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wohl der größte Teil wieder zur Heimat zurückreisen wird. Wir sind überzeugt, daß die verehrten Gäste über die Aufnahme seitens ihrer Kollegen in hiesiger Stadt, sowie von unserer herrlichen Gegend vollbe­friedigt zur Heimat zurückkehren.

* Calw, 10. Juni. Das Sängerfest des westlichen Gäusängerbundes, dem 11 länd­liche Vereine angehören, wird in diesem Jahr am 14. Juni in Dachtel abgehalten werden. Ein Preissingen findet bei diesem Bunde nicht statt. Unter der Leit­ung von Schull. Heinz in Dachtel werden 2 ge­meinschaftliche Chöre gesungen, nämlichTrittst im Morgenrot daher" undWenn die Quellen silbern fließen". Nach der Ansprache des Gauvorstandes folgen die Einzelvorträge der anwesenden Vereine. Den Schluß des Festes bildet der GesamtchorWie ein stolzer Adler" und hierauf gesellige Unterhaltung mit Gesang und Musik auf dem Festplatz.

In Liebenzell, fand am vergangenen Sonntag vormittag unter großer Beteiligung der Kirchengemeinde die feierliche Grundsteinlegung des neuen Gotteshauses statt. Eine Urkunde wurde in den Stein eingelegt, worauf Ansprachen von den HH. Stadtpfarrer Weitbrecht, Stadt­schultheiß Schneider und Regierungsbaumeister Bareiß von Calw folgten. Die feierliche Handlung wurde mit Gesang eröffnet und geschlossen. Im Ochsen fand sodann ein Festessen statt, wobei mehrere Toaste ausgebracht wurden. Die Arbeiter an der Kirche wurden ebenfalls im Ochsen festlich bewirtet.

Sindelfingen, 5. Juni. Vor zwei Tagen wurde in dem Stadtwalddistrikt Sommerhofen durch einen Mann, welcher beim Holzsuchen sich verirrte, ein gänzlich verwester Leichnam aufgefunden, neben welchem Strik und Stiefel lagen. Allem An­schein nach ist es der vor drei Jahren verschwundene Schreiner Wilhehn Rieger.

Stuttgart, 6. Juni. Heute vormittag 11 Uhr wurde in der Marienstraße eine junge Dame durch die Pferde einer Privatequipage niedergeworfen und wurde bewußtlos vom Platze getragen. Die erhaltenen Verletzungen scheinen indessen glücklicher­weise nicht gefährlich zu sein.

Stuttgart, 7. Juni. Der alljährlich um diese Zeit hier stattfindende Commers alter Corps­studenten des Cösener 8. 6. wurde gestern abend in der Liederhalle abgehalten. Die Tübinger Corps waren dazu in corpore erschienen. Unter den zahl­reich anwesenden alten Herren befand sich auch Prinz Wilhelm, welcher während seiner Tübinger Universi­tätszeit dem Corps der Schwaben angehörte; ferner bemerkte man unter den alten Herren den Kabinets- chef Geheimrat v. Griesinger, den Regimentskom­mandeur des hiesigen Ulanenregiments Graf Hue de Grais, viele hohe Staatsbeamte, Offiziere u. s. w. Landrichter Cronmüller von der Franconia hatte den Vorsitz. Nach den üblichen Hochs auf Kaiser und König gedachte der Vorsitzende im Auftrag des ver­

storbenen Oberamtsarztes Schwandner-Marbach, des Fürsten Bismarck, mit dem Schwandner studiert hatte. Das Hoch auf dengrößten Corpsstudenten" ward mit Jubel ausgenommen, gewiß ein Beweis dafür, daß auch in Süddeutschland in den Corps, entgegen den Behauptungen, die neuerdings von gewisser Seite aufgetaucht sind, noch warme Sympathien für Bis­marck bestehen. Der erste Salamander wurde vom Prinzen Wilhelm kommandiert. Heute vormittag war der übliche Frühschoppen im Stadtgarten.

Frkf. Journ.

Stuttgart, 7. Juni. Der kostbare Takt- stock, mit dem unser Königspaar den Prof. Dr. Faißt beschenkte, ist in diesen Tagen im Schaufenster des Ladens von Hofjuwelier Föhr ausgestellt. Trotz des Regens am gestrigen Sonntag vormittag erfreute sich das Schlachtenpanorama wieder sehr lebhaften Besuches. Schützenmeister und Hofjuwelier Föhr hier brachte eine Gesellschaft Pforzheimer Juweliere zur Besichtigung des Rundgemäldes mit; außerdem waren es zahlreiche Kriegervereine vom Lande, welche sich durch die Witterung nicht hatten abhalten lassen; so Dagersheim, Döffingen, Schönaich QA. Böblingen, Seeburg, Stammheim bei Calw u. a.

Stuttgart, 9. Juni. Ueber das Befinden Sr. Maj. des Königs wird bekannt gegeben: die Nacht war gut; die allgemeine Besserung hält an.

Cannstatt, 8. Juni. Im Auftrag des landwirtschaftlichen Bezirksvereins macht Weingart- meister Warth im heutigen Amtsblatt bekannt, daß infolge der feucht-warmen Witterung bereits Spuren der Blattfallkrankheit vorhanden seien, daher das Bespritzen der Reben sofort vorgenommen werden müsse. Zur erstmaligen Bespritzung wird eine Mischung empfohlen von 1V- Kx Kupfervitriol und Kalk auf 100 Liter Wasser.

Oberndorf, 6. Juni. Dem Uhrmacher D. in Duningen wurden in der vergangenen Nacht 30 silberne Taschenuhren entwendet. Der Dieb wird in einem jungen Mann vermutet im Alter von 2026 Jahren mit blondem Schnurrbart. Am Orte der That hat derselbe seine Kopfbedeckung und Fußbe­kleidung (Zugstiefel) zurückgelassen. Beim Anbieten von Taschenuhren von Privaten wird mit Rücksicht auf diesen Diebstahl Vorsicht zu empfehlen sein.

Onstmettingen, 7. Juni. Vor ca. 10 Tagen gingen 2 Frauen in den Wald, um Holz zu sammeln. Hiebei ereignete es sich, daß ein gebrochenes Stämm- chen in dem Geäst eines nebenstehenden Baumes hängen blieb. Bei dem Versuch, das Stämmchen zu befreien, stürzte dieses rasch und unerwartet aus der Höhe herab und der einen der beiden Frauen so stark und unglücklich auf den Kopf, daß der schleunigst herbeigerufene Arzt einen Schädelbruch konstatieren mußte. Eine Operation hatte bedauerlicher Weise nicht den erwünschten Erfolg und so starb die arme Frau letzten Freitag. Gestern mittag durchfuhr ein Radfahrer den hiesigen Ort. Einen auf der

Straße nach seinem ihm entfallenen Ball suchenden: etwa 8jährigen Knaben überfuhr er so unglückliche daß derselbe bewußtlos vom Platze getragen werden, mußte, doch ist Hoffnung vorhanden, das junge Leben, zu erhalten. Könnten wohl keine Vorschriften erlassen werden, wonach vie Radfahrer durch die Ortschaften in einem langsameren Tempo zu fahren hätten?

Ehingen, 9. Juni. In Rottenacker ist die Main'sche Kunstmühle mit allem Zugehör heute Nacht 1*/- Uhr abgebrannt.

Karlsruhe, 7. Juni. Vom 21. bis 24.. Sept. d. I. wird dahier die 21. Versammlung deut­scher Forstmänner tagen. Gelegentlich der nächstjäh­rigen Gartenbau-Ausstellung werden der Verein der deutschen Rosenzüchter und die Freunde der Koniferen­zucht hier sich versammeln. Die von der Stadt in Aussicht genommene elektrische Centralanstalt wird sich auf die im Albthal vorhandenen, noch nicht aus­genützten Wasserkräfte stützen und vorerst ihre Haupt­aufgaben in der Kraftversorgung industrieller Anlagen,, in der Beleuchtung städtischer Anstalten und größerer Fabrik-, sowie Wirtschaftslokale haben. Doch soll das Gaslicht nicht vollständig verdrängt werden. Der Großherzog hat die elektrische Beleuchtungsanlage des Hoftheaters besichtigt und sich über die gelungene Aus­führung befriedigt ausgesprochen. Die Kosten der. Einrichtung betragen 250,000 °/A. Man hält es für. wahrscheinlich, daß auch die elektrische Beleuchtung des Schlosses zur Durchführung gelangt. Für das hiesige Scheffeldenkmal ist die von Prof. Volz ent­worfene Kolossalbüste im Modell vollendet und sehr porträtähnlich ausgefallen. Die Büste sowie auch die allegorische Figur an der Vorderseite des Denkmals werden in Bronceguß, der architektonische Teil des Denkmalaufbaues in karrarischem Marmor ausgeführt..

Gundelsheim, 5. Juni. Die Gewitter scheinen diesen Sommer gefährlich zu werden. Berichte über Blitzschläge füllen die Zeitungen. Bei dem heftigen Gewitter, das wir gestern abend zwischen 10 und 11 Uhr hatten, war man der Ueberzeugung, es müsse irgendwo eingeschlagen haben. Da aber kein Feuerlärm entstand, glaubt man, die Befürchtung. sei eine gänzlich unbegründete gewesen, und man be­gab sich, als das Gewitter vorüber war, zur Ruhe.. Plötzlich ertönten Ich'« Uhr die Feuersignale: der Dachstuhl des Schlosses Hornegg stand in Flammen.. Der Blitz scheint, unbekümmert um den Blitzableiter, seinen Weg in das Gebäude gefunden zu haben und hatte gezündet, wenn das Feuer auch nicht rasch zum vollen Ausbruch kam. Die Badegäste und das, Dienstpersonal scheinen keine Ahnung von der Gefahr, gehabt zu haben, denn sie mußten geweckt werden. Als die Feuerwehr zur Stelle war, schlugen am öst­lichen Teile des Schlosses die Flammen zum Dache hinaus. Der Brand, der dank der Windstille, der Wassermenge und der Thätigkeit der Feuerwehr bald bewältigt war, hätte eine große Ausdehnung annehmen können, wenn eine Menge Hobelspäne, die im west­lichen Teile des Bühnenraumes aufgespeichert liegen, ergriffen worden wäre. Die Aufregung der Bade-

Er sah im Geiste schon, wie sie ihn über das Eis des Flusses der Festung zuführten. Vielleicht an der Stelle vorüber, an der am Tage vorher das Eis auf­gehauen war, damit der Metropolit das Wasser der Newa segnen konnte. Wenn die Fluth noch nicht wieder zugefroren war! Wenn sich ihm eine Gelegenheit bieten würde, sich seinen Verfolgern durch einen Sprung in die Tiefe zu entziehen.

Und wiener schüttelte ein Frostschauer seine Glieder, Es war ihm, als sei er schon versunken in der eiskalten dunklen Fluth, als stoße sein Kopf gegen die undurchdringliche Decke des EiseS, als treibe ihn der Instinkt der Natur, wieder zu der Pforte des Todes zurückzukehren, durch die er eingetreten, die Oeffnung des Eises wieder aufzusuchen, durch die er in die Tiefe gesprungen war. . . .

Ein Geräusch weckte ihn aus seinen Träumereien. Er blickte auf und kehrte sich um.

Ein Schlitten kam in rascher Elle heran. Es war offenbar, daß das Pferd scheu geworden war, und es schien so, als ob der Kutscher, der auf dem Bocke saß, die Herrschaft über das wild gewordene Tier verloren habe.

Der Schlitten fuhr gerade in die Gruppen der Soldaten und ihres Ge­fangenen hinein. Der eine Soldat sprang zur Seite und fiel in den Schnee; der andere, der hinter dem Gefangenen ging, versuchte, dem Pferde in die Zügel zu fallen. Aber das Pferd stürzte und der Schickten siel um; der Herr und die Dame, die darin saßen, wurden auf das Trottoir des Quai's geschleudert.

In demselben Augenblicke kam von der entgegengesetzten Seite ein kleiner leichter Schickten mit zwei Pferden, von dem Herrn gelenkt, der darin saß. Der Herr hielt seine Pferde an, sprang aus dem Schlitten und trat auf die Gruppe zu.

Zum Teufel!" rief er den Soldaten zu,helft doch der Dame! Sie ist ohn­mächtig. Reibt ihr die Schläfen mit Schnee. Und richtet den Schlitten wieder auf. Zehn Rubel Belohnung für Eure Dimste. Hier sind sie!"

Zwei Soldaten hoben die ohnmäck.tige Dame auf. Der Dritte machte sich an dem Schlitten zu schaffen und suchte das gestürzte Pferd auszurichten. Der vierte blieb neben dem Gefangenen stehen, achtete indessen mehr auf das, was seine Aufmerksamkeck beschäftigte, als auf denjenigen, der seiner Obhut anvertraut war.

Auf den Bock, Kutscher Pugatlchew!" sagte jetzt mit halblauter Stimme der junge Mann, der mit dem zwecken Schickten gekommen war.

Im nächsten Augenblicke saßen der Gefangene auf dem Bock und sein Befreier im Schlitten.

Der Soldat erhob sein Gewehr, aber ehe er schießen konnte, hatte ihn ein Revolverschuß des jungen Mannes, der im Schlitten saß, zu Boden gestreckt.

Vorwärts, Pugatschew!"

Die Pferde griffen aus und der Schlitten jagte über den Quai dahin, um dann nach dein Admiralitätsplatz einzubiegen.

Alles das war das Werk eines Augenblicks.

Zum Unglück für die Flüchtlinge fuhr in diesem Augenblicke ein Jswofchtfchik vorüber, der von der Nikolaibrücke kam. Die Soldaten hielten ihn an und zwei von ihnen setzten sich in den Schlitten, um die Flüchtigen zu verfolgen. Ein Polizei­diener, der an der Ecke des Admiralitätsplatzes stand und dem sie die Worte - Staatsverbrecher! Haltet sie an!" zuriefen, begriff die Situation und warf sich gleichfalls in einen Schlitten, der dort hielt, um sich der wilden Jagd die nun be­gann, anzuschließen.

Die Flüchtigen hatten eine» bedeutenden Vorsprung, aber die Gefahr blieb immerhin eine drohende. Die Rufe der Polizeiwachen an den Straßenecken ver­breiteten sich wie ein Lauffeuer, und auf dem Newsky schloß sich ein dritter Schlitten der Verfolgung an.

Dmitrij", rief der Gefangene auf dem Bock, indem er sich für einen Augen­blick umkehrte und rückwärts blickte,wir sind verloren, man ist uns auf den Fersen."

Sei unbesorgt", erhielt er zur Antwort.Unsere Pferde halten den Wett­lauf schon aus. Wenn wir zur Anitschkow-Brücke kommen, so biege nach der Fon- tanka ein. Du springst ab und eilst auf mein Zimmer hinauf. Ich kehre um und fahre den Verfolgern direkt entgegen. Wer wird in dem Fürsten Alexander G.. einen Staatsverbrecher suchen?"

(Fortsetzung folgt.)