in der dem bisherigen Betriebsrat das Bertrauen ausgesprochen und er beauftragt wurde, in Verbindung mit den Gewerkschaften eine möglichst günstige Regelung der Angelegenheit zu erstreben. Hierzu ist zu bemerken, daß die Werftgeschäftsleitung es abgelehnt hat, neue Kommissionen zu empfangen und nur mit dem bisherigen Betriebsrat verhandeln will.
Hamburg, 2. Dez. Bei den Besprechungen des Arbeiterrats mit der Direktion der Vulkanwerke kam es heute nachm, zu einer Einigung. Die Arbeiter werden morgen Mittwoch mit Beginn der neuen Lohnwoche wieder eingestellt, so daß der Betrieb der Werft wieder seinen gesicherten Gang gehen wird. Die Beamten der Werft werden von Freitag ab wieder im Betrieb tätig sein.
Putsche in Siebenbürgen.
Budapest, 2. Dez. (Ung. Korr.-Bur.) In Hermannstadt haben am 21. Nov. Ungarn, Sachsen und Rumänen gegen den siebenbürgischen Verwaltungssenat einen Putsch veranstaltet. Dieser wurde für aufgehoben erklärt und an seiner Stelle ein neuer ernannt, weil der frühere Verwaltungssenat sich für die Annexion ausgesprochen hatte, während der jetzige ein neues selbständiges Siebenbürgen wünscht und allen An- nexionsgedanken fernsteht. Die königlich rumänische Regierung ließ darauf in Hermannstadt das Standrecht verkünden und die Teilnehmer des Putsches verhaften. Bezeichnenderweise hat sich die Siebenbürgener rumänische Geistlichkeit an dem Putsch nicht nur tätig beteiligt, sondern sogar eine führende Rolle dabei gespielt und sich offen gegen jede Annexion ausgesprochen.
Ein Streik der Generale in Spanien.
Madrid, 2. Dez. Die Ministerkrise wurde durch einen schweren Zwischenfall im Militärwesen herbeigeführt. 14 Generalstabsoffiziere, die wegen Vergehens gegen die Disziplin abberufen worden waren, waren durch das Oberste Gericht wieder in die Armee ausgenommen worden. Die Regierung wurde durch die. Militärbünde aufgefordert, sie aus der Armee zu verweisen. Im Verlaufe des 29. 11. sollen dann alle Jnfanterieoffiziere mit Einschluß der Generale verlangt haben, daß man sie in den Ruhestand versetze. Alle in Madrid anwesenden Generale unternahmen schon im Laufe des Tages beim Kriegsminister einen diesbezüglichen Schritt. Der Ministerrat besprach hierauf die Lage. Sonntag Nachmittag versammelte sich der Kabinettsrat neuerlich und im Verlaufe dieser Sitzung reichte der Kriegsminister sein Rücktrittsgesuch ein. Am Abend begab sich Sanchez Toca in Begleitung des Kriegsministers zum König, uni ihm die Demission des gesaniten Ministeriums mitzuteilen. Nach einer bis 10 Uhr abends währenden Besprechung mit dem König begaben sich Sanchez Toca und der Kriegsminister wieder zum Ministerrat zurück, wo die Verhandlungen neuerlich ausgenommen wurden.
Amerika und der Friede».
London, 2. Dez. „Daily Mail" wird aus New-Dork gedrahtet, der republikanische Führer Lodge habe erklärt, daß an den vom Senat angenommenen Vorbehalten eine Aende- rung nicht mehr möglich sei. Der Präsident müsse sie entweder annehmen oder ablehnen und sich in diesem Fall auf die daraus entstehenden Folgen vorbereiten. Wenn der Präsident sich entschließe, die Vorbehalte abzulehnen und darauf bestehe, daß sie den Wählern unterbreitet würden, so seien die Republikaner entschlossen, dem Präsidenten zu trotzen und den Friedensvertrag nach amerikanischer Auffassung umzugestalten.
Amsterdam, 2. Dez. Dem Preßbürv Radio zufolge erklärte Senator Lodge, daß die Vorbehalte der Mehrheit zum Friedensvertrage Mindestforderungen seien. „Newyork Times" schreibt dazu, es sei zweifelhaft, ob Lodge imstande sein werde, alle Mitglieder seiner Partei zusammenzuhalten, namentlich, wenn Präsident Wilson sich bereit zeigen sollte, einige Vorbehalte, die für die gemäßigten Revisionisten und einige andere Republikaner annehmbar seien, anzunehmen. Ferner schreibt die „Newyork Times", die Führer der beiden Parteien erwarteten, daß der Präsident den Friedensvertrag noch vor Ablauf der Woche zurückziehen werde und daß der Senat ihn nicht eher wieder zu Gesicht bekommen werde, ehe die Verhandlungen überein Kompromiß abgeschlossen seien.
Die von Scapa Flow.
Der „Berliner Lokalanz." veröffentlicht einen Aufruf der zurückgehaltenen Scapa Flow-Besatzungen und Flieger an die Heimat, in dem es u. a. heißt: Wird Deutschland für unsere Heimsendung gezwungen werden, schmachvolle Bedingungen zu unterzeichnen, so wollen wir alle Mann für Mann weiter das Los der Kriegsgefangenschaft tragen. Dann tun wir weiter unsere Pflicht für unser geliebtes Vaterland, fiir unsere Heimat, für Deutschland. Deutschland, Deutschland über alles.
Kleine Nachrichten.
Berlin, 2. Dez. Der Erlaß des Präsidenten von China vom 15. September 1919 über die Wiederherstellung des Friedenszustandes zwischen China und Deutschland bezieht -sich u. a. darauf, daß durch die Unterzeichnung des Friedensvertrages zu Versailles dem Kriegszustand zwischen den Alliierten und Deutschland ein Ende gemacht sei, verweist auf Chinas Unterschriftsverweigerung der Schantungartikel und gibt die Beendigung des Kriegszustandes zwischen der chinesischen Republik und dem Deutschen Reiche bekannt. Ein weiterer Erlaß vom 18. September verkündet dqsselbe für die Beziehungen zu Oesterreich. Für die deutschen u. österreichischen Staatsangehörigen blieben jedoch die seit Kriegs-, ausbruch erlassenen Verordnungen bis zu ihrer ausdrücklichen Aufhebung in Anwendung.
Berlin, 3. Dez. Dem „Berliner Lvkalanzeiger" wird über Amsterdam aus Paris gemeldet, daß die französischen Vertreter aus der Friedenskonferenz die amerikanischen Abgeordneten baten, ihre Abreise aufzuschieben, bis das Protokoll, das den Frieden mit Deutschland in Kraft treten läßt, unterzeichnet ist. Man behaupte, daß die Abreise der amerikanischen Abgeordneten bei der augenblicklichen Lage, trotzdem sie vor Monaten beschlossen worden sei, in Deutschland falsch ausgelegt iverden würde.
Freiburg, 2. Dez. Nach Blättermeldungen ist die Erhebung desErzbischofs Dr. Nörber zum Kardinal grundsätzlich beschlossen. Verhandlungen sind eiugeleitet.
Amsterdam, 2. Dez. Wie der Brüsseler Korrespondent des Telegraaf von gut unterrichteter Seite erfährt haben die Verhandlungen über die Revision des Vertrages von 1839 zick einer Einigung über die wirtschaftlichen Fragen geführt. Man hat sich sowohl über die Verwaltung der Schelde für die Friedenszeit als auch über die Anlegung eines. Schelde- Rheinkanals und eines "Kanals Autwerpen-Moerdyk geeinigt. Dies waren die wichtigsten Wünsche Belgiens auf wirtschaftlichem Gebiete.
Paris, 2. Dez. Nach einer Meldung des „Matin" erklärte Marmsworth im englischen Unterhause, daß nian im Hinblick auf die Haltung der rumänischen Regierung beschlossen habe, alle für Rumänien bestehenden Erlei chterun- genaufzuheben, bis neuerliche Verfügungen getroffen seien.
Vermischtes.
Berlin. Der Luftpostverkehr zwischen Friedrichshafen und Berlin wird wegen Umbau des Luftschiffs auf längere sieit eingestellt. Das Luftschiff verkehrte aus Friedrichshafen letztmals am 1. Dezember. "
geber sind an der Arbeit. Die einen wollen ihn zur Erinnerung an die Revolution den „Umstürzler" nennen, die zweiten un Gedenken an den modernen Zeitgeist den „Schieber" die Dritten im Hinblik auf das mangelnde Heizmaterial den „Kohlenerfatz . Wer hebt das Kind aus der Taufe?
- An Auswanderungslustige. Die brasilianische Regierung ist, wie die „K. B.' in ihrem Inseratenteil bekannt gibt, bereit 3100 deutsche Auswanderer (Landwirte) auf ihre Kosten vor Ende dieses Jahres auf einein brasilianischen Schiff das einmal monatlicy den Hafen Rotterdam anlaufen wird, nach Brasilien zu befördern. Ausführliche Anmeldungen sind an das Schweizerische Konsulat in Düsseldorf (Bentratbe- Amße 29, Rheinhof) zu richten.
— Maul- und Klauenseuche. Die Maul- u. Klauenseuche tritt in der Südschweiz, jetzt auch in der Nvrdschweiz in bösartiger Form auf. Sie hat nun auch auf Württemberg übergegriffen und in Wolfartswsiler OA. Saulaau einen äußerst bösartigen Charakter angenommen, ohne 'daß eine Einschleppung nachgewiesen iverden konnte. In dem dortigen zuerst betroffenen Viehbestand sind von 25 Stück Rindvieh 4 Stück an der Seuche gefallen, 4 weitere mußten geschlachtet werden. Zwei weitere Gehöfte sind bereits von der Seuche heimgesucht. Strengste Absperrung und Vorsicht sind angeordnet, um die Landwirtschaft von unübersehbaren Verlusten zu schützen.
— Französische Wirkwaren in Deutschland. Die
deutschen Wirkwaren-Fabriken sind augenblicklich wegen Rohstoffmangel nicht in der Lage, der starken Nachfrage für ihre Erzeugnisse im Jnlande zu genügen. Deshalb darf es nicht wundernehmen, wenn das Ausland seine Waren in Deutschland abzusetzen versucht. Aus Südfrankreich, insbesondere aus den Pyrenäen, liegen bedeutende Angebote französischer Wirkwarenerzeuger vor. Die Versuche jedoch, die man bisher mit dieser Ware gemacht hat, ermutigen nicht sehr.
— Teure Weinachtsbäume. In der Nationalversammlung wurde folgender Antrag eingebracht: Pressenachrichten zufolge, die sich ausdrücklich auf Mitteilungen aus Großhänd lerkreisen berufen, werden die Weihnachtsbäume in diesem Jahr ganz ungewöhnlich teuer werden. So sollen Fichten nicht unter 8—20 Mk. zu haben sein, Tannen werden 10— 25 Mk. und Edeltannen 14—30 Mk. kosten. Ist die Reichst regierung bereit, unverzüglich Maßnahmen gegen derartige A u sb eu t u n gsversu ch e der Bevölkerung zu treffen?
Aus Stadt und Bezirk.
Nagold, den 4. Dezember 1919.
* Neuer Roman. Wir beginnen heute niit dem Abdruck des Romans „Der Triumph des Lebens" aus der Feder von Lola Stein, worauf wir unsere gesch. Leserinnen und Leser besonders aufmerksam machen.
* Die Fernsprech- und Telegraphendienstzeit ist bei sämtlichen Post- und Telegraphendienststellei! anläßlich der Maßnahmen zur Kohlenersparnis einzuschränken. Beim Postamt Nagold endigt daher künftig di» Fernsprech- u. Telegr.- Dienstzeit um 8 Uhr abends, bei den Postagenturen und Telegraphenhilfstellen um 6 Uhr abends.
Die Anfänge der Hohenzollern.
Von Adolf Kappus.
(Nachdruck verboten).
Wer dem Ursprung unseres bisherigen Kaiserhauses nachspüren will, der muß von Tübingen mit der Zollernbahn zunächst an der Kaiserburg vorbeifahren bis zur Station Laufen a. d. Eyach. Von da führt ein steiler Weg durch herrlichen Buchenwald 500 m hoch empor zu den von einem vorgeschichtlichen Ringwall umschlossenen Trümmern der gewaltigen Schalksburg. Hier stehen wir, 900 m über dem Meer an dem ältesten Sitz der später nach dem Zoller benannten Grafen des Scherrctgaus. Man glaubt, daß sie ein Zweig des uralten rhätisch-alemannischen Herzogsgeschlechtes der Äurkardinger waren, die uns allen durch Scheffels Ekkehard vertraut geworden sind. Ein Sproß dieses Hauses ist der älteste bekannte Graf des ScherragauD; er hat den Namen Burkard auf die Zollern ebenso vererbt, wie die Farben seines Schildes: schwarz und weiß.
Die Trümmer der Burg sind stumm. Etwas Leben aber kommt in die alten Zeiten, wenn wir zehn Minuten weiter gehen zu dem Michaeliskirchlein von Burgfelden. Dieses sollte im Jahr 1892 abgebrochen werden, da entdeckte man unter der Tünche schwacherhaltene Fresken aus dem elften Jahrhundert, der Reichenauer Schule entstammend. Sie gehören zu dem Aeltesten und Wertvollsten, was klösterliche Kunst auf deutschem Boden geschaffen hat. Merkwürdig aber, sie stellen nicht nur das Jüngste Gericht und andere biblische Stoffe dar: An der Nord- und Südwand sind Kampfesszenen dargestellt, die offenbar Erlebnisse der hier eingepfarrten Burgherrn verewigen sollen. Wir sehen einen Wald, in dem drei Männer einem Reiter auflanern. Daneben wird ein Schimmelreiter von zwei Fußgängern überfallen und enthauptet.. Was mag das bedeuten? Äe große Geschichte jener Zeit gibt Aufschluß: Im Sommer 1040 machte Kaiser Heinrich III. einen Feldzug gegen Herzog Bretislaw von Böhmen. Der hatte Polen erobert und stand im Begriff, ein großes slaoi- sches Reich zu gründen, und die eben erst begründete Herrschaft der Deutschen zwischen Elbe und Oder zu bedrohen. Seine Macht mußte gebrochen werden und mit einem stattlichen Ritterheer zog der Kaiser gegen Böhmen. Aber der Tschechenfürst hatte die Pässe des schwer zugänglichen Böhmerwaldes verschanzt und in den Wäldern lauerte Hinterhalt. In einen solchen geriet die eine Hälfte des Heeres und die schwer beweglichen Ritter fielen unter den Pfeilen der Slaven dahin. Es war eine schwere Niederlage. Doch gelang es dem Kaiser im folgenden Jahr Böhmen zu erobern und den
Herzog vollständig zu unterwerfen. Von da an galt Böhmen als deutsches Lehen. Unter den gefallenen Rittern aber war ein schwäbischer Graf Burkard, der im Kloster Reichenau begraben liegt. Alles deutet darauf, daß er der Herr der Schalksburg war, und daß sein Tod in der bald nachher gebauten Kirche seiner Burg verewigt worden ist. Eine urkundliche Nachricht freilich haben wir nicht.
Dieselbe Wand zeigt vier Ritter, von denen zwei am Boden liegen und eben getötet werden. Das paßt merkwürdig zu der ersten Urkunde, in welcher der Name Zollern genannt ist: „8urkurcku8 et Vke^il cke^oler in occi- ckuntur" d. h. Burkard und Wezil von Zollern werden getötet — so steht in der Chronik von Reichenau zum Jahr 1061 verzeichnet. Ein ähnlicher Eintrag im Totenbuch von St. Gallen vermerkt den 29. August für den Tod der beiden. Unter dem Altar von Burgfelden hat man ein großes Doppel- *grab mit Steinsärgen gefunden. Da die Kirche um 1050 gebaut sein wird, dürften die genannten ersten Hohenzollern hier ihr Grab gefunden haben, und der Pinsel des Mönches von Reichenau hat neben des Vaters Tod dem ihrigen ein Denkmal gesetzt. Offenbar hat das Grafengeschlecht kurz vorher seinen Sitz von der zwischen den Bergen versteckten Schalksburg nach dem weltoffenen Zollernberg verlegt. Aber der lag in der benachbarten Grafschaft, Sulichgaü. Merkwürdig, daß laut Totenbuch des Klosters Einsiedeln im August desselben Jahres Graf Hasso von Sülichgan gefallen ist. Anlaß zu Fehden gab es zwar in jenen Jahren mehr als genug, da Heinrich VI. erst 11 Jahre alt war, und sein späterer Gegenkönig Rudolf unter heftigem Widerspruch schwäbischer Großen mit dem Herzogtum in Schwaben belehnt wurde. Aber es liegt näher zu vermuten, daß Graf Hasso die Besitznahme des Zollern und die Erbauung einer Burg auf seiner stolzen Höhe als Einbruch in sein Gebiet nicht dulden wollte, daß es darüber zum Kampfe kam, der beiden Teilen den Tod brachte. Der Sieg muß aber trotz des Falles der beiden Zollerngraien auf ihrer Seite gewesen sein, denn ihr Geschlecht sitzt von da an im Besitz der Burg.
Der Zoller (wie das Volk der Gegend heute noch sagt) ist ein schlanker Bergkegel aus weißem Jurakalk, von 800m Seehöhe, 300 m hoch über dem Vorland, gleich dem Hohenstaufen, der Teck, dem Neuffen, der Achalm wie ein Vorposten der Hochebene vorgelagert. Ein herrlicher Blick auf das Neckarland u. auf die Vorberge des Schwarzwald belohnt für den Aufstieg.
(Schluß folgt.)
Bismarck und die drei Kaiser. Die Gespräche von „Bismarks Eckermann", Heinrich von Poschinger, deren Veröffentlichung aus dem Nachlaß im neuesten Heft der „Deut
schen Rundschau" fortgesetzt wird, enthalten wieder hochbedeutsame Aeußermigen des Fürsten, die z. T. auch die Gegenwart beleuchten. So gab Bismark seinem Besucher Charakterbilder der drei Kaiser: „An dem alten Kaiser war alles vornehm ünd korrekt; dabei wollte er nicht unfehlbar sein wie der jetzige. Oft gab er ein gefaßtes Urteil auf, wenn ich ihn von der Aktenlage in Kenntnis gesetzt hatte, ohne mir einen stillen Groll im Herzen zu bewahren. Auch mit dem Kaiser Friedrich wäre ich ganz gut ausgekommen. Schon als Kronprinz waren meine Beziehungen zu ihm nicht so schlecht, wie inan dies gewöhnlich voraussetzt. Den Erlaß an den Reichskanzler, den er bei seinem Regierungsantritt veröffentlichen wollte und der meinen Freund Geffken zum Verfasser hatte, überreichte er mir versiegelt, von San Remo kommend, auf der Fahrt von Leipzig nach Berlin. Ich- brach das Kuvert auf und las den Inhalt, worauf er mich fragte, ob ich gegen die Veröffentlichung des Erlasses etwas einzuwenden habe. Ich verneinte diese Frage und hätte sie — aus Mitleid mit dem Armen — selbst dann verneint, wenn Schlimmeres darin gestanden hätte. Auch mit der Kaiserin Friedrich wäre ich fertig geworden. Kaiser Friedrich zeigte seiner Gemahlin gegenüber selbst in seinen schlimmsten Tagen einen festen Willen. Als es sich darum handelte, ob der Battenberger nach Berlin eingeladen werden sollte und die Kaiserin Friedrich diesen Wunsch nicht aufgab, raffte der Kranke seine letzte Kraft zusammen. Es war das erste- und das letztemal nach der Tracheotomie, daß er ein lautes Wort von sich gab. Darauf verließ er selbst sogleich auch das Zimmer, uin in einem benachbarten seinen Tränen Lauf zu lassen." Ueber die Unmöglichkeit, unter Wilhelm II. weiter zu dienen, sagte Bismarck: „In den letzten Monaten vor meiner Entlastung hat in schlaflosen Nächten die Frage mich unablässig beschäftigt, ob ich unter ihm aushalten könne. Meine Liebe zum Vaterlande sagte mir, du darfst nicht gehen, du bist der einzige, der diesem Willen noch das Gleichgewicht zu halten vermag. Aber auf der andern Seite kannt^ ich die Geistesverfassung des Monarchen, die mir die traurigsten Verwicklungen im Bereiche der Möglichkeit erscheinen ließ. Das Schauspiel, das sich in Bayern mit König Ludwig II- verhältnismäßig glatt abgespielt hat, würde in einem Militärstaate wie Preußen einen verhängnisvolleren und schwierigeren Charakter annehmen. Der Kaiser hat dann meinem Seelenkampfe selbst ein Ende bereitet, indem er mich wissen ließ, daß er mich nicht mehr haben wolle. Ich akzeptierte diesen Standpunkt, wollte das Auseinandergehen aber in einer würdigen Weise durchführen. Statt dessen hat mich der Kaiser förmlich hinausgeworfen." („Merkur")