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Nr. 282

Donnerstag den 4. Dezember 1919

93. Jahrgang

Clemeneeaus Antwort auf die Kriegsgefangenen-Note.

Berlin, 3. Dez. Dem deutschen Vertreter in Paris ist nin 2. Dezember folgende Note zugegangen:

Sie haben ani 27. November ein Schreiben über die Heimschaffnng der deutschen Kriegsgefangenen an mich ge­richtet, das eine Reihe von Behauptungen enthält, deren schneidender Tan nicht ausreicht, um ihre Unrichtigkeit zu verdecken.

Ganz allgemein hat Deutschland in der Kriegsgefcmgenen- srage nur ein in den, von ihm Unterzeichneten Friedensver­trag formuliertes Recht, nämlich auf Beginn der Heinischaf­fung mit dein Tage der Inkraftsetzung des Vertrages, die auf den endgültigen Austausch der Ratifikationsurkunde folgt. Jede Abweichung von diesen Bestimmungen, die für die Vertragsteile Gesetz sind, ist eine Vergünstigung. Die Be­hauptung, die Gefangenen seien schuldlos und für die Kriegs­vorgänge nicht verantwortlich, hält übrigens der Prüfung nicht stand.

Ihre Note erklärt, die französische Regierung habe zuerst am 29. August I9l9 und später aus Anlaß der deutschen Kohlenlieferungen oder bei Zahlung einer Million an das Rote Kreuz als Sühne für die Ermordung des Sergeanten Mannheim in Berlin bestimmte Verpflichtungen hinsichtlich der früheren Heimschaffung der deutschen Kriegsgefangenen übernommen. Diese dreifache Behauptung entbehrt der Be­gründung. Niemals ist die französische Regierung eine eigene Verpflichtung in der Frage eingegangen, die zur Zuständig­keit der Gesamtheit der Verbündeten gehört. Die Erklärung vom 29. August, die aus Gründen der Menschlichkeit und nicht gegen etwaige Zugeständnisse von deutscher Seite den Entschluß der Verbündeten verkündet hat, das Inkrafttreten des Friedensvertrags hinsichtlich der Heimschaffung der Ge­fangenen vvrzudatieren, ist später erfolgt als die Bespre­chungen über die Kohlenfrage und diejenigen über den Ser­geanten Mannheim, die dabei jedenfalls vollauf befriedigende Lösung dadurch gefunden haben, daß die französische Regie­rung der Heimschaffung zngestimmt hat. Diese Erklärung ist nicht zwischen der französischen Regierung und der deutschen Regierung in der Form eines aus Verhandlungen hervor­gegangenen Versprechens vereinbart worden, es ist dies eine humanitäre Erklärung «ller Verbündeten über die Gesamt­heit der von ihnen gemachten deutschen Gefangenen.

Die Erklärung verkündet: 1) den sofortigen Beginn der Heimschaffung, 2) die mögliche Unterbrechung dieser wohl­wollenden Politik für den Fall, daß die deutsche Regierung und das deutsche Volk nicht alle die Verpflichtungen aus dem Waffenstillstand, die sie bis zur endgültigen Ratifizie­rung des Vertrags binden, erfüllen sollten.

Gemäß diesem einseitigen Beschluß der Verbündeten hat die Heimschaffung sofort begonnen und ist mehrere Monate lang durch die Rückkehr der deutschen Gefangenen aus Eng­land, Amerika und Belgien verwirklicht worden.

Wiederum gemäß der Erklärung vom 29. August wurde die Heimsendung der Gefangenen eingestellt wegen der Nicht­erfüllung und der unvollständigen Erfüllung der Bedingun­gen des Waffenstillstands durch die deutsche Regierung.

Das Versprechen und die Drohung, die von der Gesamt­heit der Alliierten aus freien Stücken ausgesprochen wurden, sind hiernach strikte ausgeführt worden.

Durch die Note vom l. November sind der deutschen Regierung ihre Verstöße gegen die beim Waffenstillstand vom II. November 1918, die gerade vor einem Jahr über­nommenen Verpflichtungen vorgehalten worden. Sie wurde von den Maßnahmen und Strafen unterrichtet, die vorge­sehen sind, um die vollkommene Durchführung der im Frie­densvertrag nicht erneuerten Waffenstillstandsbedingungen zu sichern. Die französische Regieruug verfolgt keine auf die Zurückhaltung der Kriegsgefangenen gestützte Politik und be­dient sich ihrer nicht als Druckmittel. Sie' hält sich lediglich an die Bestimmungen des Vertrags und wenn die' im Monat August eingeleiteten wohlwollenden Maßnahmen nicht bis zu Ende durchgeführt wurden, so ist dies ausschließlich auf die Verstöße der deutschen Regierung gegen ihre eigenen Verpflichtungen zurückzuführen.

Die Verantwortlichkeit Deutschlands für die Verzögerung in der Heimschaffung der Gefangenen ergibt sich unmittelbar und schlagend aus der Tatsache, daß auf die Note der Alliier­ten vom 1. November keine Antwort erteilt wurde und daß die deutschen Vertreter, nachdem sie zur Regelung der Arbeit der zur Ausführung des Friedensvertrags eingesetzten Kom­missionen nach Paris entsandt waren, zwei Tage nach ihrer Ankunft wieder nach Berlin zurückberufen ivurden, obwohl das Datum und-das Verfahren für die Prüfung der aufge­worfenen Fragen im Einvernehmen mit diesen Delegierten festgesetzt worden waren.

Die deutsche Regierung ist es, die sich der Frage der Kriegsgefangenen zur Erregung der deutschen öffentlichen Meinung gegen die Alliierten und ganz besonders gegen Frankreich zu bedienen sucht. Dies wird durch die Tatsache erwiesen, daß die Konferenz die Ratifikation und die Jnkraft- setznng des Friedensvertrags, der auch für den Zeitpunkt der demnächftigen Rückkehr der Gefangenen maßgebend ist, aus

den 1. Dezember festgesetzt hatte. Anstatt sich an den in Aussicht genommenen Abschlußverhandlungen zu beteiligen, hat die deutsche Regierung eine dilatorische Haltung einge­nommen und in einem unerträglichen Ton eine Erörterung über die Heimschaffung der Gefangenen eröffnet, obwohl es in ihrer Macht stand, daß diese sogleich nach Ende vorigen Monats, d. h. nach wenigen Tagen, heimkehrten. Der hin­haltende Charakter dieses Vorgehens und die in der Ratifi­kation durch das eigene Verschulden Deutschlands eingetretene Verzögerung lassen die volle Verantwortung für das Ver­bleiben der Gefangenen in Frankreich, wo sie übrigens nicht nur human, sondern mit Wohlwollen behandelt werden, auf Deutschland zurückfallen.

Ohne iveder auf die im übrigen der Richtigstellung be­dürfenden Verteidigungsversuche hinsichtlich Schleswigs und Oberschlesiens, auf die Frage der baltischen Provinzen (wo Deutschland sich erst auf starken Zwang hin zur teilweisen Erfüllung seiner Verpflichtungen verstanden hat), noch auf Artikel 61 der Verfassung, der bis zum heutigen Tag noch nicht aufgehoben ist (wartet doch die deutsche Regierung stets den letzten Augenblick und einen moralischen oder tatsächlichen Zrvang ab, ehe sie ihren Verpflichtungen nachkommt), noch schließlich auf die kühne Behauptung einzugehen, daß Deutsch­land auf seine Propaganda verzichtet habe (von der die Alliierten so viele unzweifelhafte Beweise besitzen) will ich mich nur - mit der Frage der Auslieferung der Schuldigen beschäftigen.

Die Deutschen leugnen selbst nicht, daß zahlreiche Ver­brechen begangen worden sind und daß das sittliche Gefühl der Welt verletzt wäre, wenn die Verbrechen, deren Urheber bekannt sind, ungeahndet blieben.

, " ^JKein Mensch, dersdurch die nördlichen Teile"Frankreichs und Belgiens kommt und mit eigenen Augen steht, wie Pro­vinzen planmäßig verwüstet, alle Industrieanlagen dem Boden gleich gemacht, die Wohnstätten mit methodischer Wildheit in Schutt verwandelt, alle Obstbäume einen Meter über dem Boden durchgesägt, die Bergwerke gesprengt und ersäuft, die menschliche Arbeit ganzer. Jahrhunderte haßerfüllt vernichtet ist, kann das Zögern Deutschlands begreifen, sich mit der Wiedergutmachung dieser Frevel abzufinden. Wenn derselbe unparteiische Beobachter dann aus dem Munde der Bewohner hört, welche Behandlung sie vier Jahre hin­durch ertragen haben, welche abscheulichen Gewalttaten und Zwangsmittel gegen Mädchen angewandt wurden, die in unerhörter Weise von ihren Familien getrennt worden wa­ren, könnte er seine Entrüstung über die Stellungnahme Deutschlands und den anmaßenden Ton seiner Note nicht zurückhalten. Die Alliierten sind aufs höchste erstaunt, zu sehen, daß die öffentliche Meinung in Deutschland sich noch jetzt der deutschen Verantwortlichkeit so wenig bewußt ist und nicht selbst die gerechte Bestrafung der begangenen ver­brechen fordert, daß ferner - die Verbrecher weder Mut noch Vaterlandsliebe genug besitzen, um freiwillig dem verdienten Urteil entgegenzugehen, ihre Handlungen vor Gericht zu ver­teidigen und ihrem Lande die Erfüllung seiner Verpflich­tungen zu erleichtern.

Solange das deutsche Gewissen nicht, was die ganze Welt begreift, einsieht, daß das Unrecht wieder gut gemacht werden muß und die Verbrecher ihre Strafe finden müssen, darf Deutschland nicht erwarten, daß es in die Gesellschaft der Völker wieder eintreten kann, noch bei den Alliierten Verzeihung sür seine Vergehen und Milderung der gerechten Friedensbedingungen erlangen wird.

Genehmigen Sie usw. (Gez.): Clemenceau. '

Tages-Neuigkeiten.

Am unsere Gefangenen.

Der Bund deutscher Frauen zur Befreiung der Gefange­nen erläßt folgende Kundgebung: Die deutschen Frauen u. Mütter, die mit heißer Sehnsucht auf die Rückkehr ihrer in französischer Kriegsgefangenschaft gehaltenen Söhne u. Gat­ten warten, müssen es entschieden ablehnen, daß die Frage ihrer Freigabe verquickt wird init der Frage des Wiederauf­baues der zerstörten Gebiete in Nordfrankreich. Die deut­schen Frauen und Mütter haben daher auch tiefes Mitgefühl mit den Bewohnern der zerstörten Gebiete und verstehen ihr Verlangen, baldmöglichst wieder eine Heimstätte zu haben. Darum richten sie an die deutschen Männer die Bitte, sich zahlreich melden zu wollen, um beim Wiederaufbau der zer­störten Gebiete zu helfen.

Die Reichseinkommensteuer.

Wolfs-Büro meldet : Der der Nationalversammlung zu­gehende Gesetzentwurf einer Reichseinkommensteuer läßt die ersten 1000 Mark eines jeden Gesamteinkoinmens vollkom­men frei. Die Steuersätze fiir den 1 000 Mk. übersteigenden Teil steuerbaren Einkommens sind gestaffelt. Sie betragen 10"/o für die ersten angefangenen oder vollen 1000 Mk. des steuerpflichtigen Einkommens, von da ab 11"/» für die nächsten angefangenen oder vollen 1000 Mk.; von da ab für jede weitere 1000 Mark des steuerpflichtigen Einkommens bis 15 000 Mk. erhöht sich der Tarif um je I von Hundert. Für Beträge über 500000 Mark beträgt der Steuersatz 60 vom Hundert. Das Prinzip der Steuererfassung an der Quelle

wird für Personen angewandt, die in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen. Der Arbeitgeber hat bei der Lohn­zahlung 10"/» des baren Arbeitslohnes zu Lasten des Arbeit­nehmers einzubehalten und für den einbehaltenen Betrag Steuermarken in die Steuerkaffe des Arbeitnehmers einzu­kleben und zu entwerten. Der Arbeitnehmer kann die einge­klebten und entwerteten Stempelmarken wie bares Geld aus seine Steuerschuld einzahleu. Das Gesetz soll am 1. April 1920 in Kraft treten.

Mit der Wiederaufbaufrage

und den Möglichkeiten deutscher Beteiligung beschäftigt sich dieDeutsche Allgemeine Zeitung". Sie sagt: Aus den Aus­führungen des Ministers Geßler geht hervor, daß die fran­zösische' Regierung offenbar nicht die Absicht hat, von uns in nennenswertem Umfang Arbeiter für Nordstankreich zu fordern, obwohl wir hierzu bereit waren und sind. Auf französischer Seite bestehen Bedenken nicht etwa gegen das Können unserer Arbeiter, wohl aber gegen ihre Genügsam­keit und den bei ihnen befürchteten Bolschewismus. Da es sich in der Hauptsache um reine Erdarbeiten handelt, für die auch früher in Deutschland vielfach ausländische Arbeiter her­angezogen wurden, so wird der Hinweis aus italienische u. polnische Kräfte den Fachmann nicht überraschen. Es bleibt dennoch ein großes Tätigkeitsgebiet übrig, nämlich die Her­stellung und Errichtung von Baukonstruktionen, Fabrikanla­gen, innerer Ausrüstung von Fabriken mit Kraft u. Werk­zeugmaschinen. Diese Arbeiten werden allerdings hauptsäch­lich in Deutschland selbst zu verrichten sein, sodatz in Nord­frankreich nur Montagekolonnen in Frage kommen. Aber es ist nicht gesagt, daß Frankreich nicht eines Tages noch ein Arbeiterheer von uns fordern könnte, wahrscheinlich indessen ist das jetzt nicht mehr.

Gründung einer bayrischen Königspartei.

München, 2. Dez. Die bayrische Königspartei, die im Lande schon gut organisiert ist, wurde, am Sonntag in Mün­chen offiziell gegründet, um den gesetzlichen Vorschriften zu genügen. Erster Vorsitzender ist Schriftleiter Mayer-Koy. Das Programm verlangt ein freies, selbständiges Bayern mit einem freien Volkskönig an der Spitze, mit zwei Kam­mern, von denen die erste eine ständische sein soll, Referend­umsrecht, auch des Königs gegen parlamentarische Mißwirt­schaft, freie Kirche ini freien Staat, freie Schule fiir freie Eltern. In Unterstanken sowie in Nordbayern, nördlich der Donau und in der Oberpfalz, besonders aber in Oberbayern nördlich von München zwischen Isar und Lech hat die Par­tei ihr Hauptverbreitungsgebiet. Die Gründungsversamm­lung im katholischen Gesellschaftshaus ermächtigte den Refe­renten, ein Huldigungstelegramm an den früheren König von Bayern zu senden. Hierauf erhob sich die Versammlung zu einem dreifachen Hoch auf den König und sang die alt­bayrische Königshymne.

Die Verteilung der deutschen Flotte.

Der Oberste Rat der Alliierten setzte am 2. Dez. die Frage über die Zuteilung deutscher Schiffe fort. Der Grund­satz der allgemeinen Demontierung der deutschen Kriegsschiffe wurde aufrecht erhalten. Endlich hat der Oberste Rat be­schlossen, daß die deutschen U-Boote das gleiche Schicksal wie die übrige Flotte erleiden, d. h. sie werden zerstört werden, mit Ausnahme von, zehn Einheiten, die Frankreich überge­ben werden sollen.

Aeber einen neuen Zwangsvorschlag Fochs

heißt es in verschiedenen Mvrgenblättern, der Oberste Rar habe auf einen Vorschlag Fochs beschlossen, von Deutschland die Unterdrückung der Militärorgane zu verlangen, die im Widerspruch zu den Bestimmungen des Friedensvertrags stehen.

Die Zustände auf der Bulkanwerst.

Hamburg, 2. Dez. Auf der Bulkanwerst fanden vor­mittags und nachmittags Besprechungen des Arbeiterrates mit der Direktion statt. Ruhestörungen sind nicht vorgekom­men. Bei der Deutschen Werft Hamburg-Finkenwerder wurde gestern auf Antrag der Arbeiterschaft mit großer Mehrheit die Wiederaufnahme der Akkordarbeit beschlossen. Bei der Werft von Blohm u. Voß soll der gleiche Antrag gestellt worden sein.

Hamburg, 2. Dez. Vormittags fand im Gewerkschaftshause eine Werftarbeiter-Versammlung statt. Ein mehrheitssozia­listisches Mitglied des Arbeiterrates der Werft führte aus, daß nicht eine Partei, sondern die Anarchie dort herrsche. Der Zustand sei von unverantwortlichen Hetzern u. Schreiern hervorgerufen worden. EinVertreter der U. S. P. sagte, die Diebstähle hätten in erschreckendem Maße zugenommen; die Arbeitsleistung hätte in demselben Maße abgenommen, des­halb sei der Entschluß der Geschäftsleitung zur Schließung des Betriebes natürlich. Es ließe sich wohl ein Akkordsystem finden, das menschenwürdig sei und auskömmliche Löhne si­chere. Die Geschäftsleitung machte für die Wiederaufnahme der Arbeit zur Bedingung/ daß auf der Dulkanwerft diesel­ben Arbeitsbedingungen eingeführt werden, wie auf den anderen Werften. Alle Arbeiter sollten zwar nicht wieder eingestellt werden; aber doch die Mehrzahl. Die Versammlung nahm mit überwiegender Mehrheit eine Entschließung an,

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