Erjcheinl an levem Wetk zag. Bestellungen nehmen sämtliche Püstanstaltes -nid Postboten entgegen

Anzeigen finden weiteste Verbreitung und find da­her oon bestem Erfolg

Preis vierteljährlich hier mit Trägerlohn M, 8., ckin Bezirks- und 10-Kilo­meter-Verkehr M, IM, in, iibrigen Württemberg M. 3.70,

Moiiats-Abonnemenis nach Verhältnis

Amts- und Anzelgeblalk für den Sberamlsbezirk Angeld

Gegründet 182S Aernsprecher 26

Anzeigen-Gebühr für di- einspaltige Zeile aus ae wöhnlicher Echrist odei deren Raum bei einmali­ger Einrückung 20 Psg.. bei mehrmaliger, Rabatt nach Taris. Bel gerichtl. Beitreibung u. Konkursen ist der Rabatt hlnfällia

Verbreitetste Zeitung im Oberamtsbezirk

Telegramm-Adresse Gesellschafter Nagold Postscheckkonto : Stuttgart 5113

Nr. 268

^ .

Erntedankfest.

Sind wir in der rechten Stimmung, Danksest zu feiern? Man sollte es meinen, wenn inan den Ertrag des Jahres überschlägt von der ersten Halmfrucht bis zum reichen Obst­und Traubensegen; wenn man die Flut von warmem Sonnenschein erinnernd noch einmal nachempfindet, die in diesen» Sommer segnend über unsere Fluren niederging. Und doch und doch will's keinen rechten' Hellen Ton der Freude geben. Warum nicht?

Vor 2700 Jahren war's. Da iah ein frommer Hirte, der auf dem Gebirge Juda seine Herde weidete, ein seltsames Gesicht in der Herbstzeit.Was siehest du, Arnvs? Ich antwortete: Einen Korb mir reifen Herbstfriichten. Da sprach Jahve zu mir: Ja, reif ist mein Volk Israel. Es kommt der Herbst über meir» Volk und ich will ihn» nicht länger verzeihen". Und der Hirte gehr hin und stört das Volk bei seinem Herbstdankfest mit den: Klang der Totenklage, mit lauter Anklage :Hört dies, die ihr die Armen zertretet, die Niederen im Lande bedrückt! Die ihr das Maß verkleinert und den Preis steigert und die Wage fälscht, die ihr den Armen pfändet um ein Paar Schuhe und Spreu für Korn verkauft. Ich will eure Feiertage in Trauern und alle eure Lieder in Wehklagen verwandeln". Das Gewissen des Vol­kes war in der Stimme des Propheten erwacht. Da war es geschehen um die harmlose Dankfeststimmung.

Zum Dankfestfeiern gehört ein gutes Gewissen. Ein schlecht Gewissen ist ein unfroher Festgast, ein böser Spiel­verderber. Davon wissen »vir heute ein Lied zu singen, gleichviel ob wir Erzeuger oder Verbraucher, Käufer oder Verkäufer sind. Uns allen droht sich der Segen in Fluch zu verwandeln. Sind wir wohl versorgt, sind wir's nicht aus Kosten der andern? Haben »vir Ueberfluß, leidet nicht dafür ein anderer Not? Dürfen »vir uns im Blick aufs Ganze eines guten Jahrgangs freuen, ivas haben wir in diesem Jahr eingebüßt an Treu und Glauben, an Red­lichkeit und Rechtlichkeit? Drum steht im Vaterunser neben der Bitte ums tägliche Brot die andere: vergib uns unsere Schuld. Drum können wir uns zumal heute kein Dankfest denken ohne den'ernsten Unterton :Wir sind der keines wert, haben's auch nicht verdient." Dmnit stehen wir aber auf dem rechten Boden christlicher Dankfestfreude. Wir leben von Gottes Gnade. Die Treue, mit der auch in unseren Tagen die Scholle ihren Ertrag bringt, der Himmel Regen und Sonnenschein spendet, wird uns zum beschämenden Sinn­bild jener ewigen, schenkenden Güte, die nicht nach der Würdigkeit der Nehmenden fragt:Er läßt seine Sonne scheinen über die Bösen und über die Guten und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte."

Aber diese beschämende Güte inuß sich in uns umsetzen in den Drang, nun das, was uns beschert ist, so zu braucheu, daß Gottes Augen dabei auf uns schauen dürfen. Wer den Erntesegen wirklich verstanden hat als Gottessegen, den wir nicht verdient haben, der sollte einfach nicht mehr wuchern und Hamstern, schieben und übervorteilen können. Oder soll alles beim Alten bleiben, Jahr um Jahr, oder vielmehr immer schlimmer »verden? Wahrhaftig, dann »väre es Zeit, auch unserem deutschen Volk am Erntefest die Totenklage anzustimmen.

Wochenrundschau.

Der Gedenktag der russischen Revolution ain 7. Nov. ist ebenso ruhig verlaufen ivie der der deutschen vom 9. Nov. Selbst der Generalstreik der Metallarbeiter, mit dem man die Masten auf die Straße Hetzen wollte, ist gescheitert. Bei uns haben sogar die Unabhängigen gegen den Ausstand gestimmt. Weil aber die Kommunisten iveiter drohten, wurde ein Ver­bot von öffentlichen Umzügen und Demonstrationen erlassen. Das hat aber weder in Balingen noch in Backnang verhin­dern können, daß man sich über Gesetz und Verordnung hin­wegsetzte. Es waren zwar sozialdemokratische Minister, die es verfügt hatten, aber im neuen Staat kommt bekanntlich alle Gewalt und alles Recht aus den» Volk; »venu also das Volk" anders will als die Regierung, so haben die Behör­den nicht der Regierung, sondern dem Volk zu gehorchen. Bei uns herrscht Ordnung! Darum blüht auch das Geschäft der Schieber und Wucherer so ausgezeichnet. Man braucht bloß eine Zeitung aus Heilbronn in die Hand zu nehmen, um daraus zu schließen, wie es erst in Stuttgart zugehen mag, wo man freilich bis jetzt nur die kleinen Spitzbuben hängt; jedenfalls erfährt man von den großen einstweilen nichts. Eine gute Tat hat der neue Arbeitsminister Leipart geleistet, als er für das Handwerk vorläufig die elf- stündige Arbeitszeit zuließ. Reichlich spät kommt das Er­nährungsministerium mit seinen Hilfsmaßnahmen für die Bergung der noch im Boden befindlichen Kartoffeln. Da aber der Ernährungsminister Graf erst kurze Zeit im Amte ist, trifft die Verantwortung seinen Vorgänger Bau­mann.

Am allerwenigsten paßt es uns, daß wir auch noch in unseren religiösen Gütern bedroht werden. Der Bi­schof von Rottenburg hat, wie unlängst auch der Erz­bischof von München, diesen Auswüchsen der Revolution Fehde angelagt, am schärfsten in Mergentheim, -wo er eine

Samstag den 15. November 1919

friedliche Gegenrevolution ankündigte, gegen alle jene ver­derblichen Brächte, die unser Vaterland aus den» Unglück nicht inehr herauskommen lasse»», und ivo er es der Revolution zuschrieb, daß das große nationale Unglück, das unser Vater­land betroffen hat, vollends zum Unheil geivorden ist. Der Münchener Erzbischof Dr. Faulhaber hat erklärt, Gewissensrecht breche Staatsrecht, Elternrecht sei stärker als Schulrecht. Auch das geistliche Oberhaupt der Rottenburger Diözese hat einen Riegel vorgeschoben, indem' er sagte, die Katholiken würden auch die heutige Obrigkeit nicht stürzen, würden den Gesetzen gehorchen, aber nur soweit es ihr Gewissen erlaubt. Das soll ein Wort sein! Es gilt auch für die nichtkatholischeu Christen in» Lande, die es ein­mütig ablehnen, die Staatsautorität zur Untergrabung des Christentums gebrauchen zu lassen.

Das Oberhaupt des Freistaats Bayern, der sozial­demokratische ehinalige Volksschullehrer Hoffman»», hat in einer öffentlichen Rede geäußert, die bürgerliche Gesellschaft habe bis zur Revolution einem blödsinnigen einfältigen Monarchen gehuldigt. Mai» vergleiche damit einmal die Art, wie Helfferich vor dem Untersuchungsausschuß des Reichstags den Friedenswillen des Kaisers bezeugte. Ueberhaupt dieser Untersuchungsausschuß! Die Angeklagten oder Zeugen sind läiigst zi» Klägern, die Parteibonzen in ihrein Richteramte zu Angeklagten geworden. Selbst der sozialdemokratische preußische Minister des Innern, Wolfgang Heine, spricht mit unverhohlener Verachtung von dieser Un- tersuchungskomödie, bei der inan die Männer unter Eid zwingt, Aussagen zu machen, die sie womöglich demnächst vor einen Staatsgerichtshof bringen sollen.

Unsere Valuta steht außerordentlich schlecht, denn die Mark gilt in der Schweiz noch 15 statt 123 Rappen. Nun soll eine Sparpr ä-m ienanleihe unseren Finanzen wie­der aufhelfen. Wir wünschen ihr besten Erfolg und hoffen, daß jeder, der es sich leisten kann, zeichnet. Ohne die Bei­gabe der Lotteriegervinnste wäre uns die Anleihe lieber ge­wesen; da aber Spielen und Tanzen jetzt die Hauptsache sind, wird die vor» Herrn Dr. Bernstein erfundene Anleihe ihren Zweck schon erfüllen. Ein Reichsmilchamt soll uns über die Milchnot hinweghelfeu. Das Reichskolonialministerium ist derweilen samt den Kolonien in der Versenkung verschwun­den. Eine Brüsseler Gazette aber hat geschrieben, man brauche sich um die große Kindersterblichkeit in Deutsch­land nicht zu kümmern; die starke Bevölkerung Deutschlands sei eine Gefahr. Das ist der Geist mit dem auch Frankreich uns immer noch unsere Gefangenen vvrenthält, mit dem man unseren alten Generalfeldmarschall Mackensen in Saloniki bis jetzt einsperrte und ihn nun entläßt, weil man befürchtet, der alte Herr könnte sonst die Freiheit über­haupt nicht mehr erleben. Ob er wohl nun auch vor den Untersuchungsausschuß nach Berlin geschleift wird?

Die Gemeindewahlen in Oberschlesien haben den Mehr- heitssozialisten 70°/» ihrer Stimmen gekostet. Gleichwohl will die Entente sie für ungültig erklären, weil sie noch nicht pol­nisch genug ausgefallen sind. Das russische Abenteuer macht den Heeren in Paris und London schweres Kopfweh. Der Bolschewismus ist militärisch Sieger, Petersburg außer Ge­fahr, Moskau ii» Sicherheit und selbst die Herrlichkeit des Admirals Koltschak in Sibirien vor dein Zusammenbruch. Das hindert aber Herrn und Frau Poincare nicht, in Eng­land König und Königin auf Besuch zu spielen. Früher fuhr man nach Rußland, jetzt nach England. Einst schwelgte man im Haß, jetzt im Hohn gegen Deutschland. Vielleicht ist es gilt so; ivir vergessen dann über dem sagenhaften Völkerbund nicht, ivo unser Erbfeind sitzt.

Tages-Neuigkeiten.

Nachforschung nach Kriegsgefangenen.

Angehörige von deutschen Kriegsgefangenen, die aus amerikanischer Gefangenschaft (von französischem Boden) italienischer oder belgischer Gefangenschaft noch nicht zurück­gekehrt sind, oon denen aber mit Bestimmtheit angenommen wird, daß sie noch am Leben und nicht freiwillig in den feindlichen Staaten verblieben sind, werden gebeten, folgende Angaben an das Kriegsministerium (Abwicklung U. 7 bis 5 E. Schutzenstraße 63) zu übersenden, damit Nachforschungen an­gestellt werden können: Personalien, Regiment, Datum der Gefangenschaft, letzter Aufenthaltsort und letzte Nachricht.

Hindenburg trägt alle Verantwortung.

Wie der Berliner Vertreter der München-Augsburger Abendzeitung meldet, hat Hindenburg einem Freunde gegen­über geäußert, er verstehe die bei der Ludendorffhetze zu Tage getretene Beurteilung des Generals schon deshalb nicht weil nicht Ludendorff, sondern er selbst bald ganz allein die ganze Verantwortung für die militärischen Entscheidungen getragen habe. Er könne nur sagen, daß nicht eine einzige Entscheidung, wenn er sie unter gleichen Verhältnissen noch­mals zu fällen hätte, anders ausfallei» würde, als sie tat­sächlich ausgefallen sei. Gewiß sei der Krieg schwer gewesen, Er wäre dennoch bei Anspannung aller Kräfte zu einem günstigen Ende zu führen gewesen. Weshalb er schließlich verloren ging, werde die Geschichte einwandfrei feststellen. Ueber die Zukunft Deutschlands wolle er sich nicht aussprechen. Er glaube aber, daß Deutschland trotz allem wieder empor-

93. Jahrgang

kommen werde. Wenn die Selbstzerfleischung aufhöre, wenn Arbeit und Ordnung, wenn nationales Empfinden wieder­kehrten, dann wiirden mir uns von der Katastrophe erholen.

Getäuschte Hoffnungen.

Berlin, 13. 'Nov. Die Reichszentrale für Kriegs- und Zivilgefangene teilt mit: Die in einigen Zeitungen veröf­fentliche Nachricht, daß ein Zug mit Kriegsgefangenen aus Frankreich am II. November in Essen eingetroffen ist und iveitere Transporte unterwegs seien, trifft nicht zu. Auch die Havasmeldung, wonach eil» Transport deutscher Gefange­ner aus Japan angekommen sein soll, hat sich nicht bestätigt. Den Angehörigen wird wiederholt angeraten, bezüglich der Gefangenen-Heimkehr nur amtlichen Mitteilungen Glauben zu schenken, für deren rechtzeitige Veröffentlichung Sorge ge­tragen ist.

Amerika und Deutschland.

Radio meldet aus Anapvlis, daß der frühere ameri­kanische Botschafter in Berlin, Gerard und Otto Kahn in Newyork bei einein Essen des Rates für Auswärtige Ange­legenheiten Reden hielten, in denen sie dafür eintraten, daß Amerika Deutschland bei seinem Wiederaufbau behilflich sei m»d baldigst die Handelsbeziehungen zu Deutschland wieder ausgenommen werden sollten.

Bergarbeiterheimstätten.

Um der Wohnungsnot in den Bergbaugebielen zu steuern und die Kohlenförderung zu heben, ist, wie derVor­wärts" schreibt, die schleunige Errichtung von etwa 100000 Bergarbeiterheimstätten geplant. Die Steigerung der Pro­duktion bei einer so starken Vermehrung der Bergarbeiter­belegschaften dürfe man auf 30 Millionen Tonnen Kohlen veranschlagen.

Zur deutschen Valutakrise.

DieNeue Züricher Zeitung" stellt angesichts der Kurs­schwankungen der letztem Tage fest, daß di« deutsche Valuta­krise zweifellos in ein akutes Stadium getreten sei. Das Blatt erklärt, der heutige bejammernswerte Stand der Mark­valuta hänge zum Teil auch mit einer falschen Beurteilung der wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten in Deutsch­land zusammen und fährt dann - fort: Die Gestaltung der Markvaluta sollte den maßgebenden Wirtschaftspolitikern der Entente endlich die Augen öffnen. Frankreich, welches in» Laufe der nächsten Jahre gewisse Beträge von Deutschland zu empfangen hat, sollte also in erster Linie auf eine Besse­rung der Verhältnisse hinarbeiten. Dies kann geschehen durch Akttonen, die außerhalb des Bereiches Deutschlands liegen, so namentlich durch Einräumung von Valutakrediten, vor allein von Seiten Amerikas, ferner durch die Verstopfung des Loches im Westen. Die Zeit wäre wahrhaft gekommen, daß die Regierungen aller Länder endlich den Finanzleuten das Wort erteilten, die eine Währungskonferenz einberufen sollten, die das selten schwierige Problem und den gesamten Fragenkomplex der Zahlungsbilanz lösen müßte, wenn nicht die Gefahr des Zusammenbruchs des Weltkredits mit jedem Tag näher rücken soll.

Kleine Nachrichten.

Berlin, k3. Nov. Wie dieDeutsche Allg. Zeitung" aus den» Reichsverkehrsministerium erfährt, ist eine Verlängerung der Personenverkehrssperre iiber den anfangs in Aussicht ge­nommenen Termin hinaus nicht zu erwarten. Man ist all­gemein der Auffassung, daß sie auch der Bevölkerung aus wirtschaftlicher. Gründen nicht zugemutet rverden kann. ' Das Blatt hört weiter, daß die günstige Wirkung der Verkehrs sperre nicht ausgeblieben ist. Man müsse sie dahin zusani- menfassen, daß die ungünstige Wirkung des Wetters durch die günstige Wirkung der Personenverkehrssperre zum min­desten ausgeglichen worden sei. Trotzdem dürfe mar» sich nicht darüber täuschen, daß die Verkehrsfrage und die Frage der Kohlentransporte noch immer schwierig bleiben.

Berlin, 13. Nov. Das Heeresverordnungsblatt bringt einen Erlaß des Reichswehrministers, der die im Baltikum verbliebenen, namentlich aufgeführten Formationen als aus dem Verband des deutschen Heeres ausgeschieden bezeichnet und die Dienststellen und Behörden anweist, keinerlei Anfor­derungen dieser Truppen auszuführen.

Berlin, 13. Nov. Nach einer der Waffenstillstandskom­mission in Düsseldorf zugegangenen Benachrichtigung hat General Foch angeordnet, daß die Heimführung des Feld­marschall Mackensen sofort in die Wege geleitet werden soll. Der Leiter der alliierten Waffenstillstandskommission in Düsseldorf, General Nudant, ist gebeten worden, darauf hin­zuwirken, daß der Feldmarschall auf kürzestem Wege, d. h. eventuell über einen italienischen Hafen, nach der Heimat zu- rückgeführt iverden möchte. General Nudant hat versprochen, sich in diesem Sinne bei dem Marschall Foch einzusetzen.

Berlin, 13. Nov. In einer Fraktionssitzung der sozial­demokratischen Abgeordneten der preußischen Landesversamm­lung stellte Minister des Innern Heine in Erörterung seiner Dessauer Rede fest, daß die Presseberichte über seine Angriffe auf Erzberger übertrieben gewesen seien. Er habe sich mit dem Reichsfinanzminister, mit dem er befreundet sei, bereis darüber ausgesprochen. Er stimme allerdings mit der Zen­tralisierung des Finanzwesens, durch das Reich nicht völlig