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77.

Amts und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.

66. Jahrgang.

Erscheint Di en s t a g , Tonnersrag und SamStag. Die EiurückungSgebühr beträgt trn Bezirk und nächster Um­gebung s Pfg. die Zeile, sonst 12 Pig.

Bonnerstag, den 2. Juli 1891.

Abonnementspreis vierteljährlich in der Stadt -o Pfg. und 2v Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen ML. 1. 15, sonst in ganz Württemberg Mk. 1. 35.

Amtliche Wekanutmachungen.

Au die Gemeiuderäthk.

Durch das Finanzgesetz vom 7. Juni d. I., Art. 11, (Reg.-Bl. S. 81) ist zum Zweck der finan­ziellen Entlastung der Gemeinden und Amtskörper­schaften aus dem Vermögen der Restverwaltung zu außerordentlichen Staatsausgaben für das Departement des Innern unter Anderem bestimmt die Summe von 1,000,000 ^ für Staatsbeiträge zur Unterhaltung der Korporationsstraßen einschließlich der Etterstrecken derselben und der Etterstaatsstraßen.

Zur Ausführung dieser Bestimmungen gehen den Gemeinderäthen die nötigen Formularien mit der Weisung zu, den pro 1. April 188601. Marz 1889 von ihnen gemachten Aufwand für Unterhaltung der Nachbarschaftsstraßen, sowie der Etterstrecken derselben und der Etterstrecken der Staatsstraßen genau nach den Anordnungen des den Formularien beiliegenden Ministerialerlasses vom 15. Juni 1891, Nr. 8274 in doppelter Ausfertigung zu liquidsten und läng­stens bis 10. August d. I. die Reinschriften hieher vorzulegen.

Calw, den 30. Juni 1891.

K. Oberamt.

Supper

Kkkmiiltirlmhllilg.

Unter dem Rindvieh des Bauern Georg Seeg er

in Ottenbronn ist die Maul- und Klauenseuche

ausgebrochen.

Calw, den 30. Juni 1891.

K. Oberamt.

Supper.

Tages-Neuigkeiten.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.s Se. Maj. der König haben am 29. Juni d. I. allergnädigst geruht: den Postsekretär Hayd (Calw) auf die Oberpostsekretärsstelle bei der Generaldirekrion zu befördern.

* Calw, 30. Juni. Am letzten Sonntag und Montag unternahmen die Sänger und einige passive Mitglieder desLiederkranzes,49 Personen an der Zahl, ihren Sängerausflug an den Bodensee. Dichter Nebel bedeckte die Landschaft, als der Zug das Nagoldthal hinaufdampfte und mit Erwartung blickte man der ausgehenden Sonne entgegen. Herr­lich stieg sie am Firmament auf und prächtig leuchtete sie während der ganzen Reise. Rasch durchfuhren wir das Neckar- und Donauthal; in Jmmendingen bestiegen wir den badischen Zug und fort gings durch das Hegauerland hindurch an den imposanten Basalt­kegeln, an dem historisch denkwürdigen Hohentwiel vorüber nach Singen, Radolfzell und Konstanz. Jubel ertönte aus den Kehlen der Sänger als das grüne Wasser des Schwäbischen Meeres sichtbar wurde und mit frischem Mut und heitrem Sinn wurde der badische Dampfer Kaiser Wilhelm bestiegen und eingehend be­sichtigt. Die Fahrt ging prächtig von statten, die Aussicht auf die Ufer des Sees und besonders die Säntisgruppe war ziemlich scharf und um 3 Uhr fuhren wir in den Hafen von Bregenz ein. Nach eingenommenem Mittagstisch besuchte die Gesellschaft den Gebhardsberg. Das Panorama, das sich hier dem Auge des Beschauers darbietet, ist geradezu ent­zückend. Wir hatten hier noch Gelegenheit die unter­gehende Sonne zu betrachten: ein Anblick, der jedem Ausrufe des Erstaunens hervorgerufen hat. Die rot­feurige Kugel macht den ganzen See in seltener Farbe erglühen und ein eigentümlicher Glanz spiegelte sich in dem Gewässer. Nur zu rasch flössen die Stunden unter fröhlichem Sang dahin und um 9 Uhr abends

erfolgte der Aufbruch in die Stadt. Der beabsichtigte Aufstieg auf den Pfänder konnte wegen der herrschen­den Hitze und der vorgerückten Zeit nicht zur Aus­führung kommen, doch ließen es sich 7 Herren nicht verdrießen am andern Morgen um 3 Uhr auf den Berg zu steigen; sie wurden denn auch durch eine seltene Fernsicht für ihre Mühe herrlich entschädigt. Am Montag mußten wir leider der schönen Stadt, in der wir sehr gut und billig lebten, Lebewohl sagen. Der österreichische Dampfer Kaiser Franz Joseph brachte uns, an Lindau, Friedrichshafen und Meers­burg vorbei, um 12 Uhr nach Konstanz. Verschiedene Gesänge belebten die stolze Fahrt. Das Mittagessen wurde im Falken eingenommen. Hierauf wurden das ehrwürdige Münster, der Konziliumsaal, der Stadt­garten und andere Sehenswürdigkeiten besichtigt, ein Bad iin See genommen und noch ein kleiner Ausflug in die Schweiz gemacht. In Kleinvenedig versammelte man sich noch bei den Klängen einer Militärkapelle, worauf die Rückfahrt abends V»6 Uhr erfolgte. In jeder Beziehung von dem prächtigen Ausflug befriedigt kamen wir nachts 11 Uhr hier. an. Der Sänger­ausflug darf als ein vollkommen gelungener bezeichnet werden.

* Calw, 1. Juli. Der schwedische Kongo­reisende Th. Westmark hielt gestern abend im Saale des Badischen Hofes eine 1'Mündige Vorlesung über seinen Aufenthalt bei den Menschenfressern des oberen Kongo. In höchst spannender Weise schilderte er die Sitten und Gebräuche, die Religion, die Ar­beit und das eheliche Leben dieser Kannibalen; in wahrhaft schwungvoller Sprache entrollte der junge Schwede ein landschaftliches Bild des Konkogebiets. Interessant waren seine Mitteilungen über die Skla­verei und deren Bekämpfung durch Kardinal Lavigerie, sowie seine Schilderungen der mancherlei Abenteuer zu Wasser und zu Land. Unfern Kolonien sagt er eine glänzende Zukunft voraus; den deutschen For-

Nachdruck verboten.

Die Spionin.

. Roman aus dem russischen Nihilistenleben.

Nach den Aufzeichnungen eines Petersburger Polizeibeamten.

Von Willibald Menckc.

(Fortsetzung.)

Konnte es einen höheren Wunsch geben, als das Herz dieses Mädchens zu .gewinnen? Hatte das Leben mehr zu bieten als das Glück an der Seite eines so holden und reinen Wesens? Es war ihm unmöglich, zu hoffen, daß es ihm, dem das Leben einen anderen Weg und andere Ziele vorgeschrieben hatte, jemals be- schieden sein sollte, dieses Glück zu finden, und doch war ihm der Gedanke uner­träglich und unfaßbar, daß er für immer auf dieses Glück verzichten sollte.

Ein Geräusch, .weckte ihn aus seinen Träumereien. Er blickte auf. Vera Timanoff stand vor ihm.

Sie hatte die Portiere seines Schlafzimmers zurückgezogen und auf der Schwelle desselben war sie stehen geblieben.

Vera!" rief er aus, indem er aufsprang.Wie kommst Du hierher?"

Ich bin die ganze Nacht hier gewesen", gab sie mit ruhigem Tone der Stimme zur Antwort, ohne ihn anzuseh -n.

Aber der Diener sagte mir. Du seiest gegangen?"

Well er mich hier nicht mehr antraf."

Und wo warst Du?"

Dort im Garten."

Aber ich war dort und ich habe Dich nicht gesehen!"

Ich habe mich versteckt, als ich Stimmen näher kommm hörte, und ich habe Alles gehört, was Du mit jenem Mädchen gesprochen hast."

Du hast uns belauscht?"

Ich sage Dir, daß ich mich versteckt hatte, aber nicht, um zu lauschen."

Du weißt also jetzt, daß ich nicht Derjenige bin, für den ich mich auch Dir gegenüber ausgegeben habe, ausgeben mußte ?"

-Ja."

Setz' Dich hierher, mein Kind! Wir haben viel zusammen zu sprechen."

Sie warf sich in» einen Lehnstuhl, der ihr zur Sette in der Nähe eines Schreib­tisches stand; die Erschütterung ihres Gemütes machte sich in einem Strome von Thränen Luft.O ich bin sehr unglücklich!" rief sie aus, indem sie ihr Gesicht in beiden Händen verbarg.

Sei vernünftig, mein Kind. Und vor allen Dingen sage mir, ob Du Dich von dem gestrigen Unfall ganz erholt hast."

Er beugte sich über sie und legte seine Hand auf ihre Stirne. Sie stieß seinen Arm von sich.Laß mich!" rief sie in leidenschaftlicher Erregung aus

Ich Haff- Dich!"

Vera!"

Du hast mich getäuscht. Du hast eine elende Komödie mit mir gespielt."

Nicht in der Absicht, Dich zu täuschen. Das weißt Tu recht gut. Ich habe dir Komödie gespielt, die mir durch die Verhältnisse aufgenötigt war. Und Du weißt, durch welche Verhältnisse."

Nicht mir gegenüber durstest Du sie spielen."

Ich war verpflichtet, keine Ausnahme zu machen."

Dein Name, Drin Stand, das war nicht die einzige Komödie, die Du so meisterhaft spieltest. Du hast mich mit den Worten der Liebe bethött und Tu liebst eine Andere."

Wer sagt Dir das?"

Du selbst."

Wann hätte ich es gesagt?"