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Roß-, Vieh- und Schweinomarkt war sehr gut befahren. Sehr viele Händler waren da und wurde recht lebhaft gehandelt. Die Zuchtgenoffenschaft hatte über hundertsehr schöneKalbinnenausgestelltundwurden vier davon verkauft zum Preise von 503—340 Pferde galten 603—150 Fohlen 393—242 Ochsen 600—300 Kühe 300—225 Kalbeln 350—250 Boschen 150—100 »A und Farren
550—200 Auf dem Schweinemarkt wurde nicht
viel gehandelt und bewegten sich die Preise zwischen 18 und 32 ^ für Milchschweine.
Crailsheim, 25. Mai. In Buch geriet ein Bauer mit einem Schäfer auf offenem Felde in Streit und holte zu Hause seinen Knecht, sowie auch seine Flinte, um die Schäferhunde abwehren zu können; im Handgemenge krachte der Schuß (wahrscheinlich infolge Draufschlagens mit der Schippe) und die ganze Schrotladung traf den Bauern. Der schleunigst herbeigerufene Arzt konnte bis jetzt noch nicht alle Schrote finden, doch glaubt man, daß der Schuß nicht lebensgefährlich ist.
Frankfurt, 27. Mai. Die Arbeiten für die Lauffener Kraft-Uebertragung machen erfreuliche Fortschritte. Von den hiezu unter anderem benötigten Oel-Jsolatoren sind schon 1000 Stück zur Ablieferung bereit, auch ist die Turbine in Lauffen bereits fertig montiert. Die Fabrikation der von der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft in Berlin zu liefernden Maschinen und Apparate schreitet so rüstig vorwärts, daß an der Jnnehaltung des für die Inbetriebsetzung ins Auge gefaßten Termins nicht mehr gezweifelt werden kann.
Berlin, 26. Mai. Ein Brand in der Ulanenkaserne, in der Nähe der Kunstausstellung, wurde gegen 11 Uhr vormittags bemerkt im Stallgebäude, welches alsbald in Flammen stand. Dreißig Pferde wurden trotz Rauch und Flammen gerettet. Die Feuerwehrmannschaften aller Depots waren sofort zur Stelle, Militär von der Infanterie und der Feuerwerksschule brachte Hilfe. Das Feuer legte das Stallgebäude in einer Gesamtausdehnung von 150 Metern in Asche. Die Futtervorräte verbrannten.
Berlin, 27. Mai. Es wird gemeldet, daß Staatssekretär Freiherr von Marscyall den Kaiser aus dessen Reise an den niederländischen, sowie den englischen Hof begleite. Frhr. von Marschall wird sich dem Gefolge des Kaisers während der Nordlandreise desselben nicht anschließen, sondern etwa am 10. Juli nach Berlin zurückkehren, um Mitte des Monats einen mehrwöchigen Sommerurlaub, den er in seiner badischen Heimat zuzubringen gedenkt, anzutreten. Reichskanzler v. Caprivi gedenkt vorläufig in Berlin zu bleiben. Wenn sich Herr v. Caprivi zu einer kurzen Urlaubsreise entschließen sollte, dürfte dieselbe in den August fallen. Im September wird der Reichskanzler dann den Kaiser zu den österreichischen Manövern im Wiener Wald und zu den Manövern der beiden bayerischen Armeekorps nach München begleiten.
Dünkirchen, 27. Mai. Durch eine Petroleum
explosion geriet die Fabrik Coudekerque in Brand. Sieben benachbarte Häuser stairden alsbald in Flammen, zehn Personen sind im Feuer verschwunden, viele sind verwundet. Eine allgemeine Panik herrscht, da die Explosion von acht anderen Reservoirs befürchtet wird. Man besorgt, daß sich das brennende Petroleum in den benachbarten Kanal ergieße und die übrigen nahen Magazine, wo mehrere hundert Barrels Naphta liegen, in Flammen setze.
Wien, 26. Mai. Der Schauspieler Pauly, dessen Frau, die Schauspielerin Fischer-Pauly, vor wenigen Wochen durch Selbstmord endete, hat sich mit Opium vergiftet und wurde besinnungslos ins Krankenhaus verbracht. Vor dem Selbstmorv besuchte er das Grab seiner Frau.
— Bei Norderney hat das Panzerfahrzeug „Bremse" den englischen Fischkutter „Clio" abgefaßt und arretiert, weil der Schiffsführer innerhalb der gesetzlichen Drei-Seemeilengrenze gefischt hatte.
London, 27. Mai. An der Influenza sind in der letzten Woche 319 Personen gegen 266 in der Vorwoche gestorben.
Petersburg, 26. Mai. Die „Köln. Ztg." berichtet, daß die Austreibung der Juden auf Odessa ausgedehnt werden solle, wo 120 000 Juden wohnen. Dem Zaren sei vorgestellt worden, daß das großartige Hasengeschäft in Odessa zu vier Fünfteln in Händen der Juden sei, ebenso wandere der Gesamtprofit des südrussischen Getreidehandels in die Taschen der Juden, während die Bauern und Grundbesitzer verarmen. Das sei für den Zaren ausschlaggebend;, er kümmere sich nicht um die öffentliche Meinung Europas.
Vermischtes.
Auch eine Vergnügungsreise. Ein in Frankfurt a. M. wohnhafter Klub hatte nach und nach eine so große Summe zusammengeschossen, daß. die Mitglieder eine Vergnügungsreise nach Hamburg unternehmen konnten. Dort angekommen, nahmen sie Hamburg uud Umgegend in Augenschein und amüsierten sich vortrefflich. Allein plötzlich fehlte der Kassierer, welcher das gesamte Reisevermögen mit sich führte. Sein Fehlen war um so peinlicher, als sich keiner der Reisenden, in dem Bewußtsein, daß der Kassierer ein erhebliches Kapital für sie bei sich habe, mit Geld ausreichend versehen hatte. Gestern morgen stellte sich nun der Kassierer leichenblaß und äußerst katzenjämmerlich bei seinen Klubgenossen im Hotel wieder ein und bekannte, daß er in eine Gesellschaft sehr lustiger „Damen" geraten sei und das Geld dein Frohsinn geopfert habe. Schließlich half der Hotelwirt, welcher wohl sah, daß er es mit sonst respektablen Leuten zu thun hatte, aus der Verlegenheit. Er schoß den Herren eine Summe vor, welche genügte, daß sie noch einen Tag in Hamburg verleben, ihre Hotelrechnung bezahlen und auch die Rückreise nach Frankfurt antreten konnten. Infolge der gemachten
für die Fabrikanten so besonders günstigen argentinischen Marktes vsranlaßte die Direktion zu eifriger Bearbeitung der englischen Kolonien, was in den letzten Monaten zu ganz gutem Erfolg führte. Es sei zu hoffen, daß das neue Jahr sich den früheren ebenbürtig an die Seite stelle, vielleicht noch übertroffen werde. Die Finanzlage sei eine durchaus befriedigende, die Einnahmen ergaben einen Ueberschuß über die Ausgaben.
Reutlingen, 25. Mai. Pfingsteinnahme der Nebelhöhle. Trotz der nicht unbestrittenen schönen Witterung an Pfingsten, hatten die Gemeinden Oberhausen und Genkingen eine schöne Einnahme vom Besuch der Nebelhöhle. Es gingen im ganzen gegen 1400 ^ ein und verbleibt jeder Gemeinde nach Abzug der Unkosten der namhafte Betrag von über 500
Rottenburg, 27. Mai. In der letzten Brandnacht wurde hier mit Schustersnägeln am Gasthof zum Dreikönig ein Zettel angeschlagen, auf welchem die Drohung zu lesen ist, daß in der Nacht vom 7. auf 8. Juni der nächste Brand ausbrechen werde. Die Ueberzeugung, daß der letzte Brand verbrecherischer Weise gelegt wurde, ist hier allgemein und das Entsetzen groß. Der Gemeinderat hat in seiner heutigen Sitzung im Einverständnis mit dem Bürgerausschuß 1000 ^ auf Entdeckung des Verbrechers gesetzt. Dieser sehr anerkennenswerte Beschluß wird zur Beruhigung der Gemüter dienen. Möge es gelingen, des Thäters habhaft zu werden.
Gemmrigheim, 25. Mai. Vorgestern feierte die hiesige Papier- und Holzstofffabrik Rai- thelhuber-Bezner u. Cie. ihr 25jähriges Bestehen. Im Kriegsjahr 1866 aus einer Mahlmühle entstanden, ist das Geschäft unter manchen Ungtücksfällen und üblen Erfahrungen durch die Tüchtigkeit der Besitzer und Leiter zu seiner jetzigen Höhe gewachsen und als zuverlässig und leistungsfähig (200 Ztr. Papier täglich) allgemein anerkannt. Ein gemeinsames Mahl vereinigte die Herren und Beamten mit Familien und 154 Arbeiter im Papiersaal; der Vortrag der 25jährigen Geschäftsgeschichte, Reden und Gesänge und das Austeilen von Andenken und Geschenken an sämtliche Anwesende würzten das Mahl. Zum Schluß überraschten die Arbeiter ihre Herren noch mit einen: solennen Fackelzug und Musik. Die ganze Feier in ihrem warmen, gemütlichen Verlauf gab einen schönen Beweis der herzlichen Beziehungen und der Teilnahme von Person zu Person unter den Angehörigen des Geschäfts.
Steinhofen, 26. Mai. Als der Bierbrauereibesitzer Löffler zur Sonne letzten Sonntag Abend in sein Wohngemach kam, sah er sich um die Summe von 170 bestohlen. Der Verdacht lenkte sich sofort auf zwei Wanderbursche, welche am Tage in der Wirtschaft waren. Sofortige Nachfragen ergaben, daß beide Reisende — ein Württemberger und ein Bayer — Sonntag Vormittag in Hechingen im Gasthaus zum Adler emtrafen, daselbst ihre Bündel ablegten und sich hierher begaben, Abends wieder nach dorten zurückkehrten und mittelst Bahn nach Tübingen fuhren. Die polizeiliche Verfolgung wurde sofort eingeleitet, ohne bis jetzt Erfolg gehabt zu haben.
Nie dl in gen, 26. Mai. (Marktbericht.) Der gestrige erste Zuchtviehmarkt, wie der damit verbundene
Ihre Kleidung war so einfach als möglich. Sie trug ein graues Kleid, das bis zum Halse geschloffen war. Ein hellblaues schmales Sammtband, das die Stirne umrahmte und sich dann in der Lockenfülle verlor, und eine Schleife von derselben Farbe auf der Brust waren das Einzige, was einem Schmucke ähnlich sah.
„Verzeihen Sie, mein Fräulein", begann der Fürst, „ich habe eigentlich m-'t Ihrem Herrn Vater oder Ihrem Herrn Kousin eine Angelegenheit zu besprechen, aber Sie erlauben mir wohl, — daß ich zuvor der Freude Ausdruck gebe, eine Dame wiederzusehen, die — die —"
„Die es nicht vergessen hat, welchen Dienst Sie ihr einst geleistet haben, Herr Fürst", fiel sie lächelnd ein, als er stockte. Wie dies Lächeln ihre Züge verschönte! Das war das Lächeln des Kindes auf dem Bilde; jetzt freilich schien es nur wie ein flüchtiger Sonnenstrahl über diese sonst so ernsten Züge zu laufen, während man sich dies Gesichtchen des Porträts nicht ohne dieses Lächeln denken konnte.
Was war das! Er hatte all seine Sicherheit eingcbüßt, die er Flauen gegenüber, auch wenn ihm eine ungewöhnliche Schönheit entgegentrat, sonst nie verlor. War es der Vergleich zwischen dem Bilde und dem Originale, was seinen Geist beschäftigte, während sein Auge auf ihr ruhte? Oder erkannte er auf den ersten Blick, daß er hier einem weiblichen Wesen gegenüber stand, das grundverschieden war von jenen leichtfertigen, koketten und eroberungssüchtigen Frauen, denen er bisher in den Petersburger Salons begegnet war? Mehr als der sieghafte Eindruck ihrer Schönheit — denn er hatte schon in gefährlichere Augen gesehen — war es die Empfindung, daß bei diesem Mädchen die ganzbare Münze der Komplimente keinen Kurs habe, was ihn nicht gleich das rechte Wort finden ließ.
Sie lud ihn durch eine Handbewegung ein, Platz zu nehmen. „Wenn es Ihnen Freude gemacht hat", begann sie dann, „Diejenige wieder zu sehen, der Sie einst das Leben gerettet haben —"
„O mein Fräulein" — fiel er ein — „Sie überschätzen wohl den Dienst, den ich Ihnen zu leisten so glücklich war."
„Nicht doch, Herr Fürst. Man hat mir erzählt, in welcher Gefahr ich damals schwebte."
„Wenn es mir nicht vergönnt gewesen wäre, sie von Ihnen abzuwenden, ein Engel Gottes würde sich schützend vor Sie gestellt haben. Denn ich kann mir nicht vorstcllen, daß das Schicksal so brutal sein konnte, so viel Jugend und Schönheit unter die Hufe der Pferde zu werfen."
„Wenn ich Ihr Kompliment acceptiere, Herr Fürst", — sagte sie, und jenes Lächeln, das ihre Züge so verschönte, kehrte wieder für einen Augenblick auf ihr Lippen zurück — „sagt nicht ein deutscher Dichter, daß dies das Loos des Schönen auf der Erde ist?"
„Wenn Sie lächeln" — meinte er, ohne ihre letzten Wdrte zu beachten — „wie sehr gleichen Sie dann jenem Bilde dort!"
„Es ist vor drei Jahren gemalt."
„Sie waren damals fünfzehn Jahre alt?"
„Sechzehn. Und denken Sie nur, ein Verwandter von uns hat es gemalt."
„Ihr Vetter Stephan Goluboff?"
„O nein. Der kennt nur seine Börse und seine Geschäfte. Wie sollte er dam kommen, den Pinsel zu führen? Nein, ein Bruder meiner Mutter, der gute Onkel Wladimir Sergejitsch. Er lebt meist im Auslande, mit seinen Liebhabereien beschäftigt. Und dazu gehört das Malen."
„Das Bild ist recht gut gemalt."
„Es Kar mir damals sehr ähnlich."
„Auch jetzt noch."
„Meinen Sie?"
„Nur scheinen Sie damals — wie soll ich sagen — fröhlicher gewesen zu sein."'
Fortsetzung folgt.