre, daß mir bisher fremd gewesen sind. Aber nenne das nicht Liebe, was mich zu ihr zieht. Was ist sie mir und was kann sie mir werden? Und was warst und bist Du mir ? Eine Frau kann mein Dasein nicht ausfüllen. Ich habe mein Leben, einem höheren Zwecke geweiht und ich muß bereit sein, es jeden Augenblick für diesen Zweck hinzugeben. Hast Du je einen Schwur ewiger Treue von mir gehört,, wie ihn der Liebende seiner Geliebten gegenüber ablegt und in jeder zärtlichen Stunde erneuert?"
„Aber ich glaubte an Deine Liebe" — sprach sie leise vor sich hin, indem sie die Thränen aus ihren Augen wischte.
Er ging mit raschen Schritten im Zimmer auf und ab; dann blieb er dicht vor ihr stehen, richtete sein dunkles Auge auf sie. Und seltsam, sie konnte diesen Blick nicht ertragen. Es war ihr jetzt zu Mute, als sei sie die Schuldige und als sei er es, der Rechenschaft von ihr zu fordern habe.
(Fortsetzung folgt.)